Jetzt gibt es aber eine weitere Zwischenfrage von dem Kollegen Rykena. Würden Sie diese auch noch zulassen?
Herr Dr. Siemer, wie sehen Sie den Umstand, dass es in der CDU mittlerweile zahlreiche Initiativen gegen den globalen Pakt gibt? Unter anderem soll eine Unterschriftensammlung von der WerteUnion der CDU angeregt werden. Wie sehen Sie das?
Es wurde ja kritisiert, dass mit diesem Pakt in irgendeiner Art und Weise die Meinungsfreiheit eingeschränkt werde. Ich kann Ihnen sagen, in der CDU schränken wir die Meinungsfreiheit nicht ein. Wenn Leute eine Unterschriftenaktion starten wollen, können sie das herzlich gerne tun. Ich habe nichts dagegen.
Ich kann Ihnen aus meiner persönlichen Erfahrung dazu sagen: Ich habe gestern bei mir auf Facebook gepostet, dass ich heute zu diesem Pakt sprechen werde, und habe einige wenige positive Anmerkungen und auffälligerweise sehr viele negative Anmerkungen zu diesem Migrationspakt bekommen.
Ich hätte es mir jetzt leicht machen und sagen können: „Okay, ich stimme denen zu, die sich dort gemeldet haben zu; denn das ist die größere Zahl von Leuten!“ Aber nein, ich habe mich entschlossen, dagegen zu halten, was mich bei diesem Facebook-Post nicht beliebter gemacht hat; aber so ist es.
Durch die mangelnde Öffentlichkeit - das habe ich ja ausgeführt - ist derart viel Falsches in Bewegung gesetzt worden, sodass bei diesem sehr emotionalen Thema viele Leute vorbelastet sind. Sie nehmen sich die Zeit für eine sachliche Diskussion und eine Durchsicht dieses Dokuments, das in meinem Ausdruck mehr als 40 Seiten hat, nicht, hören nur Stichworte und haben deshalb Bedenken. Genau dem müssen wir mit dieser Debatte entgegentreten.
Ich will noch etwas zu dem Pakt sagen: Ich hatte die Öffentlichkeitsarbeit als ein Defizit kritisiert. Vor den Zwischenfragen wollte ich ausführen, dass meines Erachtens bei den Formulierungen nicht geschickt gehandelt wurde. - Insofern ist diese Frage jetzt beantwortet, und die Zeit kann weiterlaufen.
Herr Kollege, nur zur Orientierung: Die Uhr ist nicht in Ordnung. Wir müssen jetzt improvisieren, also mitstoppen. Aber wir bekommen das hin. Demnach haben Sie jetzt noch zwei Minuten.
Man spricht ja üblicherweise von den Vor- und Nachteilen, in diesem Fall der Migration. In der deutschen Übersetzung, die mir vorliegt, wird von „Auswirkungen und Vorteilen“ gesprochen. Ich nehme an, dass bei der Formulierung „Auswirkungen“ durchaus an die Nachteile gedacht wurde; sie wurden aber nicht so benannt. Das ist natürlich ein Einfallstor für alle möglichen Interpretationen. An einer anderen Stelle würde man normalerweise von „Chancen und Risiken“ sprechen; da steht
Ich meine, dass Migration Chancen beinhaltet, möchte Ihnen aber mit einem Beispiel verdeutlichen, dass das unterschiedlich gesehen werden kann. Friedrich Trumpf ist 1885 in die USA ausgewandert und hat den Amerikanern einen - nach seinen eigenen Angaben - Milliardär geschenkt. Nach dem Pakt könnte man sagen: Das ist eine positive Auswirkung der Migration.
Barack Obama Senior ist Ender der 50er-Jahre in die USA ausgewandert und hat den Amerikanern einen nach meiner Ansicht ganz hervorragenden Präsidenten gegeben, und ich bin sicher, dass viele Amerikaner das als eine negative Auswirkung der Migration sehen. Ich würde das als eine positive Auswirkung der Migration sehen. Insofern ist dieses Thema mit sehr viel Interpretationsspielraum behaftet.
Wir sollten aber diesen Pakt als Chance begreifen, um mit den Ländern, mit denen wir bei der Zusammenarbeit in Bezug auf die Migrationsströme viele Berührungspunkte haben, sachlich zusammenzuarbeiten, und diesen Pakt als Gesprächs- und Verhandlungsgrundlage nutzen, um eine Verbesserung einer sicheren, geordneten und regulären Migration zu erreichen.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Siemer. - Das Wort hat nun für die Landesregierung der Herr Innenminister. Bitte schön, Herr Minister!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim „Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ handelt es sich naheliegenderweise um eine außenpolitische Angelegenheit. Obwohl das in die Zuständigkeit des Bundes fällt, nehme ich die Gelegenheit gerne wahr, hierzu im Rahmen der Aktuellen Stunde Stellung zu nehmen.
