Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da das Gesetz im Ausschuss schon eingebracht worden ist, habe ich nicht gedacht, dass ich es hier noch einmal einbringen soll. Ich will es aber gern tun.
Mit dem Zensus 2011 erhalten Bund, Länder und Kommunen erstmals wieder aktuelles Datenmaterial, das insbesondere für die Gestaltung des demografischen Wandels unverzichtbar sein wird. Die fortgeschriebenen Bevölkerungszahlen sind mit dem größer werdenden Abstand zu den letzten Zählungen 1987 in der Bundesrepublik Deutschland und 1981 in der damaligen DDR immer ungenauer geworden.
Die für den Zensus 2011 erforderlichen Daten werden in der Kombination verschiedener Elemente gewonnen. Hierzu gehören u. a. die Haushaltsbefragungen auf Stichprobenbasis, die sogenannte Haushaltsstichprobe, die 10 % der Bevölkerung nicht überschreiten sollen. Es findet also keine Totalerhebung wie noch im Jahre 1987 statt. Die neue Methode des stichproben- und registergestützten Zensus 2011 ist damit für die Bevölkerung auch weniger belastend.
Der Ihnen vorliegende Entwurfe eines Ausführungsgesetzes regelt die Durchführung des vom Bundesgesetzgeber angeordneten Zensus 2011 in Niedersachsen. In dem Gesetzentwurf werden Aufgaben der örtlichen Durchführung des Zensus 2011 auf die Kommunen übertragen. Es ist vorgesehen, dass Gemeinden mit mindestens 30 000 Einwohnerinnen und Einwohnern und im Übrigen die Landkreise örtliche Erhebungsstellen einrichten. Diese sind daher von anderen Organisationseinheiten der Kommunalverwaltung abzuschotten. Die Konkretisierung der Anforderungen an diese Abschottung, d. h. an die personelle, organisatorische, räumlich-technische Trennung der örtlichen Erhebungsstellen, wird durch Verwaltungsvorschriften meines Hauses erfolgen.
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz war an der Erstellung des Entwurfs der Verwaltungsvorschriften beteiligt.
Kritisch anmerken lässt sich sicherlich, dass dem unbestreitbaren Nutzen des Zensus 2011 hohe Kosten gegenüberstehen, und das in Anbetracht der dramatischen Haushaltslage der Länder und Kommunen. Allein für Niedersachsen sind Gesamtkosten in Höhe von voraussichtlich 73,2 Millionen Euro für die Ausführung des Zensus 2011 kalkuliert.
Der Bund gewährt den Ländern zum Ausgleich von Vorbereitung und Ausführung eine feste, die Kosten der Länder nicht deckende Finanzzuweisung in Höhe von 250 Millionen Euro. Der Anteil Niedersachsens an diesem Zuschuss beträgt 25,2 Millionen Euro. Hiervon erhalten die Kommunen vor
aussichtlich 18,3 Millionen Euro und nicht, wie das die SPD auch in ihrem Antrag darlegt, 9,5 Millionen Euro. Sie haben schlichtweg die Zuweisungen für die Haushaltsstichprobe nicht hinzugerechnet. Es sind also 18,3 Millionen Euro. Die Mittel sollen den Kommunen frühzeitig zur Verfügung stehen. Daher ist bereits ein erster Abschlag für das vierte Quartal 2010 vorgesehen.
Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände befürchtet, dass die vorgesehene Gesamtzuweisung von 18,3 Millionen Euro nicht auskömmlich sein könnte, und begehrt eine Erhöhung um 5 Millionen Euro zuzüglich einer Wegstreckenentschädigung für die Erhebungsbeauftragten. Sie beruft sich auf eigene Berechnungen, die sie aber nicht vorgelegt hat.
Die der Gesamtzuweisung an die Kommunen zugrunde liegende Kalkulation der Landesstatistikbehörde orientiert sich am Leitbild eines aufgabengerechten Ausgleichs. Ihr lassen sich Art und Umfang der von den zuständigen Kommunen zu erledigenden Aufgaben entnehmen. Sie enthält nachvollziehbare Einschätzungen des Zeitaufwandes, und sie verknüpft diesen Zeitaufwand mit der Anzahl der zu bearbeitenden Fälle. Sowohl diese Zeitwerte für die zu erfüllenden Aufgaben als auch die Richtwerte für die Aufwandsentschädigungen der Erhebungsbeauftragten wurden in länderübergreifenden Arbeitsgruppen erarbeitet. Sie beruhen auf Erfahrungen und Erkenntnissen der statistischen Landesämter aus der Durchführung zahlreicher Sonderstatistiken.
