Protokoll der Sitzung vom 27.02.2015

Frau Ministerin, wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Situation des rheinland-pfälzischen Mittelstandes?

Die aktuelle Situation des rheinland-pfälzischen Mittelstandes ist sehr zufriedenstellend, und wir freuen uns sehr, dass wir im Länderranking nach wie vor auf dem dritten Platz mit unserer Wirtschaftskraft stehen. Auch das ist immer wieder ein Thema.

Dennoch verkennen wir nicht, dass die Herausforderungen international groß sind und es natürlich auch international verursachte Schwierigkeiten gibt. Als ein Beispiel nenne ich das Russland-Geschäft, bei dem wir immer einen intensiven Austausch mit dem Mittelstand darüber pflegen, wie zukünftige Investitionsstrategien sowie die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsposition der noch starken rheinland-pfälzischen Wirtschaft gewährleistet werden können. Unser Blick geht sozusagen immer auf die Zukunft, und es geht uns nicht um ein Ausruhen auf dieser guten Situation. Genau darüber muss auch die Erörterung stattfinden.

Es geht um die Frage: Welches sind in Zukunft die richtigen strategischen Bereiche, in die investiert werden kann? – Dazu haben wir als Landesregierung mit der EU-Kommission die gemeinsame Strategie „Horizon 2020“ zu Forschung, Innovation und Technologieentwicklung erarbeitet, unter deren Dach wir die weitere Entwicklung stellen und die auch in Anspruch genommen wird. Insofern halte ich uns auch gemeinsam mit der Wirtschaft dafür gut aufgestellt.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Schmitt.

Frau Ministerin, von den Industrie- und Handelskammern sowie vom Mittelstand werden immer die hohen bürokratischen Vorgaben und die Dokumentationspflichten wie zuletzt auch beim Mindestlohngesetz beklagt. Was plant die Landesregierung konkret, um den Mittelstand von diesen bürokratischen Aufwüchsen zu entlasten?

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Schmitt, wir haben regelmäßig eine Evaluation, was ich eben schon gesagt habe. Das Mittelstandsförderung legt uns diese auch nahe. Diese Evaluation ist wieder in Bearbeitung. Genau an dieser Stelle wird festgestellt, welche weiteren bürokratischen Hürden sich aufgebaut haben, insbesondere auch aus Berlin und Brüssel herrührend, sodass wir eine Klarheit über das Volumen als solches haben und natürlich Initiativen ergreifen können, um das Volumen des bürokratischen Aufwands für die Wirtschaft wieder zu verringern.

Insgesamt haben die Evaluationen der letzten Jahre gezeigt, dass es in der Summe für den rheinlandpfälzischen Mittelstand nicht zu einem Aufwuchs, wohl aber zu Umschichtungen und Veränderungen gekommen ist, die jeweils den Erfordernissen der Harmonisierung in Europa angepasst wurden.

Ich glaube, es ist eine stetige Sisyphusarbeit, genau dies auch für die Wirtschaft zu identifizieren. Wir sind immer froh über sehr konkrete Hinweise aus der Wirtschaft, wie zu verstehen ist, wie dieser Bürokratieaufwuchs aussieht. Wir müssen also immer genau wissen, was das jetzt heißt, wer dort sitzt und welche Statistik für wen erstellen oder welche Papiere wie ausfüllen muss. Wie behindert es die Wirtschaft? Macht es Prozesse langsamer? Warum kann zum Beispiel nicht in Exportgeschäften agiert werden? Wenn wir diese kennen, können wir auch gezielt gegensteuern und die entsprechenden Belange in Brüssel und Berlin vortragen. Das tun wir dann auch.

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Brandl.

Frau Ministerin, viele der Punkte, die Sie jetzt angesprochen haben und die auch die Industrie- und Handelskammern fordern, werden letztendlich nicht in Ihrem Haus entschieden. Wie werten Sie vor diesem Hintergrund die veränderte Struktur dieses neuen Wirtschaftsministeriums, dieses Rumpfwirtschaftsministeriums, in dieser Wahlperiode? Wie war Ihr Haus entsprechend aufgestellt, um Einfluss auf genau solche wirtschaftspolitischen Themen zu nehmen?

Herr Brandl, wenn insgesamt bei einem attraktiven Wirtschaftsstandort zum Beispiel die Kinderbetreuung eine wesentliche Rolle spielt, weil Eltern nicht arbeiten könnten, wenn ihre Kinder nicht gut betreut würden, und ich dies vor diesem Hintergrund auch als eine wirtschaftspolitische Aufgabe betrachten würde, dann müsste ich auch in meinem Haus für die Kinderbetreuung zuständig sein. Das bin ich aber aus guten Gründen nicht, weil hier

spezielle Fachkompetenz und ein eigenes Ministerium durchaus eine organisatorische Aufgabe der Landesregierung darstellen.

