Protokoll der Sitzung vom 05.10.2010

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion ist der Auffassung, dass wir mit dem Nachtragshaushalt 2010 und den Änderungsanträgen, die die Fraktionen von CDU und FDP jetzt eingebracht haben, auf dem richtigen Weg sind, die Schuldenbremse spätestens 2020 tatsächlich zu erreichen. Der Nachtragshaushalt bietet hierfür die entsprechenden Zahlen.

In den Beratungen im Haushaltsausschuss zum Haushaltsplan 2011 sind wir schon fortgeschritten.

Dort sehen wir, dass wir, nachdem die Wirtschaftskrise überwunden ist, wieder eingestiegen sind, um dieses Defizit Schritt für Schritt zu reduzieren. Wir sind hier also voll im Plan. - So weit zum ersten Punkt.

Der zweite Punkt: Wir sind mit dem Nachtragshaushalt 2010 und übrigens auch mit dem Haushalt 2009 gut durch die Krise gekommen. Wir haben es geschafft, dass wir in den wirtschaftlichen Zahlen überdurchschnittlich dastehen. Darauf ist der Kollege Hilbers schon eingegangen.

Nun hat Frau Geuter kritisiert, dass wir für das ÖPP-Projekt in unserem Änderungsantrag eine Verpflichtungsermächtigung eingesetzt haben, um diese Modellmaßnahme langfristig abzusichern.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Zusätz- lich!)

Ich kann mich nur dem anschließen, was der Kollege Hilbers dazu gesagt hat. Wir haben dazu umfangreiche Unterlagen bekommen. Auch führende Mitglieder Ihrer Partei haben ja schon festgestellt - ich glaube, es war Helmut Schmidt -, dass Prognosen immer das Problem haben, dass sie die Zukunft betreffen. - Natürlich gibt es hier auch Stellschrauben, deren Größe wir heute nicht abschließend bestimmen können; das ist doch völlig klar. Aber die Prognose besagt, dass wir einen Wirtschaftlichkeitsvorteil von 4 % haben. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Der Landesrechnungshof hat das im Gegensatz zu Ihnen zu Kenntnis genommen und hat auch unterstrichen, dass es sich hierbei um ein Projekt mit Modellcharakter handelt, weshalb es sinnvoll ist, es weiter voranzubringen.

Wir, CDU und FDP - und auch der Finanzminister Hartmut Möllring -, haben immer darauf hingewiesen, dass wir die Haushalte 2009 und 2010 als Einheit begreifen müssen, weil die wirtschaftliche Situation so unsicher ist. Das haben Wirtschaftsforschungsinstitute damals bestätigt, und das bestätigen sie immer noch. Wir können aber heute festhalten, dass wir im Prognosekorridor liegen, dass unsere Haushaltszahlen im Plan sind.

Die Kollegin Geuter hat auch das Thema der allgemeinen Rücklage kritisch angesprochen. Rücklagen zu bilden, ist seit Jahrzehnten Praxis in unserem Land und gehört zu einer vernünftigen Haushaltspolitik. Da müssen Sie nur den Kollegen Aller fragen, der das zu seiner Zeit als Finanzminister auch gemacht hat.

Zum Thema Verfassungswidrigkeit: Wenn Sie fast ein Jahr brauchen, um Ihre Normenkontrollklage vorzubereiten, zeigt das schon, wie wenig Substanz letztlich dahinter steht. Ihre Aussage zur Verfassungswidrigkeit des Haushalts muss sich erst noch vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg beweisen.

Meine Damen und Herren, wir werben darum, dass hier heute ein breites Votum für die Verabschiedung des Nachtragshaushaltes 2010 zustande kommt. Wir freuen uns darauf, dass wir die Haushaltsplanberatungen für 2011 dann mit voller Konzentration fortsetzen können. Da steht uns noch viel Arbeit bevor, und auch für den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung haben wir noch viel Arbeit vor uns.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nächster Redner ist Herr Kollege Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte sehr, Herr Klein!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dreh- und Angelpunkt dieses Nachtragshaushalts sind die 386 Millionen Euro Minderausgaben bei den Zinsen. Das bedeutet, dass an dieser Stelle ursprünglich über 20 % mehr Mittel veranschlagt worden sind, als eigentlich benötigt werden. Das heißt, dieser Ansatz ist objektiv ein Fünftel von der Haushaltswahrheit entfernt. Nachdem die Zinsentwicklung in den letzten Jahren dem Finanzminister wiederholt solche Hauptgewinne beschert hat, ist es schon erstaunlich, dass sich das Ministerium immer noch so stark verschätzen kann.

