Protokoll der Sitzung vom 14.09.2018

Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Wir beginnen mit

a) Sozialer Wohnungsbau in Niedersachsen - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 18/1538

Die Anfrage wird vom Abgeordneten Dirk Adomat vorgetragen. Bitte, Herr Adomat! Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der soziale Wohnungsbau wurde bereits in den 1950er-Jahren in der damaligen Bundesrepublik Deutschland eingeführt. Ziel war es damals, für „breite Kreise der Bevölkerung“ Wohnraum zu

schaffen, deren Wohnungen durch den Krieg zerstört waren.

Die Aufgaben der sozialen Wohnraumförderung sind 2007 im Zuge der Föderalismusreform auf die Länder übergegangen. Seitdem hat das Land rund 600 Millionen Euro Fördermittel für die soziale Wohnraumförderung bewilligt. 2013 wurden u. a. die Förderbeträge im Mietwohnungsbau angehoben sowie nach Baukosten und Wohnungsgrößen differenziert.

Als neuestes Projekt hat das niedersächsische Umweltministerium Anfang April 2018 gemeinsam mit dem Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft und anderen Partnern das „Bündnis für bezahlbares Wohnen in Niedersachsen“ gegründet.

Die Fragen:

1. Wie bewertet die Landesregierung den Bedarf an sozial gefördertem Wohnraum?

2. Wie bewertet die Landesregierung die von der Bundesregierung eingebrachte Initiative zur Änderung des Grundgesetzes in Bezug auf die soziale Wohnraumförderung?

3. Welche Erwartungen hat die Landesregierung an den „Wohngipfel“ am 21. September 2018 im Bundeskanzleramt?

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Landesregierung antwortet Herr Bauminister Lies. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass das neue Instrument gleich bei mir ausprobiert wird, und hoffe, damit erfolgreich zu sein.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Wer wäre besser geeignet als Sie? - Heiterkeit)

- Sehr gut!

(Beifall bei der SPD - Christian Meyer [GRÜNE]: Das ist doch für Sie ge- macht, Herr Lies!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bezahlbarer Wohnraum wird ein zentrales Zukunftsthema sein. Dieses Thema geht uns alle an. Deswegen besteht

auch Handlungsbedarf in der Politik. Denn Wohnen gehört zur Daseinsvorsorge.

Der Miet- und Preisdruck hat die Bedeutung der Wohnungspolitik deutlich erhöht. Allein in den letzten vier Jahren sind die Wohnungspreise bundesweit um 30 % und die Mieten um 15 % angestiegen. Die Erschwinglichkeit - also quasi das, was der Mieter bezahlen kann - ist für den Durchschnittsmieter im gleichen Zeitraum gesunken, weil die Einkommenszuwächse trotz guter wirtschaftlicher Konjunktur natürlich nicht mit dieser Mietpreisentwicklung Schritt halten können.

Ursächlich für den Preisschub ist das Wohnungsdefizit, das von den Fachleuten auf mehr als 1 Million Wohnungen bundesweit geschätzt wird. Ein Großteil davon fehlt natürlich in unseren Städten. Gerade in Niedersachsen fehlt nicht überall Wohnraum, aber in den zentralen Orten.

Wo Wohnraum fehlt, sind wir gefordert. Wir müssen den Menschen Lösungen anbieten, damit zukünftig nicht die Hälfte des Lohnes auf dem Konto der Vermieterin oder des Vermieters landen muss. Schon heute übrigens machen die Mieten 30 % der mittleren und 40 % der geringen Einkommen aus.

Die Schaffung preisgünstigen Wohnraums wird insbesondere durch unsere soziale Wohnraumförderung unterstützt. Für uns ist klar: Die öffentliche Förderung sozialen Wohnraums ist heute und in den kommenden Jahren ein wichtiges politisches Thema. Wir brauchen mehr und nicht weniger sozialen Wohnraum. Dass das der Markt nicht selber regelt, das hat er uns in den letzten Jahren eindrucksvoll bewiesen.

