Protokoll der Sitzung vom 21.01.2011

Herr Präsident! Herr Schünemann, vor dem Hintergrund Ihrer vorherigen Aussagen zu einer Stärkung und Verstetigung der kommunalen Einnahmen, vor dem Hintergrund Ihrer Beschreibung, dass der Zukunftsvertrag ein ganzheitliches Konzept sei, und vor dem Hintergrund Ihrer Information, dass bisher 20 Kommunen Mittel beantragt bzw. entsprechende Beschlüsse herbeigeführt haben, interessiert mich, in welcher Größenordnung bisher Mittel beantragt worden sind. Zum anderen interessiert mich die Größenordnung des Gesamtvolumens der bisher abgeflossenen Mittel.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte dies schon zu Beginn meiner ausführlichen Beantwortung dargelegt. Es sind genau 72 Millionen Euro, die wir dafür zur Verfügung gestellt ha

ben. Wenn alles das, worüber wir Verhandlungen führen, umgesetzt wird, wird allerdings eine Größenordnung von etwa 1,3 Milliarden Euro erreicht. Zunächst aber muss man die konkreten Beschlüsse abwarten, bevor man zu Vereinbarungen kommt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Patrick-Marc Humke [LINKE]: Es sind also bisher noch keine Mittel abge- flossen?)

- 2012 werden die Mittel abfließen.

(Patrick-Marc Humke [LINKE]: Danke!)

Die nächste Zusatzfrage wird vom Kollegen Bachmann von der SPD-Fraktion gestellt.

Vielen Dank. - Herr Minister, Sie haben soeben sinngemäß geantwortet: Wenn etwas vorliegt, dann beziehen wir als Landesregierung Position. - Es liegt etwas vor: ein OVG-Urteil aus RheinlandPfalz, das eine gewisse Mindestfinanzausstattung für Gemeinden beschreibt. Welche Schlüsse ziehen Sie denn daraus, haben Sie sich damit befasst, und hat es aus Ihrer Sicht für Niedersachsen Bedeutung?

Herr Minister!

Das Land Niedersachsen hat eine eigene Verfassung. Insofern haben wir insbesondere zum kommunalen Finanzausgleich mehrere Urteile des Staatsgerichtshofs in Bückeburg. Von dort ist die Verteilungssymmetrie, wie wir als Landesregierung sie vorgeschlagen haben und wie sie hier im Parlament verabschiedet worden ist, bestätigt worden. Das heißt, dieses Urteil hat keine Auswirkungen auf die Gesetzgebung.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Haben Sie sich damit befasst?)

- Natürlich haben wir uns damit befasst. Wir haben uns das Urteil angeschaut. Insofern gibt es keine Notwendigkeit, in Niedersachsen in irgendeiner Weise Konsequenzen aus diesem Urteil zu ziehen.

Die nächste Zusatzfrage kommt vom Kollegen Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, das erste Ziel der Kommunen für ein zukünftiges System ist, dass insgesamt mehr Einnahmen erzielt werden. Insofern ist die innerkommunale Verteilung eher eine zweitrangige Frage. Weil Sie so viel Wert auf die Berechnungen, die Sie durchführen, legen, interessiert mich: Nach welchen Kriterien wollen Sie diese Berechnungen eigentlich bewerten? Ich gehe nämlich nicht davon aus, dass es Ihnen darum geht, festzustellen, ob die CDU-Gemeinden besser als die SPD-Gemeinden abschneiden o. Ä.

Herr Minister!

Wenn ich dies hier bewerten sollte, würde ich natürlich sagen, dass der kommunale Finanzausgleich aufgabengerecht ausgestaltet sein muss. Ich meine aber, dass Sie dies mit Ihrer Frage nicht gemeint haben. Ihnen geht es vielmehr darum, wie eine neue Steuerverteilung erfolgen sollte.

Wenn man sich die momentane Steuerverteilung anschaut, muss man feststellen, dass die kommunale Ebene von der Gewerbesteuer sehr abhängig ist; denn 40 % und teilweise 45 % der Einnahmen resultieren aus der Gewerbesteuer, die durchaus konjunkturanfällig ist. Das haben wir in den letzten Jahren leidvoll erfahren müssen.

Deshalb müssen wir überlegen, wie es uns gelingen kann, die Einnahmen zu verstetigen. Wenn man erreicht, dass man nicht nur von ein oder zwei Steuerquellen abhängig ist, sondern die Einnahmequellen auf breitere Füße stellt, kann es für die Kommunen zumindest interessanter werden.

