Am 10. November 2018 brannte in Neuscharrel der Schweinestall eines Landwirts, welcher in diesem eine Einstallung von 200 Schweinen plante.
Die Walsroder Zeitung führt unter der Überschrift „Vieles deutet auf einen Brandanschlag hin“ am 30. November 2018 aus, dass ein Hähnchenmaststall in Altenwahlingen vermutlich durch einen Brandanschlag zerstört worden sei. Ähnlich wie beim Brand in Neuscharrel war dieser Stall nicht belegt, eine Einstallung sollte erst in den nächsten Tagen erfolgen. Aufgrund eines Graffito einer militanten Tierrechtsorganisation, so die Zeitung, vermuten die Ermittler einen gezielten Brandanschlag.
2. Welche Straftaten wurden in den letzten fünf Jahren durch militante Tierrechtsorganisationen und deren Mitglieder in Niedersachsen begangen?
3. In welchen dieser Fälle ermittelte die Polizei, namentlich der Staatsschutz, und findet ein Erkenntnisaustausch mit anderen Bundesländern statt?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den gestellten Fragen führe ich wie folgt aus:
Zu Frage 1: In Niedersachsen bestehen mit der Animal Liberation Front und der Kampagne gegen Tierfabriken Niedersachsen zwei Gruppierungen, die als militante Tierrechtsgruppen anzusehen sind. Diese Einschätzung beruht auf Straftaten, die von Angehörigen der Gruppierungen begangen wurden oder die sich den Gruppierungen zuschreiben lassen.
Bei der Animal Liberation Front handelt es sich um eine der wichtigsten Aktionsformen und Sammlungsbewegungen der militanten Tierrechtsszene in Deutschland sowie weltweit. Seit Mitte der 1990er-Jahre sind unter dem Label „ALF“ Brandanschläge, Sachbeschädigungen und weitere Straftaten zu Tierrechtsthemen wie Jagd, Massentierhaltung, Pelz und Tierversuche in Deutschland zu verzeichnen.
Die ALF kann als Untergrundbewegung, bestehend aus kleinen, anonymen und unabhängig voneinander agierenden Zellen ohne zentrale Führung, beschrieben werden. Jede Gruppe, aber auch jede Einzelperson, die gegen Tierausbeutung vorgeht und sich so mit den Zielen der ALF identifiziert, kann sich nach deren Ideologie als deren Teil bezeichnen und in deren Namen Straftaten begehen. Eine Internetpräsenz ist nicht vorhanden.
Die Kampagne gegen Tierfabriken Niedersachsen (KgT) wendet sich laut einer Selbstbeschreibung gegen industrielle Tierhaltung in Niedersachsen sowie gegen Tierausbeutung im Allgemeinen. Der Fokus von Aktivitäten und Straftaten liegt auf Großschlachtanlagen in Holte - Wietzen - und in Wietze, deren Schließung angestrebt wird. Dazu finden Camps und Demonstrationen sowie Blockadeaktionen gegen die thematisierten Einrichtungen statt. Die Gruppierung unterhält eine Internetpräsenz. Weder der Sitz der Gruppierung noch die Betreiber der Internetseite sind bekannt.
Militante Tierrechtsgruppen mit einem Bezug zum Linksextremismus sind in Niedersachsen derzeit nicht bekannt.
Zu Frage 2: In den Jahren 2014 bis 2018 wurden in Niedersachsen insgesamt 132 Straftaten im Themenfeld Tierschutz/Tierrecht/Jagd der politisch motivierten Kriminalität registriert. Dabei handelt es sich in den einzelnen Jahren um folgende Fallzahlen:
Bei der Mehrzahl der Straftaten ist eine Täterschaft durch Angehörige militanter Tierrechtsorganisationen im Sinne der Frage 1 nicht gegeben oder nicht erkennbar.
In 21 Fällen ist aufgrund der Tatumstände eine Tatbegehung durch Angehörige militanter Tierrechtsorganisationen anzunehmen, wovon 13 Straftaten auf die Animal Liberation Front und 8 Straftaten auf die Kampagne gegen Tierfabriken Niedersachsen entfallen.
Zu Frage 3: Bei allen Straftaten, die in der Beantwortung der Frage 2 aufgeführt sind, handelt es sich um politisch motivierte Straftaten. Zuständigkeitsgemäß wurden und werden die Ermittlungen von den Dienststellen des polizeilichen Staatsschutzes geführt. Ein Erkenntnisaustausch mit anderen Bundesländern und dem Bundeskriminalamt findet bei herausragenden Straftaten oder bei Straftaten unter Beteiligung von Tatverdächtigen aus dem Bundesgebiet statt. Dies erfolgt in der
Regel in Form von Fernschreiben als Erkenntnismitteilungen, Meldungen wichtiger Ereignisse oder Verlaufsberichten.
Einen weiteren Erkenntnisaustausch gibt es im Rahmen des bundeseinheitlichen Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen politisch motivierter Kriminalität. Dabei werden die Straftaten und Tatverdächtigen dem Bundeskriminalamt als „Kriminaltaktische Anfrage in Fällen politisch motivierter Kriminalität“ übermittelt. Darüber hinaus erfolgt unter Beachtung der rechtlichen Voraussetzungen eine Erfassung der Straftaten und Tatverdächtigen im bundesweiten Dateisystem INPOL Innere Sicherheit.
Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Die erste Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt Herr Kollege Hiebing.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung: Gibt es Erkenntnisse dahin gehend, dass anerkannte Tierschutzorganisationen Kontakt zu militanten Tierrechtsgruppen pflegen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege, den niedersächsischen Sicherheitsbehörden liegen darüber keine Erkenntnisse vor.
(Christian Meyer [GRÜNE]: Aha! - Helge Limburg [GRÜNE]: Gut! Guter Innenminister! - Gegenruf von Ulrich Watermann [SPD]: Gutes Polizeige- setz!)
Vielen Dank. - Allein der Zusatz „militant“ verweist ja darauf, dass es sich hier um Personengruppen handelt, die sich im Sinne ihrer vertretenen Sache nicht an Gesetze halten. Ich frage die Landesregierung: Sehen Sie in einem Flächenland wie Niedersachsen tatsächlich Möglichkeiten, die ländliche Bevölkerung vor solchen Übergriffen zu schützen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die niedersächsischen Sicherheitsbehörden tun alles, was möglich ist, um Personen und Sachen zu schützen. Aber in einem Flächenland wie Niedersachsen kann die Polizei selbstverständlich nicht vor jedem Stallgebäude stehen; das versteht sich von selbst.
Ich will nur der guten Ordnung halber darauf hinweisen, dass es seit 2014 aus dieser Szene keine Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit von Menschen gegeben hat. Von daher reden wir - was schlimm genug ist - im Wesentlichen über Sachbeschädigung, Brandstiftung und ähnliche Dinge.
Vielen Dank, Herr Minister. - Die erste Zusatzfrage für die FDP-Fraktion: Herr Kollege Oetjen. Bitte, Herr Kollege!
Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, ist der Landesregierung bekannt, dass die anerkannte Tierschutzorganisation PETA auf ihrer Internetseite regelmäßig Videos der Animal Liberation Front veröffentlicht und damit eine Kooperation zwischen diesen beiden nicht ausgeschlossen werden kann?