Protokoll der Sitzung vom 27.05.2020

In der Krise, die wir jetzt hoffentlich einigermaßen überstanden haben, hat die Landwirtschaft viel Wichtiges geleistet. Die Versorgungssicherheit in Deutschland war stets gewährleistet. Insofern hat es – vor ihnen haben verantwortliche Politikerinnen und Politiker immer wieder gewarnt – für Hamsterkäufe keine Grundlage gegeben.

Ich bin froh, dass wir heute von der FDP diese Aktuelle Debatte vorgeschlagen bekommen haben. Daran kann man zeigen, welch hohe Wertschätzung die Landesregierung gegenüber der Landwirtschaft zeigt, indem die Landesregierung bei ihrer Politik immer wieder den Blick bzw. das Bewusstsein auf das Pfund richtet, das wir haben, nämlich regionale und gesunde Lebensmittel, die konkret vor Ort gefördert werden.

In den Schulen legen wir beispielsweise Wert auf die Integration des Themas „Ernährung“ in den Schulunterricht. Es ist wichtig, dass schon im Kitabereich die Förderung beginnt und dann Schulgärten, Schulprojekte oder Unterrichtsreihen durch die Landesregierung erfolgen; denn das ist sozusagen die Saat, die wir legen, damit Menschen das, was sie zum Leben brauchen, zu schätzen wissen.

In der Unterrichtsreihe „ABC der Lebensmittel“ in Zusammenarbeit mit den Landfrauen lernen seit 2013 über 6.000 Schülerinnen und Schüler wichtige und insbesondere regionale Lebensmittel kennen und bereiten daraus einfache Gerichte zu. In einer Zeit, in der die Zahl der Convenience-Produkte, der halbfertigen und Fertigprodukte, stetig steigt, in der Untersuchungen zeigen, dass es immer mehr Haushalte gibt, in denen gar nicht mehr gekocht wird, in denen eine sehr teure Küche nur zum Schönanzusehen da ist, ist es wichtig, dass Menschen wieder eine Verbindung zu dem bekommen, was die Landwirtschaft produziert.

Mit dem Öko-Aktionsplan fördern wir die Absatzwege für regionale biologische Produkte. Ich muss sagen, das ist ein Erfolgsprodukt; denn diese werden deutlich umfangreicher nachgefragt, als wir es im Moment bedienen können. Ein wichtiges Projekt ist die Förderung der Absatzwege, um auch in Krisen immer eine gute Versorgung gewährleisten zu können.

Das sind Beispiele, die zeigen, unsere Landwirtschaft im Land ist uns etwas wert. Deswegen fördern wir sie mit solchen Programmen. Deswegen fördern wir ihre Absatzwege mit solchen Programmen.

Ich möchte noch auf drei Aspekte zu sprechen kommen, zum Beispiel auf die Stärkung der regionalen Vermarktung, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Hälfte der Menschen gibt an, dass sie mehr regionale Produkte

wünscht. Es scheint also einen erhöhten Bedarf zu geben, den die Landwirtschaft bisher so nicht stillen konnte. Wir brauchen deswegen hohe Standards, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher von Regionalität auf gute Qualität und ökologische Erzeugung schließen. Deswegen brauchen wir eine glaubwürdige, einfache und bundesweite Regionalkennzeichnung von Lebensmitteln sowie die Zertifizierungsmöglichkeit für Regional- und Dachmarken.

Wir brauchen mehr Bio, um Wahlfreiheit zu geben und die Nachfrage zu decken; denn 76 % der Deutschen kaufen Bio-Lebensmittel immerhin schon gelegentlich ein. Klasse bedeutet da nicht Masse.

(Glocke der Präsidentin)

Es ist auch vom physiologischen Ernährungswert etwas anderes, wenn Sie Lebensmittel aus ökologischer Produktion nehmen. Holen Sie sich beispielsweise Kartoffeln. Die haben einen anderen Nährwert, weniger Wasser und schmecken einfach besser. Deswegen ist es richtig, so etwas zu fordern.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP)

Für die Landesregierung spricht Staatsminister Dr. Wissing.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war kurz dabei, darüber nachzudenken, ob ich mich jetzt wieder aufrege. Aber ich lasse es heute. Ich will nur eines sagen: Herr Gies, ich finde es schwierig, wenn man über Wertschätzung für Landwirtschaft spricht und dann ständig versucht, solche Positionierungen falsch darzustellen, um die Menschen zu verwirren.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Alexander Licht, CDU)

Es war immer klar, dass ich diese Düngeverordnung ablehne und ihr nicht zustimme. Sie haben im Plenum versucht, den Eindruck zu erwecken, als habe ich sogar diese Vorschriften in der Düngeverordnung selbst erfunden. Das fand ich eine ganz tolle Geschichte. Deswegen bin ich hier ein bisschen ausgerastet.

Heute haben Sie versucht, der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, die Landesregierung habe zur Düngeverordnung keine Meinung gehabt. Das ist auch nicht wahr.

