Protokoll der Sitzung vom 21.01.2011

Völlig klar ist: Eine Verstetigung ist nur möglich, wenn zumindest eine Ebene zusätzliches Geld zur Verfügung stellt. Dass wir kein Interesse daran haben, dass das Land hierbei besonders belastet wird, ist klar. Deshalb ist die Hand, die der Finanzminister den kommunalen Spitzenverbänden gereicht hat, ein deutliches Signal. Diese Hand sollte man aus meiner Sicht nicht leichtfertig ausschlagen; denn dann würde es sehr schwierig, in den nächsten Jahren noch in irgendeiner Weise zu einer grundlegenden Veränderung und Verbesserung zu kommen.

Von meiner Seite gibt es also keine Vorfestlegung. Ich bin offen für Lösungen, die den Kommunen insbesondere in Niedersachsen helfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, mit der folgenden Frage des Kollegen Klein haben die Oppositionsfraktionen ihre Fragemöglichkeiten ausgeschöpft. Herr Klein!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde hier mehrfach darauf hingewiesen, dass neben der generellen Erhöhung der gemeindlichen kommunalen Einnahmen vor allen Dingen auch die

Verstetigung ein wichtiges Ziel der Reform ist. Mich interessiert, wie sich denn vor diesem Hintergrund die Landesregierung zu dem jetzt gefassten Plan stellt, die sogenannten Hinzurechnungen bei der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer völlig abzuschaffen. Das würde ja genau entgegengesetzt wirken und zu einer Einnahmeverminderung der Kommunen von 1,2 Milliarden Euro führen.

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es sind sogar 1,6 Milliarden Euro. Das hat mir zumindest der Staatssekretär, Herr Dr. Beus, in den letzten Tagen dargestellt. Das ist eine Summe, die, wenn es dazu kommt, natürlich durch andere Maßnahmen kompensiert werden muss. Auch dazu werden die Berechnungen im Moment festgelegt. Es steht auf der Tagesordnung, darüber zu sprechen.

Es ist völlig klar: All das, was man auf der einen Seite wegnimmt, muss man auf der anderen Seite als Verstetigung wieder aufbauen. Welche Wirkungen das hat, muss man sich ebenfalls anschauen. Deshalb bin ich auch hier mit einer grundsätzlichen Bewertung sehr vorsichtig. Die Größenordnung aber haben Sie meiner Ansicht nach noch zu vorsichtig dargestellt.

Meine Damen und Herren, weitere Fragen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Behandlung der Dringlichen Anfrage.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28 und 29 auf, die zusammen beraten werden sollen:

Erste Beratung: Gute Arbeit in Europa stärken - Den gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland am 1. Mai 2011 einführen! - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/3212

Erste Beratung: Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai 2011 für die EU-Beitrittsstaaten - ohne Mindestlöhne droht Lohndumping - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/3226

Zunächst hat Frau Weisser-Roelle für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Linksfraktion fordert mit dem vorgelegten Antrag „Gute Arbeit in Europa stärken - Den gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland am 1. Mai 2011 einführen!“ die Landesregierung auf, sich unverzüglich gegenüber der Bundesregierung und im Bundesrat für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes und die Stärkung tariflicher Branchenmindestlöhne einzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Unser Antrag ist Bestandteil einer entsprechenden gemeinsamen Initiative der Bundestagsfraktion der Linken sowie der Fraktionen der Linken in den Landtagen weiterer Bundesländer.

Meine Damen und Herren, die Zeit zur Umsetzung des Antrages drängt. Eile ist geboten. Am 1. Mai dieses Jahres tritt die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit für Beschäftigte und Unternehmen aus den EU-Beitrittsstaaten Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Estland, Lettland und Litauen in Kraft. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus diesen Ländern können dann in Deutschland ganz legal nach den in ihren Heimatländern gültigen und zum Teil deutlich niedriger dotierten Tarifverträgen entlohnt werden. Das wiederum kann zu einer Entsolidarisierung zwischen inländischen und ausländischen Beschäftigten sowie schließlich zu einer ausländerfeindlichen Instrumentalisierung der Lohnkonkurrenz führen.

(Beifall bei der LINKEN - Christian Grascha [FDP]: Genau das schüren Sie!)

Darüber hinaus droht eine Abwärtsspirale bei den Arbeits-, Sozial- und Lohnstandards. All das muss durch einen flächendeckenden Mindestlohn rechtzeitig verhindert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass jährlich mit 100 000 bis 140 000 Frauen und Männern zu rechnen ist, die ab 1. Mai für eine Beschäftigung nach Deutschland kommen. Der Schutz vor Lohndumping ist daher hierzulande dringend geboten. Diesen Schutz bietet ein allge

meiner gesetzlicher Mindestlohn als verbindliche Lohnuntergrenze.

Übrigens: In Großbritannien gibt es seit 1999 einen gesetzlichen Mindestlohn. Auch in den Nachbarstaaten wie Frankreich, den Niederlanden und Luxemburg - in insgesamt 20 europäischen Staaten - bestehen gesetzliche Lohnuntergrenzen. Die Erfahrungen all dieser Staaten zeigen einhellig: Gesetzliche Mindestlöhne vernichten keine Jobs.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wer anderes behauptet, wie es immer wieder vor allem von der FDP zu hören bzw. zu lesen ist, erzählt sprichwörtlich Märchen aus der Mottenkiste.

Die CDU wiederum will nach jahrelanger Diffamierung des gesetzlichen Mindestlohnes nunmehr ein kleines Schrittchen auf dem Weg zum Mindestlohn mitgehen. So hat sich der CDU-Bundesvorstand während einer Klausurtagung Anfang Januar dieses Jahres in Mainz für einen Mindestlohn in der Leiharbeit ausgesprochen. In der Frage des flächendeckenden allgemeinen Mindestlohns besteht in der CDU allerdings weiterhin Ablehnung, wie sich auch in den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zu den Hartz-IV-Regelsätzen zeigt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Völlig unlogisch!)

Die Internationale Arbeitsorganisation ILO, der 181 Mitgliedstaaten angehören, hat im Dezember 2010 der herrschenden Politik in Deutschland eine schallende Ohrfeige erteilt. Nach einer Untersuchung der ILO sind die Reallöhne in Deutschland im Zeitraum von 2000 bis 2009 um 4,5 % gefallen. In allen anderen europäischen Ländern sind dagegen die Reallöhne im gleichen Zeitraum gestiegen. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen. Spitzenreiter ist Norwegen mit einer Steigerung um 25 % vor Finnland mit einer Steigerung um 22 %. Während die Reallöhne in Frankreich um 8,6 % gestiegen sind, erreichte Österreich immerhin noch ein Plus von 2,7 %.

Meine Damen und Herren, in der Lohnentwicklung ist Deutschland mittlerweile Schlusslicht in Europa. Mit Dumpinglöhnen die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhen zu wollen, das ist eine Schande für ein reiches Land wie Deutschland.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieses Lohndumping hat in Deutschland seit der unsäglichen Politik der Agenda 2010 der Regierung Schröder und Fischer leider Konjunktur. Aber auch - wie war es anders zu erwarten - die Große Koalition und jetzt die Regierung Merkel/Westerwelle haben nichts daran geändert, ganz im Gegenteil.

Mittlerweile arbeiten in Deutschland bereits 2 Millionen Frauen und Männer zu Stundenlöhnen unter 6 Euro. Der Niedriglohnsektor ist besonders ausgeprägt bei Friseuren, in der Bäckerei, in Wäschereien, in der Gastronomie und in der Gebäudereinigung.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Die da drüben finden das auch noch gut!)

Wach- und Sicherheitsleute demonstrieren jetzt für ihren Mindestlohn. Seit 2010 warten sie darauf, dass die Politik endlich handelt und den Branchentarifvertrag für allgemein verbindlich erklärt. Wir wünschen den Wach- und Sicherheitsleuten viel Erfolg bei ihrer Demonstration.

(Beifall bei der LINKEN)

Bundesweit müssen rund 1,4 Millionen Beschäftigte ihre Hungerlöhne mit Hartz-IV-Leistungen aufstocken. Besonders ausgeprägt ist das in der Leiharbeit.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen jetzt einige Eckpunkte unseres Antrags vorstellen. Wir beantragen, im Rahmen eines Mindestentgeltgesetzes einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 10 Euro brutto pro Stunde bis zum 1. Mai 2013 einzuführen. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns soll ab 1. Mai 2011 beginnen. Der Mindestlohn soll in jedem Fall gewährleisten, dass eine alleinstehende Person durch eine Vollzeitbeschäftigung ein über dem Existenzminimum liegendes Arbeitsentgelt erhält.

(Beifall bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das kann man ja wohl erwarten!)

Die konkreten Modalitäten der Einführung sowie der regelmäßigen Anpassung der Lohnuntergrenze soll die Bundesregierung in Absprache mit den Tarifparteien und wissenschaftlichen Experten in einem zu gründenden nationalen Mindestlohnrat bestimmen.

Der Mindestlohnrat soll geschlechterquotiert besetzt sein. In begründeten Einzelfällen sollen in der Einführungsphase finanzielle Hilfen für Unternehmen möglich sein. Vorschlagsberechtigt ist der

nationale Mindestlohnrat. Bestandteil des Mindestentgeltgesetzes sollen auch geeignete Kontrollmöglichkeiten und Möglichkeiten für Sanktionen bei Verstößen sein. In dem Mindestlohngesetz soll auch geregelt werden, dass die Tarife in den Branchen, in denen tariflich vereinbarte Mindestentgelte über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen, als allgemein verbindlich für die jeweiligen Branchen erklärt werden.

Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zum Schluss. Entscheidende Voraussetzung für gute Arbeit in Europa ist eine verbindliche Lohnuntergrenze als gesetzlicher Mindestlohn.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Antrag der SPD-Fraktion greift aus unserer Sicht trotz einiger guter Ansätze zu kurz. Aber darüber können wir im Ausschuss noch diskutieren.

Ich komme zum letzten Satz. Bleibt es bei dem kategorischen Nein der Bundesregierung zu den gesetzlichen Mindestlöhnen, so wird sich die Lohnspirale weiter nach unten drehen. Der Lohnwettbewerb mit Billiganbietern aus Osteuropa dürfte dazu führen, dass vor allen Dingen kleine Unternehmen sozusagen die Segel streichen müssen. Daher fordern wir einen gesetzlichen Mindestlohn ab dem 1. Mai 2011, der bis 1. Mai 2013 auf 10 Euro pro Stunde ansteigen muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion erteile ich nun dem Kollegen Lies das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einer Aussage von IG-Metall-Chef Berthold Huber beginnen, die heute veröffentlicht worden ist. Er spricht von Apartheid im Arbeitssystem. Er spricht von Trennung in der Arbeit, und er nennt Zahlen: Nur noch 15 % der neu geschaffenen Stellen sind unbefristet besetzt worden. 43 % aller Stellen, die neu geschaffen wurden, sind mit Leiharbeitern besetzt worden. 42 % aller Stellen, die geschaffen wurden, sind mit sachgrundloser Befristung versehen. Es ist dringend an der Zeit zu handeln. Das ist kein Arbeitsmarkt, der für die Menschen sozialverträglich gestaltet wird, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)