Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Mich interessiert aber trotzdem das, was Sie in Ihrer ersten Antwort geantwortet haben. Sie sagen: Ergänzungsstunden kann man so und so

handhaben. Dann frage ich mich, wie sich das vor dem Hintergrund der Vereinbarkeit von Familie und Beruf darstellt, wenn sich dann herausstellt, Lehrerinnen und Lehrer möchten die Guten nach Hause schicken, sodass die Eltern auf einmal vor vollendete Tatsachen gestellt werden, die sie vorher nicht absehen können. Das widerspricht aus meiner Sicht sehr deutlich den sonstigen Ankündigungen der Landesregierung. Ich möchte Sie bitten, noch einmal genauer zu erklären, wie Sie das gemeint haben.

Frau Löhrmann, ich gehe davon aus, dass ein verantwortlicher Lehrer nicht am heutigen Tage beschließt, einen Schüler X eine Stunde länger in der Schule zu lassen.

(Beifall von der CDU)

Das ist vereinbart, das ist den Eltern bekannt. Und wenn es nicht geht, dass eine Schülerin oder ein Schüler nach Hause geschickt wird, dann bleibt sie oder er eben da, und es wird ihr oder ihm dort die Aufgabe gegeben.

Frau Beer zu einer zweiten Frage.

Frau Ministerin, ich möchte trotzdem an die Frage meiner Kollegin anschließen. Heißt das, was Sie vorgetragen haben, nicht dennoch, dass Sie das Vertiefen von Aufgaben und erweiterte Lernangebote vor allen Dingen wieder in die Obhut der Eltern in der Begutachtung und der Nachsorge stellen und damit eine ganz neue Form der individuellen Förderung wiederbeleben, nämlich Eltern als Ersatzlehrer der Nation?

Das ist nicht richtig. Wir haben viele Maßnahmen ergriffen, um gerade die Begabtenförderung wieder in den Blick zu nehmen. Das ist viele Jahre nicht geschehen.

(Beifall von der CDU)

Eine Zusatzfrage von Frau Hendricks. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Sommer, die Frage, die Frau Beer gestellt hat, steht ja im Kontext einer Berichterstattung aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Sie werden dem sicherlich auch nicht widersprechen. Mich würde an diesem Punkt – auch aufgrund der Ausführungen, die Sie gerade gemacht haben – interessieren: Ist

es vielleicht nicht doch so, dass in der Aussage, die Sie in Köln getroffen haben, intendiert ist, dass Enrichment zukünftig wie bisher, wie Sie das gerade so schön gesagt haben, Aufgabe der Elternhäuser ist und damit die soziale Ungerechtigkeit in diesem Lande weiter ausgebaut wird?

Bitte, Frau Ministerin.

Enrichment ist Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer.

Frau Beer, Sie haben jetzt Gelegenheit zu einer dritten und damit letzten Zusatzfrage.

Frau Ministerin, gerade leistungsstarke, gute Schülerinnen und Schüler bieten auch Orientierung und Motivation in der Heterogenität einer Lerngruppe, um zu mehr Lernerfolg für alle beizutragen. Schließen Sie aus, dass sich individuelle Förderung auch durch das Miteinander-Lernen von Schülerinnen und Schülern entwickelt, und setzen Sie im Augenblick nicht vielmehr auf die alleinige Lehrerinstruktion?

Frau Ministerin.

Das soziale Lernen ist sicherlich ein wichtiger Bestandteil des Unterrichtsgeschehens sowieso. Darauf bauen wir auch. Allerdings war Ihre Frage auf den Einsatz der Lehrerinnen und der Lehrer gerichtet. Natürlich ist die soziale Komponente eine ganz wichtige, die ich im Unterricht nicht vernachlässige.

Eine weitere Zusatzfrage hat Frau Abgeordnete Schäfer von der SPD.

Frau Ministerin, Sie haben eben noch einmal gesagt, dass es Ihnen sehr am Herzen liegt, die spezielle Begabung an unseren Schulen weiter zu unterstützen. Ich zitiere die „Rheinische Post“ vom 18. August 2006. Da heißt es:

„Ein Raunen geht durch den Saal. Gerade hat Landesschulministerin Barbara Sommer ihre Position zum Thema ‚Spezielle Begabung’ dargelegt. Sie nennt ein Beispiel: Wer die entsprechende Begabung habe, könne doch ohne Weiteres auch als Viertklässler in manchen Fächern schon das Gymnasium besuchen.“

Ich möchte Sie fragen, wie Sie sich praktisch die Umsetzung dieser speziellen Begabungsförderung vorstellen.

Frau Ministerin.

Ich kann da von einem Beispiel berichten, das ich selbst erlebt habe. Eine Schülerin war besonders im mathematischen Bereich begabt. Da beide Schulen, sowohl die Grundschule als auch das Gymnasium, sehr eng beieinander waren, nahm die Schülerin teilweise am fünften Schuljahr Mathematik teil.

(Beifall von der CDU)

Eine zweite und damit letzte Zusatzfrage von Frau Löhrmann.

Frau Ministerin, Sie haben eben bei der Frage von Frau Beer nach dem Lernen in heterogenen Lerngruppen ausdrücklich auf das soziale Lernen hingedeutet. Das war, glaube ich, ausdrücklich nicht gemeint. Deswegen frage ich Sie: Wie werten Sie das Miteinander von Schülerinnen und Schülern in heterogenen Lerngruppen bezogen auf ihre Leistungsentwicklung? Ist es da nicht geboten, die Guten da zu behalten und nicht nach Hause zu schicken?

Frau Ministerin.

Sie gehen immer davon aus, dass ich die Guten nach Hause schicke.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Ich gehe von keiner Vorgabe aus, sondern ich habe ganz deutlich gesagt: Mir ist es ganz wichtig, dass die Lehrerin und der Lehrer in ihrer Verantwortung entscheiden, welche Gruppierungen sie wählen. Heterogenes Lernen, um das noch einmal hervorzuheben, ist sicher neben dem sozialen Lernen ein sehr wichtiger Bestandteil. Das wird ja nicht aufgehoben. Es ist nicht daran gedacht, so wie das vor vielen Jahren einmal gang und gäbe war, A-, B- und C-Gruppen zu installieren.

Eine weitere Zusatzfrage von Frau Pieper-von Heiden. Bitte schön.

Frau Ministerin, die bisherigen Fragen der Opposition legen mir wiederum eine Frage in den Mund: Sind Sie der

Meinung, dass die Opposition bis heute, was sie während ihrer Regierungszeit stets bewiesen hat, noch nicht begriffen hat, wie man wirklich mit besonderen Begabungen in der Schule umgehen muss?

(Beifall von der FDP)

Frau Ministerin.

Sehr geehrte Frau Pieper-von Heiden, es steht mir nicht zu, dazu eine Wertung abzugeben. Jeder möge seine eigene Meinung dazu entwickeln.

Eine zweite Frage der Frau Abgeordneten Hendricks. Bitte schön.

Frau Ministerin, wenn ich mich richtig entsinne, wird in dem Artikel des „Kölner Stadt-Anzeigers“ berichtet, dass Sie das Nachhauseschicken im Zusammenhang mit der zukünftigen Versetzung gesehen haben. Bewerten Sie es als richtig, dass Schüler, die die zukünftige Versetzung bekommen, nach Hause geschickt werden? Oder ist die Versetzung nicht der Maßstab für das Nachhauseschicken?

Frau Ministerin.

Sehr geehrte Frau Hendricks, ich habe eben den Kontext erläutert. Ich habe gesagt: Diese Bemerkung ist im Zusammenhang mit individueller Förderung gefallen. Von Versetzung oder Nichtversetzung war nicht die Rede.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Gödecke von der SPDFraktion.

Frau Ministerin Sommer, Politik ist manchmal so, dass man auch im Nachhinein Formulierungen, die man gewählt hat, sehr ausführlich, langwierig erklären muss, das Konzept darstellen muss, das dahintersteht. Ich habe sehr viel Verständnis dafür, dass das nicht immer auf einen Kernsatz zu reduzieren ist.

Ich möchte Sie deshalb einfach fragen: Würden Sie die Äußerung im Lichte dieser Fragestunde – damals waren Sie in einer anderen Situation – und angesichts der Kritik, die geäußert wurde, genau so wieder tätigen?

Frau Ministerin.

Frau Gödecke, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hatte diese Bemerkung mehrere Aussagen. Eine wichtige Aussage lautete: Ich stärke Ihnen den Rücken. Die zweite wichtige Aussage lautete: Greifen Sie zu individuellen Möglichkeiten! Gehen Sie nicht die eingefahrenen Bahnen! – Das war zumindest meine Interpretation.

In dem Zusammenhang – den habe ich eben hinlänglich erklärt – ist es auch möglich, dass man im Rahmen individueller Förderung auch einmal ein Kind im Rahmen der Ergänzungsstunden nach Hause schickt.

Eine Frage stellt Herr Abgeordneter Trampe-Brinkmann.

Frau Ministerin, das eben von Ihnen geschilderte Beispiel der fünfjährigen Schülerin ist eher dem Zufall des räumlichen Beieinanderliegens der Schulen zuzuschreiben.

Die Frage ist: Welches Konzept haben Sie der individuellen Förderung, die Sie landesweit postulieren, überhaupt unterlegt?

Bitte.