Protokoll der Sitzung vom 12.09.2019

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vieles von dem, was hier gesagt worden ist, ist sicherlich richtig. Ich finde es auch gut, dass wir versuchen, auf einer gewissen sachlichen Ebene - ich sage mal: ohne „Parteiklüngel“ - zu diskutieren.

Auf einen Punkt möchte ich aber noch einmal hinweisen. Frau Janssen-Kucz sprach eben davon. Es ist schon so - das ist in der Unterrichtung durch die Landesregierung in der vergangenen Woche auch deutlich geworden -, dass wir wissen, wo die Kinder untergebracht sind. Ich möchte nicht, dass hier der Eindruck entsteht, dass es im Jugendamtsbereich Kinder gibt, von denen die entsprechenden Jugendämter nicht wissen, wo sie untergebracht sind. Auch von den rumänischen Kindern wissen wir, wo sie untergebracht sind. Es ist richtig, so wie es die Sozialministerin angeordnet hat,

dass wir dort in Zukunft keine Kinder mehr unterbringen.

Auf einen zweiten Punkt möchte ich gerne hinweisen. Hier ist immer wieder von der Finanzierungsfrage gesprochen worden. Meiner Meinung nach darf und muss man hier sagen, dass die Finanzierungsfrage für die Arbeit im Landespräventionsrat geklärt ist, sodass die Arbeit dort beginnt.

Ich halte es auch für wichtig, dass wir hier über die Strukturfragen und darüber sprechen, wo wir dort zu Verbesserungen kommen können. Hierzu hat es ja auch entsprechende Vorschläge gerade auch der kommunalen Spitzenverbände in der Anhörung gegeben.

Ich will damit nur deutlich machen: Es gibt viele Vorschläge, und ich halte es auch für richtig, sie außerhalb des politischen Bereichs und des Verwaltungsbereichs zu prüfen, um festzustellen, was davon umgesetzt werden kann und welche Wirkung das Ganze erzielen kann.

Ich bin auch der Auffassung, dass wir uns einmal ganz kritisch mit dem Thema Datenschutz beschäftigen müssen. Denn ich glaube, dass sich gerade bei Fragen des Datenschutzes Jugendämter, Polizei und Staatsanwaltschaften in der Zusammenarbeit gegenseitig blockieren. Die Auflösung dieser Blockade muss ebenfalls als Priorität gesehen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie Zustim- mung bei der SPD und von Anja Piel [GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. - Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich die Aktuelle Stunde der CDU-Fraktion schließen kann.

Ich eröffne die Besprechung zu

b) Soja-Importe zerstören Regenwald - Kein Mercosur-Abkommen zulasten von Klima und bäuerlicher Landwirtschaft - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/4536

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich der Frau Kollegin Staudte das Wort.

(Unruhe)

Die Kollegen und Kolleginnen, die dieser Debatte nicht folgen möchten, haben jetzt die Gelegenheit, den Plenarsaal zu verlassen. - Einen Moment noch, Frau Kollegin Staudte! - Alle anderen bitte ich um Aufmerksamkeit.

Bitte, Frau Kollegin!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen jetzt zu einem aktuellen Thema aus einem ganz anderen Bereich, aber ich denke, wir müssen darüber diskutieren. Sie wissen es alle: Der Regenwald brennt, und zwar in einem nie gekannten Ausmaß. Zeitweise hatten wir es in Südamerika mit über 70 000 Bränden zu tun.

Sie können jetzt natürlich fragen: Was hat es mit Niedersachsen zu tun, wenn in 9 000 km Entfernung der Regenwald brennt? - Dazu muss man sagen: Ja, der Regenwald ist weit weg, aber die Mitverantwortung für diese Brände liegt auch in einem ganz besonderen Maße hier in Niedersachsen.

Brake in der Wesermarsch ist, wie Sie wissen, der deutsche Futtermittelhafen. Dort werden im Jahr 6 Millionen bis 8 Millionen t umgeschlagen. Wenn wir uns nur einmal die Mengen der Soja-Importe aus Brasilien ansehen - Brasilien interessiert uns ja im Moment unter der katastrophalen Regierung von Bolsonaro besonders -, so sind es 1,1 Millionen t Soja, 1,5 Millionen t Sojaschrot. Wenn man das umrechnet und fragt, wie groß die Anbaufläche ist, die dort für unseren Import genutzt wird - hierzu gibt es Zahlen der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hin -, so ergibt sich, dass in Brasilien 962 000 ha genutzt werden, um für uns Soja anzubauen. Das ist eine Größenordnung, die wir nicht akzeptieren können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist natürlich nur ein Teil. Hinzu kommen die Soja-Importe aus vielen anderen Ländern. Wenn wir uns jetzt fragen, was mit dem Gentechnik-Soja, um den es sich ja handelt, hier in Deutschland passiert: Er landet vor allem auch in den niedersächsischen Futtertrögen. Man kann sagen, Soja ist letztlich der Treibstoff für unsere Massentierhaltung und auch eine Ursache des Gülleüberschusses, über den wir ja gerade in dieser Woche auch sehr intensiv diskutiert haben. Man kann sagen: Vorne Soja rein, hinten Gülle raus. - Auch das ist ein Grund, warum wir die Soja-Importe drastisch

reduzieren müssen. Wir können in Deutschland, in Niedersachsen langfristig nur so viele Tiere halten, wie wir mit unseren eigenen, heimischen Futtermitteln ernähren können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen müssen wir z. B. die Eiweißstrategie vorantreiben.

Aber es geht nicht allein um Soja. Über den Hafen in Brake wird auch das meiste Palmöl importiert. Dabei geht es nicht nur um Margarine und Kosmetik wie Lippenstifte etc. 60 % des Palmöls von diesen Plantagen, wo früher ja auch Regenwald stand, landen in der Energieerzeugung, also entweder in der Verstromung oder in unseren Tanks für Biodiesel als sogenannter nachhaltiger, nachwachsender Rohstoff, der beigemischt wird.

Wir begrüßen, dass die EU gesagt hat, so gehe es nicht weiter, und erkannt hat, dass dies kein nachhaltiges Modell ist. Die EU wollte ja bis zum Jahr 2021 aussteigen. Leider ist dann 2030 daraus geworden. Dann muss man auch einmal in Richtung GroKo in Berlin fragen: Wer hat da eigentlich interveniert? Welche Mitgliedstaaten waren das? - Dies ist kein Geheimnis. Indonesien ist ja auch eines der Exportländer für Palmöl. Dort hat man gesagt: Wenn ihr unser Palmöl nicht mehr haben wollt, dann kaufen wir auch eure Airbusse nicht mehr! - Welche Position hat die Bundesregierung hierzu eingenommen? Das würden wir sehr gerne wissen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frankreich war in diesem Fall hart. So viel ist klar.

Das alles sind Auswüchse und Schattenseiten der Globalisierung. Jetzt steht im Raum, dass dieser Handel noch weiter vorangetrieben werden soll.

Die EU hat mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay das Mercosur-Abkommen ausverhandelt. Uns interessiert natürlich, wie sich diese Landesregierung dazu verhalten wird, ob Deutschland dieses Abkommen ratifizieren soll. Wir zitieren Herrn Rukwied, den Präsidenten des Bauernverbandes, ja nicht sehr oft. Aber da hat er mal recht. Er sagt, ein solches Mercosur-Abkommen wäre ein massiver Schlag gegen eine nachhaltige bäuerlichunternehmerische Landwirtschaft in Europa sowohl in der Tierhaltung als auch im Ackerbau. Dieses Handelsabkommen wäre Doppelmoral pur. - Da hat er recht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es geht um 99 000 t Rindfleisch, die zollfrei importiert werden sollen, und um 180 000 t Geflügel, 180 000 t Zucker. Dann kann man ja auch einmal fragen: Was sagen wohl unsere Rübenbauern, und was sagt wohl Nordzucker dazu? - Der Zuckermarkt ist ja ohnehin schon sehr angespannt.

