Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

Die Anhörung im Innenausschuss in der letzten Woche hat doch gezeigt, dass die Expertinnen und Experten den Kurs, der seit einigen Jahren in Nordrhein-Westfalen gefahren wird, nämlich diesen Dreiklang aus Prävention, Repression und auch Ausstiegsmöglichkeiten, begrüßen.

Die Mitte-rechts-Koalition hat ihre Ablehnung in der letzten Woche im Innenausschuss damit begründet, dass der Antrag nicht weit genug reiche und ein Gesamtkonzept erforderlich sei.

Zunächst einmal stelle ich fest – das ist auch gut so –, dass Sie und auch Innenminister Reul erkannt haben, dass eine Nulltoleranzstrategie alleine nicht für die Sicherheit in diesem Land ausreicht. Ich bin froh darüber, dass Ihnen die Bedeutung von Präventionsprogrammen klar geworden ist.

Umso weniger nachvollziehbar ist die Ablehnung dieses Antrags durch die Mitte-rechts-Koalition – und damit auch die Ablehnung frühzeitiger Maßnahmen, um Menschen vor dem Abdriften in den religiösen Fanatismus zu schützen.

Sie sagten, ein Gesamtkonzept sei notwendig. Der Kollege Panske sprach eben auch von einer Weiterentwicklung von Konzepten. Ja, dies gehört dazu. Natürlich muss das, was wir einmal auf den Weg gebracht haben, immer wieder überprüft und weiterentwickelt werden.

Dieser Antrag der Grünen geht in genau diese Richtung. Als Ausgangsbasis nimmt er nämlich das integrierte Handlungskonzept, das wir 2015 hier beschlossen haben. Im März 2017 wurde der erste Zwischenbericht vorgelegt. Darauf aufbauend muss man schauen, was man noch alles tun kann und weiterentwickeln muss. Darum geht es.

Deshalb ist Ihre Ablehnung für mich nicht nachvollziehbar.

Ich sage Ihnen einmal, was wir mit diesem Handlungskonzept, nach dem ja immer noch gearbeitet wird, schon alles gemacht haben: Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer, für die pädagogischen Fachkräfte; Deradikalisierung in den Justizvollzugsanstalten; Ausbau der muslimischen Seelsorge; interkulturelle und interreligiöse Bildung in der Jugendarbeit. Alles das findet statt.

Ein weiterer wichtiger Baustein ist „Wegweiser“. Auch dieses wichtige Projekt führen Sie fort. Das freut uns. Es ist ein Netzwerk vor Ort und dient der Vernetzung aller relevanten Akteure. Das brauchen wir auch.

Kolleginnen und Kollegen, wir müssen eingreifen, bevor Jugendliche überhaupt in diese Szene eintauchen, bevor sie radikalisiert werden. Das gibt dieser Antrag der Grünen genau wieder. Es geht darum, dass wir dies verhindern.

Was wir nicht brauchen, ist die vom Bundesinnenminister vorgenommene Diskriminierung von 4,5 Millionen Muslimen in diesem Land. Was wir nicht brauchen, ist das In-die-Ecke-Stellen von jugendlichen Muslimen; denn dies führt zu einer Radikalisierung, und das brauchen wir nicht.

Neben der Prävention sind natürlich auch repressive Maßnahmen, Vereinsverbote und Ausstiegsprogramme notwendig. Das ist es, was ein Gesamtkonzept ausmacht.

Sie haben bis jetzt noch nicht gesagt, was Sie von der Mitte-rechts-Koalition machen wollen. Ich höre immer wieder – auch in anderen Bereichen –, dass Sie ein Gesamtkonzept vorlegen wollen. In allen Bereichen wollen Sie ein Gesamtkonzept vorlegen. Bis jetzt haben wir aber noch nichts gehört.

