Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Darin würde ich aber nicht wohnen wollen!)

Deshalb meine Frage: Inwieweit wollen Sie in Ihren Masterplan auch solche Entwicklungen und ihre Folgen einbinden?

Vielen Dank, Frau Thelen. In der Tat, das sind Entwicklungen, die einen schon fast überholen und in anderen Ländern zum Teil sehr, sehr weit sind. Wir werden zunächst den Fokus darauf richten, wie es bei uns in RheinlandPfalz aussieht. Deswegen sagte ich, wir wollen speziell die Bedürfnisse der rheinland-pfälzischen Unternehmen – wir sind gerade durch kleine und mittlere Unternehmen geprägt – und ihre Sorgen als Arbeitgeber, aber auch die Sorgen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer berücksichtigen.

Das heißt, wir werden in der ersten Stufe des Dialogprozesses auf den Themenkonferenzen mit den Menschen über ihre Bedürfnisse sprechen und in den Workshops ganz konkret auf die Fragestellungen in Rheinland-Pfalz abzielen. Das wird die erste Stufe sein, die dann in den Masterplan mit den Partnerinnen und Partnern einfließen wird. Natürlich wird man aber auch über den Tellerrand

hinaus blicken und schauen, was noch an Entwicklungen auf uns zukommen kann.

Unser prioritäres Ziel ist aber zu schauen, dass wir für die Bedürfnisse und Bedarfe in Rheinland-Pfalz – sowohl auf Unternehmens- als auch auf Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerseite –, Antworten finden, wie wir unseren Wandel gestalten wollen. Das ist zunächst die erste Priorität für uns in Rheinland-Pfalz.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Lerch.

Frau Ministerin, Sie haben auf der Auftaktveranstaltung und auch heute deutlich gemacht, dass der Masterplan, den Sie aufzustellen beabsichtigen, eine Querschnittsaufgabe ist. Sie nannten unter anderem das Bildungsministerium und den Aspekt der Weiterbildung. Das heißt, wir hätten mehrere Ministerien, die damit beschäftigt sind. Das Wirtschaftsministerium klammere ich aus; das ist ein Sonderfall. Ich möchte mich mehr auf den Bereich der Bildung fokussieren. Was schwebt Ihnen hierzu konkret vor? Wie soll die Zusammenarbeit mit den Kollegen Hubig und Wolf aussehen bzw. welche Intentionen verfolgen Sie mit der Querschnittsaufgabe?

Vielen Dank, Frau Lerch. Das ist ganz wichtig zu erwähnen. Wir als Arbeitsministerium und ich als Arbeitsministerin haben die Federführung in diesem Dialogprozess. Natürlich ist es mir ein großes Anliegen, die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Unternehmen zu vertreten. Den Prozess der Digitalisierung, den Masterplan „Zukunft der Arbeit“ können wir aber gar nicht auf ein Ressort alleine zugeschnitten bearbeiten. Deswegen sind wir schon im Vorfeld auf die Kolleginnen und Kollegen der anderen Ressorts zugegangen – es ist im Übrigen ein Masterplan der Landesregierung; als solcher ist er im Koalitionsvertrag verankert – und mit ihnen im Gespräch. Sie sind Teil der interministeriellen Arbeitsgruppe, die schon die Auftaktveranstaltung vorbereitet hat, und gemeinsam mit ihnen haben wir auch über die Konzeptionen der Themenkonferenzen gesprochen.

Zum Beispiel wird das Thema „Bildung und Weiterbildung“ eines der Schwerpunktthemen einer Themenkonferenz sein. Es wird insgesamt vier dieser Konferenzen im ganzen Land geben, und eine Themenkonferenz werden wir ausschließlich zum Thema „Bildung und Weiterbildung“ veranstalten. Dies wird voraussichtlich Ende August die Regionalkonferenz in Neuwied sein. Daran schließen sich Workshops an, um das noch einmal zu konkretisieren. Auch hier gibt es die Möglichkeit – gerade für die Menschen aus der Bildungsszene, die Lehrerinnen und Lehrer, aber auch darüber hinausgehend –, sich an dem Prozess zu beteiligen. Wir haben das bei der Auftaktveranstaltung schon gemerkt. Im Anschluss kamen gerade Lehrer auf uns zu und sagten, sie seien sehr daran interessiert.