Mir ist es wichtig, einigen - wie gewohnt - abwegigen Behauptungen der AfD entgegenzutreten, z. B. der, dass es sich bei dem Pakt - ich zitiere - um ein „verstecktes Umsiedlungsprogramm für
Wirtschaftsflüchtlinge“ handele oder dass „die Zuwanderungsländer zu neuen Siedlungsgebieten von Menschen anderer Völker, Religionen und Kulturen“ werden können. Das ist schon ziemlich aberwitzig, meine Damen und Herren.
Außerdem geht die AfD von einer wie auch immer gearteten Rechtsverbindlichkeit dieser Erklärung aus. Hier gilt die Regel: Wer richtig liest, ist klar im Vorteil!
Erstens. Dieser Pakt ist kein völkerrechtlicher Vertrag, der Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland oder gar des Landes Niedersachsen begründen würde. Es werden weder Hoheitsrechte eingeschränkt noch übertragen. Das steht sogar in dem Dokument selbst. Auch dort gilt: Bitte lesen! Dort heißt es unter Nr. 7: „Dieser Globale Pakt stellt einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen dar.“ Er „wahrt die Souveränität der Staaten und ihre völkerrechtlichen Pflichten“.
Darüber hinaus ist es bislang mehr als fraglich, ob dieses unverbindliche UN-Dokument - wie uns die AfD glauben machen will - zukünftig zur Stärkung von Rechten von Migranten durch deutsche Gerichte führen könnte. - Ihre Ängste möchte ich wirklich nicht haben! - Dafür ist das Dokument - so sieht es auch der Konstanzer Völkerrechtler Daniel Thym - viel zu allgemein gehalten.
Ziel dieses Dokumentes ist es vielmehr, die internationale Zusammenarbeit zu stärken, die Migration zu ordnen und dort, wo es möglich ist, zu regeln. Das ist ein politischer Appell und hat gerade nicht das Ziel, Zuwanderung zu befördern. Auch dazu hilft wiederum ein Blick in das Ausgangsdokument. Ich wiederhole mich: Es wäre hilfreich, wenn wir Debatten auf der Grundlage der Lektüre der gleichen Texte führten und nicht auf der Basis dessen, was Sie glauben, irgendwo gelesen zu haben.
„Dieser Globale Pakt hat das Ziel, die nachteiligen Triebkräfte und strukturellen Faktoren zu minimieren, die Menschen daran hindern, in ihren Herkunftsländern eine nachhaltige Existenzgrundlage aufzubauen und aufrechtzuerhalten, und die sie dazu veranlassen, anderswo nach einer besseren Zukunft zu suchen.“
Meine Damen und Herren, das ist doch die Wahrheit, in der wir leben! Schauen Sie sich die Länder in Afrika an! Schauen Sie sich die Länder im Mittleren Osten an! Wer die Länder bereist, wer mit den
verantwortlichen Menschen dort spricht, der weiß, dass die Migrationsbewegungen sich nur zu einem minimalen Prozentsatz Richtung Europa bewegen. Die meisten Migrationsbewegungen finden auf den Herkunftskontinenten statt. Allein in der Republik Südafrika rechnet man in den nächsten Jahren mit 5 Millionen Migranten aus dem Teil Afrikas, der südlich des Äquators liegt. Das ist die Wahrheit - und wir tun so, als müssten wir hier Angst vor den Folgen der Migration haben. Das ist nichts anderes als Panikmache, meine Damen und Herren.
Durch diese gerade zitierte angestrebte Verbesserung der Lebensbedingungen in den jeweiligen Herkunftsländern - das ist die Herausforderung - soll es für mehr Menschen möglich werden, in ihrer Heimat zu bleiben. Es handelt sich also gerade um eine Bekämpfung von Fluchtursachen zur Vermeidung von Migration.
Wie Sie, meine Damen und Herren der AfD, daraus eine Beschleunigung und Vervielfachung der Zuwanderung lesen wollen, ist mir ein komplettes Rätsel. Das ist mir schleierhaft und nur aus Ihren tiefsitzenden Ängsten erklärbar, die Sie offenbar jeden Tag mit sich herumschleppen. Das wird erst recht deutlich, weil es im Weiteren heißt, Ziel sei es, Schleuserbanden - Ziffer 25 des Dokumentes - und Menschenhandel - Ziffer 26 - grenzüberschreitend zu bekämpfen und das Management an nationalen Grenzen - Ziffer 27 - besser zu koordinieren.