Insofern haben wir uns das Modell der Stiftung Marktwirtschaft genauer angeschaut. Es sieht vor, eine eigene kommunale Unternehmensteuer zu bilden, die auf die Gewinnerträge der Unternehmen erhoben wird. Das ist insofern eine Verbreiterung, weil damit auch Selbstständige etc. eingebunden sind. Außerdem gibt es Anteile an der Einkommensteuer als kommunale Einkommensteuer, die durch einen Hebesatz für die kommunale Ebene variabel ist. Daneben gibt es Anteile an der Umsatzsteuer und einen Anteil an der Lohnsteuer.

Wenn Sie sich das alles ansehen, dann stellen Sie fest, dass die Basis der Steuereinnahmen dann breiter ist. Wir müssen uns aber anschauen, wie sich das alles auf der kommunalen Ebene aus

wirkt. Sind davon insbesondere die Ballungsgebiete oder insbesondere strukturschwache Gebiete betroffen? - Sie können sich theoretisch hervorragende Modelle ausdenken. Aber wichtig ist, dass wir auf der einen Seite einen Anreiz haben, damit Kommunen auch Gewerbegebiete ausweisen, dass es aber auf der anderen Seite nicht zu Verwerfungen kommt, die wir über einen kommunalen Finanzausgleich nicht mehr ausgleichen können.

Das ist der Hintergrund, den wir uns genau anschauen. So ist es, wenn wir drei Modelle haben, wichtig, zu sehen, was bei den Kommunen im Lande Niedersachsen tatsächlich geschieht. Insofern werden wir es anhand der Kriterien, die ich eben dargestellt habe, bewerten.

Für mich ist es genauso wichtig, dass eine Kommune bzw. die kommunale Ebene insgesamt nicht noch abhängiger von den Entscheidungen der Bundesebene wird. Denn wenn man dort Steuerreformen durchführt, hat das im Moment erhebliche Auswirkungen auf die kommunale Ebene. Wenn es ein Modell gibt, das ein Hebesatzrecht von nicht nur 50 % oder 60 %, sondern vielleicht von 70 % oder noch mehr beinhaltet, bedeutet das, dass es die kommunale Ebene selbst in der Hand hat, zu entscheiden und für ihre Einnahmen zu sorgen. Auch das wäre meiner Ansicht nach wichtig. Wenn wir ein solches neues Modell haben, dann haben wir der kommunalen Ebene mehr kommunale Selbstverwaltung ermöglicht. Das kann nur im Sinne der Kommunen sein.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bevor ich die nächste Fragestellerin aufrufe, bitte ich darum, dass Sie entweder dem Innenminister, wenn er antwortet, zuhören oder vielleicht den Saal verlassen. - Für die SPD-Fraktion hat Frau Geuter das Wort.

Vor dem Hintergrund, dass der Innenminister gerade eben seine große Sympathie für ein eigenes Hebesatzrecht der Gemeinden kundgetan hat, frage ich die Landesregierung: Geht die Landesregierung davon aus, dass dann das Hebesatzrecht der Gemeinden im Bereich der Einkommen- und Lohnsteuer auf die bisherige Einkommen- und Lohnsteuer aufgeschlagen wird und dass das insofern eine versteckte Steuererhöhung ist, oder welche staatliche Ebene wird dann nach Ansicht des Innenministers auf Teile ihres Anteils an der Ein

kommen- und Lohnsteuer verzichten müssen, um den Gemeinden dieses Hebesatzrecht zu ermöglichen?

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Geuter, der Herr Bundesfinanzminister hat in diesem Zusammenhang bereits ein Modell dargestellt, als er - ich glaube, es war im November - mit den kommunalen Spitzenverbänden gesprochen hat. Eigentlich sollte das ein vertrauliches Gespräch sein. Dessen Inhalt ist aber dann veröffentlicht worden. Deshalb kann ich aus ihm zitieren.

Die Kommunen erhalten jetzt einen Einkommensteueranteil von 15 %. Es ist durchaus möglich, das Hebesatzrecht in dieser Größenordnung oder darüber hinaus bezüglich eines gewissen Korridors - entweder Abschläge oder auch Zuschläge - zu ändern.

(Johanne Modder [SPD]: Das ist sehr schön!)

- Man kann das genau in dieser Größenordnung machen. Er hat gesagt: Wir wollen es nicht frei floatend machen, sondern dies - wie bei der Gewerbesteuer übrigens auch - innerhalb eines gewissen Korridors umsetzen.

(Zuruf von Johanne Modder [SPD])

- Ich sage ja: Das ist der Vorschlag von Herrn Schäuble gewesen.

Darüber hinaus gibt es andere Möglichkeiten, bei denen der Anteil an der Einkommensteuer direkt für die Kommunen entfällt und dann auf die Einkommensteuer insgesamt ein Prozentsatz aufgeschlagen wird. Das ist keine neue Steuer, sondern einfach ein Ersatz dafür. Auch das wird berechnet.

Unter dem Strich: Es ist klar - da können Sie sicher sein -, dass es natürlich nicht um eine versteckte Steuererhöhung für die Bürgerinnen und Bürger gehen kann. Dies ist etwas, was zumindest bei den Modellberechnungen von Anfang an mit berücksichtigt worden ist. Das ist übrigens auch immer wieder als Kritikpunkt am Modell der Stiftung Marktwirtschaft angeführt worden. Nach den ersten Ergebnissen, die mir vorliegen, führt dies nicht dazu, dass die Bürgerinnen und Bürger in irgendeiner Weise mehr belastet werden.

Allerdings muss man feststellen: Wenn die Kommunen bessergestellt werden, führt das dazu, dass Bund und Länder in irgendeiner Weise schlechter gestellt werden. Da sich auch die anderen staatlichen Stellen in einer finanziell schwierigen Situation befinden, muss man genau tarieren und fragen: Wie kann man dies umsetzen, sodass es auch von staatlicher Seite zu verkraften ist, wenn die kommunale Ebene bessergestellt wird? - Insofern ist das nicht ganz einfach. Aber ich habe Ihnen dargestellt, dass es Modelle gibt, die in diese Richtung zielen.

Die nächste Frage wird vom Kollegen Herzog gestellt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung die Investitionsbindung für Schlüsselzuweisungen aufgehoben hat, was viele Kommunen dazu zwingt, ihre Investitionen einzustellen, um ihre defizitären Ergebnishaushalte auszugleichen, und vor dem Hintergrund, dass Sie, Herr Schünemann, eben in einer Antwort ausgeführt haben, Sie erwarteten von den Kommunen eine besondere Konzentration auf Investitionen, frage ich die Landesregierung: Mit welchen Maßnahmen wollen Sie verhindern, dass unterlassene Investitionen - von der Kommunalaufsicht sozusagen erzwungen - zu einem zunehmenden Werteverfall insbesondere bei finanzschwachen Kommunen führen?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Sie ist wirklich Verlass.

Die kommunalen Spitzenverbände haben immer kritisiert, dass man eine Investitionsbindung beschlossen hat. Das hat man übrigens gemacht, damit der Landeshaushalt noch verfassungskonform ist, weil man dann diese Investitionen, die die Kommunen tätigen, mit einrechnen kann. Diese Landesregierung hat gesagt: Wir nehmen natürlich die Forderung der kommunalen Spitzenverbände sehr ernst, dass kommunale Selbstverwaltung bedeutet, selber entscheiden zu können, wie viel man von dem vorhandenen Geld tatsächlich aus

gibt und wofür. Insofern haben wir, wenn Sie so wollen, den Kommunen mehr Freiheit gegeben, also genau das getan, was Sie immer einfordern.

Dass das in Lüchow-Dannenberg aufgrund der dortigen finanziellen Situation ein wenig eingeschränkt ist, will ich eingestehen. Das ist klar, da die Kommunalaufsicht dort besonders agieren muss. Das ist bekannt. Aber vom Grundsatz her ist das, was ich hier dargestellt habe, völlig richtig, es sei denn, Sie wollen, dass die Kommunen wieder gezwungen werden, in eine Richtung zu investieren, die für die Kommunen selber wahrscheinlich schwieriger sein wird.

Was die Investitionen angeht, sind die Kommunen und auch die Bürgerinnen und Bürger wirklich Gewinner der Finanzkrise. Denn mit dem Konjunkturpaket I und insbesondere mit dem Konjunkturpaket II sind Investitionen freigesetzt worden, die in den nächsten zehn Jahren sonst niemals so umgesetzt worden wären, und zwar, wenn Sie das Paket des Landes noch hinzunehmen, in einer Größenordnung von insgesamt 1,4 Milliarden Euro.

Die Länder Niedersachsen und Nordhrein-Westfalen sind die einzigen Länder gewesen, die den Kommunen auch hier wieder maximale Freiheit gewährt haben, nämlich 600 Millionen Euro pauschal. Die Kommunen haben noch einmal 106 Millionen Euro draufgesattelt, sodass in den letzten zwei Jahren 706 Millionen Euro investiert worden sind. Übrigens gingen, soweit ich weiß, 45 % davon in die Schulinfrastruktur. Damit sind wir absolut spitze.

Die Kommunen vor Ort haben erkannt, dass diese Investitionen aus der Pauschale Zukunftsinvestitionen sind. Ich habe immer gesagt: Wenn man finanziell schlecht dasteht, dann muss man die Investitionen wählen, die nachhaltig sind. Das sind insbesondere auch Investitionen in Schulen. Deshalb besteht für die Kommunalaufsicht - übrigens auch in der Landeshauptstadt Hannover - die klare Regelung, dass dies Vorrang haben sollte, und das ist insgesamt bestätigt worden.