Protokoll der Sitzung vom 23.10.2019

Der Zuckerrübenanbau steht als Nächstes auf der Tagesordnung. Ich sage Ihnen als jemand, der konventionellen Anbau und Bio-Anbau in den Betrieben hat: Im Biobetrieb - das ist hochinteressant - kriegen wir 11 Euro pro Doppelzentner für die Rüben, im Gegensatz zu 2 Euro im konventionellen Anbau. - Nur, damit man mal weiß, was das kostet!

In Deutschland wird der Zuckerrübenanbau zerstört, wenn Sie so weitermachen. Aber Zucker können wir ja wunderbar über das Mercosur-Abkommen auf dem Weltmarkt einkaufen. Frau Staudte hat es angesprochen. Da wird dann etwas mehr Regenwald abgeholzt, und dann können wir von dort billig Zucker und andere Lebensmittel einkaufen.

Jetzt kommt der letzte Satz, Herr Kollege.

Das wollen die Menschen nicht.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Deswegen sagen wir als Liberale: Ist der Bauer ruiniert, wird dein Essen importiert. - Das wollen die Menschen in diesem Lande nicht. Wir wollen die Landwirtschaft in diesem Land stärken und nicht zerstören.

(Starker Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Grupe. - Für die Landesregierung hat sich nun die Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast zu Wort gemeldet. Bitte sehr, Frau Ministerin!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Eines vorweg: Mich haben die Bilder rund um den Maschsee gestern tief beeindruckt und auch sehr bewegt. Ich habe großen Respekt vor den vielen Landwirtinnen und Landwirten, die in unfassbar großer Zahl hier bei uns in Hannover und anderswo zu großen Demonstrationen zusammengekommen sind - friedlich und gesprächsbereit. Das möchte ich betonen, denn das ist mir sehr wichtig.

Besonders berührt hat mich, dass viele junge Menschen ganz offensichtlich mit Sorgen in ihre Zukunft schauen und Angst um die Entwicklung ihrer Höfe und ihrer Existenz haben. Einige unserer Auszubildenden aus den letzten 20 Jahren habe ich auf den Traktoren wiedergesehen. Das ist dann auch ein ganz persönlicher Aufruf an mich.

Ich freue mich, dass all diese jungen Menschen trotz des Frustes die Hoffnung haben, dass sich etwas bewegt, wenn sie sich in Bewegung setzen. Ich verstehe die Demo der Landwirte als Aufruf an uns alle in der Politik und in der Gesellschaft, genau hinzuhören und das Gespräch mit unseren Landwirtinnen und Landwirten zu suchen. Ich selbst tue das seit knapp zwei Jahren, und zwar in der Stadt und auf dem Land. Am 10. Oktober hat sich mein Ministerium geöffnet, um Landwirte und Verbraucher einzuladen und zusammen ins Gespräch zu bringen. Das war eine tolle Aktion.

Die Landwirtschaft verändert sich. Die Ansprüche der Gesellschaft an die Landwirtschaft wachsen fast täglich. Das macht vielen Angst, manche aber auch einfach nur wütend. Der Mangel an gesellschaftlicher Wertschätzung ist für den ganzen Berufsstand enttäuschend und frustrierend. Die Sorgen der Landwirte ernst zu nehmen, ist meiner Meinung nach das, was die Politik - und zwar was jeder hier von uns - jetzt tun muss.

Dabei möchte ich nicht missverstanden werden: Nicht alles darf so bleiben, wie es ist. Veränderungen sind erforderlich, aber solche mit Perspektive. Gemeinsam mit Minister Lies stehe ich hinter der Ausweisung von roten Gebieten. Ja, wir haben Probleme mit unserer Wasserqualität. Aber die Maßnahme der Bundesregierung, pauschal für alle die Düngung zu reduzieren, halten wir beide für falsch.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Ich wünsche mir, dass nach der gestrigen Aktion ein neues Miteinander entwickelt wird. Ziel sollte ein Gesellschaftsvertrag über die Landwirtschaft sein, und zwar mit der Landwirtschaft: Welche Landwirtschaft wollen wir? Wie bezahlen wir als Gesellschaft angemessen für die Leistungen unserer Landwirtinnen und Landwirte?

Ich will die neu entstandene Dynamik für meine Politik nutzen. Ich werde mich auch weiterhin dafür einsetzen, dass Veränderungen gangbar werden, dass Lösungen gefunden werden und dass Landwirtschaft in Niedersachsen insbesondere für unsere nachwachsende Generation eine Zukunft hat.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Frau Ministerin, Entschuldigung! Wir haben eine Wortmeldung des Kollegen Dr. Birkner erhalten. Ich nehme an, er wollte eine Zwischenfrage stellen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: So ist es!)

Die Meldung kam kurz vor dem Ende Ihrer Rede. Deswegen möchte ich Sie fragen, ob Sie diese Frage zulassen.

Ja. Warum nicht?

Bitte schön, Herr Dr. Birkner!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, herzlichen Dank für die Möglichkeit, diese Frage zu stellen.