Ich bin froh, dass ich Kolleginnen und Kollegen habe, die für die einzelnen Bereiche mit ihrer ihnen eigenen Kompetenz zuständig sind für Bereiche, die insgesamt diesen Wirtschaftsstandort stark weiterentwickeln.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Schmitt.

Frau Ministerin, bei den Industrie- und Handelskammern wird auch – Sie haben es eben auch noch einmal bestätigt – der Anstieg der Gewerbesteuern in den einzelnen Standorten beklagt. Dies wird in den Gemeinden beklagt.

Die Gemeinden haben aufgrund ihrer desolaten finanziellen Lage wenige Möglichkeiten, an ihren Steuerschrauben zu drehen. Eine davon ist die Gewerbesteuer. Das führt dann natürlich zu Nachteilen für die kleinen und mittleren Unternehmen und führt natürlich zur Entscheidung für Standorte.

Würde das aus Sicht der Landesregierung heißen, dass in Zukunft die finanzschwachen Gemeinden keine Ansiedlungen mehr bekämen und nur noch die finanzstarken Gemeinden, die die Gewerbesteuer nicht so hoch setzen müssen?

Wenn Sie sich mit Unternehmern unterhalten, dann werden Sie feststellen, dass die Gewerbesteuer nicht das einzige Kriterium für eine Ansiedlung darstellt.

(Schweitzer, SPD: So ist das!)

Da sind Kriterien, wie zum Beispiel die Fachkräfte und der Einzugsbereich der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wo sie leben und welche Anfahrtswege sie haben und ob sie ihre Kinder betreut wissen, wesentlich wichtiger.

Bei einer großen Ansiedlung in diesem Land – Haribo – hat die Geschäftsführung auch deutlich gemacht, dass nicht die Gewerbesteuer das ausschlaggebende Kriterium war. Ich sage dies so deutlich, um noch einmal einzuordnen, dass es uns auch weiterhin wichtig ist, dass die Kommunen über das Instrument der Gewerbesteuer im Rahmen der Ordnungsgebung, die wir in diesem Land für die Kommunen geschaffen haben, weiter entscheiden sollen.

Ich deute Ihre Frage so, dass Sie von mir wissen wollen, ob wir ein Moratorium gänzlicher Art für Abgaben und

Steuern in dieser Landesregierung oder in diesem Plenum schaffen. Dann müsste man dafür die Rahmenumgebung schaffen. Ich sehe das so nicht und halte es nicht für notwendig und sehe die Kommunen auch weiterhin in der Verantwortung, die sie schon jetzt wahrnehmen. Ich traue ihnen auch zu, dass es weiterhin der Fall ist.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Schweitzer.

Frau Ministerin, Sie haben den Bereich der Fachkräfte angesprochen. Können Sie vielleicht mit Blick auf die Fachkräftestrategie des Landes Beispiele dafür nennen, wo die Industrie- und Handelskammern, aber auch die Handwerkskammern gemeinsam mit der Landesregierung für konkrete Projekte Verantwortung tragen und wie weit diese gediehen sind?

Oh ja. Wir haben eine Menge gemeinsamer konkreter Projekte. Ich nenne jetzt zum Beispiel eines, nämlich den Coach für betriebliche Ausbildung, der dafür sorgt, dass junge Menschen, die vielleicht gewisse Startschwierigkeiten hatten oder einen zweiten Start oder aus der Schule heraus eine Unterstützung brauchen, durchgecoacht, das heißt an die Hand genommen werden, um dann bei den Betrieben ihren Einstieg zu finden. Ich möchte nicht sagen, dass sie Lebensbegleitung haben, aber all das finden, was sie brauchen, um sich auch in dieser neuen Aufgabe und neuen Rolle zurechtzufinden.

Wir wissen alle, dass die Orientierung von jungen Menschen in einen Beruf optimiert werden kann und muss, weil die Lebensbilder, die junge Menschen häufig haben, nicht unbedingt von Arbeitswelten geprägt sind. Betriebe sind häufig abgeschottet in Gewerbe- oder Industriegebieten mit Sicherheitsvorkehrungen, sodass ein Jugendlicher nicht unbedingt von außen einen Eindruck haben kann, wie sich das Arbeitsleben innen abspielt.

Aus diesen Gründen ist eine stärkere Orientierung notwendig. Dafür gibt es ein ganzes Maßnahmenpaket, ob es die Aktivitäten „Viele Wege führen nach vorne“ sind oder die Tatsache, dass die Landesregierung und natürlich auch das Plenum eine Durchlässigkeit im Bildungssystem möglich gemacht haben, sodass die jungen Leute wissen, jeder kann studieren und Karriere machen. Karriere mit Lehre ist möglich. Das duale Ausbildungssystem spielt auch eine Rolle. Auch da sind Aufklärungskampagnen mit den Kammern wichtig. Es ist sozusagen das ganze Paket um die Orientierungsmaßnahmen. Es gibt insgesamt 200 davon. Sie erlauben, dass ich sie nicht alle aufzähle. Sie sind aber ein Beispiel dafür, dass wir jede Menge tun, um zu helfen, dass die jungen Leute individuell ihren Platz in der Gesell

schaft und in der Arbeit finden, damit sie nicht so viele Schleifen drehen müssen. Das ist für uns alle wesentlich effizienter.