Das Abstimmungsverfahren im Bundesrat – ich weiß nicht, ob Sie es wirklich nicht kennen oder ob es wieder so ein Trick war, der Öffentlichkeit etwas Falsches vorzuspiegeln – fragt gar nicht nach Enthaltungen oder Nein-Stimmen, sondern der Präsident fragt an dieser Stelle, wer zustimmt.

Das Land Rheinland-Pfalz hat nicht zugestimmt. Der Rest wird weder abgefragt noch erfasst, weil er irrelevant ist.

In der Tat hat die Landesregierung sich darauf festgelegt, nicht zuzustimmen in der Form, sich zu enthalten. Das heißt aber nicht, dass wir keine Meinung haben, sondern das heißt, dass es innerhalb der Koalitionspartner unterschiedliche Meinungen gab. Zur Wahrheit gehört, dass ich Wort gehalten und am Ende genau das gemacht habe, was ich von Anfang an gesagt habe.

Jetzt können Sie versuchen, das so oder so zu drehen mit irgendwelchem Geschwurbel, aber ich möchte Ihnen ehrlich sagen, die Landwirte draußen wissen, dass mein Wort gilt und sie sich auf mich verlassen können. Deswegen verzichte ich darauf, mich heute darüber aufzuregen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Landwirtschaft eine Systemrelevanz hat, ist selbstverständlich. Der Begriff kommt aus der Finanzkrise. Jetzt ist alles systemrelevant. Die Bienen sind es inzwischen auch. Aber Landwirtschaft ist ganz sicher lebensnotwendig. Sie produziert unsere gesunden Nahrungsmittel.

Ich finde es wichtig, dass wir im Zusammenhang mit Corona über die Landwirtschaft sprechen. Sie hat eine hohe Bedeutung für unsere Gesellschaft. Sie ist wichtig für unser Land Rheinland-Pfalz. Ohne Landwirtschaft wären wir nicht das Land, das wir sind. Wir hätten nicht den Tourismus, den wir haben. Deswegen hat die Landwirtschaft hohe Anerkennung verdient.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erfreulich positiv ist – das ist das Wichtigste –, dass es flankierende Maßnahmen der öffentlichen Hand gab, um die heimische Landwirtschaft in die Lage zu versetzen, auch ihre unverzichtbaren Leistungen zu erbringen. Ich will die Anerkennung der Land- und Ernährungswirtschaft als wichtige Infrastruktur und damit die Schaffung von Ausnahmemöglichkeiten von den allgemeinen Einschränkungen – Stichwort „Systemrelevanz“ – erwähnen.

Auch dafür haben wir uns als Landesregierung eingesetzt: den Einbezug der land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten in die Soforthilfen des Bundes, die Schaffung eines Bankbürgschaftsprogramms für Liquiditätsdarlehen der Landwirtschaftlichen Rentenbank mit 90 % und in Ausnahmefällen sogar mit bis zu 100 % Bundesbürgschaften bei kleinen und mittleren Unternehmen mit Laufzeiten von vier oder sechs Jahren oder die Einführung eines Kündigungsschutzes bis zum 30. Juni bei Pachtverträgen zugunsten der Landwirtinnen und Landwirte, die aufgrund der Pandemie Schwierigkeiten haben, ihre Pacht zu bedienen.

Eine wesentliche Entschärfung der Arbeitssituation, insbesondere im Gemüse- und Sonderkulturenbereich, ist vor allen Dingen durch die Einführung von steuerfreien Hinzuverdienstmöglichkeiten für Kurzarbeiter und Ruhegehalts

und Rentenempfänger sowie der für April und Mai ermöglichten und gezielten Einreisemöglichkeiten von Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeitern, die inzwischen bis zum 15. Juni verlängert wurden, geschaffen worden.

Ich will auch erwähnen: die Ausweitung der 70-TageRegelung für Saisonarbeitskräfte auf bis zu 115 Tage bis Ende Oktober, um so den grenzüberschreitenden Reiseverkehr und auch die Infektionsgefahr zu reduzieren, Erleichterungen bei der Arbeitnehmerüberlassung und Flexibilisierung bei den Arbeitszeitregelungen und die Unterstützung der Länder für schnelle und praktikable Lösungen im Verwaltungs- und Kontrollmanagement zur Sicherstellung der EU-Zahlungen.

(Vizepräsident Hans-Josef Bracht übernimmt den Vorsitz)

Die Corona-Pandemie hat unsere alten Maßstäbe alle hinterfragt und uns viele Dinge neu bewerten lassen. Das ist keine nur schlechte, sondern das ist auch eine gute Erfahrung. Es ist eine Chance als Gesellschaft, Prioritäten neu und anders zu setzen. Viele Berufe, die in der Vergangenheit etwas übersehen worden sind, haben plötzlich höhere Wertschätzung: die Pflegeberufe, der öffentliche Dienst, Polizei, Müllabfuhr, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch meines Hauses – wenn ich sie erwähnen darf –, die geholfen haben, dass selbst durch Feiertagsarbeit die Zahlungen schnell erfolgen konnten.