Sie sprachen eben und auch gestern auf der Versammlung - wie auch Minister Lies - von einem Gesellschaftsvertrag. Wann und wie soll denn dieser Gesellschaftsvertrag ganz konkret entwickelt werden? Was sind da Ihre Pläne?

Bitte schön, Frau Ministerin!

Vielen Dank für Ihre Frage.

Für mich ist aus dem Anstoß, der von den Landwirten, von der Basis heraus gekommen ist - und zwar vorbei an den berufsständischen Vertretungen -, eine Dynamik entstanden. Diese Dynamik werden wir nutzen, mit der Gesellschaft, mit der Landwirtschaft und mit NGOs zusammen in Gespräche zu kommen bzw. einzutreten. Der Prozess hat für mich gestern begonnen. Daraus wird ein Gesellschaftsvertrag entstehen; denn ohne ihn kommen unsere Landwirte in diesem Land nicht zurecht.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin.

Die Frau Ministerin ist im Rahmen ihrer Redezeit geblieben. Deswegen gibt es keine zusätzlichen Redezeiten für die Fraktionen.

Damit ist der Tagesordnungspunkt 4 b beendet.

Wir nehmen im Präsidium kurz einen Wechsel vor. Dann geht es mit dem Tagesordnungspunkt 5 weiter.

(Vizepräsidentin Meta Janssen- Kucz übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, wir schreiten in der Tagesordnung fort. Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 5: Abschließende Beratung: a) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung - Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Drs. 18/358 - b) Entwurf eines Gesetzes über die Schuldenbremse in Niedersachsen - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 18/3258 - c) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/3447 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 18/4850 - Schriftlicher Bericht - Drs. 18/4899 - Änderungsantrag der Fraktion der FDP -

Drs. 18/4917

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf der Landesregierung mit Änderungen anzunehmen sowie die Gesetzentwürfe der Fraktion der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen.

Der Änderungsantrag der Fraktion der FDP betrifft den Artikel 2 des Gesetzentwurfs. Gegenstand des Änderungsantrags ist eine Ergänzung der Beschlussempfehlung zu § 18 a der Landeshaushaltsordnung um einen neuen Absatz 3.

Wir steigen jetzt in die Beratung ein. Die eröffne ich mit dem Abgeordneten Christian Grascha von der FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Grascha!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der mögliche heutige Beschluss zur Schuldenbremse steht nicht alleine da, sondern die Debatte über die Schuldenbremse hat eine Historie im Land. Seit 2011 diskutieren wir in verschiedenen Konstellationen über die Schuldenbremse. 2011 haben wir gemeinsam mit unserem damaligen Koalitionspartner, der CDU, einen Entwurf eingebracht. Seitdem gab es diese Diskussionen, mal heftiger und mal weniger heftig - je nachdem, wie die politische Konstellation war. Diese Diskussion dauert immerhin schon acht Jahre lang an.

Es gibt weiterhin die Notwendigkeit, eine Schuldenbremse auf den Weg zu bringen, auch wenn es hier und da mal eine Diskussion über die Notwendigkeit gibt; denn wir als Freie Demokraten sind der Überzeugung, dass wir der nächsten Generation eben keinen Schuldenberg hinterlassen dürfen, mit dem am Ende die Selbstbestimmung unserer Kinder und Enkelkinder eingeschränkt wird. Deswegen ist es die Verantwortung der heutigen Politik, mit dem Geld, das der Staat heute einnimmt, auch auszukommen, und zwar ohne neue Schulden.

(Beifall bei der FDP)

Die Debatte über die Notwendigkeit der Schuldenbremse wird insbesondere deswegen geführt, weil wir heute die schädliche EZB-Politik mit negativen Zinsen haben und dadurch völlig falsche Anreize geschaffen werden.

Wir glauben aber, es ist nicht nur eine ökonomische Frage, ob es sich lohnt, Schulden zu machen, sondern auch eine politische Frage. Und es ist auch die Frage, welche Vorbildfunktion der Staat hat. Wir sehen das Land Niedersachsen auch als

Vorbild, ohne neue Schulden auszukommen. Deswegen ist die Schuldenbremse in der Niedersächsischen Verfassung weiterhin notwendig.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind in dieser Legislaturperiode mit großen Hoffnungen in die Diskussion um die Schuldenbremse gestartet, weil wir jetzt eine Mehrheit von 80 % der Mitglieder des Landtages aus SPD und CDU haben. Es gab ja auch einen grundsätzlichen Konsens. Einerseits wollte man die Kommunen gegenüber dem Land schützen, was die Schuldenbremse anbelangt - Stichwort „Finanzgarantie“ -, und andererseits hat man gesagt - diesen politischen Willen habe ich zumindest bisher immer wahrgenommen -, dass es einer harten Schuldengrenze bedarf.

Diese Hoffnung, die ich am Anfang der Legislaturperiode gehabt habe, ist in den Beratungen bitter enttäuscht worden.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: So ist es!)