Protokoll der Sitzung vom 19.06.2019

Zu der Kritik an der Regelung zu den Sozialleistungen, die Frau Schröder-Köpf hier noch einmal sehr gut dargestellt hat - nämlich das Herabsetzen auf null -, möchte ich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 hinweisen, das ich eben schon erwähnt habe: Das Existenzminimum lässt sich nicht migrationspolitisch relativieren, meine sehr geehrten Damen und Herren. Aber genau das geschieht eben mit diesem Gesetz!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb hat auch der Bundesrat in einem weitergehenden Kritikpunkt am 17. Mai eingefordert, dass das Kindeswohl stärker berücksichtigt wird. Herr Schünemann, Sie behaupten hier die Unwahrheit, wenn Sie sagen, dass Kinder und Familien nicht betroffen sind. Schauen Sie bitte in die Vorlage, § 62 Abs. 1 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes! Dort finden Sie die entsprechende Regelung. Was Sie hier in den Raum gestellt haben, ist die Unwahrheit.

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Sie haben die Un- wahrheit gesagt, Herr Schünemann!)

Herr Minister Pistorius, ich möchte auch Ihrem Satz widersprechen, dass mit Abschiebungen die Akzeptanz für die Migrationspolitik gesteigert wird. Das ist nicht der springende Punkt. Wir haben hier in Niedersachsen sowohl in der Vergangenheit als auch aktuell einen Vorschlag vorgelegt, der zeigt, wie wir uns das vorstellen. Es geht darum, im Rahmen der rechtlichen Gegebenheiten zu handeln. Und ich weise auch noch einmal darauf hin: Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind nicht gottgegeben, sondern sie werden von Parlamenten, vom Bundestag und vom Landtag, gemacht und von den ausführenden Stellen umgesetzt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von Johanne Modder [SPD] und Jens Na- cke [CDU] - Unruhe)

Wir haben es in der Hand, hier klare Kante gegen eine Verschiebung nach rechts zu zeigen.

Einen Moment bitte, Herr Kollege Onay! Die Redezeit wird angehalten. Sie haben noch ausreichend Zeit. - Ich möchte wirklich darum bitten, dass wir alle Herrn Onay die Möglichkeit geben, dass wir ihn auch hier verstehen.

Bitte!

(Ulrich Watermann [SPD]: Ich kann ihn nur hören, verstehen kann ich ihn nicht!)

- Danke, Herr Watermann, für diesen hilfreichen Kommentar, aber jetzt hat Herr Onay das Wort.

Aber vielleicht ist dieser letzte Satz verständlich: Ich greife gern den Appell auf, hier klare Kante gegen rechts zu zeigen. „Klare Kante gegen rechts“ gilt nämlich auch, wenn Gesetze diskutiert werden. Es darf keinen Raum für Vorschläge und Forderungen von weit rechts geben, die wie u. a. auch bei diesem Gesetzespaket zu einer massiven Verschiebung nach rechts führen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Weitere Wortmeldungen zur Aussprache liegen nicht vor.

Es gibt jetzt noch eine Wortmeldung von Frau Schröder-Köpf, und zwar zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 unserer Geschäftsordnung. Frau Kollegin, Sie sind mit dem Inhalt vertraut. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte versucht, einen etwas anderen Ton anzuschlagen und einen anderen Stil zu finden - vor dem Hintergrund des Mordes an Ihrem Parteifreund. Es scheint aber nicht gelungen zu sein.

(Vizepräsident Bernd Busemann über- nimmt den Vorsitz)

Herr Schünemann, Sie sind persönlich geworden, deswegen werde ich das jetzt auch. Es ist eigentlich ein Wunder - seit dem Wahlkampf 2012 sind wir uns oft begegnet -, dass wir nicht schon früher

einmal zusammengerauscht sind. Heute ist es aber der Fall.

Es ist sicher schwierig für jemanden wie Sie, der im Innenministerium gearbeitet hat und sich sozusagen als Erfahrungsjurist empfindet, die Sachen zu bewerten. Ich bin keine Juristin. Also habe ich echte Juristinnen und Juristen gefragt, was es mit der Einführung des § 1 Abs. 4 Asylbewerberleistungsgesetz auf sich hat. Und diese Juristinnen und Juristen haben mir gesagt - ich möchte das einmal zitieren -: Für vollziehbar ausreisepflichtige Menschen mit Schutzstatus in einem anderen EUMitgliedstaat oder Drittstaat wird eine vollständige Leistungskürzung auf null vorgesehen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: So! Das ist die Wahrheit!)

Das ist das, was Juristinnen und Juristen sagen. Ich weiß nicht, welchen beruflichen Hintergrund Sie haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir werden in Niedersachsen natürlich nicht zulassen, dass die Menschen hungern müssen. Aber das werden dann eben andere machen: Es werden andere die Kosten tragen müssen, es werden sich andere verantwortlich fühlen müssen. Das habe ich erwähnt.

Ich finde es nicht anständig, was dort in der bundesgesetzlichen Regelung vorgesehen ist, und das werde ich auch so wiederholen. Wenn Sie da andere juristische Interpretationen haben, dann erklären Sie jetzt, vor welchem Hintergrund Sie das hier gesagt haben!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schröder-Köpf.

(Uwe Schünemann [CDU] meldet sich zu Wort)

- Herr Schünemann, unter welchem Aspekt?

(Uwe Schünemann [CDU]: Persönli- che Bemerkung!)

- Persönliche Bemerkung. Dann ist das okay. Bitte!

(Imke Byl [GRÜNE]: Eine Entschuldi- gung wäre angebracht!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Schröder-Köpf, ich habe mich zu denjenigen geäußert, die noch keinen Schutzstatus haben, und da habe ich gesagt, dass es durchaus in Sammelunterkünften Sachleistungen gibt. Wenn man sich, wie Sie es getan haben, auf den Paragrafen bezieht, wonach man schon in einem anderen europäischen Land einen Schutzstatus erhalten hat - wenn man z. B. in Griechenland Asyl bekommen hat und dann wieder nach Deutschland gekommen ist -, dann ist es richtig, dass man nach zwei Wochen, wie es der Innenminister gesagt hat,

(Johanne Modder [SPD]: Ausgehun- gert wieder zurückfährt!)

keine Leistungen mehr bekommt, es sei denn, es handelt sich um einen Härtefall.

(Johanne Modder [SPD]: Genau! Jetzt sind wir bei der Wahrheit!)

Ich sage Ihnen: Es gibt in dem Zusammenhang auch überhaupt kein Abschiebungshindernis, weil das Asyl in dem Land schon gegeben ist.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Sie lassen die hungern! - Anja Piel [GRÜNE]: Die können dann hier auf der Straße ver- hungern, Herr Schünemann! Dann sagen Sie das doch auch so! Frau Schröder-Köpf hat recht!)

Deshalb ist es meiner Ansicht nach durchaus richtig, dass man alles daransetzt, dass diejenigen, die einen Schutzstatus erhalten haben, wieder in das entsprechende Land zurückgehen. Und in dem Zusammenhang ist gesagt worden, dass die Leistungen zurückgefahren worden sind - nur zu dem Punkt, dass man wieder, beispielsweise nach Griechenland, zurückgeführt wird.

(Johanne Modder [SPD]: Dann kann man ohne Essen wieder zurück und dann hungern!)

Das ist meiner Ansicht nach der richtige Punkt, und wenn das hier falsch interpretiert worden ist, bitte ich um Entschuldigung. Aber das ist der Sachstand, und ich halte das fachlich auch für völlig in Ordnung.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schünemann. - Das waren zwei persönliche Bemerkungen unter Aufarbeitung der Sachdebatte, aber das eine hat mit dem anderen möglicherweise zu tun.

(Unruhe)

Mir liegen zu diesem Tagesordnungspunkt, zu dieser Aktuelle Stunde keine weiteren Wortmeldungen vor. Wenn jetzt die notwendige Ruhe eingekehrt ist, können wir fortsetzen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 17: Abschließende Beratung: Die Hälfte der Macht den Frauen! - Enquetekommission für ein niedersächsisches ParitéGesetz - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/3244 - Beschlussempfehlung des Ältestenrates - Drs. 18/3946

Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein. Für die antragstellende Seite hat sich die Fraktionsvorsitzende Frau Kollegin Piel gemeldet. Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort!