Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Erste Kältetote in Deutschland“: Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) e. V. berichtet auf ihrer Webseite
vom 2. November 2018, dass im Oktober dieses Jahres bereits drei obdachlose Menschen an Unterkühlung starben. Im ersten Fall handelt es sich um eine 43-jährige obdachlose Frau, die am 28. Oktober 2018 auf einer Parkbank in Hamburg gefunden wurde und später in der Klinik an Unterkühlung starb. Ebenfalls am 28. Oktober 2018 wurde ein 45-jähriger Mann am Düsseldorfer Hauptbahnhof leblos aufgefunden. Ein drittes Kälteopfer wurde in Köln unter einer Parkbank entdeckt. Der herbeigerufene Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen. Diese obdachlosen Menschen starben im Oktober bei Tiefsttemperaturen zwischen -1,4 °C in Hamburg und 3,8 °C in Köln.
Die BAG wertet Pressemitteilungen diesbezüglich systematisch aus und dokumentiert sie. Die BAG geht davon aus, dass ihre Angaben Mindestzahlen darstellen, da eine nicht bestimmbare Zahl nicht öffentlich bekannt wird. Besonders betroffen von der Kälte sind die wohnungslosen Menschen, die keinen Zugang zu Unterkunftsmöglichkeiten haben und auf der Straße leben müssen.
1. Wie viele Obdachlose gibt es aktuell nach Erkenntnissen der Landesregierung in Niedersachsen, und wie viele Plätze in Notunterkünften stehen diesen wohnungslosen Menschen zur Verfügung?
2. Wie hoch ist der durchschnittliche Kostenanteil, den ein Obdachloser pro Nacht in einer Unterkunft zahlen muss?
3. Wie hoch ist der Etat im niedersächsischen Landeshaushalt, der für die Versorgung von Obdachlosen zur Verfügung gestellt wird?
Vielen Dank, Frau Guth. - Für die Landesregierung antwortet Ihnen Frau Sozialministerin Dr. Reimann. Bitte!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Wohnungslose Menschen benötigen eine besondere Unterstützung. Oftmals kommen nämlich zum fehlenden Dach über dem Kopf weitere soziale
Probleme hinzu. Dazu gehören Krankheit, psychische Belastungen und Sucht. Wir stehen hier vor der Aufgabe, diesen Menschen in ihrer Situation zu helfen. Und das tut die Landesregierung.
Jeder in Deutschland lebende Mensch hat Anspruch darauf, dass ihm eine Unterkunft gewährt wird, die vorübergehend Schutz vor schlechtem Wetter bietet, Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lässt und insgesamt den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterkunft genügt.
Die Gemeinden als untere Behörden der Gefahrenabwehr sind dabei im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung verpflichtet, die für die Unterbringung von obdachlosen Personen notwendigen Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Kommen dann zu der Wohnungslosigkeit weitere soziale Schwierigkeiten hinzu, kann ein sozialrechtlicher Hilfebedarf entstehen. Für die dann notwendige Hilfe zur Überwindung dieser Schwierigkeiten sind in Niedersachsen die örtlichen und die überörtlichen Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Land hat in diesem Jahr zusätzliche Mittel in Höhe von 1 Million Euro für investive Maßnahmen bereitgestellt. Diese Mittel stehen für folgende Maßnahmen zur Verfügung: erstens für die Errichtung und die Ausstattung von Krankenwohnungen, zweitens für die Errichtung und die Einrichtung von geschlechtergerechten und barrierefreien sanitären Anlagen und Räumlichkeiten in den Tagesaufenthalten, die der medizinischen Betreuung dienen, und drittens für die Verbesserung der Standards der Obdachlosenunterbringung. Außerdem sind Modellprojekte im Bereich der Hilfe zur Arbeit und für die Zielgruppe der wohnungslosen Frauen in Planung.
