Protokoll der Sitzung vom 03.05.2012

Wir haben in dieser Diskussion weder die Frage der Ausbildung oder der Weiterqualifizierung angesprochen noch die Diskussion über beispielsweise neue Aufgabenverteilungen geführt und in diesem Gesetzentwurf nichts für die sozialräumliche Organisation der Pflege zu sehen bekommen, die ein Zusammenwirken von Pflegefachkräften und Ehrenamt erleichtern würde.

Das Hauptproblem aus meiner Sicht ist in diesem Zusammenhang, dass das Thema „Ehrenamt“ überhaupt keine ausreichende Würdigung findet.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher.

Sehr geehrte Frau Ministerin, das Pflegeversicherungsgesetz von 1994 baut im Wesentlichen auf eine funktionierende Familienstruktur und Solidarität auf. Wie wird sich das in Zukunft verändern? Gibt es neue Herausforderungen?

Der Gesundheitsminister hat es versäumt, ein nachhaltiges Finanzierungskonzept für die Pflegeversicherung anzubieten. Er hat angekündigt, dass dieses Gesetz der erste Schritt ist. Danach kommt die private Zusatzversicherung im Pflegebereich.

Wenn man über Solidarität in der Pflege spricht, dann wird an dieser Stelle sehr deutlich, dass die Bundesregierung, CDU und FDP auf Bundesebene, eine andere Auffassung von Solidarität hat.

Wir gehen erneut einen Weg in eine Teilprivatisierung eines großen Sozialversicherungszweiges, indem wir Teile der Pflegeversicherung dem privaten Versicherungsmarkt anbieten. Das bedeutet, dass nicht die Pflegeversicherung, die solidarische Versicherung gestärkt wird, sondern es bedeutet ganz klar, dass es den Interessen von Privaten dienen und den privat versicherten Menschen, also den besser Verdienenden, die Möglichkeit eingeräumt werden soll, sich zusätzlich zu versichern.

Es ist aus meiner Sicht wieder ein unsägliches Geschenk an den privaten Versicherungsmarkt. Es stärkt nicht die Solidarität, sondern untergräbt die Solidarität.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Konrad.

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich habe die Frage: Halten Sie es für verfassungsgemäß, dass eine Generation, zu der jetzt die 50- bis 60-Jährigen gehören, seit 1995 in eine solidarische Versicherung eingezahlt hat, deren Leistungen aber voraussichtlich dann seitens der Bundesregierung von zusätzlich privater Absicherung abhängig gemacht werden sollen, sodass die Versicherten aus der bisherigen solidarischen Versicherung nur eine Teilabsicherung bekommen, währenddessen die heutigen Leistungsabhängigen voll versichert waren? Ist das noch verfassungsgemäß, oder halten Sie das für eine Form der Enteignung?

Sobald der Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministers zu der neuen Versicherungsmöglichkeit aufgeworfen wird, müssen wir natürlich auch die verfassungsrechtliche Frage stellen. Sehr schwierig finde ich aber in diesem Zusammenhang – das habe ich soeben schon gesagt –, dass der ehemalige Grundkonsens, dass unsere Sozialversicherungszweige solidarisch finanziert sind, durch die amtierende Bundesregierung von CDU und FDP, beginnend mit der Krankenversicherung, ganz

klar aufgehoben wurde. Dies ist ein weiterer Schritt in diese Richtung. Dies halte ich politisch, aber auch gesellschaftspolitisch für außerordentlich problematisch und für nicht zu akzeptieren. Ich denke, wir werden Schulter an Schulter gemeinsam unsere Kräfte mobilisieren müssen, um dagegen Widerstand zu leisten.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Eine Zusatzfrage der Kollegin Anklam-Trapp.

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich habe eine Frage zum Pflege-Neuausrichtungsgesetz. Die Dokumentationspflicht und die Bürokratie in der Pflege sind enorm. Gibt es Ansätze, um diese Bürokratie und die Dokumentationspflicht zu reformieren?

Leider nein, und dies ist zugegebenermaßen eine sehr schwierige Aufgabe; aber dennoch muss sich eigentlich jeder Gesundheitsminister der Aufgabe stellen, die Bürokratie zu reduzieren. Wenn man draußen mit Fachkräften spricht, ist die Bürokratie eines der ganz großen Probleme. Sie wissen alle in diesem Parlament, dass ich seit langer Zeit versuche, die Transparenzkriterien zu bekämpfen, aber dies geschieht auf Bundesebene im Moment nach wie vor ohne Erfolg, und zwar schlicht und ergreifend deshalb, weil zusätzlich eine wahnsinnige Bürokratie aufgebaut worden ist. Es ist eine der größten Pflichten in der Pflege zu überprüfen, wie wir Bürokratie abbauen können, und dies wurde leider auch in diesem Gesetzentwurf versäumt.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Dr. Enders.

Frau Ministerin, welche fachlichen Kriterien erwarten Sie von Ehrenamtlichen, die ergänzend zu den Fachkräften pflegen sollen?

Sie wissen genau, dass ich von dem berühmten Hilfemix spreche. Wir wissen, dass beispielsweise in RheinlandPfalz 70 % der Menschen, die pflegebedürftig sind, zu Hause von den unmittelbaren Angehörigen, von Nachbarn oder Freunden gepflegt werden. Wenn wir von der Pflege in der Zukunft sprechen, wissen wir auch, dass wir den Hilfemix bestehend aus Angehörigen, ehrenamt

lichem Engagement und professioneller Pflege brauchen, diese Komponenten noch stärker miteinander verbinden müssen und das Ehrenamt auch entsprechend stützen müssen. Das ist der Punkt, den ich vorhin angesprochen habe: Der Gesetzentwurf enthält leider nicht ausreichend Entlastung für die Angehörigen, für Menschen, die einen Pflegebedürftigen unterstützen wollen. Dazu brauchen wir neue Ansätze, zum Beispiel die sozialräumliche Pflege oder eine stärkere Entlastung der Angehörigen.

Der Ursprungsgedanke von Herrn Bundesgesundheitsminister Bahr war eigentlich sehr gut, nämlich Kur- und Rehamaßnahmen für die Angehörigen anzubieten, die in der Pflege stehen. Dieser Ansatz ist im Gesetzentwurf verschwunden, wahrscheinlich weil er gegenüber dem Finanzminister nicht durchsetzbar war. Jedenfalls sind dies Ansätze, die wichtig wären, um in Zukunft Pflege sicherzustellen und Professionelle, Angehörige und Ehrenamtler gut miteinander agieren zu lassen.

Damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Bracht, Sie haben sich zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU beantragt die Aussprache zu der Mündlichen Anfrage Nummer 2 der Abgeordneten Dr. Axel Wilke und Christian Baldauf zum Thema „Früherer Hafturlaub für ‚lebenslänglich‘ verurteilte Gefangene“.

Frau Kollegin Schleicher-Rothmund, bitte.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Landtagsfraktion beantragt die Aussprache zu der Mündlichen Anfrage Nummer 5 zum Thema „Pflege-Neuausrichtungsgesetz“.

Herr Kollege Wiechmann hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Landtagsfraktion der GRÜNEN beantragt die Aussprache zu der Mündlichen Anfrage Nummer 3 „Zukunftsperspektiven für den Flugplatz Bitburg“.

Meine Damen und Herren, ehe wir mit der Aussprache beginnen, begrüßen wir den Knappenchor aus Bundenbach im Hunsrück. Herzlich willkommen, wir freuen uns!

(Beifall im Hause)

Wir freuen uns auch über Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse der Realschule plus aus Betzdorf. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Wir beginnen mit der Aussprache über die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Axel Wilke und Christian Baldauf (CDU), Früherer Hafturlaub für „lebenslänglich“ verurteilte Gefangene – Nummer 2 der Drucksache 16/1205 – betreffend. – Herr Kollege Baldauf hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Schwerverbrecher nach kürzester Zeit wieder auf die Bürger loszulassen, ist skandalös und wäre ein gefährliches Experiment auf dem Rücken der Bürger, so äußert sich der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, worüber reden wir heute? – Es geht – auch nach dem, was Herr Minister Hartloff soeben vorgetragen hat – um den Hafturlaub für Schwerverbrecher. Das heißt, wir reden über Mörder, Vergewaltiger, Kindesmissbraucher. Wir reden darüber, dass für diese Schwerverbrecher bereits nach fünf Jahren ein Hafturlaub von 21 Tagen möglich sein soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Ihnen dazu sagen, für die CDU gilt grundsätzlich, nicht der Täter steht für uns im Mittelpunkt, sondern das Opfer und dessen Angehörige mit all ihren Nöten und Sorgen.

(Beifall der CDU)

Herr Minister Hartloff, Herr Ministerpräsident, ich darf Sie deshalb fragen, wenn es Sie noch interessiert – – –

Gut, dann werde ich Herrn Hartloff fragen und werde Herrn Ministerpräsident Beck vielleicht nachher fragen können, wenn er noch einmal kommt:

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Er sitzt hier mehr als Sie, Herr Kollege!)

Wie müssen sich denn ein Opfer und dessen Angehörige vorkommen – man möge sich das einmal vorstel- len –, wenn jemand nach fünf Jahren, vielleicht nach einer Verurteilung auch schon ein Jahr zuvor, weil er vier Jahre in Untersuchungshaft saß, auf der Straße demjenigen begegnet, der der Täter gewesen ist?

(Hering, SPD: Das ist doch billig, was Sie machen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das können wir als Union nicht akzeptieren.

(Beifall der CDU – Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz)

Herr Hartloff, ich möchte es noch einmal wiederholen, und ich habe Sie vorhin schon einmal danach gefragt: Schwerverbrecher werden in dieser Form mit Steuersündern und anderen verglichen. Wir bagatellisieren die Situation, und wir bringen es so weit, dass hinterher der Täter mehr gilt als das Opfer. Herr Hartloff, ich möchte an dieser Stelle ganz eindeutig an Ihre Adresse, aber auch an die Adresse der SPD und der GRÜNEN, denen der Bürgerwille immer so wichtig ist, die Frage zum Ausdruck bringen: Warum wollen Sie etwas durchsetzen, was 95 % der Bevölkerung nicht wollen? Warum wollen Sie etwas, bei dem sich nicht erkennen lässt, welchen Mehrwert, welchen Verbesserungswert es haben soll?

(Beifall der CDU)

Herr Minister Hartloff, Sie sprechen von Resozialisierung. Sie sagen, die Resozialisierung muss frühzeitig beginnen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber wenn man sich einmal überlegt, dass ein Schwerverbrecher mindestens 15 Jahre im Gefängnis bleiben muss, und wenn man sich dann vor Augen führt, dass er bereits nach fünf Jahren Urlaub bekommen kann, muss ich Sie doch im Ernst fragen: Wie können Sie da behaupten, dass jemand, der danach noch zehn Jahre abzusitzen hat, bereits nach fünf Jahren resozialisiert werden soll? – Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns gilt, Strafe ist auch Sühne, und das bedeutet für uns auch, dass für das, was geschehen ist, auch eine Sühne angetreten werden muss. Deshalb lehnen wir Hafterleichterungen in Form von Urlaub nach fünf Jahren grundsätzlich ab.

(Beifall der CDU)