Ich will das jetzt aber nicht bewerten, sondern fragen, was mit dem Geld passiert, das man eingespart hat. Werden etwa weniger Schulden gemacht? - Nein, natürlich nicht. Wo kämen wir denn da hin, wenn wir auf die Aufnahme genehmigter Schulden verzichten würden? Lieber werden 2010 geplante Vermögenseinsätze wie z. B. das Stammkapital der NORD/LB oder Einnahmen aus dem Liegenschafts- und Agrarstrukturfonds nach 2011 verschoben. Damit geht die Trickserei weiter, die mit dem dritten Nachtragshaushalt 2009 begonnen hat und die die verfassungswidrige Neuverschuldung eingeleitet hat.

Interessant ist, was nicht passiert. Es erfolgt keine Korrektur der Verstöße gegen die Verfassung im Haushaltsplan 2010.

(Christian Grascha [FDP]: Es gibt auch keine!)

Es bleibt bei dem Verstoß gegen Artikel 71 der Niedersächsischen Verfassung. Weiterhin erfolgt keine Darlegung, wie mit den Schulden, die die Eigeninvestitionen überschreiten, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wieder hergestellt werden soll. Es bleibt beim Verstoß gegen Haushaltswahrheit und -klarheit durch den Einsatz von Rücklagen, die aus nichts anderem bestehen als aus nicht ausgeschöpften Kreditermächtigungen. Und es bleibt beim Verstoß gegen den Grundsatz der Jährlichkeit durch die Nichtveranschlagung der Erstattung von Umsatzsteueranteilen an den Bund im Haushaltsjahr 2010.

Nun könnte man natürlich sagen, die Landesregierung will mit den Verschiebungen im Nachtrag das Vermögen des niedersächsischen Steuerzahlers schonen. Aber mitnichten, meine Damen und Herren! Für 2011 ist dann der Räumungsverkauf angesagt: Alles muss raus, damit man sich bis zur nächsten Landtagswahl vor den längst erforderlichen strukturellen Veränderungen und Einsparungen drücken kann. Schließlich will man in den nächsten zwei Jahren niemandem ernsthaft wehtun. Das könnte die Negativperformance, die von der einseitigen schwarz-gelben Klientelpolitik in Berlin ausgeht - Sie erinnern sich: Hotelbesitzer, Steuerberater, Pharmaindustrie, Energieverschwender und Atomströmer -, auch in Niedersachsen verstärken.

Mein Fazit ist: Dieser MP denkt überhaupt nicht daran, wie er die Schulden bis 2020 in den Griff bekommt, sondern er denkt nur daran, wie er Anfang 2013 das Schicksal von Sigmar Gabriel vermeiden kann.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Dr. Sohn für die Fraktion DIE LINKE. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hilbers, das hier habe ich Ihnen mitgebracht.

(Der Redner zeigt mehrere gebunde- ne Unterlagen)

- Diese Unterlagen betreffen Bremervörde.

Die Landesregierung hat ja den Slogan „X-Land Nummer eins“ inflationiert. Wir sind das Windland Nummer eins, das Atommüllland Nummer eins, das Putenmastland Nummer eins. Aber man muss neidlos anerkennen: Herrn Möllring und - Ehre, wem Ehre gebührt - wahrscheinlich vor allen Dingen Herrn Ellerbrock ist das Kunststück gelungen, dass wir ohne Zweifel erster Anwärter auf den Titel für das kreative Haushaltsführungs- und Buchungsvirtuositätsland Nummer eins sind, abgekürzt KHBV-Land Nummer eins.

(Beifall bei der LINKEN)

Das kann man sicherlich nicht in Abrede stellen.

(Jens Nacke [CDU]: Das ist ja zum Totlachen! Selten so einen Kalauer gehört!)

