Protokoll der Sitzung vom 08.11.2012

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Köbler.

Herr Minister, das Gerichtsurteil hat nicht nur verfügt, dass es ein absolutes Nachtflugverbot zwischen 23:00 Uhr und 05:00 Uhr geben soll, sondern eben auch, dass es in den sogenannten Nachtrandstunden innerhalb der gesetzlichen Nacht, also zwischen 22:00 Uhr und 23:00 Uhr sowie zwischen 05:00 Uhr und 06:00 Uhr, ein An- und Abschwellen der Flugbewegungen geben soll.

Angesichts von ca. 20.000 Flügen in dieser Zeit seit Erlass des Urteils bitte ich um Ihre Einschätzung dazu, ob die hessische Seite und die Fraport das Urteil tatsächlich rechtmäßig vollumfänglich umsetzen.

Es sind enorm hohe Zahlen, nämlich 12.187 bis 22:59 Uhr und 7.584 zwischen 05:00 Uhr und 05:59 Uhr. Das ist natürlich mit höchsten wirtschaftlichen Interessen verbunden. Auf der einen Seite kann man das für ein solches Unternehmen nachvollziehen.

Auf der anderen Seite sollte man auch aus Sicht der Fraport und der an- und abfliegenden Airlines sehr darauf achten, dass die Bevölkerung das Gefühl hat, dass das, was das Gericht vorgegeben hat, exakt eingehalten wird.

Ich höre an vielen Stellen die Diskussion, ob wir als Politik nicht Druck machen, dass es von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr gilt und nicht von 23:00 Uhr bis 05:00 Uhr. Der Zeitraum 23:00 Uhr bis 05:00 Uhr war ein Ergebnis des Mediationsverfahrens, das gebrochen wurde. Wir haben trotzdem gesagt, wir werten als Landesregierung durchaus auch die wirtschaftlichen Interessen eines deutschen Zentralflughafens.

Ich verspüre aber, dass der Druck immer größer wird, weil die Menschen sagen, wir haben das Gefühl, wir werden auf den Arm genommen. Das darf es nicht geben. Wenn es ein Urteil gibt, muss es exakt eingehalten werden, auch im Interesse der am Schluss zwischen 22:00 Uhr und 23:00 Uhr und 05:00 Uhr und 06:00 Uhr begünstigten Airlines und der Fraport.

Ich kann den Kollegen dort nur raten, sehr darauf zu achten, dass das Gefühl gegeben wird, dass ein Urteil eingehalten wird. Wenn das kaputtgeht, wird es in der Region einen ganz anderen Druck geben.

Eine Zusatzfrage des Kollegen Steinbach.

Herr Minister, wiederholt wird darüber berichtet, dass bei den Anflugverfahren, die über Rheinhessen stattfinden, auch die Flughöhen deutlich unterschritten werden würden. Liegen Ihnen dazu Erkenntnisse vor?

Es liegen noch keine belastbaren Erkenntnisse vor. Aber auch das wird an uns herangetragen. Sie wissen, dass es immer hieß, viele Dinge seien alternativlos.

Wir haben ein Gutachten vorgelegt, bei dem wir sagen können, es gibt Alternativen in den Fragen der An- und Abflughöhen und anderen Dingen mehr. Wir achten sehr darauf, auch gemeinsam mit Frau Kollegin Höfken. Sobald wir dort belastbare Dinge haben, werden wir diese natürlich auch entsprechend in die Verfahren einbringen.

Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Schmidt.

Dass Lärm Gesundheitsschäden verursacht, ist heute unbestritten. Liegen Ihnen auch Informationen wegen Lärmstörungen bei Schülerinnen und Schülern vor?

Der Presse konnte man entnehmen, dass es auch Schulen gibt, die heftig klagen und sagen, insbesondere in den Sommermonaten, in denen man Klappfenster vielleicht einmal öffnen kann, kommt es zu Situationen, in denen Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler sagen, dass ein konzentriertes Folgen des Unterrichts nicht möglich ist, weil die Abfolge der Flüge und die Lärmbelästigung so eng ist, dass man sich nicht konzentrieren kann.

Ihre Grundaussage zur Gesundheitsschädigung durch Lärm kennen wir. Wir kennen das beim Fluglärm, beim Bahnlärm, das wissen wir aber auch bei von Pkw ausgehendem Lärm und anderen Lärmquellen. Das ist unbestritten so.

Wenn in einer niedrigen Höhe in dichter Abfolge über Schulen geflogen wird und Schülerinnen und Schüler sechs oder mehr Stunden konzentriert dieser Lärmquelle ausgesetzt sind, wird es sicherlich mindestens mit Beeinträchtigungen einhergehen.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Die Anfrage ist beantwortet.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Norbert Mittrücker und Christian Baldauf (CDU), Ausbau der Stromnetze in Rheinland-Pfalz – Nummer 2 der Drucksache 16/1769 – betreffend, auf. Ich erteile Herrn Kollegen Dr. Mittrücker das Wort.

Wir fragen die Landesregierung:

1. In welchem Umfang müssen nach Kenntnis oder Einschätzung der Landesregierung im Zuge der derzeitigen Entwicklung des Aufbaus dezentraler Stromerzeugungsanlagen wie Windräder und Solaranlagen bis 2020 die regionalen Verteilernetze für elektrischen Strom ausgebaut und erneuert werden?

2. Wie hoch sind nach Kenntnis oder Einschätzung der Landesregierung die dafür erforderlichen Investitionskosten?

3. Wie können oder müssen nach Kenntnis oder Auffassung der Landesregierung diese Kosten finanziert werden?

4. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die Kosten des Ausbaus für die regionalen Verteilernetze zu begrenzen und die Funktionssicherheit der Netze zu garantieren?

Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Lemke.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Mittrücker! Ich beantworte Ihre Anfrage vor dem Hintergrund, dass diese Landesregierung für eine Politik der Energiewende eintritt, und vor dem Hintergrund, dass uns bewusst ist, dass diese Energiewende ein großes Projekt über viele Jahre bedeutet, wie es auch heute in der Presse wieder mit einem Vergleich zu lesen war, und zwar der Umwandlung einer Dimension dieser Aufgabe mit dem Wandel des Transportwesens vom Pferd zur Eisenbahn und zum Automobil oder vergleichbar mit wilder Abwassereinleitung in die Flüsse zur geregelten Entsorgung über Tausende von Kläranlagen.

Dies alles ist auch Infrastruktur, genauso wie die Netzinfrastruktur, also die Frage, wie wir unsere Stromverteilnetze aus- und umbauen.

Vor diesem Hintergrund beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: In welchem Umfang müssen nach Kenntnis oder Einschätzung der Landesregierung im Zuge der derzeitigen Entwicklung des Aufbaus dezentraler Stromerzeugungsanlagen wie Windräder und Solaranlagen bis 2020 die regionalen Verteilernetze für elektrischen Strom ausgebaut und erneuert werden? Wir ermitteln diese. Ich möchte noch einmal hervorheben, dass wir zwischen Hochspannungsleitungen und bei Ihnen in der Frage von Verteilernetzen im Mittelspannungsbereich unterscheiden.

Wir lassen sie analysieren. Untersucht wird, inwieweit der Ausbaubedarf durch Energiemanagement und speicher in Verbindung mit intelligenten Verteilnetzen eingegrenzt werden kann. Außerdem soll die Möglichkeit von Last- und Einspeisemanagement bei der Integration von fluktuierenden Erzeugungsanlagen in das Gesamtsystem stärker genutzt werden.

Die vom Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Mitte Oktober in Auftrag gegebene Verteilnetzstudie wird den Ausbaubedarf genau ermitteln. Ergebnisse werden im Herbst 2013 vorliegen. Zwi

schenzeitlich werden wir fachliche Beratung mit den Experten zu dem Zwischenstand der Ermittlungen führen.

Zu Frage 2: Wie hoch sind nach Kenntnis oder Einschätzung der Landesregierung die dafür erforderlichen Investitionskosten? – Hier können wir uns auf eine Studie des Verbandes kommunaler Unternehmen stützen, der ermittelt hat, wie sich die Verteilnetze in der Bundesrepublik entwickeln werden. Ein Investitionsbedarf von 25 Milliarden Euro bis 2030 wird hier vorgegeben. Zahlen für Rheinland-Pfalz liegen nicht vor.

Der Investitionsbedarf von Rheinland-Pfalz wird ebenfalls mit der von mir eben genannten Studie ermittelt.

Zu Frage 3: Wie können oder müssen nach Kenntnis oder Auffassung der Landesregierung diese Kosten finanziert werden? – Mittel für Investitionen in die Verteilnetze fließen den Netzbetreibern in substanziellem Umfang aus den Netzentgelten kontinuierlich zu.

Entsprechend müssen die notwendigen Investitionen aus den Abschreibungen der in Betrieb befindlichen Netze finanziert werden. Kapitalrückflüsse werden von den Netzbetreibern auch für den Ausbau von modernen und intelligenten Netzstrukturen genutzt.

Zu Frage 4: Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die Kosten des Ausbaus für die regionalen Verteilernetze zu begrenzen und die Funktionssicherheit der Netze zu garantieren? – Die Entwicklung in den Informations- und Kommunikationstechnologien wollen wir für den Energiesektor stärker nutzbar machen. In Bezug auf die Verteilnetze werden zunehmend Systemzustände im Netz nachvollzogen und lokal nachgesteuert. Die Technologie „Smart Grid“ führt somit zu einer besseren Ausnutzung der konventionellen Netzinfrastruktur, was den Ausbaubedarf dämpft oder die Netzstabilität bei gleicher Auslastung verbessert. Modernisierung und informationstechnologische Aufrüstung der Verteilnetze bilden in dem Sinn den Schwerpunkt bei der Förderung von Forschung und Entwicklung. Auf die dazu laufenden Forschungsvorhaben beim Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik weise ich deshalb gern hin.

Weitere Technologien stehen zur Verfügung, die ebenfalls geeignet sind, beim Ausbaubedarf im Verteilnetz eine Dämpfung herbeizuführen. Dazu gehören zum Beispiel Stromspeicher und Energiemanagement. Besonders die Potenziale des Lastmanagements sind kostengünstig zu erschließen, indem Industrie und Haushalte ihre Nachfragen über Preissignale dem aktuellen Elektrizitätsangebot anpassen. Lastvariable Verbraucher in Produktionsbetrieben, aber auch Wärmepumpen, Elektroautos oder intelligente Haushaltsgeräte können damit künftig ihre Nachfragen in wind- und sonnenintensive Zeiten verlagern. Das heißt, auch dann kann gespeichert werden.

Dieser Herausforderung hat sich der Länder-Cluster, den wir zusammen mit den Ländern Baden-Württemberg und Hessen bilden – StoREgio – angenommen. Dessen Initiatoren sind zum Beispiel Vertreter der BASF und der Metropolregion Rhein-Neckar bzw. die im September

2011 gegründete StoREgio GmbH. Dazu haben sich im Cluster zahlreiche Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammengeschlossen, um ihre Kompetenzen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu bündeln.

Für die Energiezukunft sind Marktplätze erforderlich, über die sowohl Energiemengen als auch Dienstleistungen gehandelt und im Fall drohender Netzüberlastung sogar Verbrauchsreduktionen zur Netzstabilisierung verhandelt werden können. Dies zeigt, dass die tradierte Rollenzuweisung für den Strommarkt neu definiert werden muss. Wir wollen die Möglichkeiten der künftigen Märkte in den regionalen Verteilnetzen stärken. Eine Zukunftsinitiative, nämlich die eben schon genannten „Smart Grids“, wird deshalb Ende 2012 gemeinsam mit den Kommunen, den Verteilnetzbetreibern und der Wirtschaft Rheinland-Pfalz neu aufgesetzt. Alle Akteure, die Energiemengen verteilen oder abnehmen, sind angesprochen, sich da einzubringen.

Gibt es Zusatzfragen?

Die erste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Guth.

Frau Ministerin, Sie haben die Netzstudie für RheinlandPfalz angesprochen, die Sie in Auftrag gegeben haben. Werden die Unternehmen, also die Netzbetreiber bzw. der zuständige Verband, in die Erstellung der Netzstudie eingebunden, und wenn ja, wie soll das geschehen?

Sie werden ganz eng eingebunden. Das ist sozusagen das Herzstück. Die Arbeit mit den Netzbetreibern, mit den Antragstellern und mit den Investoren erfolgt sehr detailliert. Sie wissen, mit der Vorlage des Landesentwicklungsprogramms verfolgen wir auch das Ziel der Konzentration von Windkraftanlagen. Das heißt, es ist vor allen Dingen ein organisatorischer Aspekt, der hier eingebracht wird: Wer macht was wo, und, vor allen Dingen, wer plant was? – Dazu haben wir teilweise noch keine Kenntnisse. Diese Kenntnis wollen wir uns jetzt mit der Studie verschaffen, um eine Bündelung und eine bessere Organisationsform zu gewährleisten.

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Mittrücker.

Frau Ministerin, unserer Kenntnis nach werden derzeit drei Standorte für Pumpspeicherkraftwerke geprüft. Ich frage Sie: Inwieweit ist bei der Netzplanung diese notwendige Regeltechnik für Wasserkraft bereits einge

plant, und, was entscheidend für die Netzplanung ist, mit welcher Leistung haben Sie die vorgesehen?

Wie Sie wissen, befinden sie sich alle noch in der Planung, und deshalb orientieren wir uns hier zunächst am Energieleitungsausbaugesetz – EnLAG –, das im Jahr 2009, als es gemacht wurde, sehr konkret formuliert wurde, um im deutschen Übertragungsnetz den vordringlichen Ausbaubedarf so berechnen zu können, dass solche Projekte aufgenommen werden. Innerhalb dieser Projekte gibt es 24 Vorhaben, davon drei in Rheinland-Pfalz.