Protokoll der Sitzung vom 05.10.2010

Ich glaube, dieser Antrag ist ein bisschen der Wurf hinter den fahrenden Zug, um am Ende sagen zu können: Wir als SPD mussten euch ja drängen. - In Wahrheit - das wissen Sie auch, Herr Bachmann - war dieser Gesetzentwurf nicht wirklich notwendig. Aber es sei Ihnen gegönnt, dass Sie mal wieder Gelegenheit hatten, hier im Plenum zu reden.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nächster Redner ist für die FDP-Fraktion Herr Oetjen. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Direkt nach dem Kollegen Wiese zu reden, ermöglicht mir, auf viele seiner Vorbemerkungen zu verweisen. Dabei möchte ich dem Herrn Kollegen Bachmann gerne eingestehen, dass ich mich wahrscheinlich noch nicht so oft mit dem Rettungsdienstgesetz auseinandergesetzt habe wie er.

Ich bin nicht sicher, ob uns die vorgeschlagene Regelung im vorliegenden Gesetzentwurf wirklich zu dem Ziel bringt, das wir erreichen wollen. Ich habe konkret die Befürchtung, dass wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf privaten Wettbewerbern die Möglichkeit entziehen, im Rettungsdienst mitzumachen, selbst wenn sie vor Ort gut eingebunden und gut aufgestellt sind.

Nach unserer Rechtsauffassung ist es schon heute möglich, die Ortsnähe und die von Ihnen angesprochenen Kriterien im Rahmen einer Ausschreibung mit zu berücksichtigen. Es besteht also die Möglichkeit, aber keine Pflicht.

Tatsächlich sind viele private Rettungsdienstbetreiber, obwohl sie vor Ort qualitativ gut aufgestellt sind und über entsprechende Kapazitäten

verfügen, in den Katastrophenschutz nicht eingebunden. Ich befürchte, Ihr Gesetzentwurf würde dazu führen, dass sie bei Ausschreibungen für den Bereich des Rettungsdienstes völlig herausfallen, weil ihre Leistungsfähigkeit im Katastrophenschutz nicht anerkannt ist und sie sie nicht darstellen können. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn das Ihr Ziel ist, dann sind wir da nicht einer Meinung. Das sage ich sehr deutlich.

Kollege Oetjen, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Bachmann?

Er kann sich gleich noch einmal zu Wort melden. Er hat bestimmt genug Zeit.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Es geht nur um eine Frage!)

Das Ziel ist es, die Privaten nicht komplett auszuschließen, aber natürlich die bewährten Strukturen vor Ort zu berücksichtigen. Ich glaube, dass das schon mit der heutigen Rechtslage möglich ist. Wir können das im Innenausschuss aber ganz offen und wertneutral diskutieren und werden dann sicherlich zu einem guten Ergebnis kommen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Bachmann möchte die Gelegenheit zur Kurzintervention nutzen. Sie haben anderthalb Minuten. Bitte!

(Reinhold Coenen [CDU]: Hat er zu Hause nichts zu sagen?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Oetjen, das wird vielleicht für die Beratungen im Innenausschuss hilfreich sein, aber es ist auch jetzt schon hilfreich, um die von Ihnen aufgeworfene Frage, ob das ernsthaft weiterhilft, zu beantworten:

In der Entscheidung des EuGH vom 29. April 2010 steht ausdrücklich, dass es angemessen und gerechtfertigt sein kann, in die Vergabekriterien über die wirtschaftliche Erbringung des eigentlichen Rettungsdienstes hinaus auch die Mitwirkung im Katastrophenschutz oder die Zahl vor Ort ansässi

ger, gegebenenfalls ehrenamtlicher Helfer einzubeziehen.

Eine bessere Einladung, das gesetzlich zu regeln, konnte der EuGH uns doch nicht geben!

(Zustimmung bei der SPD)

Es antwortet Herr Oetjen.

Herr Kollege, das entscheidende Wort ist hier das Wort „kann“. Es ist eben nicht vorgeschrieben, das so zu regeln, sondern man kann es so regeln.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Dann machen wir es doch!)

Ich sage hier sehr deutlich, dass es im Einzelfall auch einmal nicht sinnvoll sein kann. Wir müssten uns vielleicht auch darüber unterhalten, wie wir private Rettungsdienstbetreiber besser in den Katastrophenschutz einbinden können, um die Leistungsfähigkeit dieser Unternehmen besser nutzen zu können. Aber lassen Sie uns darüber im Innenausschuss diskutieren!

(Zustimmung bei der FDP)

Herr Minister Schünemann hat um das Wort gebeten. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Briese, ich hoffe, Sie entschuldigen, dass ich mich direkt dazu gemeldet habe, weil das an dieser Stelle passt.

Herr Bachmann, wir sind uns in der Zielsetzung durchaus einig; das ist überhaupt keine Frage. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das Urteil zitiert haben.

Aber Sie haben nicht nur den Tenor dieses Urteils in den Gesetzentwurf geschrieben, sondern noch etwas dazugesetzt. Das ist das Problem. Sie haben nämlich geschrieben:

„Bei der Auswahl des Beauftragten ist dessen Zuverlässigkeit bei der bisherigen Mitwirkung im Rettungsdienst und im Katastrophenschutz … zu berücksichtigen.“

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das ist in Sachsen-Anhalt Gesetz!)

Genau das sind die gewachsenen Strukturen durch die Hintertür. Das ist europarechtlich nicht möglich.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Genau so ist es!)

Genau das ist der Punkt. Wenn Sie das Wort „bisherigen“ streichen, können wir uns sehr schnell einigen.

Ich habe dem Bundeswirtschaftsminister, der für das Vergaberecht zuständig ist, gerade einen Brief geschrieben, übrigens zusammen und in Abstimmung mit dem niedersächsischen Wirtschaftsminister, Herrn Bode. Denn auch wir sind der Auffassung, dass bei der Ausschreibung von Rettungsdienstleistungen die Mitwirkung der Leistungserbringer beim Katastrophenschutz und bei der Bewältigung von Großschadenslagen als ein Eignungskriterium im Sinne des Wettbewerbsrechts verlangt werden kann. Der Bundeswirtschaftsminister hat dies bestätigt, sodass dieses Mitwirkungskriterium durchaus in den Ausschreibungstext geschrieben werden kann, aber nicht gewachsene Strukturen, also nicht das Wörtchen „bisherigen“.

Wenn wir uns darauf einigen, wäre das unproblematisch. Dafür brauchen wir aber kein Gesetz, sondern wir könnten jetzt schon z. B. der Region Hannover sagen, dass sie auf dieser Grundlage ausschreiben könnte, was meiner Ansicht nach die Situation schon verbessern würde.

Wir erwarten - das haben Sie zu Recht gesagt - das Urteil zum Konzessionsmodell. Ich glaube, das sollten wir wirklich abwarten. Es kann sein, dass dieses Urteil dazu führt, dass wir unser Gesetz ändern müssen. Das können wir jetzt aber noch nicht sagen.

(Zuruf von Klaus-Peter Bachmann [SPD])

- Herr Kollege Bachmann, auch wenn das in Sachsen-Anhalt so gemacht worden ist: Sie haben selber eben das Urteil vorgelesen. Darin fehlt das Wort „bisherigen“, was ja ganz sinnvoll ist, weil sonst die gewachsenen Strukturen wieder aufgenommen würden, was mit dem Europarecht nicht vereinbar wäre. Das ist ziemlich eindeutig.

Ich fasse zusammen: Wir können die Region und andere in Ihrem Sinne auf die Möglichkeit hinweisen, bei der Ausschreibung die Mitwirkung in die Vergabekriterien aufzunehmen. Ansonsten sollten

wir das Urteil abwarten und dann sehen, ob wir das Rettungsdienstgesetz noch ändern müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt hat der Kollege Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Sie haben anderthalb Minuten Redezeit angemeldet. Die haben Sie jetzt. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich kann und will es tatsächlich kurz machen. Die wesentlichen Punkte sind genannt worden.

Wir verhandeln über eine ziemlich komplizierte Rechtsmaterie, insbesondere vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung. Aber eigentlich sind wir uns alle in diesem Hause einig: Wir wollen die ehrenamtlichen und professionellen Strukturen im Katastrophenschutz und im Rettungsdienst in Niedersachsen bewahren und erhalten. Die große Frage ist, wie wir das vor dem Hintergrund des europäischen Wettbewerbsrechts tun können. Über das Ziel besteht aus meiner Sicht gar keine Divergenz bzw. gar kein Streit.

Die Frage ist, wie wir vor dem Hintergrund des europäischen Wettbewerbsrechts am besten zu diesem Ziel gelangen, wie man das rechtlich am besten regelt. Da gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Die SPD hat einen Vorschlag gemacht. Der Innenminister ist wohl der Meinung, dass dieser europarechtlich nicht zu halten sei.

Die Debatte darüber sollten wir im Innenausschuss führen. Das ist der beste Weg, um die professionell und ehrenamtlich sehr breit getragene Struktur im Bereich des Rettungsdienstes und des Katastrophenschutzes zu bewahren und aufrechtzuerhalten. Das jedenfalls ist auch die grüne Zielsetzung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)