Protokoll der Sitzung vom 02.05.2012

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Frau Klöckner, Sie müssen es sich schon gefallen lassen, wenn Sie solche Reden hier halten lassen.

(Frau Klöckner, CDU: Ich bin gespannt, wie Sie zum Nürburgring reden!)

Sie hätten ja selbst dazu reden können.

(Frau Klöckner, CDU: „Rechtsradikale Tendenzen“ finde ich schon echt hart!)

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Notwendigkeit besteht, Grenzkontrollen durchzuführen. Wann sind die Appelle ergangen, an Binnengrenzen keine Kontrollen mehr durchzuführen? – Immer dann, wenn konservative Parteien in Europa Angst um ihre Wiederwahl hatten. Dann ist die Forderung erhoben worden, Binnengrenzen wieder zu kontrollieren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Beck: So ist es!)

Dänemark, Frankreich – das sind die Anlässe.

Deswegen hat zu Recht der „Trierische Volksfreund“ die Vorschläge, wie sie unterbreitet wurden, als „Absurdistan“ bezeichnet. Was wäre Aufgabe einer verantwortlichen Bundesregierung, wenn wir sie denn hätten? –

Die Gesellschaft hat die Aufgabe, aufgrund der Eurokrise für den europäischen Gedanken zu werben, dafür zu werben, welche Vorteile die Vision von Europa bringt, die offenen Grenzen, dass wir unseren Wohlstand darauf gründen können, dass wir offene Grenzen in Europa haben, an jungen Generationen zu verdeutlichen: Europa ist dank der offenen Grenzen sicherer geworden. Deswegen ist es auch sinnvoll, die Anstrengungen zu unternehmen, den Euro zu stabilisieren, dafür notfalls auch Milliardenbeträge aufzuwenden, weil sich diese Ausgaben rentieren.

Wer dann Gefahren von Europa ohne Anlass herbeiredet, der versündigt sich am Gedanken von Europa. Deswegen ist das, was Sie hier betreiben, unverantwortlich.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Lewentz. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, sich an die Seite eines Politikers zu stellen, der so offen um die Stimmen der rechtsgerichteten Front National buhlt wie Sarkozy, das ist einer

deutschen Regierung meiner Meinung nach unwürdig. Erstens.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Bracht, CDU: Schöne Landespolitik!)

Herr Bracht, zweitens. Wenn man sich jetzt den nicht erfolgten Wahlaufruf von Frau Le Pen anschaut, dann war es auch eine politische Eselei, das zu tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Herr Seekatz fragt, warum man das hier im rheinlandpfälzischen Landtag zur Sprache bringt, möchte ich dazu Folgendes anmerken:

Wir sind eines der Bundesländer mit den aktivsten Beziehungen in die Nachbarländer, die wir gern pflegen, auf die wir stolz sind. Frau Conrad hat mich gerade darauf aufmerksam gemacht: Es gibt in Europa keinen Raum wie diese Großregion Saar-Lor-Lux mit der deutschsprachigen Gemeinschaft der Wallonie und Rheinland-Pfalz, wo so viele Menschen tagtäglich über die Grenzen pendeln wie bei uns; 200.000 Menschen insgesamt. Das ist doch etwas ganz Tolles, wenn man sich Rheinland-Pfalz als mitten in Europa liegendes weltoffenes Grenzland vorstellt.

Warum reden wir hier darüber? – Ihre Argumentation, Herr Seekatz aufgreifend: Wir sind auch für die Innere Sicherheit hier in unserem Land zuständig. Zu dem, was Sie behaupten, afrikanische Bedrohung, konkrete Bedrohung der Inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, kann ich Ihnen nur sagen: Der Innenminister weiß davon nichts. Ich kenne diese konkrete Bedrohung nicht.

Wenn Sie dann so argumentieren, wie Sie jetzt argumentieren, und das als Argumentation für die Union in Anspruch nehmen, dann sage ich, das habe ich bei dem vernünftigen Handeln der Bundesregierung, als eine rechtsgerichtete Regierung in Dänemark Ähnliches versucht hat, so nicht gehört. Also scheint mir das doch sehr doppelzüngig zu sein. Als es bei Dänemark um eine richtige Argumentation ging, war man auf unserer Seite. Wenn man jetzt Wahlkampfhilfe für Frankreich organisieren will, soll das plötzlich ganz anders aussehen. Wie gesagt, ich habe eben bewusst diesen Begriff der politischen Eselei in den Mund genommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann mich noch gut erinnern. Als ich Anfang der 80er-Jahre mehrfach mit dem InterRail-Ticket in Europa unterwegs gewesen bin, hat es uns junge Leute sehr gestört, an jeder Grenze intensiven Kontrollen ausgesetzt gewesen zu sein, weil wir als Backpacker ein bisschen anders ausgesehen haben. Es ist ein toller Verdienst unserer Europäischen Union, dass 400 Millionen Menschen in 25 Ländern seit rund 27 Jahren diese tolle Freiheit haben. Das ist doch ein Europa, wie wir es uns vorstellen und wie wir es wollen.

Es war im Übrigen auch so – das geht an die Adresse der CDU –, wie es sich sicherlich Adenauer vorstellte, als er sich mit de Gaulle auf den Weg gemacht hat, um diesen Erbfeindschaftskonflikt für alle Zeiten zu beerdi

gen und daraus auch ein Stück weit dieses Europa mit nach vorne zu entwickeln.

