Protokoll der Sitzung vom 05.10.2010

In Niedersachsen haben wir die Auswirkungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes seit dem Jahr 2001 begleitet und in neuen Gesetzen bereits berücksichtigt. Selbstverständlich waren wichtige Entscheidungen, insbesondere des Bundesverfas

sungsgerichts, begleitend einzuhalten; denn die Gleichstellung zwischen der vom Grundgesetz geschützten Ehe und den eingetragenen Lebenspartnerschaften war im Jahr 2001 keine Selbstverständlichkeit.

Ich erinnere an die unterschiedlichen Auffassungen in der Wissenschaft und die in der Öffentlichkeit kontrovers geführte Diskussion. Ich habe bereits vorhin angedeutet, dass ich diese Diskussion heute - allerdings aus Zeitgründen - nicht wiederholen möchte.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ich glaube eher, weil Sie einen Maulkorb be- kommen haben!)

Das Bundesverfassungsgericht hat das Lebenspartnerschaftsgesetz im Jahr 2002 für verfassungsgemäß befunden und damit im Grunde genommen jegliche Diskussion beendet, woran ich mich selbstverständlich halte. Damit ist nämlich bereits eine Entscheidung getroffen.

Ich gehe jetzt auf die noch nicht gehaltene Rede der Kollegin Leuschner ein. Warum tue ich das? Weil ich die Rede vorhin schon im Internet gelesen habe. Sie haben Ihre Pressemitteilung nämlich schon vor 90 Minuten veröffentlicht. Deswegen kann ich Ihnen schon jetzt auf die von Ihnen aufgeworfene Frage antworten.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Sie werden in Ihrer Rede gleich fragen, warum das Gesetz nicht rückwirkend in Kraft tritt. Dazu teile ich Ihnen mit:

Erstens. Der GBD hat dies in Vorlage 14 vom 17. Mai 2010 ausdrücklich bestätigt: Aus Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes resultiert keine Verpflichtung des Gesetzgebers, eine Rückwirkung ins Gesetz aufzunehmen.

Zweitens. Aus der EU-Richtlinie 2000/78/EG folgt ein solcher Anspruch ebenfalls nicht. Verfassungsrechtlich ist es unserer Auffassung nach nicht geboten, eine Richtlinie, soweit sie noch nicht umgesetzt wurde, unmittelbar anzuwenden;

(Ralf Briese [GRÜNE]: Doch!)

denn vorher bedarf es noch der Transformation in ein Gesetz.

Drittens. Weder der Bund noch die anderen Bundesländer - mit Ausnahme von Berlin und Hamburg - haben bei entsprechenden Gesetzen eine

Rückwirkung in das Gesetz aufgenommen. Daran orientieren auch wir uns.

Viertens; damit komme ich zum Ende, jedenfalls hinsichtlich dieses Tagesordnungspunktes. Zudem wäre die rückwirkende Inkraftsetzung wahrscheinlich schon deshalb nicht zulässig, weil die Gesetzgebungskompetenz erst seit der Föderalismusreform I - das war exakt am 1. September 2006 - bei den Ländern liegt. Für den vor dem 1. September 2006 bestehenden Zeitraum oblag die Gesetzgebungskompetenz dem Bund. Diese Auffassung wird erfreulicherweise insbesondere vom GBD ausdrücklich geteilt. Wenn Sie es nachlesen wollen: Es ist auf die Ausführungen des GBD in Vorlage 14, Seite 16, Zeile 20 zu verweisen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu dem Beitrag von Herrn Biallas hat Frau Flauger einen Antrag auf Kurzintervention gestellt. Anderthalb Minuten, bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Biallas, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann haben Sie vorhin ausgeführt, dass Sie Ihre persönliche Auffassung hier ausdrücklich nicht kundtun wollen, dass Sie sich aber natürlich an höhere Rechtsprechung halten. Jetzt wüsste ich von Ihnen doch gerne, ob Sie hier einem inhaltsgleichen Antrag zustimmen würden, wenn es diese höhere Rechtsprechung nicht gäbe, oder ob Sie ernsthaft der Meinung sind, dass gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften nicht gleichgestellt werden sollten. Das interessiert mich dann doch.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Biallas wünscht, eine Antwort zu geben. Sie haben eine Redezeit von anderthalb Minuten.

Herr Präsident! Ich habe ausgeführt, dass ich dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zustimmen werde.

(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Aber warum?)

Der nächste Redner ist Herr Oetjen für die FDPFraktion. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, dann sollte die Politik dies befürworten und unterstützen. Das gilt für Ehe und Familie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, aber genauso für eingetragene Partnerschaften.

(Zustimmung von Christian Grascha [FDP])

Deswegen hat die FDP immer dafür gestritten, ein solches Institut in das Familienrecht aufzunehmen. Das ist 2001 geschehen. Wir haben schon in der letzten Legislaturperiode hier im Haus einstimmig einen Entschließungsantrag beschlossen - das können Sie nicht wissen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Linken, weil Sie damals noch nicht dabei waren -, mit dem wir die 1 : 1Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften im Landesrecht vornehmen wollten. Dies wird mit dem heutigen Beschluss geschehen. Ich meine, dass das deswegen insgesamt ein guter Tag für die Gleichstellung in Niedersachsen ist.

Die einzige strittige Frage ist in der Tat die vom Kollegen Briese aufgeworfene Frage der Rückwirkung. Hier möchte ich auf das verweisen, was der Kollege Biallas sehr zu Recht gesagt hat, nämlich dass wir nicht die verfassungsrechtliche Pflicht haben, diese Rückwirkung vorzunehmen. Man könnte dies zwar in der Tat tun, aber wir haben nicht die verfassungsrechtliche Pflicht. So, wie wir das machen, nämlich keine Rückwirkung vorzusehen, machen es 14 andere Bundesländer, auch eine ganze Reihe von Bundesländern, in denen die SPD an der Regierung beteiligt ist. Das muss man nicht als Beispiel nehmen, aber man kann das als Beispiel nehmen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wenn es passt, dann kann man es als Beispiel nehmen!)

Das ist richtig ausgeführt worden. Ausschließlich in Berlin und Hamburg ist die Rückwirkung auf den Weg gebracht worden.

Ich meine, völlig ungeachtet dessen, ob die Rückwirkung nun kommt oder nicht, bekommen wir heute endlich die Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften in dem Lan

desrecht. Deswegen hoffe ich, dass alle Fraktionen diesem Gesetzentwurf zustimmen können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Zimmermann. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns immer für die umfassende Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften auf allen Ebenen ausgesprochen. Nicht selten standen wir hierbei aber im Widerspruch zu der Regierungskoalition. Umso erfreulicher ist es nun, dass sich die langjährige Diskussion über die Anpassung des niedersächsischen Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsrecht des Bundes endlich einem positiven Ende nähert. Dahinter steht allerdings keineswegs ein progressives Vorgehen der Landesregierung - ich meine, das hat Herr Biallas soeben mehr als deutlich gemacht -, sondern es wird lediglich das umgesetzt, was das Bundesverfassungsgericht 2009 zugunsten der Lebenspartner entschieden hat. Dahinter steht also weniger die Freiwilligkeit der Landesregierung als vielmehr die Verpflichtung, gesprochenes Recht umzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir möchten gar nicht lange drum herumreden. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält zentrale Forderungen unserer Partei und geht eindeutig in die richtige Richtung, auch wenn man konstatieren muss, dass die Umsetzung durch die Landesregierung nicht gerade von Eile geprägt war. Bei anderen Gesetzen haben wir das durchaus schon anders erlebt.

(Ralf Briese [GRÜNE]: So ist es!)

Sie lassen offen, warum viel zu spät etwas umgesetzt wird, was doch selbstverständlich ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Herzensangelegenheit scheint es also nicht gewesen zu sein. Auch das hat Herr Biallas in seinen Ausführungen sehr deutlich gemacht.

Doch bei allem Zuspruch, den Sie von unserer Fraktion hierfür bekommen, gibt es noch immer gravierende Mängel in der Umsetzung der Rechtsprechung. So ist es in unseren Augen nicht nach

vollziehbar, aus welchem Grund die Niedersächsische Landesregierung die Gleichstellung seiner verpartnerten Beamten und Richter mit den verheirateten Beamten und Richtern bei der Beihilfe im Artikel 18 nicht rückwirkend zum 3. Dezember 2003 umsetzt.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das ha- be ich doch gerade erklärt!)

Hier besteht unserer Meinung nach ein klarer Widerspruch zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und dringender Handlungsbedarf.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wäre Ihnen gut geraten gewesen, gründlicher auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts einzugehen. Ich sage Ihnen heute: Sollten Sie hier keine entsprechende Änderung vornehmen, wird unsere Fraktion spätestens in zwei Jahren mit dafür Sorge tragen, dass auch in diesem Punkt für alle Beteiligten Eindeutigkeit herrscht. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Leuschner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Biallas, Sie sind wahrscheinlich nicht in der Lage, eine Pressemitteilung von einer Rede zu unterscheiden.