Protokoll der Sitzung vom 17.05.2018

Meine Damen und Herren, wir machen uns Sorgen um die Menschen im Iran, wir machen uns Sorgen um die Menschen im Nahen Osten, die darunter leiden, wenn es wieder zu einer Eskalationsspirale kommt. Es ist fatal: Das, was das „Trumpeltier“, der US-Präsident, zurzeit anrichtet, stärkt die Scharfmacher, die Ajatollahs.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wirtschaftliche Beziehungen öffnen ein Land und können demokratische und zivile Kräfte stützen. Dazu stehen wir. Aber es muss auch klar sein: Würde der Iran wieder anfangen, nuklear aufzurüsten, dann müssten wir gerade in unserer Verantwortung für das Existenzrecht Israels, an das wir gestern erinnert haben, auch bereit sein, erneut Sanktionen gegenüber ihm zu ergreifen.

Handel gegen Frieden, Abrüstung und Wandel - das ist das Motto, darum geht es in dieser Debatte. Es geht um den Frieden. Es geht um die Menschenrechte. Es geht um Demokratie. Dazu kann Handel beitragen. Er ist aber kein Selbstzweck.

Danke schön fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Meyer, Herr Fredermann hat noch eine Zwischenfrage.

Frau Präsidentin! Meine Zwischenfrage richtet sich nicht an Herrn Meyer, sondern an das Präsidium. Ist „Trumpeltier“ parlamentarisch?

(Helge Limburg [GRÜNE]: Was ist das denn jetzt? Kritik am Präsidium?)

Dann habe ich mich versprochen. Ich meine natürlich den US-Präsidenten Donald Trump.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Jörg Hillmer [CDU]: Das macht es nicht besser! Was ist das denn für eine Entschuldigung?)

Eine Verächtlichmachung von Staatslenkern mit solchen Worten ist nicht zulässig, Herr Meyer. Das hatten wir gestern schon. Zukünftig wird es auch nicht mehr vorkommen.

(Jörg Hillmer [CDU]: Der soll sich or- dentlich entschuldigen! Dann ist es gut!)

Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort Herr Frank Henning.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Iran liegt mit seinen knapp 80 Millionen Einwohnern unter den weltweit 20 stärksten Volkswirtschaften. Während der etwa zehnjährigen Phase internationaler Wirtschaftssanktionen ist das Volumen der deutschen Exporte in den Iran um ca. 50 % gesunken. Auch in Niedersachsen sank der Umfang des Außenhandels mit dem Iran aufgrund der Wirtschaftssanktionen.

Erst mit der Wiener Vereinbarung über das Atomabkommen mit dem Iran vom Juli 2015 gab es ein Licht am Ende des Tunnels. Da die Sanktionen schrittweise zurückgenommen wurden, stiegen die niedersächsischen Exporte wieder an. Insbesondere seit dem ersten Halbjahr 2016 zeichnete sich eine deutliche Trendwende zum Positiven hin ab. Infolge des langjährigen Embargos besteht gerade im Iran weiterhin in vielen Bereichen großer Modernisierungs- und Nachholbedarf - in Bereichen, in denen gerade die niedersächsische Wirtschaft besonders gut aufgestellt it. Das gilt beispielsweise für die Felder Maschinenbau und Medizintechnik, für den Mobilitätssektor sowie für die Ernährungswirtschaft und den Landmaschinenbau, schließlich auch für die erneuerbaren Energien, die Erdgasförderung und vor allem die Infrastruktur.

Es ist schon erwähnt worden: Niedersachsen hat im Jahr 2016 als erstes deutsches Bundesland eine eigene Repräsentanz in der iranischen Hauptstadt Teheran eröffnet. Diese Vertretung soll wirtschaftliche und politische Kontakte vermitteln und niedersächsische Unternehmen beim Einstieg in den iranischen Markt unterstützen. Was die Beziehungen zum Iran angeht, nimmt Niedersachsen damit eine Vorreiterrolle unter den deutschen Bundesländern ein. Mein Dank geht an dieser Stelle an unseren früheren Wirtschaftsminister Olaf Lies, der hier sehr weitsichtig gehandelt hat.

(Zustimmung bei der SPD)

Gute Geschäftsaussichten bestehen also für niedersächsische Unternehmen aus allen wichtigen Branchen.

Doch nun hat der amerikanische Präsident mit der Kündigung des Atomabkommens wieder einen deutlichen Rückschritt eingeleitet. Die USA steigen aus dem Iran-Abkommen aus. Andrea Nahles hat deshalb für die SPD-Bundestagsfraktion vor schwerwiegenden Folgen gewarnt. Für die SPD ist klar: Es ist richtig, dass Deutschland und seine Partner in Europa das Abkommen auch ohne die USA aufrechterhalten wollen. Die Entscheidung Trumps, die ausgesetzten Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft zu setzen, wird schwerwiegende politische Folgen haben. Der US-Präsident riskiert mit seinem wirklich einseitigen Schritt einen Bruch im transatlantischen Verhältnis. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr, meine Damen und Herren.

