Protokoll der Sitzung vom 11.09.2019

(Starker Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

An einer Stelle ist die AfD allerdings anders als andere rechtsextreme Parteien: Während die NPD, die DVU oder die Republikaner keinen Zweifel daran lassen oder gelassen haben, dass sie rechtsextreme Parteien sind, weist die AfD diesen Vorwurf weit von sich. Möglicherweise verspricht sie sich davon eine höhere Attraktivität für die Wählerinnen und Wähler, aber es entspricht eben nicht der Wahrheit.

Die Journalisten haben während unseres Pressegesprächs zu Recht gefragt, welche politischen Folgerungen sich daraus ergeben. Ich räume freimütig ein, dass es im Umgang mit einer rechtspopulistischen Partei und dem Umgang mit einer rechtsextremen Partei wenig Unterschiede gibt. Eine parlamentarische Zusammenarbeit mit populistischen Parteien gab es schon vorher nicht. Wir wollen und werden uns nicht deshalb mit Themen befassen, weil die AfD es tut oder nicht tut, und werden wichtige pragmatische Entscheidungen auch dann treffen, wenn wir Applaus von der falschen Seite zu erwarten haben.

Wir wollen und werden jene Wählerinnen und Wähler nicht ignorieren, die sich für die AfD entschieden haben.

(Stephan Bothe [AfD]: Darum geht es nämlich!)

Viele dieser Menschen haben die AfD aus Protest gewählt. Sie wollen und wollten ihrer Unzufriedenheit mit den verantwortlichen Parteien und deren Entscheidungen zum Ausdruck bringen, wobei aus meiner Sicht ganz wesentlich die Unzufriedenheit mit der Aufnahme von Flüchtlingen wahlentscheidend war. Es kann uns nicht egal sein, wenn diese Menschen glauben, mit ihren Sorgen und Nöten bei der AfD, also bei einer rechtsextremen Partei, richtig aufgehoben zu sein. Ich bin der Überzeugung, dass nur die wenigsten dieser Menschen auch tatsächlich diesen Staat und seine Institutionen wie unabhängige Presse, unsere Freiheit und unsere Grundwerte ablehnen, auf denen unser Land aufgebaut ist.

(Zurufe von der AfD: Reine Unterstel- lungen! Das tun wir auch nicht! Wir treten dafür ein!)

Unsere Aufgabe als CDU ist es, die tatsächlichen Ziele und Ideen der AfD deutlich zu machen. Wir müssen den Blick hinter die Fassade ermöglichen, die diese Partei so sorgfältig zu errichten versucht. Wir sind es unserem Land schuldig.

(Starker Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, eine rechtsextreme Partei gehört nicht in ein Parlament.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Das Wort für die Landesregierung erhält nun Herr Innenminister Pistorius. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

„Manchmal höre ich an einigen Orten Reden, die denen von Hitler 1934 ähneln.“

Diesen Satz hat Papst Franziskus vor einigen Tagen gesagt, als er von einer Reise nach Afrika zurück in den Vatikan flog.

Meine Damen und Herren, er hat recht!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Am 1. September 1939, also vor ziemlich genau 80 Jahren, begann der Erste Weltkrieg. Er wurde durch das möglich, was 1933/34 und in den Jahren davor und danach politisch, sprachlich, rhetorisch und hetzerisch vorbereitet worden ist.

Wir dürfen nie wieder zulassen, liebe Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dass Rechtsextreme oder solche, die vermeiden, diesen Eindruck zu erwecken - mehr hilflos als tatsächlich erfolgreich -, Hass, Hetze und Gewalt verbreiten und jemals wieder den Boden für etwas Derartiges bereiten können.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wir werden nicht zulassen, dass Rechtsextreme oder Rechtspopulisten diese Gesellschaft auseinandertreiben, Menschen gegeneinander ausspielen und Menschen zwischen erster, zweiter und dritter Klasse unterscheiden. Wir werden das nicht wieder zulassen!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir erleben, dass Rechtsextreme und Rechtspopulisten auf unterschiedlichen Ebenen Zulauf haben. Sie geben sich gern eine bürgerliche Fassade, sie bestreiten, rechtsextrem zu sein, sie bestreiten, rassistisch und fremdenfeindlich zu sein. Aber seien wir ehrlich: Diejenigen, die glauben - nein, sie glauben es ja nicht wirklich -, diejenigen, die behaupten, sie seien immer noch bürgerlich, haben längst die Kontrolle über ihren Laden verloren. Diese Partei, diese AfD ist längst auf dem Weg nach rechts außen. Das wird niemand innerhalb dieser Partei mehr aufhalten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Beispiele: die Äußerungen von Herrn Gauland zum „Vogelschiss der deutschen Geschichte“, zum „Jagen der Kanzlerin“, zum „Entsorgen von deutsch-türkischen Bundestagsabgeordneten nach Anatolien“. Oder denken Sie an den neuen Fraktionsaal der AfD, in dem die künstlerische Darstel