Ein weiteres Beispiel ist natürlich auch das Berufsqualifizierungsfreistellungsgesetz, an dem wir intensiv mit den Kammern arbeiten und jetzt auch die neue Schnittstelle mit den Welcome Centern haben. Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen ist eine wichtige Sache. Damit finden auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zuwandern, schneller einen neuen Arbeitsplatz und eine Orientierung, was hier möglich ist und wie noch Zusatzqualifikationen erworben werden müssen oder können.

Eine dritte Zusatzfrage des Kollegen Brandl. Dann schließe ich die Frageliste.

Vielen Dank, Herr Präsident. Frau Ministerin, vor dem Hintergrund, dass ein Fachkräftemangel von 60.000 Fachkräften bis 2020 durch den Fachkräftemonitor der Industrie- und Handelskammern prognostiziert ist und die Industrie- und Handelskammern heute schon Fachkräfte betreuen, und zwar rund 200 im Jahr, und Sie keinen Personalaufwuchs für die Welcome Center planen, frage ich Sie: Wie beurteilen Sie die Wirksamkeit der Einrichtung der Welcome Center?

Ich finde es erstaunlich – das ist sozusagen mein Glückwunsch und mein Dank auch an die Kammern –, dass wir in der Lage sind, gemeinsam Synergien herzustellen, die es schaffen, in einer Bündelung von Kompetenzen in einer Anlaufstelle hoffentlich den erzielten Gewinn in der Begleitung von Menschen, die zu uns kommen, sicherzustellen.

Ich bin sehr zuversichtlich, weil es auch das Angebot der Wirtschaft an dieser Stelle war, diese Synergien zu nutzen, wenn es gelingt zu zeigen, dass wir effizient gemeinsam Menschen beraten und begleiten können, wenn sie hier einen Arbeitsplatz suchen und wir ihnen helfen können, sich hier niederzulassen. Das finde ich eine tolle Leistung der Kammern. Ich freue mich darüber, dass wir das gemeinsam so hinbekommen.

Damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Bernhard Braun (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Rheinland-Pfalz beim Ausbau der Windenergie auf hervorragendem Weg – Nummer 7 der Drucksache 16/4638 –

betreffend, auf und erteile Herrn Abgeordneten Dr. Braun das Wort.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung den Zubau der Windenergie in Rheinland-Pfalz im Jahr 2014?

2. Wie beurteilt die Landesregierung die Steigerung der Wertschöpfung in Rheinland-Pfalz, die durch den Ausbau der Windenergie entsteht?

3. Wie beurteilt die Landesregierung den Ausbaupfad bei der Windenergie im Hinblick auf die energiepolitischen Zielsetzungen für das Jahr 2030?

4. Sieht die Landesregierung den weiteren Ausbaupfad der Windenergie in Rheinland-Pfalz durch die Energiepolitik des Bundes gefährdet?

Frau Lemke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2011 das ambitionierte energiepolitische Ziel gesetzt, dass Rheinland-Pfalz bis zum Jahr 2030 seinen Stromverbrauch bilanziell zu 100 % aus erneuerbaren Energien deckt. Mit einem Anteil von ca. zwei Dritteln soll die Windkraft im Jahr 2030 einen wesentlichen Anteil an der regenerativen Stromerzeugung übernehmen.

Die Realisierung der Zielvorgabe einer bilanziell 100%igen Stromversorgung aus erneuerbaren Energien setzt insbesondere für den wichtigen Bereich der Windenergieerzeugung die Bereitstellung von ausreichend geeigneten sowie für die Umwelt und unsere Bürgerinnen und Bürger verträglichen Standorten voraus.

Dazu haben wir in den vorangegangenen Jahren von der rheinland-pfälzischen Landesregierung im Bereich der Raumordnung und Landesplanung die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen und damit den weiteren Ausbau gestärkt.

Mit der Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms, der grundlegenden Überarbeitung des Rundschreibens Windenergie, dem neu herausgegebenen Windatlas und durch die Erstellung des Gutachtens zur Konkretisierung der landesweit bedeutsamen historischen Kulturlandschaften zur Festlegung, Begründung und Darstellung von Ausschlussflächen und Restriktionen für den Ausbau von Windenergienutzung hat die rheinland-pfälzische Landesregierung die maßgeblichen Weichen für den weiteren zügigen und geordneten Ausbau der Windenergienutzung in Rheinland-Pfalz gestellt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt: