sprechen, dass ein abgestimmtes Vorgehen nötig ist, bin ich sofort dabei. Aber bitte stellen Sie das auch innerhalb der Landesregierung sicher! Es ist irritierend, wenn in einer solchen Phase Bernd Althusmann, sowohl was die Schließung der Schulen als auch was die Verschärfung von Maßnahmen angeht, in gewisser Weise vorprescht, während der Ministerpräsident sagt: Wir sind noch im Entscheidungsfindungsprozess. - Das hilft nicht.
Mein eindringlicher Appell: Kommen Sie auch hier zu einem einheitlichen Vorgehen! Positionieren Sie sich, und dann kommunizieren Sie Ihre Position, klar und deutlich! Aber bitte vermeiden Sie, dass der Eindruck eines nicht abgestimmten Vorgehens oder eines Vorpreschens entsteht!
Herr Ministerpräsident, Sie mögen es als Kleinigkeit sehen. Ich will nur sagen: Wir bleiben auch weiterhin aufmerksam. Es irritiert uns schon ein bisschen, wenn Sie hier heute in der Regierungserklärung davon sprechen, dass die erste Unterrichtung zu Corona durch die Sozialministerin im Februar-Plenum stattgefunden habe. Das war im Januar-Plenum! Wir reden also schon seit Januar über Corona und nicht erst seit Februar.
Ich will da jetzt nichts hineininterpretieren. Ich will nur deutlich machen: Die FDP-Fraktion ist aufmerksam. Wir werden der Landesregierung bei dem, was sie jetzt tut, auf die Finger schauen. Wir werden sie - und auch die Regierungsfraktionen - aber natürlich grundsätzlich weiterhin konstruktiv bei der Bewältigung dieser Krisen unterstützen.
Man muss immer damit rechnen - das erleben wir in vielen Politikfeldern, hier habe ich es noch nicht erlebt -, dass eine solche Krise auch genutzt bzw. instrumentalisiert wird, um andere politische Ziele zu verwirklichen. Deshalb werden wir sehr wachsam sein und eine solche Kritik dann sehr deutlich und vernehmbar äußern.
Und schließlich, meine Damen und Herren, glaube ich - das geht in eine ähnliche Richtung wie das, was hier auch schon von einzelnen Kolleginnen und Kollegen gesagt wurde -, dass wir eigentlich schon heute sagen können, dass wir uns, wenn wir denn dann hoffentlich möglichst gut durch die Kri
se gekommen sind, sehr genau anschauen müssen, an welcher Stelle wir gewisse Dinge möglicherweise nicht vorhergesehen haben. Denn wer sich die Unterrichtung der Bundesregierung bezüglich Risikogeschehen und Katastrophenszenarien aus dem Jahre 2012 anschaut, der findet ziemlich genau dieses Szenario dort beschrieben - das, was heute passiert, mit fast wortgleichen Bezeichnungen des Virus. Trotzdem waren wir nicht vorbereitet.
Das ist kein Vorwurf; denn das trifft auch Regierungszeiten, in denen wir Verantwortung getragen haben. Aber wir müssen Lehren daraus ziehen. Deshalb, glaube ich, kann man schon heute sagen, dass ein Rückblick notwendig sein wird, wenn die Krise bewältigt ist, um zu schauen, wie wir uns eigentlich künftig besser vorbereiten können. Wir schlagen deshalb vor, dass man eine Enquetekommission oder einen Sonderausschuss in geeigneter Form einrichtet. Ob das die Enquetekommission zur Krankenhausstruktur ist oder ein anderes Gremium, darüber können wir ja noch einmal diskutieren. Ich glaube, es spricht viel dafür, es breiter aufzustellen, weil wir hier auch über Katastrophengeschehen reden müssen, die sich eben nicht nur im Krankenhausbereich abspielen.
Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich mich dem Dank anschließen, der hier an vielfacher Stelle geäußert wurde. Dank all denjenigen, die uns in dieser schwierigen Lage jetzt versorgen: im Gesundheitsbereich, im Bereich der Abfallentsorgung, im Bereich der Wasserversorgung, im Bereich der Lebensmittelversorgung, in jedem Bereich. Ich glaube, es wird klar, wie wichtig diese Funktionen sind. Etwas, das sonst ganz selbstverständlich ist, steht plötzlich infrage. Deshalb gilt all denen ein besonderer Dank.
Und an Sie alle richtet sich, wie gesagt, das Angebot der FDP-Fraktion, Sie konstruktiv, aber weiterhin auch kritisch zu begleiten und bei der Krisenbewältigung zu unterstützen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir fahren in der Beratung fort. Für die CDU-Fraktion hat sich der Kollege Dirk Toepffer gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Birkner, ich zitiere zu Beginn meines Beitrags auszugsweise aus der Bundestagsdrucksache 17/12051, Anhang 4, Seite 57 ff:
Das Ereignis beginnt im Februar in Asien, wird dort allerdings erst einige Wochen später in seiner Dimension/Bedeutung erkannt. …
Die Symptome sind Fieber und trockener Husten, die Mehrzahl der Patienten hat Atemnot, in Röntgenaufnahmen sichtbare Veränderungen in der Lunge, Schüttelfrost, Übelkeit und Muskelschmerzen. Ebenfalls auftreten können Durchfall, Kopfschmerzen, Exanthem (Ausschlag) , Schwindelgefühl,
In der Tat, diese Drucksache bezieht sich keineswegs auf die aktuellen Ereignisse. Schon die Bezeichnung der Drucksache weist darauf hin, wann sich der Bundestag mit diesem Szenario beschäftigt hat. Es war der Januar 2013. Bei der Drucksache handelt es sich - Herr Birkner hat es eben erwähnt - um den „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“. Ein Bericht, der aus heutiger Sicht gespenstisch wirkt - gespenstisch, weil in diesem Bericht die aktuelle Entwicklung rund um Corona in weiten Teilen vorweg beschrieben wird, wie eine Blaupause dessen, was uns nun als bisher unbekannte Krise begegnet, meine Damen und Herren. So richtig unbekannt war sie eben doch nicht! Wenn man ehrlich ist: Sie war vorhersehbar und keineswegs überraschend.
In normalen Zeiten wäre man versucht, hier und heute zu fragen, ob und wie die Politik auf diesen Bericht reagiert hat, zu fragen, ob man alles getan
hat, um dem so erschreckend realistischen Szenario vorzubeugen, ob man alles getan hat, um das Land optimal vorzubereiten.
Aber die Zeiten sind nicht normal, weshalb wir uns vorerst anderen Dingen zuwenden sollten. Verschieben wir den Streit um die richtigen Wege! Verschieben wir den Streit um das politisch richtige Handeln! Betonen wir stattdessen heute unsere Einigkeit!
Daher will ich an dieser Stelle den ausdrücklichen Dank an die die Fraktionen von FDP und Grünen richten: Danke dafür, dass Sie Ihre Verantwortung wahrgenommen und mit Eintritt der Krise umgehend Unterstützung der ganzen Regierung bei der Bewältigung der Krise signalisiert haben!
Im Spiegel stand im Zusammenhang mit Corona geschrieben, die Krise sei auf ein System, auf Politiker getroffen, die nicht dafür gemacht seien. Mag sein! Aber ich stelle fest: Dafür, dass dieses politische System nicht für solche Krisen gemacht ist, hat es bislang sehr gut funktioniert.
Herr Birkner, auch da sind wir beide wahrscheinlich einer Meinung: Man muss sich fragen, ob man in einem System leben will, das so gestaltet ist, dass es solche Krisensituationen zum Normalfall erhebt und damit für Krisen gemacht ist, aber an Freiheit verliert.
All denen, die in den vergangenen Jahren die Funktionsfähigkeit unserer parlamentarischen Demokratie infrage gestellt haben, sei gesagt: Niedersachsens Demokraten haben in diesen Tagen gezeigt, dass unsere Demokratie funktioniert, und die Handlungsfähigkeit gezeigt, von der der Ministerpräsident zu Recht gesagt hat, dass sie von den Menschen in unserem Land erwartet wird. Bei aller Krise: Immerhin das!