Von daher ist aus unserer Sicht ausdrücklich zu begrüßen, dass Deutschland zusammen mit den europäischen Partnern Frankreich und Großbritannien das Abkommen notfalls auch ohne die USA aufrechterhalten will. Das haben zumindest unser Außenminister Heiko Maas und sein französischer Amtskollege gestern noch einmal nachdrücklich betont.

Meine Damen und Herren, die Wirtschaftsbeziehungen zum Iran sind für die deutsche und insbesondere für die niedersächsische Wirtschaft besonders wichtig; das ist keine Frage. Allerdings sind die wirtschaftlichen Folgen des Scheiterns des Atomabkommens mit dem Iran nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite betrifft die Frage der Menschenrechte. Auch dies ist heute hier schon beleuchtet worden. Gute Wirtschaftsbeziehungen zum Iran kann es auf Dauer nämlich nur dann geben, wenn die Menschenrechtsfrage geklärt ist.

Bei aller Euphorie über gute Wirtschaftsbeziehungen zum Iran darf die Menschenrechtslage daher nicht vergessen werden. Amnesty International klagt an: Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit werden im Iran weiterhin stark eingeschränkt. Die Behörden inhaftierten zahlreiche Personen. Man spricht von zurzeit 8 000 inhaftierten Jugendlichen, die nichts anderes getan haben, als friedlich ihre Kritik zu äußern. Die Gerichtsverfahren waren in aller Regel unfair und nicht rechtsstaatlich. Folter und andere Misshandlungen waren und sind noch immer an

der Tagesordnung und bleiben leider straflos. Hunderte Menschen wurden hingerichtet; einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Tausende saßen oder sitzen noch immer in den Todeszellen, darunter auch Personen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren. Frauen werden weiterhin systematisch diskriminiert, sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben. Besonders bei Scheidungen und Erbschaftsangelegenheiten, beim Zugang zum Arbeitsmarkt und zu politischen Ämtern sowie bei der Anwendung des Strafgesetzbuches.

Meine Damen und Herren, das ist die andere, die dunkle Seite des Irans, die bei aller Euphorie über gute wirtschaftliche Beziehungen zum Iran nicht übersehen werden darf.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Menschenrechte im Iran dürfen nicht mit Rücksicht auf politische Erwägungen, auf Handelsbeziehungen oder auf die Atomvereinbarung zum Gegenstand von Kompromissen gemacht oder marginalisiert werden. Jeder Ausbau der politischen und der wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Iran muss mit einem deutlichen Fortschritt in Bezug auf die Menschen-, besonders auf die Frauenrechte und einem Stopp der Hinrichtungen verbunden werden. Auch hier kann Niedersachsen von der Außenpolitik Willy Brandts lernen. Seine Maxime lautete damals: Wandel durch Annäherung. - Daran sollten wir uns auch in Niedersachsen orientieren.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke, Herr Henning. - Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Jörg Bode.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es richtig, dass wir uns heute damit auseinandersetzen, wie sich die Sanktionen und das Agieren der US-Administration gegenüber dem Iran auf den freien Welthandel auswirken. Ich finde es auch richtig, dass der Kollege Meyer für uns alle klargestellt hat, dass Handel und wirtschaftliche Interessen niemals über Menschenrechte und das Völkerrecht gestellt werden dürfen, sondern dass diese Rechte für uns oberste Priorität haben.

Da es schwierig ist, in fünf Minuten alle Facetten in der notwendigen Tiefe anzusprechen, schließe ich

mich für die FDP den vorangegangenen Ausführungen in vollem Umfang an und möchte meinen Schwerpunkt jetzt auf einen anderen Bereich legen.

(Zustimmung bei der FDP)

Natürlich ist es wichtig zu fragen, welche Auswirkungen das Agieren der US-Regierung auf niedersächsische Unternehmen und auf niedersächsische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat. Ich halte das, was Sie hier zu den Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen dem Iran und Niedersachsen dargestellt haben, für richtig. Aber wenn man ehrlich ist, muss man auch mit Blick auf die niedersächsischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einräumen, dass das Handelsvolumen zwischen Niedersachsen und dem Iran so gering ist, dass eigentlich eine ganz andere Frage schwerpunktmäßig betrachtet werden müsste, nämlich die, wie sich die im April von Trump eigenwillig und unabgestimmt verhängten RusslandSanktionen auf die niedersächsische Wirtschaft und die niedersächsischen Beziehungen mit Russland auswirken. Das Volumen des Handels mit Russland bewegt sich nämlich im Milliarden- und nicht nur im Millionenbereich.