Alle haben eine wichtige Rolle und haben auch Wertschätzung und Anerkennung verdient. Sie sind alle systemrelevant. Das gilt auch für unsere Landwirtinnen und Landwirte. Aber es darf nicht sein, dass wir uns nur mit dem Lob und der Wertschätzung in Worten zufriedengeben, sondern wir müssen auch dafür sorgen, dass sich die Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft etwas verbessern. Es gibt einiges, was noch auf den Weg zu bringen ist.

Ich will auch das Thema „Tierwohllabel“ aufgreifen, weil es mir ein Herzensanliegen ist. Ich habe mich in den letzten Tagen oft gefragt: Wenn diese Hürden, ein europäisches verbindliches Tierwohllabel zu schaffen, so hoch sind, wie immer wieder behauptet wird – eine Kennzeichnung, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in ganz Europa wissen, zu welchen Bedingungen das Fleisch produziert worden ist, das ich kaufe, und was die ethischen Rahmenbedingungen für die Tierhaltung waren –, und wenn das so schwer durchzusetzen ist – was mich immer wundert, ich führe diese Verhandlungen nicht, weil es Sache des Bundes ist –, warum versucht die Bundesregierung nicht, das jetzt, wo sie ein 500-Milliarden-Euro-Programm verhandelt und in einer sehr starken Verhandlungsposition ist, kurzfristig mitzuverhandeln?

Ich bin der Meinung, die Bürgerinnen und Bürger in Europa teilen die Auffassung der Landesregierung, dass ethische Haltungsbedingungen für Tiere auf unserem Kontinent eine Selbstverständlichkeit sein sollten. Europa ist eine Wertegemeinschaft. Es darf nicht nur um Geld gehen, sondern es muss auch um diese Kernfragen gehen.

Deswegen will ich an dieser Stelle meinen Appell an die Bundesregierung richten: Nutzen Sie die starke Verhandlungsposition jetzt in Europa, und lösen Sie diese Frage mit. Die Landwirtinnen und Landwirte brauchen das. Die Gesellschaft erwartet das. Das wäre ein Beitrag, Wertschätzung nicht nur in Worte zu fassen, sondern auch mit konkreten Taten zu folgen.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Abgeordneter Weber für die Fraktion der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Gies, ich glaube, eigentlich sind wir bei dem Thema „Landwirtschaft“ konform, dass die Landwirtschaft Unterstützung und unseren politischen Rückhalt in der Diskussion braucht.

(Beifall bei der CDU)

Dazu gehört aber auch, dass wir nicht weiterhin die Rezepte der Vergangenheit anwenden, sondern uns vielleicht auch neue Wege und neue Rezepte überlegen, wie wir den Landwirten helfen können.

Wenn Sie als ehemaliger Mitarbeiter gerade die landwirtschaftliche Alterskasse erwähnen, die der Bund immens bezuschusst und in der Landwirte zwangsversichert sind, und wenn ich nach über 40 Jahren Beitragszahlung einen Rentenanspruch von 500 Euro erwirtschaftet habe, Herr Gies, dann ist das für die Zukunft und die Junglandwirte, die heute am Start stehen, keine Altersabsicherung, die für ihre Zukunft altersgerecht und modern ist. Dann nützen mir auch die Bundeszuschüsse nichts.

Wir müssen über neue transparente Wege diskutieren und politische Entscheidungen treffen, wie wir aus dieser Alterskassendilemma-Problematik herauskommen.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte CDU-Fraktion, Sie können sich gern über diese politische Debatte lustig machen. Sie können gern Witze über die FDP-Fraktion und den landwirtschaftspolitischen Sprecher machen. Aber wir werden als FDP-Fraktion so lange das Thema „Landwirtschaft“ im rheinland-pfälzischen Landtag auf die Tagesordnung setzen, bis zum Beispiel das Dilemma behoben ist, dass im Westerwaldkreis über 50 % der Agrarzahlungen abzutreten sind und überhaupt nicht mehr beim Landwirt auf dem Konto ankommen.

Wenn wir lesen, dass vor zwei Tagen die Agrarzahlungen von 2019 veröffentlicht worden sind und unter den ersten zehn größten Agrarzahlungsempfängern unter anderem

die Gebrüder Albrecht sind – so lange diese Großagrarier aus der Industrie diese landwirtschaftlich beanspruchten Gelder den Familienbetrieben abzwacken und sie ihnen daher nicht zur Verfügung stehen,

(Glocke des Präsidenten)

so lange werden wir als FDP-Fraktion Diskussionen führen und die Landwirte in der Regierung mit begleiten, damit diese fehlgeleitete Politik eine Änderung erfährt.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun erteile ich dem Abgeordneten Steinbach für die Fraktion der SPD das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Land- und Forstwirtschaft gehört zur DNA von Rheinland-Pfalz. Das ist für uns als SPD-Fraktion, aber auch für die gesamte Koalition selbstverständlich. Dieser Stellenwert drückt sich auch immer wieder in unseren Diskussionen und Wortbeiträgen aus.