(Beifall bei der SPD)

Gerade jetzt muss der Staat also helfen, das Angebot an Wohnungen, die für die Menschen bezahlbar sind, zu erweitern. Es war keine kluge Entscheidung, dass sich der Staat in den vergangenen Jahren stark aus dem sozialen Wohnungsbau und aus der Bewirtschaftung eigener Wohnungen zurückgezogen hat. Wir haben alle den Verkauf der Wohnungsbaugesellschaften erlebt. Auf diese Weise wurde dem Markt viel mehr Raum überlassen.

Der Sozialwohnungsbestand ist seit vielen Jahren rückläufig. Das ist ein bundesweites Phänomen. Kaum ein Land schafft es, die aus der Bindung fallenden Wohnungen Zug um Zug durch neue Sozialwohnungen zu ersetzen. Derzeit gibt es in Niedersachsen noch etwa 78 000 Sozialwohnun

gen. Zurzeit fallen viele der in den 90er-Jahren geförderten Wohnungen aus der Sozialbindung heraus, bis zum Jahr 2025 voraussichtlich mehr als die Hälfte dieser Sozialwohnungen.

Ich will an dieser Stelle aber auch klarstellen: Diese Wohnungen verschwinden natürlich nicht vom Markt. Sie stehen auch morgen noch zur Verfügung und stehen meist im Eigentum ehemals gemeinnütziger Wohnungsbauunternehmen, die als Vermieter natürlich auch weiterhin gesellschaftliche Verantwortung übernehmen werden. Für diese Wohnungen gelten natürlich alle Regeln des Mietrechts.

Die Zahlen sind aber ein deutliches Signal. Natürlich werden wir dieser Entwicklung etwas entgegensetzen müssen. Das angesprochene „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ erarbeitet derzeit unter Einbeziehung aller Beteiligten Strategien, wie wir schnell und effizient mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen können.

Klar ist auch, dass der Staat mehr Geld als bisher in die Hand nehmen muss, um den sozialen Wohnungsbau zu unterstützen. Hier ist nicht nur das Land gefragt, sondern natürlich auch der Bund. Deswegen begrüße ich sehr, dass der Bund hier inzwischen einen ganz wichtigen ersten Schritt getan hat, um in Zukunft finanzielle Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung zu übernehmen. Mit einer Änderung des Grundgesetzes könnte der Bund den Ländern künftig Finanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen. In den Jahren 2020 und 2021 hat der Bund dafür jeweils 1 Milliarde Euro berücksichtigt.

Der Wohngipfel wird noch einmal klar definieren, welches Ziel die Koalition in Berlin hat: 1,5 Millionen neue Wohnungen und Eigenheime sollen in den nächsten vier Jahren entstehen. Dafür brauchen wir auf dem Gipfel aber auch klare Beschlüsse. Wir brauchen klare Grundlagen dafür, dass dieser Wohnungsbau wirklich vorangetrieben wird.

Ich komme zur Frage 1. Niedersachsen wird bis 2028 um ungefähr 100 000 Haushalte wachsen. Danach werden die Zahlen langsam wieder sinken. Von 2015 bis 2035 werden nach den Prognosen der NBank in Niedersachsen etwa 300 000 zusätzliche Wohnungen gebraucht. Davon wird der größte Teil in den nächsten zehn Jahren benötigt, vor allem natürlich in den Ballungsräumen. Dies entspricht einem durchschnittlichen Neubaubedarf von rund 15 000 Wohnungen jährlich.

Wichtig ist dabei natürlich ein hoher Anteil von Sozialwohnungen, also von bezahlbaren Wohnungen. Das ist vor allen Dingen für die Menschen erforderlich, die Schwierigkeiten beim Zugang zum allgemeinen Wohnungsmarkt haben. Diese Schwierigkeiten nehmen gerade in Zeiten angespannter Marktverhältnisse je nach Situation vor Ort erheblich zu.