Gemeinsam mit dem Bildungs- und Wissenschaftsministerium bin ich sehr zuversichtlich, dass wir gerade diesem Aspekt genügend Berücksichtigung schenken, weil es ein ganz zentraler Fokus sein wird.

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Böhme.

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie hatten gesagt, dass Sie mit den Menschen der Bevölkerung und auch den Unternehmen ins Gespräch kommen möchten. Nun ist es so, dass aus den ökonomischen und Wirtschaftswissenschaften Thesen kommen, die sagen, dass durch die Digitalisierung in den nächsten zehn Jahren 50 % der momentan bestehenden Arbeitsplätze wegfallen werden. Das wäre wirklich eine dramatische Veränderung, die natürlich auch von der Politik mit betrachtet werden müsste.

Inwieweit werden Sie diese Themen mit in Ihr Projekt einbeziehen, verifizieren oder mit diesen Wissenschaftlern in Kontakt treten?

Vielen Dank, dass Sie diesen Aspekt noch einmal ansprechen, Herr Abgeordneter. Das Thema Arbeitsplatzverlust oder die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust ist in der Tat ein Thema, das ganz viele Menschen in diesem Zusammenhang mit umtreibt.

Ich habe es gerade eben gesagt, ich will diese Ängste nicht schüren, aber ich will sie auch nicht unter den Teppich kehren. Sie sind da, und wir wollen sie aufnehmen.

Zu dieser Debatte gehört aber auch dazu, dass es Studien oder Erhebungen – so will ich sie lieber nennen – gibt, die besagen, es gibt die Befürchtung, dass 50 % der Arbeitsplätze wegfallen. Andere reden von 15 %. Dann gibt es wiederum andere – das war jetzt bei der Firma Bosch ganz deutlich –, die sagen, es wird eine Steigerung der Zahl der Arbeitsplätze geben.

Das heißt, es ist wirklich ganz unterschiedlich, wie die Situationen wahrgenommen werden. Für mich ist es wichtig, dass wir uns anschauen, welche Branchen und Tätigkeiten betroffen sind, und dann als Politik und gemeinsam mit den Partnerinnen und Partnern erst einmal die Maßnahmen in Angriff nehmen, um beispielsweise weiter zu qualifizieren und Tätigkeiten weiter für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Es ist wichtig, dass wir uns nicht einfach von diesen Angaben, dass es Arbeitsplatzverluste gibt, erschlagen lassen, sondern erst einmal versuchen, alles zu unternehmen, um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die künftigen Tätigkeiten fit zu machen.

Dann, in einem zweiten Schritt, wenn es dennoch zu Veränderungen, die es in der Arbeitswelt und den Tätigkeitsprofilen geben wird, kommt, bei denen wir Menschen nicht über die Qualifizierung mitnehmen können, ist es wichtig,

dass wir uns gemeinsam hinsetzen und sagen, was wir diesen Menschen noch anbieten können. Wir dürfen sie nicht allein stehen lassen. Auch das ist unsere Verantwortung in diesem Prozess. Auch das ist eine Verantwortung, der wir uns als Politik stellen, aber auch gemeinsam mit der Wirtschaft, den Gewerkschaften und unseren Partnerinnen und Partnern.

Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Thelen.

Sehr geehrte Frau Ministerin, die Unternehmen in Rheinland-Pfalz sind sehr stark exportorientiert. Die Digitalisierung findet weltweit statt. Die Auswirkungen auf die Beschäftigten hängen entscheidend von den unternehmerischen Entscheidungen ab.

Wie glauben Sie, Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen geltend machen zu können? Wie und über welche Wege wollen Sie auch die Wirtschaft in diesen Prozess eng einbinden?

Vielen Dank, Frau Thelen. Das ist in der Tat ein ganz wichtiger Aspekt. Deswegen sind wir froh, dass wir in RheinlandPfalz schon so gute Strukturen vorfinden und über den Ovalen Tischen der Ministerpräsidentin mit der Wirtschaft, der LVU und den Kammern einen sehr guten Austausch und eine sehr konstruktive Zusammenarbeit haben.

Ich sagte es eben, wir können als Politik gar nicht alles gestalten, sondern wir brauchen die Partnerinnen und Partner. Wir brauchen eine gemeinsame Verantwortung. Wenn wir mit dem Präsidenten der LVU, Herrn Braun, sprechen – er war auch bei unser Auftaktveranstaltung zugegen –, dann sehen sie es auch als eine ihrer ganz großen Aufgaben, ihre Unternehmen, ob das die kleineren oder die größeren, in der Industrie oder im Handwerk sind, dafür zu sensibilisieren, dass sie sich der Digitalisierung stellen müssen und nicht die Augen davor verschließen können. Das wird nicht funktionieren. Wir wollen ihnen dabei behilflich sein, sowohl die LVU als auch wir als Politik und gemeinsam mit den anderen Partnerinnen und Partnern, diesen Weg zu gehen.

Es sind gerade die kleineren, die zwar exportorientiert sind, aber oftmals die Ressourcen gar nicht haben, um sich zur Digitalisierung so aufzustellen wie beispielsweise ein großes Unternehmen. Dort gilt es, konkrete Hilfestellungen zu geben. Das werden wir in der Verantwortung aufteilen, wer dann dort vor Ort ist. Dabei spielen die LVU und sicherlich auch die Kammern eine wichtige Rolle, wie auch diese kleinen Unternehmen bzw. Betriebe sich für die Digitalisierung fit machen können und den digitalen Wandel gestalten können, ohne abgehängt zu werden. Das wäre sonst die große Gefahr. Deswegen sitzen wir zusammen. Deswegen haben wir gesagt, wir wollen gemeinsam diesen Masterplan erarbeiten und gestalten und sehen es als unsere gemeinsame Verantwortung an.

Es liegen noch zwei Zusatzfragen vor. Danach betrachte ich die Anfrage als beantwortet. Zunächst Frau Dr. Machalet.

Vielen Dank, Herr Präsident. Frau Ministerin, die Vergangenheit hat gezeigt, Wandlungsprozesse in Unternehmen sind dann erfolgreich, wenn die Belegschaft mitgenommen wird und Betriebsräte eingebunden sind. Wie bewerten Sie in diesem Prozess die Rolle der betrieblichen Mitbestimmung?

Vielen Dank, Frau Machalet. Das Thema der betrieblichen Mitbestimmung ist eines der zentralen Themen, denen wir uns in dem Masterplanprozess stellen wollen. Auch diese wird unter den Auswirkungen der Digitalisierung, des digitalen Wandels, zu erheblichen Veränderungen führen.

Wir haben allein durch die veränderten und flexibilisierten Arbeitszeiten und Arbeitsorte, die der digitale Wandel mit sich bringt, Auswirkungen auf die Mitbestimmung. Wir haben durch die neuen Beschäftigungsformen – denken Sie nur an Crowdworking und Clickworker – ganz andere Situationen, die derzeit von unserer Mitbestimmung, vom Betriebsverfassungsgesetz, überhaupt nicht abgedeckt werden. Wenn sich aber die Zusammensetzung, die Mitarbeiterschaft, die Belegschaft ändert, wenn sich der Betrieb in der Zusammensetzung ändert, ist es erforderlich, dass wir unsere Rahmenbedingungen, unsere Schutzbedingungen, aber auch die Bedingungen der Mitbestimmung entsprechend anpassen.

Deswegen werden wir eine Themenkonferenz ganz ausschließlich zu dem Thema Mitbestimmung, aber auch, und das ist mir ein wichtiger Punkt, des Beschäftigtendatenschutzes organisieren, um das ganz gezielt in den Fokus zu nehmen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr wichtig! Gut so!)

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Köbler.

Frau Ministerin, die Digitalisierung der Arbeit wird auch auf den Themenbereich Arbeitszeit massive Auswirkungen haben, zum einen die Chance der individualisierbaren Arbeitszeitgestaltung, Stichwort „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, aber auf der anderen Seite natürlich auch die Risiken der dauerhaften Verfügbarkeit und das Ende des Feierabends. Welche Rolle wird das Thema „Arbeitszeit, Zeitpolitik“ in dem Masterplanprozess „Zukunft der Arbeit“ spielen?

Danke, Herr Köbler. Das ist eine ganz zentrale Frage, die Flexibilisierung von Arbeitszeit, aber auch die Flexibilisierung des Arbeitsortes. Das ist ein Beispiel, an dem die Chancen und Risiken der Digitalisierung, des digitalen Wandels, ganz deutlich werden, und zwar allein an diesem Themenfeld. Die Chancen sind sicherlich darin zu sehen, dass für den Arbeitnehmer flexiblere Arbeitszeiten, mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Work-LifeBalance möglich sind und es Chancen für den Arbeitgeber gibt, attraktivere Arbeitsplätze zu bieten. Auf der anderen Seite sehen wir auch die Risiken von Entgrenzung der Arbeit.

Für mich ist ganz klar, bei aller Flexibilisierung und Digitalisierung: Es braucht noch Grenzen. Es kann keine grenzenlose Entgrenzung geben. Es kann kein everywhere und anywhere geben, sondern es braucht auch bei der Digitalisierung Ruhezeiten. Es braucht Zeiten der Erholung. Das wird von daher ein ganz wichtiger Aspekt werden, den wir gemeinsam diskutieren werden.

Es gibt sicherlich völlig unterschiedliche Ansatzpunkte zwischen den Beteiligten, aber wir werden in diesen Diskussionsprozess gehen. Wenn wir den Wandel gestalten wollen, wird es unsere Aufgabe sein, hier eine Lösung zu finden, die allen Beteiligten, den Arbeitnehmern wie auch den Arbeitgebern, gerecht wird.

Vielen Dank. Damit ist die erste Mündliche Anfrage beantwortet.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Hildegardisschule Bingen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Matthias Lammert und Adolf Kessel (CDU), Kriminalitätsanstieg bei Zuwanderern – Nummer 2 der Drucksache 17/2918 – betreffend, auf.

Wer trägt vor? – Herr Lammert, bitte.

Herr Präsident, vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie hoch ist der Anteil der Zuwanderer (nach Defini- tion der PKS) an der rheinland-pfälzischen Gesamtbevölkerung (Stand 31. Dezember 2016, absolut wie auch prozentual), aufgegliedert nach: – insgesamt, – afghanischer Herkunft, – georgischer Herkunft, – tunesischer, algerischer und marokkanischer Her

albanischer, serbischer, mazedonischer, bosnien

herzegowinischer und kosovarischer Herkunft,

somalischer Herkunft, – syrischer Herkunft?

2. Wie viele der zum 31. Dezember 2016 in RheinlandPfalz lebenden Zuwanderer, die wegen einer Straftat zu einer Strafe i. S. v. § 54 AufenthG (Auswei- sungsinteresse) verurteilt wurden, wurden nach ihrer Verurteilung abgeschoben bzw. haben ihren Aufenthaltsstatus verloren (bitte aufschlüsseln nach den in Frage 1 aufgeführten Nationalitäten)?

3. Falls der Landesregierung hierzu keine Zahlen vorliegen: Trifft es zu, dass die rheinland-pfälzischen Ausländerbehörden somit keine Kenntnis davon haben, wie viele Zuwanderer in Rheinland-Pfalz leben, straffällig geworden sind bzw. bei wie vielen in RheinlandPfalz lebenden straffällig gewordenen Zuwanderern ein Ausweisungsinteresse besteht?