Es kann und will sich keiner vorstellen, dass die Grenze unseres Bundeslandes mit unseren Nachbarn in Frankreich, Luxemburg und Belgien einmal wieder aus den Anlässen, die Sie genannt haben, und aus konstruierten Anlässen heraus geschlossen werden könnte, auch wenn es nur temporär wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt keine Defizite, die, wie Sie sie angesprochen haben, für Rheinland-Pfalz gelten. Ich möchte noch einmal unterstreichen, was Herr Wiechmann und Herr Hering gesagt haben. Merkwürdigerweise kommt diese Diskussion immer dann, wenn irgendwo in Europa eine konservative Regierung unter Druck ist und meint, man müsse sich auf die Art und Weise einen Vorteil verschaffen, der am Schluss Gott sei Dank (siehe Dänemark und Frankreich am Sonntag) danebengehen wird.

Ich möchte nicht mit Regierungen und Parteien wie in den Niederlanden, in Italien die Lega Nord, in Ungarn oder jetzt in der Ukraine politische Inhalte europäischer Dimensionen gemeinsam definieren. Das können nicht unsere Partner und erst recht nicht Partner für eine Bundesregierung sein. Deswegen gilt es für die CDU in Rheinland-Pfalz, Farbe zu bekennen. Will man diese Argumente, die man bei dem dänischen Sonderweg zu Recht gemeinsam mit uns formuliert hat, oder vertritt man die neuen Argumente von Herrn Seekatz? Ich glaube, Sie sind absolut auf einem falschen Weg.

Eines darf ich Ihnen als für die Polizei und die Innere Sicherheit zuständiger Minister sagen. Entgegen der Erwartungen vieler Fachleute wurden durchgängig keine statistisch bedeutsamen Kriminalitätsentwicklungen festgestellt, die auf eine Öffnung der Grenze zurückzuführen waren. Wenn wir an den Grenzen gesonderte Kontrollsituationen in Angriff nehmen mussten, wie zum Beispiel bei der WM 2006, dann war das mit der Europäischen Union entsprechend beschlossen und abgesprochen.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen auch noch eines versichern. Unsere Polizei pflegt mit den Polizeien der Nachbarländer eine sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Auch die Gewährleistung der Inneren Sicherheit über die Grenzen hinweg ist bei uns sehr gut. Ich habe am Montag 160 Polizeikommissaranwärte- rinnen und -anwärtern die Ernennungsurkunde überreichen dürfen. Frau Blatzheim-Roegler und Herr Licht waren dabei. 64 davon waren in ihrer dreijährigen Ausbildung auch eine Zeit im Ausland und haben bei anderen Polizeien unserer Nachbarländer hospitiert. 34 Polizeibeamtinnen und -beamte waren in der gleichen Zeit aus dem Ausland bei uns. So stelle ich mir den Aufbau der Inneren Sicherheit mitten in Europa vor. Ich glaube, wir sind auf einem richtigen und zukunftsweisenden Weg.

Herr Ministerpräsident, ich möchte auch Ihnen herzlich danken, dass Sie noch einmal einen klaren und deutlichen Brief an alle Freunde in der Nachbarschaft geschrieben haben, und zwar an alle, die das gleiche Interesse mit uns teilen; denn es sind viele.

Herr Seekatz, ich glaube, Sie sind mit Ihrer Argumentation sehr allein.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Wilke, CDU, meldet sich zu Wort)

Das Wort hat Frau Kollegin Spiegel von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frage, die man sich stellen muss, ist doch, warum Deutschland und Frankreich die Grenzkontrollen wieder einführen wollen.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Spiegel, Sie sind erst ein Jahr dabei. Damit der Kollege Wilke mir nicht Unrecht vorwerfen kann. Bei Aktuellen Stunden gibt es keine Zwischenfragen. Sie sind wieder dran.

Das hätte sogar ich gewusst. Warum soll eine so fortschrittliche und erfolgreiche Errungenschaft wie die Reisefreiheit innerhalb der EU plötzlich so grundlegend infrage gestellt werden, und warum setzen sich gerade Deutschland und Frankreich dafür ein?

Meine Damen und Herren, die Antwort ist sehr einfach. Es geht um fragliche Wahlkampfhilfe und auch um die Abwehr von Flüchtlingen. Herr Seekatz hat es selbst gesagt. Es geht darum, dass die Menschen, die verzweifelt sind und auf der Suche nach Hilfe nach Europa kommen, hier abgewehrt werden. Immer wieder ist die Rede von der Festung Europa, die sich mit allen Mitteln vor Flüchtlingen abschottet. Immer wieder ziehen Fischer im Mittelmeer Leichen von ertrunkenen Flüchtlingen aus ihren Netzen. Die europäischen Länder an den Außengrenzen wie Griechenland und Italien sind mit den Flüchtlingsströmen, die dort eintreffen, vollkommen überfordert. Die Situation in den Flüchtlingslagern in Griechenland und Italien ist schockierend.

Meine Damen und Herren, was macht Deutschland in dieser Situation? Anstatt sich für ein gemeinsames europäisches Migrations- und Asylsystem einzusetzen, fällt die Bundesregierung immer wieder durch ihre Blockadehaltung auf der europäischen Ebene auf. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, wir brauchen keine herabsausenden Schlagbäume in Europa. Wir brauchen keine unnötigen populistischen Debatten über Grenzkontrollen. Wir brauchen eine europaweite Solidarität für eine gemeinsame humane Flüchtlingspolitik in der Europäischen Union.

(Glocke des Präsidenten)

Nur so werden wir als Europa unserer Verantwortung gerecht.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Seekatz von der Fraktion der CDU das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hering, Sie haben uns in die rechtsradikale Ecke gestellt. Vielleicht haben wir Sie falsch verstanden. Ich gebe Ihnen die Möglichkeit, das richtigzustellen.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, das ist eine Ungeheuerlichkeit. Wenn Sie das nicht richtigstellen, werden wir das im Ältestenrat thematisieren.