Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Ich sage das auch als ein Abgeordneter, der ständig mit abgelehnten Anträgen bei Berufsgenossenschaften und Rentenversicherungen zu tun hat, die sicher zu Recht abgelehnt werden, aber aufzeigen, dass dieser abrupte Übergang nicht zu halten ist, sondern wir andere Übergänge finden müssen.

(Beifall des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Das nächste Stichwort „Soziale Sicherheit“: Auch hier wurde gesagt, dass es sich im Wesentlichen um Armutsfestigkeit handeln sollte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber wir haben die Armutsgrenze nicht zwischen Alt und Jung oder zwischen den Mittleren, sondern diese Armutsgrenze, die Konfliktlinie, liegt zwischen den armen und den reichen Jungen und den armen und reichen Alten. Erbschaften bei den Jungen oder Alterssicherungsrücklagen bei den Älteren sorgen schon dafür, dass auch hier die Verteilungssituation ständig weiter auseinandergeht.

Die Frage der Generationensolidarität muss ergänzt werden um die Frage der Intergenerationensolidarität. Dieser Meinung bin ich. Das Wort „Generationengerechtigkeit“ verwende ich deshalb schon nicht gerne, weil es eine Chimäre ist, Generationengerechtigkeit zu erwarten. Wer einmal genau auf die Generationen unserer Eltern oder die Generation der jetzt Jungen schaut, der weiß, dass es Gerechtigkeit nicht geben wird, aber Generationensolidarität geben muss. Die Schicksale sind zu unterschiedlich.

(Beifall der SPD und des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Ein kurzes Wort noch zu der Frage der Renten. Wir haben erlebt, dass es eher eine gefühlte Ungerechtigkeit bei den Rentenempfängern im Zusammenhang mit der

letztjährigen Erhöhung um 0,5 % gibt und die Frage der Rentengarantie einen sehr emotionalen Hintergrund hat.

Die Frage, wie mit der Rente ab 67 umgehen, wie wir damit umgehen, dass wir das absichern auch mit der Möglichkeit, dass tatsächlich Menschen bis zu diesem Lebensalter im Erwerbsleben bleiben können, wird auch eine Zukunftsaufgabe sein. Ich habe vorhin schon auf Weiterbildung und Bildung hingewiesen. Das ist eine ganz wichtige Voraussetzung dazu.

Etwas, was relativ selten auch von uns behandelt wird, ist die Frage der Einsamkeit. Die Einsamkeit im Alter hat einen ganz reellen Hintergrund, nämlich dass wir in unserer Stadt, in unserer Quartiersentwicklung über Jahrzehnte hinweg die Veränderung der demografischen Zusammensetzung nicht ausreichend berücksichtigt haben und sich die Frage der Gestaltung von Wohnquartieren in diesem Bereich erheblich auswirken kann. Wir haben dies ein wenig verlernt; denn es gab Zeiten, in denen wir mehr darüber gesprochen haben. Dies ist auch ein Punkt, den wir wieder lernen und anpacken müssen.

(Beifall der SPD)

Ich komme nun zu dem Stichwort „Eigenständigkeit und selbstbestimmtes Leben fördern und erhalten“. Ich verweise in diesem Zusammenhang darauf, dass meine Kollegin Kathrin Anklam-Trapp nachher noch etwas zu den Fragen der Barrierefreiheit, des neuen Wohnens, der Mobilität und der Informationsgesellschaft sagen wird. Ich möchte mich nun auf die Fragen der Gesundheit und der Pflege beschränken und darauf verweisen, dass Vorsorge und Eigenverantwortung immer noch nicht ausreichend gesetzlich abgesichert sind. Uns fehlt immer noch das Präventionsgesetz, und dies nicht aufgrund sozialdemokratischer Versäumnisse, sondern aufgrund des Nichtwollens oder Nichtmitmachens des Regierungspartners in Berlin.

