Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

(Beifall bei der LINKEN - Hans- Werner Schwarz [FDP]: Das hat er nicht gemacht! - David McAllister [CDU]: Was ist das denn?)

Herr Minister Hirche, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist der Versuch einer Verdrehung der Tatsachen.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Ja, genau!)

Meine Damen und Herren, ich habe darauf hingewiesen, dass es seitens der Linken scheinheilig ist, den Rechten Europafeindlichkeit vorzuwerfen und selbst eine Anfrage so zu formulieren, dass der Tenor der Anfrage absolut der Aussprache und der Diktion von weit rechts entspricht.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LIN- KE]: Das stimmt überhaupt nicht!)

Ich habe mir die Freiheit genommen, dies mit einem Zitat Ihres Bundesvorsitzenden Lafontaine zu belegen, meine Damen und Herren.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie be- greifen es einfach nicht!)

Ich setze das nicht gleich, weder mit Ihren Mitgliedern noch mit allen Abgeordneten und erst recht nicht mit den Wählern. Aber den Text Ihrer Anfrage und Ihres Vorspanns müssten Sie selbst einmal kritisch durchsehen, und zwar in dem Sinne, wie Herr Ministerpräsident Wulff eben die Zitate Ihrer Kollegin Kaufmann vorgelesen hat. Das, meine Damen und Herren, sollte - da bin ich der festen Überzeugung - im Interesse der Demokratie in diesem Landtag nicht mehr durchgehen. Deswe

gen habe ich das an dieser Stelle mit der entsprechenden Schärfe gesagt.

(Starker, anhaltender Beifall bei der FDP und bei der CDU - David McAl- lister [CDU]: Sehr gut! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das, was Sie sagen, ist eine Unverschämtheit! Sie verste- hen überhaupt nicht, worum es hier geht!)

Meine Damen und Herren, dies hat mich nicht daran gehindert - ich hoffe, das ist deutlich geworden -, die Fragen aus der Sicht der Landesregierung zu beantworten. Dies ist auch unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Aber, meine Damen und Herren, ich sage an dieser Stelle mit großer Deutlichkeit: Aufgrund meiner Erfahrungen in den 60er-Jahren an Universitäten und in den Auseinandersetzungen, die wir dort geführt haben, kann ich sagen: Wir müssen wieder zu einer politischen Auseinandersetzung kommen und sie hier mit unterschiedlichen Positionen führen. Aber lassen Sie bitte in diesem Zusammenhang die Verkleidung mit Parolen weg. Das ist Bauernfängerei und nichts anderes.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Was haben Sie denn eben gemacht?)

Wir müssen uns über politische Alternativen unterhalten.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass sich die Landesregierung durch die Art und Weise der Befragung durch die Abgeordneten der Fraktion der Linken bisher komplett darum herumdrücken konnte, konkrete Dinge zur Zukunft des Landesvergabegesetzes in Niedersachsen zu Protokoll zu geben, frage ich die Landesregierung, ob sie die Ansicht des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Landtages teilt, dass sich das Niedersächsische Landesvergabegesetz durch die schlichte Hereinnahme von regionalen, für verbindlich erklärten Tarifverträgen für die Tariftreueerklärung und/oder durch die Hereinnahme der im Entsendegesetz enthaltenen Tarifverträge wieder europarechtskonform verän

dern lässt und wieder in Gänze rechtsgültig würde, oder ob sie diese Auffassung nicht teilt und welche Gründe sie dafür hat.

Herr Minister Hirche, bitte!

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Darauf hätte er eben schon antworten kön- nen, wenn er gewollt hätte!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hagenah, der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat eine andere Position vorgetragen, als es die Auffassung der Juristen jedenfalls meines Hauses ist. Wir können uns eine endgültige Auffassung erst dann bilden, wenn diese Position des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes detaillierter begründet worden ist, als es bisher der Fall ist. Insofern ist die Frage juristisch noch nicht endgültig beantwortet. Deswegen habe ich vorhin materiell geantwortet und Ihnen gesagt: Materiell ist es so, dass die nicht beanstandeten Teile auch in Zukunft Bestand haben sollen.

Jetzt geht es um die formaljuristische Frage, ob das in Form des Fortbestehens einer gesetzlichen Hülle erfolgt oder ob eine andere Form auch ausreicht. Denn die gleichen Verbände, die im Augenblick das Fortbestehen des Gesetzes fordern, fordern an anderer Stelle stets Entbürokratisierung und Wegfall von Gesetzen, die nicht genügend materielle Substanz haben. Wir prüfen das noch im Einzelnen und versuchen, so rasch wie möglich zu entscheiden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Schminke von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, welche Maßnahmen ergriffen werden, um die heimische Bauwirtschaft zu schützen. Sie beklagt vehement, dass sie Wettbewerbsnachteile hat, weil ihre Betriebe tarifgebunden sind und nicht den Mindestlohn, sondern den Tariflohn von mittlerweile 15,15 Euro einzuhalten haben, während die Billigkonkurrenz mit 12,50 Euro auf dem Markt ist. Was gedenken Sie zu tun, um denen zu helfen?

(Johanne Modder [SPD]: Das weiß er nicht!)

Herr Minister Hirche, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schminke, wir müssen zwischen der Vergabe und der Kontrolle unterscheiden. Bei der Vergabe gilt nach wie vor § 5 des Vergabegesetzes. Ich habe das eben schon erwähnt. Die vergebende Stelle muss bei nach unten abweichenden Angeboten prüfen, auf welcher Grundlage sie beruhen. Diesen Tatbestand hatten wir im Grunde auch in der Vergangenheit.

Natürlich müssen wir im Übrigen immer wieder - Sie haben in der Region Göttingen leider die schlimmsten Erfahrungen machen müssen - die Kontrollen so weit verschärfen, dass wir einem Missbrauch, der bei allen papiernen Formalitäten immer wieder auftreten kann, schneller auf die Spur kommen.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Die Frage ist nicht beantwortet!)

Zu einer weiteren Zusatzfrage erteile ich dem Abgeordneten Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Minister Hirche, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Entscheidung des EuGH bereits einige Wochen zurückliegt und es etwas verwundert, dass es in dieser Zeit nicht gelungen ist, zu einer abschließenden Einschätzung und Festlegung des weiteren Vorgehens der Landesregierung in dieser Frage zu kommen, frage ich Sie: Wann wird die Landesregierung eindeutig und klar sicherstellen, dass die Teile des Gesetzes, die nach Europarecht weiter gelten können, auch unmittelbar weiter gelten, sei es durch Erlass, Verordnung oder Gesetz? Ich halte das Gesetz jedoch eindeutig für die richtige Lösung.

Herr Minister Hirche, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wenzel, wir haben unsere Interpretation des EuGH-Urteils im Hinblick darauf, was durch den EuGH unmittelbar rechtsunwirksam ist, mit der korrigierten Internetseite - das will ich gerne zu Herrn Hagenah sagen - öffentlich klargestellt und im Lande bekannt gemacht. In den letzten Wochen habe ich weder seitens der Bauindustrie noch seitens der Gewerkschaften Fragen dazu gehört.

Zu der berechtigten Frage, die Sie im ersten Teil gestellt haben: Was passiert nach dem 31. Dezember dieses Jahres, weil vorgesehen ist, dass das Vergabegesetz ausläuft? - Darüber will sich die Landesregierung bis zur Sommerpause ein Urteil bilden. Es wird dann am Parlament, an den Fraktionen sein, zu entscheiden, ob sie diese Vorschläge akzeptieren oder nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung jenseits der offensichtlich noch in Klärung befindlichen rechtlichen Thematik, ob sie überhaupt das inhaltliche Ziel verfolgt, im Sinne des vor dem EuGH-Urteil gültigen Landesvergabegesetzes die niedersächsische Bauwirtschaft vor Billigkonkurrenz nicht nur aus dem europäischen Ausland, sondern auch aus anderen Bundesländern mit deutlich niedrigeren Tarifentgelten zu schützen oder ob sie dieses inhaltliche Ziel mit den von ihr beabsichtigten neuen Vorschlägen nicht mehr verfolgt.

Herr Minister Hirche, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Ziel ist es, die nach dem Grundgesetz gegebene Tarifhoheit der Sozialpartner zu respektieren. Deswegen wollen wir in diesem Zusammenhang tariflich vereinbarte Löhne als Teil von Angeboten prüfen und haben. Keine Landesregierung in Deutschland wird die Möglichkeit haben, auf niedersächsischen Tarifen zu bestehen, nur weil viel

leicht in Bayern oder im Saarland andere Tarife vereinbart worden sind. Das ist völlig klar. Zu diesen Fragen muss eine Regelung auf Bundesebene getroffen worden sein, ehe wir regional tätig werden können.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das sieht der DGB anders!)

Das Ganze ist insofern rechtlich reichlich kompliziert. Meine Juristen sagen mir immer: So einfach ist es dann auch wieder nicht. - Dann kommt sozusagen eine neue geologische Schicht zwischen diese Papiere. Deswegen hat es länger gedauert, als auch ich es mir am Beginn dieser Debatte vorgestellt habe. Das können Sie mir glauben.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Es sprach der Hüter der Tarifautonomie!)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Schminke von der SPD-Fraktion.

Ich frage die Landesregierung erneut: Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat in dieser Frage ja eine völlig andere Meinung. Er hat im Gegensatz zur Darstellung des Ministeriums, das eine ganz andere Rechtsauffassung vertritt, dargestellt, dass man auch örtliche Tarifverträge mit AVEErklärungen ausstatten kann. Herr Hirche, wie schützen Sie die Betriebe bei uns in den alten Bundesländern gegenüber der Konkurrenz aus Osteuropa, aber auch aus den neuen Bundesländern?

Herr Minister Hirche, bitte!

(Heiner Bartling [SPD]: „Es ist nicht meine Aufgabe, Betriebe zu schützen. Ich soll Rahmenbedingungen herstel- len.“)

Herr Kollege Schminke, Sie wissen besser als ich, dass der Mindestlohn für ausländische Arbeitnehmer durch das Arbeitnehmerentsendegesetz festgelegt worden ist. Das haben wir im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe und danach bei der Auftragsdurchführung zu prüfen.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Das beantwortet nicht die Frage! - Kres- zentia Flauger [LINKE]: Heute ist Fra- gen-Beantworten nicht dran!)

Vielen Dank.