Protokoll der Sitzung vom 12.11.2010

(Rolf Meyer [SPD]: Das möchtest du wohl gern hineinnehmen!)

Sie tun nämlich so, verehrte Kolleginnen und Kollegen, als würden die heutigen Leistungen, die die Landwirtschaft erhält, die Zahlungen, völlig ohne Grundlage gezahlt. Die sind über Cross Compliance an Tierschutzstandards, an Umweltstandards gebunden. Hier so zu tun, als würde das Geld einfach so rübergeschoben, ohne dass die Landwirte etwas dafür leisteten, ist nicht die Wahrheit und ist nicht die Praxis, wie wir sie heute haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir brauchen aber mehr Flexibilität für die zweite Säule, die ein wichtiger Bestandteil der Agrarpolitik ist, die uns in den ländlichen Räumen hilft - wir haben natürlich weiter Strukturwandel -, die Struktur neu aufzubauen, im ländlichen Raum Diversifizierung auf den Weg zu bringen, die landwirtschaftliche Struktur auf eine neue Basis zu stellen. Deswegen ist es gut, dass auch die Niedersächsische Landesregierung Initiativen ergriffen und gesagt hat: Wir müssen nicht mehr in den alten Kategorien der zweiten Säule denken, sondern wir müssen den Regionen flexible Möglichkeiten an die Hand geben, das Geld so zu investieren, wie sie es für richtig halten und wie sie ihre Region weiterentwickeln wollen. - Mehr Subsidiarität in Europa tut gut, meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade in der zweiten Säule.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich will deutlich machen, dass wir in anderen Punkten nicht weit voneinander entfernt sind. Gerade bei der Frage der Exportsubventionen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ziehen wir an einem Strang. Die Exportsubventionen müssen auslaufen!

(Christian Meyer [GRÜNE]: Das hat die Ministerin gestern aber nicht ge- sagt! Gestern wollte sie das!)

Wir brauchen eine starke marktwirtschaftliche Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik, Herr Kollege Meyer, und auch bei den Interventionen müssen wir das Niveau deutlich absenken bis herunter auf ein Sicherheitsnetz. Also: Exportsubventionen abschaffen, Interventionen herunterfahren, marktwirtschaftliche Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik! Das tut auch niedersächsischen Landwir

ten und der niedersächsischen Agrar- und Ernährungswirtschaft gut, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir müssen deutlich machen, dass der Weg, der mit dem Health Check gegangen wurde, dass wir die Entkoppelung in der europäischen Agrarpolitik bekommen, richtig ist. Insofern müssen wir an den Maßstäben, die dieser Health Check gesetzt hat, die europäische Agrarpolitik weiterentwickeln.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir kommen in eine zentrale Phase. Es ist hier von der Kollegin Schröder-Ehlers richtig gesagt worden, Herr Cioloş will am 17. November, in der kommenden Woche, seine Positionen deutlich machen. Es ist deswegen gut, dass Niedersachsen mit einer starken Stimme spricht. Ich möchte hier ausdrücklich Frau Ministerin Grotelüschen loben, die in Brüssel mit Veranstaltungen aktiv gewesen ist, die auf die Europäische Kommission eingewirkt hat. Hier haben wir eine klare, starke niedersächsische Stimme. Von Frau Aigner allerdings kommt zu wenig.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Meyer von der SPDFraktion gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer gut, wenn Kollege Oetjen nach Oesterhelweg spricht,

(Jens Nacke [CDU]: Herr Oesterhel- weg!)

weil er versucht, es wieder auf eine sachliche Ebene zurückzubringen. Dafür bin ich dankbar. Denn der Kollege Oesterhelweg hat ja wieder gemeint, heute sei Karnevalsanfang. Das war aber gestern schon. Wieder einen Tag zu spät dran, Herr Kollege Oesterhelweg!

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Nun zur Sache. Ich will noch einmal dem Vorwurf begegnen, dass wir an der Stelle eine Politik fordern, die den Bauern schadet.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: So ist das!)

Es ist richtig, dass Cross Compliance ein guter Einstieg in die Debatte war und auch bleibt. Aber es ist ebenso richtig, dass die Legitimation für die Zahlung von Geldern aus der EU immer an die Verantwortung in der Landwirtschaft gekoppelt sein muss. Das kostet Geld, weil es nicht zum Nulltarif zu haben ist. Das ist richtig. Deswegen ist die Unterstellung, die Sie vorhin gebracht haben, falsch.

Aber ich möchte Ihnen noch eines sagen: Wissen Sie, was in dieser Debatte wirklich schädigt? - Gucken Sie sich einmal die Titelseite der Celleschen Zeitung von heute an! Dort wird berichtet, was die Firma Rothkötter dort veranstaltet. Rothkötter sucht einen Bauern als Strohmann, damit sie dort auf die Fläche 400 000 Hühner packen kann. Solche Debatten brauchen wir überhaupt nicht! Der Bauer hat das Gott sei Dank nicht angenommen. Solche Debatten führen die Landwirtschaft auf das völlig falsche Gleis. Hierzu - darum würde ich bitten - sollte Frau Ministerin Grotelüschen auch noch etwas sagen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Frank Oesterhelweg [CDU]: Das hat mit der Debatte nichts zu tun! Thema verfehlt!)

Herr Oetjen möchte antworten. Bitte schön!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Meyer, das Problem ist, dass in der Rede, die Frau Schröder-Ehlers gehalten hat - das war bei der Kollegin König überhaupt nicht besser -, suggeriert wurde, dass wir heute keine Basis haben, auf der die Zahlungen geleistet werden, dass es überhaupt nicht an Leistungen im Bereich von Tierschutz, im Bereich von Ökologie gebunden ist.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Dann ha- ben Sie nicht zugehört!)

Das wollte ich hier klarstellen, meine sehr verehrten Damen und Herren,

(Zustimmung bei der FDP)

dass wir genau solche hohen Standards haben. Gerade in Deutschland haben wir die höchsten

Umweltstandards, die höchsten Tierschutzstandards in der ganzen Europäischen Union.

(Frank Oesterhelweg [CDU]: So ist es! - Christian Meyer [GRÜNE]: Ja, ja! - Weitere Zurufe - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Deswegen ist es auch gerechtfertigt, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir Zahlungen im Bereich der ersten Säule an die landwirtschaftlichen Betriebe ausschütten. Das muss hier einmal klar gesagt werden, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

Ich möchte auch noch Folgendes sagen, weil das ja hier durch Zwischenrufe negiert wurde. Sie schreiben in Ihrem Antrag: „Ein einheitlicher Sockelbetrag wird eingeführt, der bis spätestens 2020 europaweit angeglichen wird.“ Damit wollen Sie die europaweit einheitliche Flächenprämie. Das ist mit CDU und FDP nicht zu machen, verehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, den Standpunkt der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen trägt nun Herr Meyer vor. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, die niedersächsische Landwirtschaft steht vor der historischen Chance, zu einer grundlegenden ökologischen und sozialen Erneuerung zu kommen. Nie zuvor war der Druck so groß wie heute, in der gemeinsamen Agrarpolitik etwas nachhaltig anders zu machen. Da schließe ich mich auch den Auffassungen der SPD an.

Eine breite gesellschaftliche Mehrheit fordert ein radikales Umsteuern, um die Zukunft mit den Herausforderungen Klimaschutz, Tierschutz und Erhalt der Artenvielfalt zu meistern. Allein die großen Profiteure des bisherigen Systems und die CDU/FDP-Landesregierung versuchen weiter, den Status quo zu zementieren. Sie, Herr Oesterhelweg, sind es, die Nein zu Veränderungen sagen. Wir sagen Ja zu dem dringend notwendigen Reformbedarf.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn die Probleme sind erdrückend. Trotz und teilweise wegen der milliardenschweren europäischen Agrarsubventionen hungern 1 Milliarde Men

schen auf der Welt, weist die europäische Land- und Ernährungswirtschaft eine negative Klimabilanz auf, schreitet das Artensterben in der Agrarlandschaft weiter voran, werden die Wünsche und Ansprüche der Verbraucherinnen und Verbraucher an die Lebensmittelqualität nur unzureichend erfüllt und geht das Höfesterben und damit der Verlust von Arbeitsplätzen und Lebensqualität im ländlichen Raum unvermindert weiter.

Klimaschädliche Anbaumethoden werden exportiert, um billige Produktionsmittel für die globale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Dort, wo früher tropischer Regenwald stand, wird heute auf über 30 Millionen ha Futternachschub für die Massentierhaltung in Niedersachsen und der EU produziert, um mit Billigfleisch und Agrarsubventionen in Europa die Welt zu überschwemmen.

Dabei ist die Einsicht, dass es so nicht weitergehen kann, bis auf CDU und FDP, noch nie so weit verbreitet gewesen wie heute. Selbst die Beamten im Agrarministerium von Frau Aigner haben gesagt - in der Süddeutschen Zeitung wurde ein Papier veröffentlicht -, sie könnten mit dieser Position der Blockade nicht weitermachen. Ich zitiere die Beamten aus Aigners Ministerium:

„Angesichts der Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit und auf europäischer Ebene erscheint es zweifelhaft, ob diese Position am Ende durchsetzbar ist“.

Da haben die Beamtinnen und Beamten im Ministerium sehr recht.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Es ist heute niemandem mehr zu vermitteln, warum immer noch jährlich 55 Milliarden Euro - in Niedersachsen 1 Milliarde Euro - an die Landwirtschaft gezahlt werden, obwohl gleichzeitig die Zahl der Massentierhaltungsanlagen weiter steigt - Herr Kollege Meyer hat es angesprochen -, die Landschaft mit Monokulturen von Mais überzogen wird, der Verlust biologischer Vielfalt dramatisch weitergeht und die Bäuerinnen und Bauern davon nicht etwa profitieren, sondern reihenweise ihre Höfe abgeben müssen, während einige wenige, wie Rothkötter und Wiesenhof, von Ihnen hier auch noch mit 6,5 Millionen Euro Subventionen bedacht werden.

Für die Förderung der Auswüchse der Agrarindustrie wie Großmastanlagen, Monokulturen und Gen

technik - ich erinnere an HannoverGEN - mit Steuergeldern gibt es keine Legitimation. Eine solche Agrarpolitik ist weder im Interesse der Bäuerinnen und Bauern noch der Gesellschaft.

Deshalb sagen wir ganz klar: Öffentliche Gelder wollen wir nur noch für öffentliche Güter zahlen. Die Direktzahlungen der ersten Säule müssen konsequent an Leistungen für den Klimaschutz, die Biodiversität und den Tierschutz gekoppelt werden.