Ich habe mich gefragt, ob es überhaupt zulässig ist, an dieser Stelle auch etwas anderes als das gesundheitliche Leid und die wirtschaftliche Not zu erwähnen. Das ist gefährlich, weil man schnell in den Verdacht kommen kann, man nehme das Leid der Menschen nicht ausreichend wahr. Ich will den Versuch trotz dieser Gefahr wagen, ohne das Leid
Aber ist es nicht langfristig richtig, wenn manches, was für uns alle selbstverständlich war, was vielfach - weil eben selbstverständlich - nicht groß geachtet worden ist, nun vielleicht wieder ein wenig mehr Wertschätzung erfahren wird? Vizepräsident Busemann hat heute in einem Beitrag im Rundblick von Demut gesprochen, die wir wieder lernen müssen. Ja, Herr Vizepräsident, ich glaube, das waren die richtigen Worte zum richtigen Zeitpunkt.
Volle Regale sind eine solche Selbstverständlichkeit. Das waren wir bislang in Deutschland so gewohnt - auch bei Nudeln und Toilettenpapier. Während anderswo über den Hunger geklagt worden ist, konnten wir hier über Lebensmittelverschwendung diskutieren. Vielleicht ist es nicht schlecht, wenn manch einer jetzt erkennt, dass es nicht selbstverständlich ist, alle Waren zu jeder Zeit kaufen zu können.
Auch an die medizinische Maximalversorgung hatten wir uns gewöhnt. Es war selbstverständlich, dass jede und jeder jederzeit die beste medizinische Versorgung erhält, die der Stand der Wissenschaft bieten kann. Wartezeiten und Terminschwierigkeiten beim Facharztbesuch sieht man angesichts der in Italien üblichen Triage aktuell vielleicht aus einem anderen Blickwinkel. Nicht weit von hier entfernt in Europa müssen Ärzte darüber entscheiden, wen sie dem Tod überlassen und wem sie die Chance auf ein weiteres Leben geben.
Und was ist mit der schon angesprochenen Bewegungs- und Versammlungsfreiheit? - Ja, wir waren es natürlich gewohnt, dass sich ein jeder in diesem Land frei bewegen kann - nicht nur, um zu demonstrieren. Und nun das: Kontakteinschränkungen und Besuchsverbote! Ich denke, dass wir die Freiheit, uns irgendwann wieder einmal gänzlich unbeschränkt bewegen zu können, künftig wieder ein wenig mehr schätzen werden. Gleiches gilt sicherlich auch für offene Grenzen. Viele gerade jüngere Menschen erleben dies das erste Mal: geschlossene Grenzen hier mitten in Europa! Sie begreifen nun vielleicht umso mehr, dass es auch offene Grenzen sind, die uns für Europa kämpfen lassen.
Was Sie bereits jetzt allerorten spüren, ist eine neue Form von Zusammenhalt - das wurde schon mehrfach angesprochen -, weil man in einer Krise zusammenrückt. Zu Recht hat der Ministerpräsident nicht nur Corona-Partys und aggressive Supermarktkunden erwähnt, sondern auch Balkonkonzerte und Einkaufshilfen. Ich persönlich fand es besonders schön, dass junge Menschen von Fridays for Future eben nicht nur für den Klimaschutz diskutieren, sondern auch solche Einkaufshilfen organisieren können. Dies verdient unseren Respekt -
denselben Respekt, den wir auch denjenigen entgegenbringen müssen, die dieser Tage trotz eigener Nöte und Probleme und auch eigener Angst ihre Pflicht erfüllen. Genau diese Pflichterfüllung ist auch ein Grund dafür, weshalb wir hier heute erschienen sind! Ich würde mich zu Tode schämen, wenn sich das Parlament wegducken würde, während die Kassiererin im Supermarkt den Kopf hinhält