Protokoll der Sitzung vom 14.11.2018

Ich danke Ihnen. - Der Minister antwortet.

Das Thema Berufsorientierung ist das entscheidende Thema zur Fachkräftesicherung. Junge Menschen müssen sich frühzeitig über ihre Berufe

klar werden, darüber, welche Qualifikation sie benötigen und ob das Berufsfeld, in dem sie einem Beruf nachgehen wollen, das richtige ist.

Das Kultusministerium hat dem Thema Berufsorientierung über die Schulformen hinweg eine besonders hohe Priorität beigemessen. Eine zentrale Stellung nehmen dabei unsere berufsbildenden Schulen ein. Das heißt, wir versuchen heute, sehr frühzeitig junge Menschen an die entscheidenden Themen, die für die Berufswahl der Zukunft und für die Berufe der Zukunft maßgeblich sind, heranzuführen. Dazu gehören u. a. ein starker Fokus auf die sogenannten MINT-Fächer und die Frage des Informatikunterrichts an unseren Schulen. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass alle Kultusminister der Länder in den letzten Jahren immer wieder gefordert haben, dem Fach Informatik, aber auch dem Fach wirtschaftliche Zusammenhänge oder Wirtschaftswissen einen höheren Stellenwert einzuräumen; beides wird nämlich zunehmend ineinandergreifen.

Das heißt, die Berufsausbildungsordnungen werden sich in den nächsten Jahren so dramatisch verändern, dass die Frage der Berufsorientierung - ob man sich frühzeitig festlegt oder sich erst einmal einen Überblick verschafft, ob ein bestimmter Beruf überhaupt zu einem passt und ob man die notwendigen Qualifikationsvoraussetzungen mitbringt - immer wichtiger wird. Es ist das A und O, um eine Fehlentscheidung möglichst zu vermeiden. Die hohe Zahl der Ausbildungsabbrecher ist im Übrigen auch darauf zurückzuführen, dass die jungen Menschen sich einfach umorientieren. Im Vergleich zu von vor zehn Jahren haben wir eine ganz andere Situation. Die jungen Menschen können sich heute den Ausbildungsberuf aussuchen. Sie müssen ihre Ausbildung nicht fortsetzen, sondern wechseln in eine andere Ausbildung. Insofern ist die Berufsorientierung durchgängig ein wichtiges Thema.

Dem dient auch die von uns angeschobene IdeenExpo, über die ja gestern hier im Parlament diskutiert wurde. Die IdeenExpo ist ein Teil der Berufsorientierung. Dort sollen junge Menschen neugierig gemacht werden auf die neuen technologischen Möglichkeiten und Berufe, die entstehen, die wir also zum Teil heute noch gar nicht kennen.

Insofern hat die Berufsorientierung durchgängig in allen Schulformen höchste Priorität. Das Heranführen an neue Technologien bedeutet letztendlich, diese frühzeitig in den Unterricht zu integrieren. Ich finde, wir haben viel zu viel über die Frage disku

tiert: Wer bezahlt ein Tablet im niedersächsischen Schulunterricht? - Wir hätten viel stärker darüber diskutieren müssen: Welche Inhalte müssen im Curriculum unserer Schulen zukünftig im Hinblick auf neue Herausforderungen und neue Qualifikationen angepasst werden? Das ist die entscheidende Herausforderung, Schule der Zukunft unter Nutzung von iCloud-Lösungen, unter Nutzung von den Möglichkeiten neuer Technologien. Darauf kommt es in Zukunft an, und darauf werden wir junge Menschen an unseren Schulen, aber auch an unseren Hochschulen verstärkt vorbereiten müssen. Die Digitalisierung sollte ein grundsätzliches Thema sein, mit dem sich jede Schulklasse jeder Schulform dem Grunde nach auseinandersetzen muss: Was heißt das für meine persönliche Zukunft und den Beruf, den ich einmal ergreifen will?

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Ich danke Ihnen. - Die zweite Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt Herr Fühner. Bitte!

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Ich möchte die Landesregierung in eine ähnliche Richtung befragen. Beim Thema der beruflichen Bildung stellt sich die Frage, wie sich Berufsbilder verändern, wie an den berufsbildenden Schulen möglicherweise auch für neue Berufe ausgebildet werden kann, welche Planungen die Landesregierung dafür hat und wie sich auch räumliche Veränderungen an den berufsbildenden Schulen ergeben.

Ich danke Ihnen. - Der Minister ist schon unterwegs, um zu antworten.