Wir stehen vor der Situation, dass Donald Trump, ohne die EU zu beteiligen, Sanktionen verhängt hat, die so unklar formuliert sind, dass niedersächsische Unternehmen heute gar nicht wissen, welche Geschäftspartner in Russland von ihnen Sanktionen betroffen sind. Inzwischen ist es so, dass weltweit alle Unternehmen, die in Russland tätig sind, versuchen, bei der zuständigen Behörde in Amerika eine Genehmigung zu bekommen - sozusagen eine grüne Ampel -, um weiterhin mit ihren Partnern in Russland Geschäfte machen zu können. Diese Behörde hat 170 Mitarbeiter. Es ist völlig unmöglich, in diesen 30 Tagen die Geschäftsbeziehungen zu Russland zu ordnen. Die Sanktionen gelten exterritorial. Sprich: Wenn Volkswagen in Kaluga z. B. Aluminium von RUSAL oder andere Teile von russischen Herstellern kauft, die andere Beziehungen zu oder Anteilsverquickungen mit Oligarchen haben, die vorher gar nicht sichtbar waren, dann kann das weltweit zu Strafen für dieses Unternehmen führen.

Nun kann man sagen, Volkswagen ist so groß und kann in Amerika noch Druck ausüben, um solche Genehmigungen zu bekommen. Was aber ist mit den Mittelständlern? - Wir haben hier ein Riesenproblem. Ich freue mich darüber, dass Bundeswirtschaftsminister Altmaier gerade in Moskau ist, um

auf diese Themen hinzuweisen und vielleicht Lösungen zu erreichen. Die ersten Berichte waren allerdings nicht so ermutigend und deuten nicht darauf hin, dass man dort vernünftige Gesprächspartner gefunden hat und auf offene Ohren gestoßen ist. Vielleicht wäre es, wenn man tatsächlich Lösungen hätte erzielen wollen, sinnvoller gewesen, nicht über die Ukraine nach Moskau zu fahren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen ebenfalls sehen, dass Russland Gegenmaßnahmen gegen die Maßnahmen von Donald Trump ergreift, die noch fatalere Folgen für die niedersächsischen Unternehmen haben, die in Russland aktiv sind. In der Duma wird gerade ein Gesetz diskutiert, dass diejenigen Unternehmen in Russland unter Strafe stellt, die die amerikanischen Sanktionen einhalten. Wenn dieses Gesetz wirklich beschlossen wird, dann haben die Unternehmen, die dort tätig sind, entweder die Möglichkeit, sich mit den USA und den Entscheidungen von Donald Trump zu überwerfen oder aber die russische Strafbarkeit zu riskieren.

Das ist ein Teufelskreis, in den wir durch die amerikanische Regierung gekommen sind. Das ist absolut unerträglich. Alle politischen Kräfte müssen ein großes Interesse daran haben, aus dieser Spirale wieder herauszukommen und dieses Agieren zu beenden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Deshalb ist es wichtig, dass wir das Agieren der USA im Bereich Handel und Sanktionen insgesamt in den Fokus nehmen und uns nicht nur auf einen Bereich fokussieren. Denn es ist ja eine - ich sage einmal - Regel zu erkennen, wie die amerikanische Administration in diesem Bereich agiert, nämlich diese Maßnahmen zu nutzen, um auch der amerikanischen Wirtschaft Wettbewerbsvorteile zu bringen.

Europa ist gehalten, mit einer Stimme zu sprechen. Das gelingt im Bereich Iran sehr gut. Aufgrund der entsprechenden Verlautbarungen von heute, auch von Donald Tusk, kann man sagen, dass Europa hier mit einer Stimme spricht. Es wäre aber gut, nicht nur den Iran wegen der Friedenssituation im Mittleren und im Nahen Osten, sondern auch alle anderen Bereiche im Fokus zu haben, die Donald Trump ausgelöst hat. Die niedersächsischen Unternehmen, die im Außenwirtschaftsbereich, insbe

sondere in Russland, aktiv sind, würden es uns danken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Bode. - Für die Landesregierung hat sich Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann zu Wort gemeldet.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist unzweifelhaft: Die einseitige Aufkündigung des Iran-Abkommens durch die USA stellt nach den Ankündigungen von Strafzöllen für Stahl, aber auch für Aluminium die transatlantischen Beziehungen zwischen den USA und seinen europäischen Partnern ein weiteres Mal auf eine sehr harte Bewährungsprobe.

Der aus meiner Sicht weder gerechtfertigte noch politisch gebotene Ausstieg Amerikas kann und wird weitreichende Folgen für die Verbindlichkeit internationaler Abkommen insgesamt haben. Bislang war Verlass auf multilateral abgestimmte Abkommen, die mit oft schwieriger Diplomatie maßgeblich zur Ordnung des internationalen Systems beigetragen haben. Auch wenn das Abkommen von vielen nicht als perfekt bezeichnet wird, so ist es dennoch ein diplomatischer Kompromiss für ein Mehr an Sicherheit gewesen.

Deutschland als größter EU-Exporteur in den Iran werden die US-Sanktionen sehr hart treffen. Neben der Furcht vor den sekundären US-Sanktionen für Unternehmen ist zu erwarten, dass sich die notwendige Begleitung des Iran-Geschäfts durch deutsche Banken, die sich bereits in der Vergangenheit äußerst zurückhaltend verhalten haben, deutlich schwieriger gestalten und im schlimmsten Fall sogar weitgehend zum Erliegen kommen wird.