Zu 1.: Sie fragten nach der Zahl der Obdachlosen und der Plätze in Notunterkünften in Niedersachsen. - Dazu ist zu sagen: Bislang hatte es der Bund mit dem Hinweis auf die kommunale Zuständigkeit für Wohnungslose abgelehnt, eine bundesweite Statistik zu führen. Insofern liegen keine verlässlichen Daten, sondern lediglich Schätzungen z. B. der zitierten Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe über die Zahl obdachloser Menschen in Deutschland vor. Niedersachsen hat sich im Rahmen der Arbeits- und Sozialminister- und -ministerinnenkonferenz im letzten Jahr aus
drücklich dafür eingesetzt, dass eine bundesweite Wohnungslosenstatistik eingeführt wird. Die Bundesregierung steht der Einrichtung einer solchen neuen Statistik mittlerweile positiv gegenüber. Derzeit erarbeitet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen entsprechenden Gesetzentwurf.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Niedersachsen wird die Zahl der Personen erhoben, die von den zuständigen Kommunen ordnungsrechtlich untergebracht werden. Dazu waren am Stichtag 31. Dezember 2016 insgesamt 6 588 Personen gemeldet. Die Kommunen hielten zu diesem Stichtag rund 9 000 Plätze für die ordnungsrechtliche Unterbringung bereit.
Zu 2.: Sie fragten nach dem durchschnittlichen Kostenanteil. - Die Gebühr für die Nutzung einer Obdachlosenunterkunft legen die Kommunen in eigener Zuständigkeit fest. Der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände liegen hierzu keine Zahlen vor. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit war es auch nicht möglich, entsprechende Zahlen zu erheben.
Zur dritten Frage: Wie hoch ist der Etat im niedersächsischen Landeshaushalt, der für die Versorgung von Obdachlosen zur Verfügung gestellt wird? - Die angesprochene ordnungsrechtliche Unterbringung von obdachlosen Menschen ist Aufgabe der zuständigen Kommunen. Erst wenn zur Wohnungslosigkeit weitere soziale Schwierigkeiten hinzukommen, entsteht gegebenenfalls ein sozialrechtlicher Hilfebedarf. Dabei ist die Bandbreite dieser sozialen Schwierigkeiten groß: Sie reicht von psychischen Problemen über Drogen- und Alkoholmissbrauch, über Verschuldungssituationen bis hin zu familiären Gewalterfahrungen.
In diesen Fällen entsteht ein Anspruch auf Hilfe nach §§ 67 ff. des Sozialgesetzbuches XII, die notwendig ist, um die Schwierigkeiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mildern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten. Erbracht werden diese Hilfen zum einen in ambulanter Form in Tagesaufenthalten und Beratungsstellen und zum anderen in stationären Einrichtungen und gegebenenfalls in Form daran anschließender nachgehender Hilfe.
In Niedersachsen besteht mit 54 Beratungsstellen und 34 Tagesaufenthalten ein flächendeckendes Angebot an ambulanten Hilfen. Zusätzlich gibt es über 1 300 Plätze in stationären Einrichtungen und 15 Beratungsstellen der nachgehenden Hilfe. Das Land stellt im Jahr 2018 für diese Hilfen nach den §§ 67 ff. SGB XII rund 34,7 Millionen Euro zur
Verfügung. Wie eingangs dargestellt, wurden in diesem Jahr zusätzliche Mittel in Höhe von 1 Million Euro für investive Maßnahmen für Wohnungslose bereitgestellt. Darüber hinaus fördert die Landesregierung die zentralen Beratungsstellen für Personen in besonderen sozialen Schwierigkeiten in einer Höhe von 568 000 Euro. Insgesamt beläuft sich die Summe auf rund 36,2 Millionen Euro.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die erste Zusatzfrage für die SPD-Fraktion stellt Frau Kollegin Naber. Bitte!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Frau Ministerin, was plant die Landesregierung hinsichtlich des von Ihnen gerade angesprochenen Modellprojekts im Rahmen der Hilfe zur Arbeit?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Parlament wurde ein Entschließungsantrag beraten, in dem ein Modellprojekt im Rahmen der Hilfe zur Arbeit vorgesehen war. Das Sozialministerium ist aktuell mit den Einrichtungsträgern der Wohnungslosenhilfe in Gesprächen darüber, wie ein solches Modellprojekt sinnvoll konzipiert werden kann.
Dabei sind auch die sehr, sehr positiven Entwicklungen auf der Bundesebene zu berücksichtigen. Gemeint ist damit das Engagement von Bundesarbeitsminister Heil mit Blick auf den sozialen Arbeitsmarkt und die intensive Unterstützung Langzeitarbeitsloser. Dazu muss man wissen: Ein Großteil der Menschen in den vom Land finanzierten Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe ist durchaus erwerbsfähig. Insofern ist zu hoffen, dass auch sie von dem kommenden sozialen Arbeitsmarkt und dem neuen Teilhabechancengesetz profitieren können.
Bei einem Landesprojekt müssen wir dann natürlich schauen, wie wir diese neuen Möglichkeiten gezielt nutzen können und wo wir als Land einen
Vielen Dank. - Die zweite und letzte Zusatzfrage für die SPD-Fraktion stellt nun Frau Kollegin Schüßler. Bitte!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin Reimann, Sie haben den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und CDU vom Mai 2018 erwähnt, in dem wir auf die besondere Situation wohnungsloser Frauen hingewiesen haben. Sie haben eben gesagt, dass es auch in dem Bereich ein Modellprojekt gebe. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Was konkret plant denn das Ministerium im Zusammenhang mit diesem Modellprojekt für wohnungslose Frauen?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, ich hatte das Modellprojekt für wohnungslose Frauen erwähnt. Frauen sind in besonderer Art und Weise von den Folgen einer Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffen und benötigen deshalb spezifische Unterstützung. Sie stellen, wie wir so sagen, eine besonders vulnerable Gruppe der Menschen in Wohnungsnot dar. Wohnungslose Frauen sind ja häufig auf der Straße gar nicht so sichtbar; denn sie wohnen oft ohne eigene mietrechtliche Absicherung irgendwo bei Bekannten. In dieser Situation sind sie auf das Wohlwollen dieser wohnungsgebenden Personen angewiesen. Damit befinden sie sich in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis, das häufig von dem hohen Risiko sexueller Ausbeutung und/oder Gewalterfahrung gekennzeichnet ist.
Vor diesem Hintergrund wollen wir in dem geplanten Modellprojekt - dazu sind wir in Gesprächen - insbesondere zwei Fragestellungen nachgehen. Die eine ist: Was wissen wir über wohnungslose Frauen? Welche Informationen fehlen? Wie kann der Kontakt zu ihnen hergestellt werden? Welchen speziellen Hilfebedarf haben sie? Wie müssen die
Hilfen angeboten werden, damit sie von den Frauen auch angenommen werden können? Welche Angebote also sind hilfreich und sinnvoll?
Der zweite Punkt ist: Die Nutzerdaten, die uns vorliegen, zeigen uns, dass der Anteil der Frauen in Tagestreffs deutlich höher ist als der in den Beratungsstellen und in der ambulanten Hilfe. Da muss man fragen: Welche Gründe hat das? Bestehen Unterschiede im Hilfebedarf bei Männern und Frauen? Wie müssen ambulante Hilfen aussehen und gestaltet sein, damit sie den Bedürfnissen der Frauen tatsächlich entsprechen?
Das Ministerium hat dazu erste Gespräche mit interessierten Trägern geführt und hofft, die Konzeption in Bälde erfolgreich abzuschließen, damit wir starten können.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die erste Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt der Kollege Eilers. Bitte, Herr Kollege!
Frau Ministerin Reimann, Sie haben vorhin gesagt, dass das Land 1 Million Euro zusätzlich für investive Maßnahmen zur Verfügung gestellt hat. Meine Frage ist: In welchem Umfang sind diese Mittel abgerufen bzw. in Anspruch genommen worden?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Danke für die Frage. Wir hatten in der Tat 1 Million Euro für investive Maßnahmen vorgesehen. Trotz der sehr kurzen Vorlaufzeit - das muss man zugestehen - hat es ein großes Interesse an dieser Förderung gegeben. Bislang wurden 18 Anträge bewilligt. Damit konnten von diesen 1 Million Euro bereits 850 000 Euro gebunden werden. Nur ein kleiner Rest steht noch für weitere Anträge zur Verfügung.
Erfreulich ist auch, dass Anträge nicht nur aus den großen Städten gestellt worden sind, sondern auch eine ganze Reihe kreisangehöriger Städte und