Ich habe ja eine geringfügige Erfahrung mit der Entwicklung von neuen Berufsbildern und sage sehr deutlich: Gemessen an den Herausforderungen, die die Digitalisierung an die deutsche Bildung stellt, sind wir zu langsam. Unsere Berufsbilder brauchen zum Teil fünf bis zehn Jahre, um sich anzupassen - meiner Erinnerung nach; vielleicht ist es heute schneller geworden. Aber sie brauchen deutlich zu lange.

Von daher geht es darum, Berufsbilder, duale Berufsausbildungen und Studiengänge zukünftig kontinuierlich daraufhin zu überprüfen, in welchem Umfang und in welcher Tiefe neue Technologien und Prozesse zu berücksichtigen sind. Das ist das A und O mit Blick auf die Berufsausbildung der Zukunft und die neuen Berufe.

Wir werden in den Berufsschulen neue Impulse setzen müssen. Wir haben die Förderung mit dem Kultusministerium weiterentwickelt. Ich will auf die 20 Schulen hinweisen, die von uns Zuschüsse - das hatte ich vorhin nicht erwähnt - für die Anschaffung einer sogenannten Mini-Smart-Factory erhalten. Dahinter steht, wenn ich es richtig erinnere, eine Summe von 600 000 Euro. Damit kann die Produktion in der Industrie 4.0 simuliert werden. Dieses Gerät ist bundesweit einmalig und wurde hier in Niedersachsen entwickelt.

Wir versuchen in allen denkbaren Möglichkeiten, Berufsausbildung, Berufsbilder frühzeitig zu verändern, mit den Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretungen, die letztlich für die Berufsbilder verantwortlich sind, frühzeitig in Gespräche einzutreten. Wir stehen im kontinuierlichen Dialog mit den Handwerkskammern und den Industrie- und Handelskammern über die Frage, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die jeweiligen Ausbildungsberufe und deren Inhalte hat. Die Berufsbilder werden kontinuierlich angepasst.

Nehmen Sie allein das Berufsbild des Berufskraftfahrers, das sich in den nächsten Jahren unter den Stichworten „autonomes Fahren“ oder „teilautonomes Fahren“ verändern wird. Das heißt, wir werden Veränderungen nicht nur dahin gehend erleben, dass die Zahl der benötigten Berufskraftfahrer bei autonomem Fahren, wenn es denn gelingt, sinken wird. Vielmehr werden sich die Berufskraftfahrer bei teilautonomem Fahren in ganz neuen Fahrzeugen befinden. Wer vor Kurzem auf der Internationalen Automobil-Ausstellung Nutzfahrzeuge war und sich dort die Entwicklung hin zu den Lkw der Zukunft angeschaut hat, wird wissen, dass der Lkw-Fahrer der Zukunft vor einem hoch komplexen Computersystem sitzt und dass das mit Blick auf Einstellung, Routenplanung, Einwählen in Telematiksysteme usw. ganz neue Qualifikationsanforderungen nach sich zieht.

Wir können die Industrie- und Handelskammern und unsere Handwerkskammern dabei nur begleiten. Wir sind nicht diejenigen, die ein eigenes Berufsbild vorgeben. Aber seien Sie gewiss: Wir sind in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen

Verbänden dabei, uns auf diese neuen Herausforderungen der Berufswelt 4.0 vorzubereiten.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Ihnen. - Die erste Zusatzfrage aus der SPD-Fraktion stellt Frau Hanisch. Bitte!

Sehr geehrte Landesregierung! Welche Chancen bietet die Digitalisierung, um den demografischen Herausforderungen zu begegnen?

Ich danke Ihnen. - Bitte, Herr Minister!

Unsere Gesellschaft wird älter. Auch unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden älter. Daher wird die Digitalisierung auch z. B. in den Pflegeberufen Veränderungen nach sich ziehen und hierbei eine unterstützende Funktion einnehmen. Nehmen Sie die Exoskelette, die eine erhebliche Unterstützung für Pflegekräfte darstellen können. Oder nehmen Sie die Unterstützung bei schweren Produktionsprozessen, die durch Robotik entstehen kann.

Während früher in den Produktionshallen von VW das Fahrzeug, kurz bevor es auslieferungsreif war, erst angehoben werden musste, um sowohl die Räder als auch das Fahrzeug auf die Höhe der Fertigungsbahn zu bringen, nimmt der Mitarbeiter heute nur noch das Rad, hängt es mit einem Roboterarm an das Chassis, und dann helfen unterstützende Robotik-Systeme beim Anschrauben der Räder.