Es geht aber auch um 450 000 t Ethanol aus Zuckerrohr für unser Benzin als „nachhaltiger“ Treibstoff.

(Glocke der Präsidentin)

Das sind alles Entwicklungen, die wir so nicht hinnehmen können. Wir wollen wissen, was diese Landesregierung zu dem Mercosur-Abkommen sagt. Ich denke, die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, was sowohl die Agrarministerin als auch der Wirtschaftsminister dazu sagen.

Sie müssen zum Schluss kommen, Frau Kollegin!

Ich hoffe auf Erkenntnisse.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Staudte. - Für die SPD-Fraktion erhält nun Herr Dr. Pantazis das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit über 760 Millionen Menschen soll das Mercosur-Abkommen die größte Freihandelszone der Welt werden. Als die Europäische Union und die vier Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay nach 20 Jahren ihre Verhandlungen Ende Juni erfolgreich beendeten, sprach Kommissionspräsident Juncker sogar von einem - ich zitiere - historischen Moment. Inmitten internationaler Spannungen in den Handelsbeziehungen sendeten die Verhandlungspartner ein starkes Signal, dass diese für einen regelbasierten Handel stehen.

Es mag wichtig sein, dass die EU als erste Wirtschaftsregion überhaupt Zugang zum abgeschotteten südamerikanischen Markt erhält. Fast noch wichtiger erscheint mir, dass wir den brasilianischen Präsidenten, einen erklärten Gegner nicht nur von Freihandelsabkommen, einbinden konnten.

Das Abkommen soll im Wesentlichen den EUMarkt für Produkte aus den Mercosur-Staaten öffnen und im Gegenzug die Zölle für Industriegüter aus Europa abschaffen. Bei Autos fielen Zölle beispielsweise in Höhe von 35 %, bei Pharmaprodukten in Höhe von 40 % weg.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Also ein Austausch!)

Insgesamt 4 Milliarden Euro an Zöllen könnten die EU-Staaten laut Kommission einsparen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Autos ge- gen Landwirtschaft!)

Sehr geehrte Kollegen, nach der anfänglichen Euphorie fraßen sich dann im Sommer allerdings immer mehr Feuer durch den Regenwald am Amazonas. Die Kollegin Staudte hat es eben gerade erwähnt. Es folgten bizarre Auftritte des brasilianischen Präsidenten bis hin zu Schuldzuweisungen an Umweltschützer für die Brände. Es ist zu vermuten, dass diese bewusst von Agrarunternehmen - politische Unterstützer des Präsidenten - gelegt wurden, um die Fläche wirtschaftlich für den Sojaanbau nutzbar zu machen.

Zwei Monate später bleibt daher festzuhalten: Der Euphorie ist einer Ernüchterung, ja Entsetzen gewichen. Ich kann daher für meine Fraktion erklären, dass wir Ihre Sorgen und Bedenken ausdrücklich teilen. Wenn unser Haus brennt, wie Macron richtig konstatiert hat, können wir nicht tatenlos zusehen, erst recht keinem Abkommen unter diesen Umständen zustimmen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, angesichts aktueller US-Handelsblockaden ist es für die EU geostrategisch allerdings unerlässlich, Handelsabkommen abzuschließen, um die Globalisierung im Sinne europäischer Werte zu gestalten. Schließlich sind wir nicht nur Wertegemeinschaft, sondern Friedens- und Handelsmacht. Diese Macht lässt sich sehr wohl im Guten einsetzen. Es ist daher richtig, dass EU-Handelsverträge wie das Mercosur-Abkommen neben Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) umfassende und verbindliche Nachhaltigkeitskapitel enthalten müssten.

Gerade im Hinblick auf die Brände am Amazonas ist es von größter Bedeutung, dass sich die Vertragsparteien zur wirksamen Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens verpflichten.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Wer’s glaubt!)