Kolleginnen und Kollegen von der Mitte-rechts-Koalition, ich will Ihnen sehr deutlich sagen: Wenn Sie diesen Antrag heute ablehnen, sind wir natürlich gespannt, was Sie vorhaben. Mit der Ablehnung verhindern Sie aber auch, dass wir frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um Jugendliche aus diesem Sumpf herauszuholen oder zu verhindern, dass sie überhaupt dort hineinkommen. Diese frühzeitige Bekämpfung verhindern Sie damit. Deswegen sollten Sie noch einmal darüber nachdenken, ob Sie diesen Antrag heute wirklich ablehnen.

Ein Experte sagte in der Anhörung sehr deutlich, wie wichtig und gut dieser Antrag ist. Er arbeitet heute für die Landesregierung im Integrationsministerium, Herr Minister Reul. Ich würde vorschlagen, dass Sie noch einmal ganz gezielt auf diese Expertise zurückgreifen und ihn fragen, was er davon hält und was man eigentlich tun kann, um den Salafismus zu bekämpfen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Yetim. – Als nächster Redner hat für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Lürbke das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über das Thema „Salafismus“ und den Kampf gegen Salafismus sprechen wir heute wahrlich nicht zum ersten Mal in diesem Hohen Haus. Ich bin auch bei Ihnen, Herr Yetim: Beim Ziel sind wir uns einig. In der Tat sehen wir Handlungsbedarf. Es ist auch wirklich wichtig, dass wir uns mit diesem Thema weiterhin intensiv beschäftigen.

Ich will aber auch Folgendes deutlich machen: Für uns als Freie Demokraten gelten dabei zwei Leitlinien.

Erstens muss der Staat, muss die Politik im Kampf gegen Salafismus klare Kante zeigen. Die aktive Verführung zum gewaltbereiten Extremismus und zu menschenverachtender Ideologie nehmen wir in Nordrhein-Westfalen nicht hin. Unsere wehrhafte Demokratie muss sich auch dadurch auszeichnen, dass der Rechtsstaat entschieden gegen verfassungsfeindliche salafistische Umtriebe vorgeht.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Repression darf nicht vergessen werden. Darüber darf es auch keine zwei Meinungen geben.

Zweitens ist zwingend ein umfassendes Angebot an Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen erforderlich. Auch darüber darf es keine zwei Meinungen geben.

Bezüglich der Ausgestaltung, also der Frage, wie dieses Maßnahmenpaket der Prävention dann auszusehen hat, liefert der Antrag der Grünen durchaus diskutable Ansätze, aber, wie wir finden, noch keine ausreichenden Antworten. Das ist in der Anhörung auch deutlich geworden, glaube ich.

Damit mich niemand falsch versteht – ich habe das im Ausschuss auch schon gesagt; liebe Frau Schäffer, ich betone es hier gern noch einmal –: Die Anhörung war gut. Ich fand sie auch durchaus gewinnbringend. Ich bin auch bei Ihnen, was die Feststellung angeht, dass die Ergebnisse der IMAG, der Interministeriellen Arbeitsgruppe, schon durchaus wertvolle Ansätze als Ausgangspunkt geben. Das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen.

Aber wenn man es sich einmal genau anschaut – auch das gehört zur Wahrheit –, sieht man, dass 27 Einzelprojekte aufgezählt werden, die derzeit umgesetzt werden. Jetzt sollen mit dem Antrag der Grünen weitere Projekte hinzukommen; acht benennen Sie konkret.

Einzelne Forderungen finde ich durchaus richtig. Beispielsweise ist eine systematische Verankerung des Themas „Neosalafismus“ im Fortbildungsprogramm für Lehrkräfte und Pädagogen richtig. Aber solche einzelnen Projekte können im Ergebnis nicht die Lösung sein – egal, ob wir acht oder 18 neue Projekte dazuschreiben. Ein solches Handlungskonzept – da bin ich ganz bei Herrn Panske – bleibt am Ende nur Stückwerk. Insofern muss es darum gehen, alle diese Projekte miteinander zu verzahnen.

Herr Kollege Lürbke, es gibt den Wunsch einer Zwischenfrage der Abgeordneten Schäffer.