Festzuhalten ist zudem, dass sich der Bestand an Sozialwohnungen in den letzten Jahren deutlich verringert und das auch in den nächsten Jahren drastisch weiter vorangeht. Die Landesregierung strebt daher an, den Bestand an Sozialwohnungen insgesamt zu erhöhen. Natürlich - und das ist wichtig - entlastet jede neu gebaute Wohnung den Markt und schafft ein zusätzliches Angebot.

Wir wollen die Zahl der jetzt ungefähr 1 000 Wohnungen im Jahr, die gebaut werden, deutlich steigern, Schritt für Schritt erhöhen. Das ist Ziel des Bündnisses - ein ambitioniertes Ziel. Aber die deutliche Steigerung wird positive Effekte auf den Preis und den Mietmarkt in Niedersachsen haben.

Zu Frage 2: Ohne die Änderung des Grundgesetzes ist es dem Bund nicht möglich, sich finanziell an der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zu beteiligen. Die Grundgesetzänderung ist daher der richtige und notwendige Schritt.

Es ist natürlich möglich, dass der Bund dann auch die Ausgestaltung der Länderprogramme übernimmt und versucht, Einfluss zu nehmen. Ich glaube, wir müssen darauf achten, dass wir je nach Marktlage und je nach Bedeutung in den Ländern unsere eigenen Schwerpunkte in der Förderung setzen können. Dass es dort verstärkte Kontroll- und Informationsrechte gibt, ist sicherlich richtig, sorgt aber weiterhin für zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Sicherlich muss auch die Frage der Kofinanzierung kurzfristig geklärt werden.

Zu Frage 3: Es ist gut, dass sich in Berlin alle an einen Tisch setzen. Niedersachsen unterstützt das Ziel der Bundesregierung, in den nächsten vier Jahren mindestens 1,5 Millionen neue Wohnungen zu schaffen.

Auf der Sonder-Bauministerkonferenz, die wir am 5. September hatten, haben die Länder gemeinsam ihre Erwartungen an den Wohngipfel formuliert und auch ein klares Bekenntnis zur sozialen Wohnraumförderung abgegeben. 1,5 Millionen Wohnungen ist nur eine Zahl. Wichtig wird dabei sein, einen erheblichen Anteil an Sozialwohnun

gen, also an Wohnungen, die der Bindung unterliegen, sicherzustellen.

(Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz übernimmt den Vorsitz)

Ich bin davon überzeugt, dass uns das gelingen kann, aber dass dafür auch das schnelle, klare Signal notwendig ist.

Dazu gehören die Liegenschaftspolitik in allen Städten und Gemeinden - auch dafür erwarten wir vom Wohngipfel ein klares Signal -, Flexibilität im Baugesetzbuch sowie sinnvolle Flexibilisierungs- und Beschleunigungsmöglichkeiten für alle vor Ort. Aber auch die Anpassung des Energiesparrechts im Gebäudebereich ist ein weiteres wichtiges Anliegen der Länder.

Ich hoffe, dass das Thema, das, glaube ich, ein hohes Maß an Öffentlichkeit hat, nämlich Wohnen wirklich als Daseinsvorsorge zu sehen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, mit dem Wohnraumgipfel einen wichtigen Impuls bekommt und wir in Niedersachsen deutlich machen können, dass Wohnungen mit sozialer Bindung stärker als bisher entstehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Jörg Hillmer [CDU])

Vielen Dank, Herr Minister. - Die erste Wortmeldung zu einer Zusatzfrage liegt aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Herr Christian Meyer, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage vor dem Hintergrund, dass in Niedersachsen die Zahl der Sozialwohnungen von 90 000 auf 30 000 zurückgehen soll, was die Landesregierung vorhat, um das Angebot an Wohnungen wirklich zu verbessern, da ja keine zusätzlichen Mittel im Haushalt der Landesregierung vorgesehen sind, um den sozialen Wohnungsbau stärker zu fördern. Wie will sie das Ziel erreichen, das der Minister hier gerade vorgestellt hat?