Wir müssen in diesem Zusammenhang unsere Hilfsangebote nach Bedarf orientieren und organisieren. Ich bin aufgrund meiner beruflichen Herkunft ein Freund der Stärkung von Selbstständigkeit und der Stärkung durch Prävention und durch Rehabilitation. Erst dann, wenn Hilfen tatsächlich notwendig sind, sollte man entsprechende Hilfsangebote unterbreiten und in einem Pflegemix, in einer Vernetzung in Form von sozialen Netzen und von sozialräumlichen Versorgungsstrukturen, zusammenstellen. Wir haben in diesem Plenum schon oft darüber geredet, ich möchte dies nun nicht näher ausweiten.

Die Frage von Selbstbestimmung und Teilhabe in Abhängigkeit von Hilfe oder Pflege geht sehr stark in die Richtung der Menschen mit Behinderungen. Gerade in diesem Bereich haben wir eine Entwicklung, die absehbar ist: Menschen mit Behinderungen, die heute in Werkstätten arbeiten und in Wohnheimen oder auch in Wohngemeinschaften leben, werden in einigen Jahren einen großen Teil der älteren Bevölkerungsschicht ausmachen. Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir damit umgehen. Zurzeit wird über die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe und über die Anpassung der

Pflegeversicherung diskutiert. Dies sind Aufgaben, die wir lösen müssen.

Ungeklärt ist auch noch die Frage der demenziellen Erkrankungen: Nachdem in den vergangenen Jahren der medizinische Blickpunkt sehr stark im Mittelpunkt stand, setzt sich heute verstärkt die Frage sozialer Modelle bei der Versorgung demenzieller Erkrankungen durch.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme nun auf die Frage der Partizipation, der Mitwirkung an der Gestaltung unserer Gesellschaft zu sprechen. Diese Mitwirkung an der Gestaltung unserer Gesellschaft wurde heute schon dargestellt. Es wurde gesagt, dass die Kompetenzen genutzt werden. Ich möchte dies nun in Richtung einer Mitbestimmung in Richtung der Frage erweitern: Wie können wir sicherstellen, dass – ähnlich wie bei Menschen mit Behinderungen nach dem Motto „Nichts über uns ohne uns“ – die älteren Menschen bei der Gestaltung der Gesellschaft und der Angebote für ältere Menschen, an der Infrastruktur, die sie im Alter brauchen, mitbestimmen? – Zumindest in den Parlamenten sind wir diesbezüglich auf einem schwierigen Weg. Die Zusammensetzung der Landesparlamente zeigt, dass der größte Teil der Abgeordneten zwischen 45 und 65 Jahre alt ist, aber nur etwa 6 % der 65- bis 75Jährigen, die mittlerweile immerhin einen Anteil von mehr als 12 % der gesamten Bevölkerung ausmachen – bei den über 75-Jährigen fast 9 % –, in den Parlamenten vertreten sind. Dies ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen.

Nun kann man natürlich sagen, andere gehen mit 67 Jahren in den Ruhestand, wir Parlamentarier sollten das auch tun. Wenn wir uns einmal umschauen, überlegt der eine oder andere auch, ob er in diesem Alter aufhören soll oder vielleicht noch einmal kandidieren soll.

(Pörksen, SPD: Wie kommst Du denn darauf?)

Wir müssen wirklich darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll ist, dass auch weiterhin ältere Menschen in den kommunalen und in den Landesparlamenten vertreten sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte noch zu der Frage der älteren Menschen als Verbraucher etwas sagen. Die Gesundheitswirtschaft wurde bereits angesprochen. Weitere Stichpunkte sind „Silver Market“, „Seniorenwirtschaft“ oder „altersgerechte Produkte. Aber der Masterplan in der Gesundheitswirtschaft, zuletzt die Einrichtung einer Koordinierungsstelle, zeigt, dass Rheinland-Pfalz im Bereich der Gesundheitswirtschaft auf dem Weg ist, Partnerland eines – so wird es formuliert – vernetzten Systems zu werden. Dies ist eine spannende und sehr sinnvolle Geschichte. In diesem Sektor kommt die Politik für Senioren dem eigentlichen Ziel, das ich sehe, bereits ziemlich nahe. Im Vordergrund steht das gesellschaftliche Selbstverständnis, dass das Alter ohne Vorbehalte und Diskriminierung ganz einfach zum Leben gehört. Am Ende macht eine gute Politik, auch die Landespolitik für Senioren – dies ist eine Vision, die ich habe –, die gezielten Programme für die Zielgruppe der Senioren weitgehend entbehrlich. Dann können wir auch in diesem Bereich über das Motto

„Inklusion statt Integration“ reden, über das wir auch diskutieren, wenn es um Menschen mit Behinderungen geht. Dies ist eine spannende Entwicklung. Es wird sicherlich nicht ganz einfach werden, aber letztendlich ist Normalität das Ziel.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD)

Vielen Dank. – Ich erteile nun Herrn Kollegen Dr. Schmitz das Wort.

(Ministerpräsident Beck: Noch viel zu jung für diese Rede!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir wurde gerade zugeflüstert: „Noch viel zu jung für diese Rede!“. – Als ich 50 Jahre alt wurde, bin ich den Liberalen Senioren beigetreten, weil ich vieles von dem, was Herr Kollege Dröscher soeben ausgeführt hat, auch so unterschreiben würde. Ich bin sozusagen seit vier Jahren inkludiert, was den Altersprozess angeht, Herr Kollege Dröscher. Insofern ist diese Regierungserklärung nachgerade auf mich zugeschneidert. – Dies war nur ein Scherz am Rande.

(Heiterkeit im Hause – Baldauf, CDU: Das habe ich gar nicht so wahrgenommen! – Pörksen, SPD: Das glaube ich nicht!)

Das gilt auch eher für Aspiranten für das Europaparlament, lieber Herr Kollege Creutzmann!

(Heiterkeit im Hause – Beifall bei FDP und SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Regierungserklärung, sozusagen just in time dreieinhalb Wochen vor Kommunal- und Europawahl, beschreibt zutreffend sehr viele Politikfelder, der sich die Landesregierung in der Vergangenheit angenommen hat, an denen sie auch jetzt noch arbeitet und denen man auch als kritischer Oppositionspolitiker wenig entgegenzusetzen hat, weil sie von Grund auf nicht nur gut gemeint, sondern auch gut sind. Es gibt Dinge, die könnte man nicht besser machen: das Mitnehmen der Kommunen in der Betreuung demenziell Erkrankter, insbesondere der Frühformen, das Engagement im Ehrenamtsbereich oder das ehrliche Engagement der Landesregierung im Pflegebereich. – Bei so vielen Dingen, die wir immer kritisch würdigen, muss man festhalten: Die Landesregierung nimmt das Thema ernst, und von daher ist diese Regierungserklärung als solche trotz dieser Wahlkampfmusik von uns nicht nur zu billigen, sondern auch zu begrüßen.

(Beifall der FDP und der SPD)

Ein wenig Wasser in den Wein gießen muss ich allerdings doch, wenn ich mir den gemeinsamen Antrag vom 28. Mai des vorigen Jahres zu Gemüte führe; denn dann ist das, was Frau Ministerin Dreyer soeben vorgetragen hat, nicht weniger, aber auch nicht mehr als die referententechnisch überarbeitete Version dieses seinerzeitigen fraktionsübergreifenden Antrags. Im Grunde steht alles das, was heute vorgetragen wurde, schon darin, und dies gilt in der Tat auch für den Entschließungsantrag der CDU.

Nun könnte ich mich fast schon wieder hinsetzen,

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

wenn es nicht noch Dinge zu bemerken gäbe, die wirklich über „alter Wein in neuen Schläuchen“ hinausgehen.

Das Thema ist zu wichtig, als dass man es hier vorne einfach zu sehr ins Lächerliche ziehen sollte. Es ist vielmehr ein Thema, das zukünftig mehr und mehr Bedeutung bekommen wird, weil sich die Altersstruktur in ganz Rheinland-Pfalz dramatisch verändern wird. Selbst wenn wir die mittlere Betrachtungsstruktur des Statistischen Landesamtes zugrunde legen, dann wissen wir, dass uns all das, was wir jetzt an kleinen Problemen zu lösen haben, bereits in zehn Jahren vor außergewöhnliche Herausforderungen stellen wird. Wenn sich nichts Grundlegendes ändert, wird es uns in 20 Jahren vor Herausforderungen stellen, die wir auf Basis unserer Aktivitäten jetzt nicht bewältigen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist der entscheidende Punkt. Ich bin Herrn Kollegen Dröscher sehr dankbar, dass er in diese doch sehr von political correctness geprägte Regierungserklärung viel Sachverstand einbebracht hat. Bei allem Lob der Regierungserklärung – das ist nicht anders möglich – hat er auch einige wenige, so habe ich es verstanden, zumindest viertelkritische Zwischentöne hineingetragen, indem er Fragen aufwirft, auf denen die Regierungserklärung nicht nur keine Antworten gibt, sondern die die Regierungserklärung überhaupt nicht als Thema wahrnimmt. Ich nenne beispielsweise das Thema „Einsamkeit“. Ja, wir befassen uns mit Demenz, aber das Thema „Einsamkeit“ habe ich heute vom Kollegen Dröscher hier zum ersten Mal gehört.

(Vizepräsident Bauckhage übernimmt den Vorsitz)

Ein anderes Beispiel, das in diesen Sinnzusammenhang passt, ist das Thema „Onlinefähigkeit“ und „Internetkompetenz“. Meine Damen und Herren, die Regierungserklärung weist dazu aus, dass die Landesregierung die Breitbandangebote in ausreichender Menge vorhält oder vorhalten möchte. Abgesehen davon, dass das nicht zutrifft – Herr Kollege Mittrücker ist jetzt nicht da, um zu klatschen –, ist der Punkt hier doch ein ganz anderer. Was nutzen uns denn Breitbandkabel für Senioren ohne PC? Was würden uns Breitbandkabel und PCs bei Senioren ohne jede PC-Kompetenz nutzen?

Zum Stichwort „Einsamkeit“ ist zu sagen, das Medienverhalten vieler älterer Menschen ist doch von einem Dauerberieseln durch die Flimmerkiste spätestens ab 17:00 Uhr am Nachmittag geprägt. Da geht es um Fra

gen der Medienkompetenz, die wir in der Jugend diskutieren und die wir bei der Diskussion im Alter doch nicht einfach ausklammern können. Bevor wir in Programme, Konzepte, Berichte und was weiß ich sonst noch einsteigen, müssen wir uns doch erst einmal auf eine angstfreie Analyse verständigen.

Wir müssen doch erst einmal die Themen definieren, über die wir im Ausschuss überhaupt sprechen wollen. In meiner zweiten Runde darf ich auf diese Bereiche, die ich in dieser Regierungserklärung schmerzlich vermisst habe – zumindest in einzelnen Details –, eingehen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP)

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich Bürgerinnen und Bürger aus dem Westerwald, und zwar aus der Ortsgemeinde Kausen. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Anklam-Trapp.

(Abg. Frau Thelen, CDU, meldet sich zu Wort – Frau Anklam-Trapp, SPD: Frau Thelen!)

Meine Assistenz ist sehr aufmerksam, hat mich zwar vorher falsch geführt, aber nunmehr hat das Wort Frau Thelen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir halten dann die Reihenfolge ordnungsgemäß ein.

Da ich weiß, dass ich nur noch dreieinhalb Minuten Redezeit zur Verfügung habe, muss ich meine Rede jetzt etwas holzschnittartig machen. Ich bitte schon vorweg um Verständnis, dass manche Formulierung vielleicht etwas schärfer ist.