Ja, für die Diskussion sind wir hier. Bitte.

Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Vielen Dank, Herr Kollege, für die Zulassung der Zwischenfrage. – Sie haben gerade angesprochen, es seien Einzelmaßnahmen, und wir bräuchten ein Handlungskonzept. Der Kollege Panske sagte dies ebenfalls.

Stimmen Sie mir zu, dass wir es in dem Antrag so formuliert haben, dass es ein Handlungskonzept geben muss und diese Einzelmaßnahmen natürlich dort einfließen müssen, um ein Gesamtkonzept zu erarbeiten? Stimmen Sie mir zu, dass wir es genau so in den Antrag geschrieben haben?

Bei der Frage, dass wir ein Handlungskonzept brauchen, stimme ich Ihnen zu. Das ist genau der Punkt, den wir wollen.

Ich will es noch einmal sagen. Sie schlagen Projekte vor. Wir haben auf der einen Seite schon Projekte, die alle durchaus diskutabel sind. Wenn diese Projekte nicht ineinandergreifen, wird es am Ende aber auch nicht der große Wurf. Deswegen: Sie machen Vorschläge. Wir haben Vorschläge. Das muss alles ineinander verzahnt werden. Genau das ist auch der Ansatz der NRW-Koalition. Diese Vorschläge werden wir – ich bin sicher, dass wir nicht das letzte Mal darüber sprechen – sicherlich auch noch im Plenum beraten.

Am Ende muss ein Gesamtkonzept stehen. Auf dem Weg dorthin sind wir. Das muss also korrekt sein. Es muss aus vielen ineinandergreifenden Rädern bestehen und eben nicht nebeneinanderher erfolgen.

Ich habe gerade den Bereich der Schule angesprochen. Daran kann man es konkret darstellen. Es kann nicht nur darum gehen, dass man den Schulen zur Unterstützung der Lehrkräfte schulspezifische

Präventionsprogramme an die Hand gibt. Vielmehr muss dies auch mit Landespräventionsmaßnahmen abgestimmt sein. Die Übergänge müssen klar sein.

In der Anhörung ist übrigens auch klar geworden, liebe Frau Schäffer, dass wir beispielsweise bei der Frage der Standards gar nicht so weit auseinander sind. Das habe ich in der Ausschussberatung auch gesagt.

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Auch da besteht dringender Handlungsbedarf dahin gehend, dass wir Standards festlegen. Alles das muss dann in einem Gesamtkonzept stehen. Das werden wir als NRW-Koalition auf den Weg bringen.

Ich habe schon gesagt, dass das hier nicht das letzte Mal war, dass wir darüber sprechen. Davon bin ich überzeugt. Aus den genannten Gründen werden wir Ihren Antrag heute aber ablehnen. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege Lürbke, Sie haben in Ihrem Redebeitrag gesagt, man müsse es noch weiter diskutieren. Frau Abgeordnete Schäffer hat sich daraufhin sofort zu einer weiteren Zwischenfrage gemeldet. Lassen Sie sie noch zu?

Ich glaube, ich habe die Zwischenfrage schon beantwortet.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Nein, das ist eine neue Frage!)

Bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege. – Sie sagten, wir hätten als Grüne Vorschläge gemacht, und die Koalition habe auch Vorschläge gemacht. Die Vorschläge der Koalition sind mir nicht bekannt, weil sie bisher in keine Debatte eingeflossen sind. Deshalb wäre es sehr freundlich, wenn Sie mir folgende Frage beantworten könnten: Was sind denn Ihre Vorschläge, um das Handlungskonzept noch weiter anzureichern?

Diese Frage hatte ich doch schon beantwortet.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Nein!)

Wir werden das zu gegebener Zeit hier vorstellen. Natürlich haben wir Vorschläge. Ich habe auch schon in der Ausschussberatung darauf hingewiesen. Wir haben ja auch im Koalitionsvertrag verabredet, in diesem Bereich einiges auf den Weg zu bringen.