lung der deutschen Geschichte gespiegelt wird, aber merkwürdigerweise die zwölf Jahre komplett ausgeblendet werden. Es ist schon ein bemerkenswerter Vorgang für eine Partei, die sich für demokratisch und bürgerlich hält, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Deswegen sage ich sehr deutlich: Hier werden durch Sprache und durch Auslassen Brücken geschlagen von ganz rechts außen in die Mitte der Gesellschaft. Deswegen ist es gut so, dass diese und die Vorgängerlandesregierung immer und immer wieder der Bekämpfung des Rechtsextremismus großen Raum eingeräumt haben.

(Zuruf von der AfD)

Schwerpunkte im Kampf gegen Rechts zu setzen, Landesprogramme, Landesrahmenkonzepte - all das ist wichtig und passiert jeden Tag. Der Verfassungsschutz guckt auch sehr genau auf diesen Graubereich zwischen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus, weil es nötig ist, weil hier Gift gesät wird, weil hier versucht wird, die Mitte der Gesellschaft zu erreichen - leider in Teilen Deutschlands auch mit Erfolg.

Wenn die AfD behauptet, dass die Zahl 18 auf ihren merkwürdigen Bonbons am Tag der offenen Tür zufällig sei, dann ist diese Zahl 18 wahrscheinlich genauso zufällig wie bei Combat 18.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der AfD - Zurufe von der AfD: Oh!)

- Das müssen Sie sich schon anhören!

Combat 18 - meine Damen und Herren, für diejenigen, die es nicht wissen oder gerade mal vergessen haben - ist der militante Arm von Blood and Honour.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Einen Moment, bitte, Herr Minister! - Ich darf um Ruhe bitten. - Fahren Sie fort!

Es wird höchste Zeit, dass wir mit dem Bundesministerium des Innern darüber reden, wie hier ein verfassungsfestes Verbot erreicht werden kann, und zwar am besten über die deutschen Grenzen

in Europa hinaus; denn das sind genau die Dinge, gegen die wir konsequent vorgehen müssen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Ja, meine Damen und Herren, wir mussten feststellen, dass wir es trotz aller Bemühungen noch nicht haben hinkriegen können, allen Rechtsextremisten in Niedersachsen die Waffen wegzunehmen. Wir müssen feststellen, dass es uns trotz der hervorragenden Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz, der Polizei und den Waffenbehörden nicht immer gelingt, und zwar, weil das Waffenrecht sehr hohe Hürden setzt. Ich finde, wir sollten darüber nachdenken, ob die Hürden nicht zu hoch sind,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der FDP)

um das Verbot von Waffen in den Händen von Extremisten wirklich erfolgreich durchzusetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Antoine de Saint-Exupéry hat einmal gesagt: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommele nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu verteilen und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer - man muss natürlich sagen: auch die Frauen - die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.

Meine Damen und Herren, genauso muss es mit der Demokratie und unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung sein. Unser Bestreben muss nicht sein, alleine zum Kampf gegen Rechts aufzufordern - das ist selbstverständlich -, der Punkt ist der, dass wir erkennen müssen, dass die Weimarer Republik nicht an der Stärke ihrer Gegner zugrunde gegangen ist, sondern an der Schwäche ihrer Anhänger.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Deswegen wird es höchste Zeit, dass wir Demokraten in diesem Parlament deutlich machen, wofür wir stehen und was wir in diesem Land nie wieder zulassen wollen.

Deswegen lassen Sie uns für Demokratie, Freiheit und Gleichheit werben und denjenigen, die das nicht wollen, die rote Karte zeigen - jeden Tag an jedem Ort in diesem Land!

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Nun hat das Wort für die AfD-Fraktion Herr Abgeordneter Wichmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Vielzahl der Vorwürfe gegen die AfD im Rahmen dieser Aktuellen Stunde werde ich nicht im Einzelnen begegnen können, dafür müsste man meine Redezeit verlängern.