In den Aufwandsentschädigungen der Erhebungsbeauftragten sind Reisekosten bereits berücksichtigt. Das erspart den Kommunen die Abrechnung und reduziert den Verwaltungsaufwand. Ganz entscheidend ist, dass in der Kalkulation die im Verhältnis zu den Kostensätzen des Landes höheren Personalkostendurchschnittssätze sowie die erheblich höhere Sachkostenpauschale aus dem Bericht der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement zugrunde gelegt wurden. Um das noch einmal in Zahlen darzulegen: Nach Landesdaten machen die Kosten eines Beschäftigten 50 810 Euro aus; wir gewähren 62 460 Euro. Bei den Sachkosten gewähren wir nicht 9 649, sondern 15 600 Euro.
Nach alledem erfolgt die im Gesetzentwurf geregelte Verteilung der Gesamtzuweisung nach sachgerechten Kriterien. Insofern würde ich mich freuen, wenn der Gesetzentwurf heute hier passieren würde, damit wir den Kommunen den ersten Ab
Vielen Dank, Herr Präsident! - Volkszählungen haben in der Bundesrepublik Deutschland in der Tat schon erheblich mehr Staub aufgewirbelt und Gemüter erregt. 1983 ist dadurch ein ganz neues Grundrecht entstanden. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist wahrscheinlich nicht unbedingt Ihr Lieblingsrecht, Herr Schünemann; aber sei es drum! Einfach übersetzt, heißt dieses neue Grundrecht: Meine Daten gehören mir. - Im 21. Jahrhundert, im Zeitalter von Google und Facebook - darüber haben wir hier mehrfach gesprochen -, von Vorratsdatenspeicherung und Onlinedurchsuchung, kann man tatsächlich bezweifeln, dass das noch der Fall ist. Gehören meine Daten überhaupt noch mir? - Ich glaube, das ist mittlerweile zumindest sehr schwer zu kontrollieren.
Herr Schünemann, Sie haben es dargestellt: Die letzte Volkszählung ist jetzt rund 25 Jahre her. Die alten Datensätze sind jetzt doch überholt. Wir brauchen einfach eine neue Datenbasis für ein Stück mehr Gerechtigkeit bei der Finanzverteilung, und zwar sowohl beim kommunalen Finanzausgleich als auch beim Länderfinanzausgleich. Wir brauchen diese Planungsdaten z. B. auch für die Wohnungswirtschaft, für die Städtebauförderung. Da betreibt die schwarz-gelbe Regierung momentan leider einen Kahlschlag; das ist nicht besonders schön für die Städte. Ich glaube, es steht außer Zweifel, dass der Staat Planungsdaten braucht, um die Gesellschaft sinnvoll zu steuern. Das kann man nicht prinzipiell negieren.
Das Gesetz, das Sie heute hier beschließen, ist ein Umsetzungsgesetz, also quasi die Feinsteuerung eines Bundesgesetzes. Ich finde, es gehört zur Ehrlichkeit in dieser Debatte, zu erwähnen, dass sich die Datenschutzbeauftragten in Bund und Ländern mit Kritik an diesem Gesetz doch ziemlich zurückgehalten haben. Es hat keine wahnsinnig große Welle in der Bevölkerung geschlagen, wahrscheinlich weil es noch gar nicht richtig bekannt ist - das ist vielleicht eine Schwäche -, aber auch weil es nicht so wahnsinnig viele grundsätzliche
Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat bemängelt - darin ist ihm zuzustimmen -, dass insbesondere in geschlossenen Einrichtungen die Datenerhebung nicht streng anonymisiert geschieht. Ich weiß nicht, warum man das nicht macht. Man hätte es machen sollen. Ich schätze, der Kostenfaktor hat da eine Rolle gespielt. Die Anonymisierung soll jetzt später geschehen. Das ist ein Schönheitsfehler des Verfahrens, wenn auch kein ganz gravierender.
Kritisch sind in unseren Augen ein oder zwei Datensätze in der Befragung zu bewerten, auf die man hätte verzichten können. Dieser Punkt hat etwas größere Öffentlichkeit hervorgerufen. Es geht zum einen um die Religionsgesellschaft in der Bundesrepublik, der man angehört - das muss man jetzt sogar angeben; das ist sanktionsbewehrt -, und zum anderen um die Frage, welcher anderen Religion man angehört - diese Angabe ist freiwillig. Nun ist es natürlich immer interessant, zu wissen, wie viele Angehörige die Religionsgesellschaften und wie viele Zugehörige andere Religionen haben. Es gibt viele Datensätze, die interessant sind. Aber die Grundfrage ist: Geht das den Staat eigentlich etwas an? - Ich finde, man hätte auf diese Datensätze durchaus verzichten können; denn das ganze Verfahren ist - Herr Schünemann, Sie haben es deutlich gemacht - nicht ganz billig, und je mehr Fragen der Zensus umfasst, desto teurer wird er insgesamt, und die Erhebung dauert dann länger usw.
Kritik hat es auch an der gewählten Stichprobe gegeben. In unseren Augen hätte man eine etwas kleinere Stichprobe wählen können. Das haben wir auch im Bundestag immer gesagt. Die Stichprobe von 10 % bedeutet natürlich ein Entgegenkommen gegenüber den Statistikern. Mit einer größeren Stichprobe wird der Datensatz insgesamt wahrscheinlich etwas besser. Das ist keine Frage. Aber 8 % hätten auch genügt. Wir leben nun einmal in Zeiten, in denen die Schulden steigen, steigen, steigen. Da hätte es schon Sinn gemacht, die Stichprobe etwas zu verkleinern.
Der letzte Punkt, den ich ansprechen will, ist die problematische Abschottung in den zuständigen Kommunen. Das regeln Sie jetzt auf dem Verordnungswege. Das ist wahrscheinlich angemessen. Man hätte das aber auch ins Gesetz packen können. Schließlich ist die Gewährleistung des Datenschutzes - rechtlich ist sie natürlich vorgeschrie
ben - eine Sache, auf die die Zivilgesellschaft und Bürgerrechtsorganisationen immer ganz besonderen Wert legen.
Abschließend will ich sagen: Der Zensus 2011 ist auch in unseren Augen notwendig. Das Zensusgesetz hat einige Schönheitsfehler. Diese sind allerdings nicht so gravierend, dass wir das Gesetz ablehnen müssten. Aber wir enthalten uns heute in dieser Frage der Stimme.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament hat im Jahre 2008 eine Verordnung herausgegeben, wonach europaweit eine Volks-, Gebäude- und Wohnungszählung stattfinden soll. Das heißt, nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa muss eine Volkszählung durchführen. Deswegen sind die Kriterien, die wir in diese Volkszählung aufnehmen, nicht alle ganz frei gewählt. Sie haben es eben schon gehört: Für die Durchführung dieses Zensusgesetzes allein in Niedersachsen sind 73 Millionen Euro veranschlagt. Das ist angesichts der desolaten Haushaltslage in Deutschland eine ganze Menge. Auch für die anderen Länder ist es sicherlich sehr schwierig, das nötige Geld zur Verfügung zu stellen. Aber diese Volkszählung hat natürlich ihren Nutzen, nachdem wir fast 25 Jahre keine Volkszählung mehr gehabt haben. Insofern ist natürlich eine Erneuerung der Datenlage sehr wichtig.
Das Ausführungsgesetz regelt aufgrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung die Durchführung, die Organisation und das Verwaltungsverfahren in Niedersachsen. Ich finde den Punkt Abschottung, den der Kollege Briese eben angesprochen hat, besonders wichtig. Eine ganz klare Abschottung der Erhebungsstellen von den übrigen Verwaltungseinheiten stellt sicher, dass Daten nicht unbefugt weitergegeben werden können. Ich denke, das werden die Kommunen gewährleisten.
Meine Damen und Herren, die Kostenverteilung wurde noch einmal angesprochen. Die SPD hat beantragt, die Erstattungen an die Kommunen von etwas mehr als 18 Millionen Euro um 5 Millionen Euro aufzustocken. Das haben die Landesstatistiker natürlich durchkalkuliert. Weil die statistischen
Erfahrungswerte, die uns dargelegt worden sind, zeigen, dass in die Berechnung der Summe von rund 18 Millionen Euro auch die Fahrtkosten und andere Erstattungen eingeflossen sind, lehnt die CDU-Fraktion es ab, noch einmal 5 Millionen Euro draufzupacken. Wir werden also dem Antrag der SPD nicht zustimmen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass eine Weitergabe z. B. von Daten der Bauleitplanung an die Landesstatistikbehörde sichergestellt werden muss. Die Kommunen werden eine ordnungsgemäße Datenhaltung und auch -übermittlung natürlich sicherstellen.