Frau Geuter und Herr Klein haben eben deutlich gemacht - der Kern dieser ganzen Verschieberei ist ja relativ simpel -: Die eingesparten Zinszahlungen werden nach vorne gebucht, damit man um jeden Preis den Haushaushaltsplan 2011 mit einer Neuverschuldung von unter 2 Milliarden Euro in der Optik aufstellen kann. Das ist der Kern. Das nützt Ihnen aber gar nichts, Herr Möllring: Sie sind und bleiben Niedersachsens Schuldenminister Nummer eins!

(Beifall bei der LINKEN)

Der eigentliche Skandal dieses Nachtragshaushalts liegt aber woanders. Das ist mehrfach angeklungen. Wir werden das unter TOP 25 - Bremervörde - und TOP 33 - Lüneburg - noch detaillierter behandeln. Inhaltlich werden wir also später darauf eingehen.

Die haushaltsmäßigen Auswirkungen reichen aber eben in diesen Nachtragshaushalt. Da passiert dann Folgendes: Einen Tag vor der abschließenden Haushaltsausschusssitzung wird zum Antrag der Landesregierung der Antrag von CDU und FDP nachgereicht, bitte noch einmal einen Nachschlag von 24,5 Millionen Euro für Bremervörde vorzusehen, und zwar mit der Begründung, die bisherige VE sei nicht auskömmlich, die bisherigen mehr als 200 Millionen Euro reichten nicht aus. Es werden also weitere 24,5 Millionen Euro benötigt.

Dann gab es am 1. September im Haushaltsausschuss eine denkwürdige Sitzung.

(Jens Nacke [CDU]: Den Finger run- ter!)

- Wo ich meinen Finger lasse, Herr Nacke, geht Sie gar nichts an!

(Zustimmung bei der LINKEN - Jens Nacke [CDU]: Das sieht aber albern aus!)

Da gab es nämlich eine halbstündige Debatte um die Vertraulichkeit, und zwar wegen der Vertragsunterlagen. Herr Hilbers, aus denen darf ich deshalb nicht zitieren. Ich kann hier aber aus dem Gedächtnis sagen: Da haben wir über Posten diskutiert, die bis in den Juni 2035 laufen und die bis auf den Euro genau ausweisen, welche Beträge für die Verpflegung von Gefangenen veranschlagt werden müssen. So etwas steht da nämlich drin.

(Heinz Rolfes [CDU]: Wenn Frau Geu- ter danach fragt!)

Wir haben uns das sehr genau angeschaut. Aber im Einzelnen sind diese Verträge dann so geheim, dass dieses Parlament sie nicht sehen darf, sie noch nicht einmal offiziell zur Kenntnis nehmen darf. Die Verträge, die dahinter stehen, kennt bislang niemand von uns, die kennt nur die Regierung - wenn überhaupt. Wahrscheinlich handelt es sich um ziemliche Berge. Das ist der eigentliche Skandal dieses Nachtragshaushalts.

(Beifall bei der LINKEN)

Er beinhaltet also eine zweifache Zäsur. Der Nachschuss für Bremervörde und dieses PPPProjekt sind ein Schuss gegen die Rechte dieses Parlaments und belastet dauerhaft künftige Parlamente. Wenn das Schule macht, werden Haushaltsberatungen künftiger Parlamente in Niedersachsen immer mehr zur Farce. Auch deshalb lehnen wir diesen Nachtragshaushalt entschieden ab.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratungen angelangt; denn weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Bevor wir mit der Einzelberatung beginnen, möchte ich darauf hinweisen, dass die Landtagsverwaltung in Abstimmung mit dem Finanzministerium die auf

der Grundlage der Beschlussempfehlung in der Drs. 16/2888 zu den Einzelplänen errechneten Ergebnisse - die entsprechende Beschlussfassung voraussetzend - bereits als Fassung der zweiten Beratung in der Drs. 16/2905 an Sie verteilt hat. Auf diese Weise können wir nach der Einzelberatung sogleich zur Schlussabstimmung kommen.

Wir stimmen jetzt zunächst über die empfohlenen Änderungen zu den Einzelplänen 02, 05, 11, 13 und 15 ab. Da dazu keine Änderungsanträge vorliegen, halte ich das Haus für damit einverstanden, dass ich über die Beschlussempfehlungen des Ausschusses zu allen Einzelplänen insgesamt abstimmen lasse.

Wer also der Beschlussempfehlung des Ausschusses hinsichtlich der Änderungen zu den Einzelplänen 02, 05, 11, 13 und 15 zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen worden.