Protokoll der Sitzung vom 17.04.2008

Die demografische Entwicklung mit stark rückläufigen Schülerinnen- und Schülerzahlen bis zum Jahr 2020, das seit vielen Jahren veränderte Bildungswahlverhalten der Eltern und die sinkende Akzeptanz der Hauptschulen sind objektive, durch statistische Zahlen belegbare Tatsachen, auf die eine verantwortungsvoll und nachhaltig handelnde Bildungspolitik ebenso wie auf den verstärkten Wunsch von Eltern nach Schulen mit mehreren Bildungsgängen reagieren muss.

Die Schulstrukturreform mit ihrem Konzept „Zweigliedrigkeit mit Plus“ zeigt Eltern durch die Realschule plus und durch die mit ihr verbundene Fachoberschule vom Schuljahr 2009/2010 an einen gleichberechtigten Weg neben dem Gymnasium und der Integrierten Gesamtschule zu höheren Abschlüssen auf. Damit wird in den kommenden Jahren die Chancengleichheit in unserem Bildungssystem erhöht und hoffentlich auch der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg verringert.

So weit die Antwort der Landesregierung.

(Beifall der SPD)

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Kohnle-Gros.

Frau Staatsministerin, unabhängig von den Zahlen glaube ich, Sie haben eben gesagt, es gibt Eltern, die zum Stichtag, den es wohl gibt, ihre Kinder noch an keiner der weiterführenden Schulen angemeldet haben.

(Staatsministerin Frau Ahnen: Ja!)

Ist das ein landesweites Problem, wie wird damit umgegangen, und was wird dann aus den Kindern, die nicht angemeldet sind? Kommen die automatisch in eine bestimmte Schulart?

Wir haben das Phänomen insbesondere im Pflichtschulbereich immer wieder. Das heißt, insbesondere im Bereich der Hauptschule bzw. im Hauptschulbildungsgang meinen die Eltern, sie müssten gar nicht getrennt anmelden, sondern in der Logik, ihr Kind geht weiter auf die Schule, melden sie dann nicht zum Anmeldetermin an. Es gibt aber den Abgleich zwischen den Grundschulen als abgebende Schulen und den weiterführenden Schulen als aufnehmende Schulen. Entweder kommen sie dann noch im Laufe der Zeit, oder sie werden natürlich gezielt angesprochen.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Keller.

Das passt gerade zu dem angesprochenen Punkt der Frau Kollegin Kohnle-Gros. Ist es nicht so, dass die Grundschulen eigentlich nach einigen Wochen selbst tätig werden müssten, wenn hier die Schülerinnen und Schüler nicht an weiterführenden Schulen angemeldet worden sind, und wie lang ist diese Wartefrist?

Ich kann Ihnen nicht sagen, wie lange die Wartefrist ist, aber an der Stelle entsteht aus meiner Sicht kein Problem, weil der Übergangsabgleich gewährleistet ist. Es ist nur so, dass Eltern zum Teil nicht von sich aus anmelden. Das ist auch kein riesiger Teil, aber wir haben immer wieder dieses Phänomen. Während bei den Real

schulen und den Gymnasien oder entsprechenden Bildungsgängen die Eltern das Bewusstsein haben, dass das ein Wahlschulbildungsgang ist, bei dem man sich anmelden muss, denken Eltern beim Hauptschulbildungsgang im Einzelfall, da es kein Wahlschulbildungsgang ist, wäre das automatisch so. Sie werden dann darauf aufmerksam gemacht. Dann findet ein entsprechender Abgleich statt. An dieser Stelle sehe ich kein Problem. Sie sind allerdings jetzt – deswegen weise ich darauf hin – noch nicht in den Gliederungsplänen der aufnehmenden Schulen enthalten.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lelle.

Frau Ministerin, die Hauptschule und das Gymnasium weisen gravierende oder stärkere Veränderungen auf. Sehen Sie dies als Folge Ihrer Ankündigung einer Schulstrukturreform?

Herr Abgeordneter Lelle, ich bin versucht, Ihnen die Zahlen jetzt noch einmal vorzulesen.

(Fuhr, SPD: Genau!)

Ich muss einen Jahrgang auf 100 % verteilen. Dann muss ich schauen, wie viel Prozent die Hauptschule besuchen. Dann ist die Entwicklungslinie 2006/2007 Hauptschule 13,3 %, 2007/2008 12,2 % und 2008/2009 11,1 %. Daraus jetzt eine spezielle Wirkung der Ankündigung der Realschule plus ziehen zu wollen, erschließt sich mir so nicht. Beim Gymnasium sind es 39,7 %, 41,4 % und 42,4 %. Auch da kann ich keine Auswirkungen der angekündigten Schulreform erkennen. Ich kann allerdings die Fortsetzung der Trends erkennen, die uns dazu geführt haben, einen Vorschlag zur Schulstrukturreform zu machen.

(Beifall der SPD)

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Keller.

Frau Ministerin, noch einmal zu den Schülern, die erst sehr spät angemeldet werden und damit auch der Schule die Planungen im Rahmen des vorläufigen Gliederungsplans erschweren. Gibt es da Erfahrungswerte, in welcher Schulart diese Schüler in der Regel landen? Ich gehe einmal davon aus, es war oft die Hauptschule. Stimmen Sie mir zu, dass dann, wenn die Presseveröffentlichungen kommen, dass es einen signifikanten

Rückgang bei den Hauptschulen gibt, das nicht gerade werbewirksam für diese Schulart ist, und später wird es korrigiert, und keiner erfährt es eigentlich?

Herr Abgeordneter Keller, jetzt muss ich allerdings wirklich schmunzeln. So wie Sie gerade argumentieren, haben wir in den vergangenen Jahren in jeder Ausschusssitzung argumentiert und gesagt, dass es keinen Sinn macht, Zahlen zu einem Zeitpunkt zu veröffentlichen, zu dem klar ist, dass sie später noch relativiert werden. Daraufhin haben die beiden Oppositionsfraktionen dezidiert erklärt, sie wollten die Zahlen trotzdem haben; sie gingen sorgsam damit um und wüssten ja, dass sie sich noch ändern. Daraufhin habe ich mich dieses Mal veranlasst gefühlt, sie auszuzählen, sie Ihnen vorzutragen, und jetzt fragen Sie besorgt nach, ob das für die Hauptschulen gut sei.

Ich sage Ihnen: Nein, es wäre deutlich besser, wir würden die Zahlen veröffentlichen, wenn sie gesichert sind. Das ist erst nach den Ferien der Fall. Aber ich fühle mich natürlich an die Aufträge des Parlaments gebunden und erfülle sie ihm Rahmen der Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen. Allerdings bin ich Ihnen dankbar, dass Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, diese Argumentation noch einmal aufzuzeigen.

(Beifall bei der SPD)

Zu einer weiteren Zusatzfrage erteile ich der Abgeordneten Frau Beilstein das Wort.

Frau Ministerin, Sie haben die Entwicklung dieser Zahlen insbesondere als Beleg dafür gesehen, dass außer an den Integrierten Gesamtschulen und an den Gymnasien alle Anmeldezahlen zurückgehen bzw. dass an den Integrierten Gesamtschulen und an den Gymnasien die Anmeldezahlen steigen. Sie haben darin eine stärkere Chancengerechtigkeit gesehen. Worin sehen Sie diese Chancengerechtigkeit?

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, zunächst einmal muss man zwischen den absoluten Zahlen und den Prozentzahlen unterscheiden. Nach den absoluten Zahlen, die – noch einmal – vorläufig sind, ist auch beim Gymnasium ein Rückgang zu verzeichnen. Bei der Integrierten Gesamtschule haben wir tatsächlich in den Absolutzahlen einen leichten Zuwachs zu verzeichnen. Die Fragestellung heute Morgen bezog sich aber – davon gehe ich aus – primär darauf, wie sich dies prozentual in einem Jahrgang verteilt. Deswegen habe ich die Prozentzahlen zusätzlich dargestellt.

Außerdem habe ich davon gesprochen – den Text habe ich noch vor mir liegen –, dass durch die Realschule plus, die als gleichberechtigte Schulart neben dem Gymnasium und neben der Integrierten Gesamtschule aufgebaut wird und die bekanntlich mit einer Fachoberschule verbunden ist, die Chancengleichheit in diesem Bildungssystem größer wird. – Ja, ich bleibe dabei und setze sogar ein Ausrufezeichen dahinter.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Fuhr.