Die Digitalisierung ist, wie ich finde, eine exzellente Unterstützung. Sie wird Arbeit nicht ersetzen, aber sie wird Arbeit unterstützen, erleichtern können, insbesondere dort, wo es sich um schwierige körperliche Tätigkeiten handelt. Da wir älter werden und die Arbeitnehmer älter werden und sie mit zunehmendem Alter bestimmte Tätigkeiten nicht mehr so leicht ausführen können, bedeutet es eine erhebliche Entlastung für ältere Arbeitnehmer, gerade bei körperlich schweren Tätigkeiten dort, wo durch Robotik und andere digitale Systeme menschliche Arbeit unterstützt wird.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke. - Die zweite Zusatzfrage für die SPD-Fraktion stellt der Kollege Raulfs. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben es bei der einen oder anderen Frage schon angeschnitten. Meine konkrete Frage lautet: Wie schätzen Sie den digitalen Bedarf an Kompetenzen in der Wirtschaft ein, und was würden Sie dahin gehend unternehmen? - Vielen Dank.

Digitale Kompetenzen werden von uns zukünftig in jedem gesellschaftlichen Lebensbereich erwartet werden. Ich weise immer gerne darauf hin, dass es uns viel zu wenig bewusst ist, dass das Auf-denMarkt-Bringen des iPhones im Jahr 2007 - das ist gerade einmal elf Jahre her - rasante Entwicklungen nach sich gezogen hat. Das Umgehen mit diesen rasanten Entwicklungen - die Nutzung eines Smartphones, die Nutzung von Tablets, die Nutzung von neuen Kommunikationstechnologien, die Auswirkungen auf Produktionstechniken, auf Robotik bis hin zur künstlichen Intelligenz - lässt erwarten, dass sich die gesamte Gesellschaft in Deutschland in den nächsten Jahren massiv mit der Frage wird auseinandersetzen müssen, welche digitalen Kompetenzen die heutige Generation durch Fort- und Weiterbildung braucht und welche digitalen Kompetenzen die nachwachsende Generation mit Blick auf die zukünftige Arbeitswelt 4.0 braucht.

Wir wissen, dass gerade IT-Fachkräfte insbesondere in Niedersachsen händeringend gesucht werden. Ich habe gerade die Zahl von 55 000 fehlenden IT-Spezialisten in Deutschland genannt. Die Bundesagentur für Arbeit attestiert auch unserem Bundesland Niedersachsen einen definitiven Fachkräftemangel bei Informatikern mit einem Hochschulabschluss insbesondere in der Softwareentwicklung und in der Programmierung. Mit der Fachkräfteinitiative Niedersachsen der Landesregierung - dabei haben wir die Federführung - haben wir in der Vergangenheit viele Initiativen angestoßen, die die Berufsorientierung stärken, wir haben die MINT-Berufe über die Fachkräfteinitiative schon lange im Fokus, und wir suchen permanent nach neuen Ansätzen. In diesem Jahr soll es beispielsweise erstmals ganz spezifisch um ITFachkräfte - um Entwickler, Informatiker, Anwen

dungsbetreuer - gehen. All jene werden in den nächsten Jahren in den Unternehmen händeringend gesucht werden.

Wir beschäftigen uns mit den anderen Ressorts und den Arbeitsmarktpartnern ganz intensiv mit der Frage, wie wir Ausbildung und Studium in IT-affinen Fächern attraktiver machen und wie die niedersächsischen Unternehmen noch gezielter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit IT-Kompetenzen gewinnen und einsetzen können.

Im Übrigen werden Digitalprofessuren eine erhebliche Anziehungskraft für niedersächsische Universitäten mit sich bringen. Dieses Thema vertritt der Wissenschaftsminister. Die Themen Big Data und Data Science bis hin zu Fragen der Anwendungsentwicklung mit Blick auf neue Technologien gerade auch auf dem Feld der künstlichen Intelligenz werden niedersächsischen Studiengängen eine hohe Attraktivität verschaffen. Davon ist auszugehen. Hieraus ergeben sich wiederum neue Potenziale für neue technologische Lösungen.

Die Frage nach den digitalen Kompetenzen kann man nicht einmal so eben mit einem Satz beantworten nach dem Motto „Das muss jetzt gelernt werden“. Vielmehr werden wir erleben, dass sich gerade in der Wirtschaft in den nächsten fünf bis zehn Jahren so viel verändert, dass dieses landesseitig, über unsere Bildungssysteme, und über die Aus- und Fortbildungssysteme der Betriebe selbst immer nur begleitet werden kann. Das wollen wir tun. Ich habe ja erwähnt, dass wir landesseitig über die Fachkräfteinitiative die IT-Berufe im Besonderen fördern wollen, weil sie besonders nachgefragt sind.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Dr. Christos Pantazis [SPD])

Ich danke Ihnen. - Die zweite Zusatzfrage der AfDFraktion: Herr Henze!

Vor dem Hintergrund, dass wir heute in der Zeitung lesen konnten, dass zukünftig im Bereich des Personalmanagements Entscheidungen wie Einstellung, Entlassung und Umbesetzung von einer künstlichen Intelligenz getroffen werden können und dass dies das Ende der Sozialkomponente bei solchen Entscheidungen wäre, frage ich: Wie stellt sich die Landesregierung hierzu?

Danke. - Der Wirtschaftsminister antwortet für die Landesregierung.

Ich halte das in höchstem Maße für bedenklich, auch wenn ich weiß, dass bei der Personalauswahl zunehmend Algorithmen zum Einsatz kommen, mit deren Hilfe man im Übrigen durch das Zusammenfügen verschiedener Elemente und Charakteristika einer Person heute schon hochrechnen kann, wann diese voraussichtlich einen Betrieb wieder verlassen wird, ob nach zweieinhalb Jahren oder nach drei Jahren. Man kann versuchen, es durch Hochrechnen des bisherigen Verhaltens im Rahmen des Arbeitslebens fast auf den Monat genau zu prognostizieren. Bei der Auswahl von Personen über Algorithmen ist generell allerdings auch ein wenig Skepsis angezeigt.

Ich glaube, am Ende geht es immer um die Frage des Qualifikationsfaktors, des menschlichen Faktors. Eine generelle abschließende Meinung zu künftigen Auswahlprozessen haben wir uns noch nicht gebildet. Aber ich kann Sie beruhigen: Wir setzen in erster Linie auf die klassischen Qualifikationen - Führungsverantwortung, Qualifikation in den bisherigen Berufsbildern erreicht - und lassen uns dabei im Moment nicht von Algorithmen bei der Personalauswahl leiten.

(Beifall bei der CDU)

Danke. - Die nächste Zusatzfrage von der FDPFraktion stellt der Kollege Bode. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Althusmann, da Sie auf meine erste Frage nach den Konsequenzen des Beschlusses der Bundesregierung, sämtliche Verwaltungsdienstleistungen von Bund, Ländern und Kommunen bis 2022 digital anzubieten, mit Fallbeispielen aus Niedersachsen geantwortet haben, frage ich Sie jetzt noch einmal ganz konkret: Werden in Niedersachsen bei der Landesverwaltung und bei der Kommunalverwaltung bis zum Jahr 2022 sämtliche Dienstleistungen für den Bürger online abwickelbar sein?

Danke schön. - Der Wirtschaftsminister antwortet.

Ja, Herr Abgeordneter Bode, das ist unser Ziel. Im Handlungsplan „Landesverwaltung digital“ haben wir das auch so beschrieben. Es wäre etwas merkwürdig, wenn der Bund uns bei der Digitalisierung seiner Prozesse quasi vorauslaufen würde und wir es analog versuchen würden.

Insofern gehe ich davon aus, dass wir bis 2022, also in den nächsten dreieinhalb bis vier Jahren, versuchen werden, alle Leistungen sozusagen online abrufbar und beantragbar zu machen.

Die Kompatibilität der Landesverwaltung mit der Kommunalverwaltung habe ich erwähnt. Die gilt im Übrigen aber auch in Richtung Bundesverwaltung.

Ich danke Ihnen. - Eine weitere Zusatzfrage - die dritte - von der FDP-Fraktion: Herr Bode, bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister Althusmann, vor dem Hintergrund, dass Sie jetzt gesagt haben, es ist das Ziel der Landesregierung, bis zum Jahr 2022 alles online abwickelbar zu machen, und auch gesagt haben, dass Sie die Prozesse ebenfalls digitalisieren wollen, und Beispiele dafür gebracht haben, wo Sie mit der Umsetzung begonnen haben, frage ich die Landesregierung: Was bedeutet dies konkret in den nächsten drei Jahren für die Beschäftigten der Landesverwaltung in Bezug auf die Stellenausstattung insgesamt und auf Fortbildungsmaßnahmen?