Meine Damen und Herren, ich denke, es ist eine wichtige Aufgabe, dass wir alle uns in unseren Kommunen dafür stark machen, dass diese Aufgaben wahrgenommen werden. Das Verfahren richtet sich nach dem Zensusgesetz des Bundes, insbesondere nach § 6 - Gebäude- und Wohnungszählung -, nach § 7 - Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis -, nach § 8 - Erhebungen von Anschriften in Sonderbereichen - und nach § 15 - Mehrfachfalluntersuchungen für den Fall, dass man Menschen nicht antrifft. Auf alle diese Bereiche beziehen sich die Erstattungen.
Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern gibt es auch nicht, weil alle Bürgerinnen und Bürger Erhebungsbeauftragte werden können. Insofern gibt es auch da keine Probleme.
Auswirkungen auf die Wirtschaft, z. B. Bürokratiekosten, gibt es auch nicht, weil die Wirtschaft schon aufgrund von Bundesrecht verpflichtet ist, ihre Daten weiterzugeben. Insofern ist dieser Gesetzentwurf gut ausgearbeitet und durchgeprüft. Ich denke, wir können ihm mit gutem Gewissen zustimmen.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie, wie vorhin schon erwähnt, in Ihren Kommunen dafür werben würden. Zum Teil ist es schon jetzt schwierig, ehrenamtliche Mitstreiter als Wahlhelfer zu finden. Hier ist es natürlich besonders wichtig, dass man den Menschen klar macht: Diese Aufgabe ist nicht nur für Niedersachsen, sondern auch für die Bundesrepublik bedeutsam. Die Erstattungsbeträge sind entsprechend eingeplant. Von daher sind wir
hier auf einem guten Wege. Ich würde mich freuen, wenn Sie diesem Gesetzentwurf mit zustimmen würden.
Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Laut Liste hätte ich zwölf Minuten Redezeit. Ich hoffe, Sie werden nicht sauer sein, wenn ich die nicht ausfülle und ein bisschen kürzer rede.
Wir als SPD-Fraktion stimmen dem Ausführungsgesetz zum Zensusgesetz 2011 grundsätzlich nicht nur wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zu, sondern auch deshalb, weil durch den Methodenwechsel zu einem registergestützten Zensus 2011 die Bürger und Bürgerinnen von Auskunftspflichten entlastet werden und diese Zählung daher bürgerfreundlicher als die vorhergehenden ist.
Unsere einzigen Bedenken richten sich gegen § 7 der Gesetzesvorlage. Immer wieder wird betont, dass die Gemeinden nicht die Erhebungsstellen sind, sondern dass die Landesstatistikbehörde diesen Hut aufhat. Aber Kernpunkt des Gesetzentwurfes ist, dass kommunale Erhebungsstellen einzurichten sind, die die Durchführung des Zensus 2011 übernehmen sollen. Diese Aufgabe kostet die Gemeinden Geld, und diese finanziellen Aufwendungen sind gemäß Artikel 57 Abs. 4 unserer Niedersächsischen Verfassung den Gemeinden in voller Höhe zu erstatten. Ich betone ausdrücklich: in voller Höhe.
Nicht zur Hälfte, nicht zu einem Viertel oder anteilig, sondern Konnexität bedeutet: vollumfänglich. Ich will an dieser Stelle keine Ausführungen zur Finanzsituation der Kommunen in unserem Land machen, da sie jeder und jede in diesem Haus zur Genüge aus der jeweiligen Heimatgemeinde kennt. Von daher fordere ich im Namen aller Landkreise und Gemeinden, die im Übrigen schon jetzt eine Unterfinanzierung von ca. 5 Millionen Euro befürchten - das ist schon gesagt worden -, die
Kollegen und Kolleginnen von CDU und FDP auf, unseren Entschließungsantrag zu unterstützen. Denn wie wollen Sie am Freitag vor Ort Ihr Nein zur vollständigen Kostenerstattung des Zensus 2011 begründen? - Darauf freue ich mich sehr.