Frau Ministerin, teilen Sie die Einschätzung, dass die vorliegenden vorläufigen Zahlen primär beweisen, dass unsere Schulstrukturreform, die in Rheinland-Pfalz vorgeschlagen wurde und die sich jetzt in der Umsetzung befindet, von Eltern und von Schulen mit großer Ruhe aufgenommen wird

(Heiterkeit bei CDU und FDP – Eymael, FDP: Bis jetzt war alles sehr ordentlich!)

und dass diese Zahlen nur den Trend bestätigen, wie wir ihn seit Jahren sehen, was auch der Grund dafür war, diese Reform vorzuschlagen?

Auch auf Ihre Frage, Herr Abgeordneter Fuhr, weise ich noch einmal darauf hin, dass ich mich auf dem Boden vorläufiger Zahlen bewege und deswegen zu einer abschließenden Analyse noch nicht fähig bin. Aber ich stimme Ihnen insoweit zu, als zumindest mancher Versuch im Land, zu sagen, dies sei alles ganz anders, die Leute seien völlig verunsichert und niemand wisse mehr, was er tun solle, durch diese Zahlen in keiner Weise bestätigt wird.

Eine weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Beilstein.

Frau Ministerin, wenn Sie mit Ja oder Nein antworten müssten, wie würden Sie die Frage beantworten, ob Sie eine Chancengleichheit dann als gegeben ansehen, wenn ein Kind an einer Schule angemeldet wird, bei der die Möglichkeit besteht, Abitur oder Fachabitur zu erreichen? Ist das für Sie Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit?

Zunächst einmal bin ich in der erfreulichen Situation, dass ich Fragen, die man nicht mit Ja oder Nein beantworten kann, nicht mit Ja oder Nein beantworten muss, sondern etwas längere Ausführungen dazu machen darf. Wenn Sie von mir wissen wollen, was ich unter Chancengleichheit verstehe, antworte ich Ihnen: Unter Chancengleichheit verstehe ich, dass Kindern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft ausschließlich entsprechend ihren Fähigkeiten alle Bildungswege in diesem System offenstehen. Das ist für mich Chancengleichheit, und das ist für mich in der Tat ein sehr hoher Wert.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Damit ist die Anfrage beantwortet.

(Beifall bei der SPD)

Bevor wir zur nächsten mündlichen Anfrage kommen, möchte ich Gäste vom Staatlichen Heinrich-HeineGymnasium in Kaiserslautern und die Damen und Herren begrüßen, die am 113. Mainzer Landtagsseminar teilnehmen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Gerd Schreiner (CDU), Unterstützung des Ministerpräsidenten für geplante Kohlekraftwerke in Rheinland-Pfalz – Nummer 4 der Drucksache 15/2128 – betreffend, auf.

Herr Abgeordneter Schreiner, Sie haben das Wort.

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum befürwortet der Ministerpräsident, wie in der FAZ vom 5. April 2008 berichtet, den geplanten Bau eines Kohlekraftwerks in Mainz?

2. Welche Bedeutung haben die Äußerungen des Ministerpräsidenten für das Genehmigungsverfahren zum geplanten Kohlekraftwerk in Mainz?

3. Warum geht der Ministerpräsident darüber hinaus damit über die Ablehnung in der Bevölkerung, über die gesundheitsbezogenen, wirtschaftlichen und ökologischen Zweifel zahlreicher Wissenschaftler und über die ökonomischen Bedenken des parlamentarischen Staatssekretärs im BMU, Michael Müller (SPD) , hinweg, statt diese aufzugreifen und sich für eine Alternative zum Steinkohlekraftwerk einzusetzen?

(Pörksen, SPD: Das ist aber ein toller Zeuge!)

4. Warum setzt sich der Ministerpräsident, wie in der FAZ vom 5. April 2008 berichtet, für eine Nutzung von Kohlekraft „für eine geraume Übergangszeit“ ein, in der neue Technologien weiterentwickelt werden sollten, aber nicht für die Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke?