Protokoll der Sitzung vom 23.05.2018

Das heißt, die ganzen Unternehmensjuristen in den Rechtsabteilungen waren mit dieser Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht mehr anwaltszulassungstauglich und damit auch aus der Altersversorgung in den berufsständischen Werken nicht mehr versicherbar. Das Bundessozialgericht war ganz hart und hat nur Bestandsschutz gewährt für die, die ihn sozusagen schon hatten. Die Anwälte hätten diesen Bestandsschutz verloren, wenn sie beruflich irgendetwas geändert hätten, sei es den Arbeitgeber oder die Tätigkeit innerhalb des Unternehmens.

Das führte natürlich bei den Betroffenen und weit darüber hinaus zu einer großen Verunsicherung, zumal die Entscheidung des Bundessozialgerichts Zweifel daran aufkommen ließ, ob nicht auch juristische Angestellte in Rechtsanwaltskanzleien künftig um die Mitgliedschaft in einem anwaltlichen Versorgungswerk fürchten müssten; denn hinsichtlich der ausgeübten Tätigkeit und der vermeintlichen Weisungsgebundenheit – darauf hatte das Bundessozialgericht abgestellt – macht es praktisch keinen Unterschied, ob ich angestellter Jurist in einer Rechtsabteilung bin oder in einer Anwaltskanzlei.

Die Folge dieser erheblichen Rechtsunsicherheit war, dass die Flexibilität auf dem juristischen Arbeitsmarkt massiv beeinträchtigt war. Unternehmensjuristen wollten aus Sorge um den Verlust des Bestandsschutzes bei der Altersversorgung im Versorgungswerk einen Arbeitsplatzwechsel vermeiden, und Anwälte und junge Juristinnen und Juristen scheuten den Wechsel in die Wirtschaft ganz.

Zugleich – das ist für uns als CDU auch ein ganz wichtiger Aspekt – hätte diese Rechtsprechung des Bundessozialgerichts möglicherweise zu einer Schwächung der Rechtsanwaltsversorgungswerke geführt, denen ein Potenzial von Mitgliedern vorenthalten worden wäre.

Die CDU steht aber ganz klar dazu, dass Anwälte als Organe der Rechtspflege und zur Sicherung ihrer Unabhängigkeit verpflichtet sind, durch Mitgliedschaft in berufsständisch verantworteten Versorgungswerken angemessene Altersvorsorge zu betreiben. Eine Stärkung der Versorgungswerke bedeutet für uns zugleich eine Stärkung der unabhängigen Anwaltschaft.

(Beifall der CDU)

Das ist ein Wert, der nicht durch einige der aktuellen Aufreger über die Anwaltschaft bei uns in Deutschland bezweifelt werden sollte, sondern zum Beispiel durch einen Blick auf die Türkei jedem klar werden dürfte. Unabhängige Anwaltschaft ist ein ganz hohes Gut.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es gut, dass jetzt durch Bundesgesetz klar geregelt ist, dass auch angestellte Anwältinnen und Anwälte

und vor allem auch Syndikusanwälte vollwertige Mitglieder der Anwaltschaft sind. Also ist es auch richtig, wenn sie in die Altersversorgung kommen können.

Jetzt zieht sich der Bogen zusammen, gerade angestellte Anwälte und Syndikusanwälte sind, natürlich anders als der, der dem Leitbild von 1985 dem Versorgungswerkgesetz zugrunde lag und mehr der Einzelanwalt war, der nie seinen Heimatmarkt verlassen hat, viel mobiler. Sie wechseln auch einmal ihren Arbeitsplatz viel häufiger als der Einzelanwalt. Sie hatten nicht die Chance, sich bei einem Wechsel über die Versorgungswerkgrenze hinweg weiter in einem Versorgungswerk zu versichern, nur weil sie älter als 45 Jahre waren. Das war ein erhebliches Hemmnis.

Das soll jetzt mit diesem Gesetz abgebaut werden. Deswegen sind wir dafür; denn es entspricht den Freizügigkeitsrechten der Anwältinnen und Anwälte und liegt im Interesse der Gesamtwirtschaft und damit unserer Gesellschaft, dass solche Wechsel auch von Personen über 45 Jahre nicht behindert und die Flexibilität des Arbeitsmarktes gefördert wird.

(Glocke des Präsidenten)

Die Aufhebung der Altersgrenze liegt somit auf der Linie der von uns unterstützten bundesgesetzlichen Regelung zur Förderung der Rechtssicherheit, zur Vermeidung von Verunsicherungen in der Anwaltschaft und zum Abbau nicht gerechtfertigter Altersdifferenzierung und zur Stärkung der Versorgungswerke. Wir werden den Entwurf daher sehr positiv begleiten.

(Beifall der CDU und bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun hat Herr Abgeordneter Sippel für die Fraktion der SPD das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank für diese ausführliche Begründung und die Herleitung aus der Historie, Herr Kollege Dr. Martin. Das macht es mir etwas einfacher, ich kann mich kürzer fassen.

Die Einrichtung einer berufsständischen Altersversorgung der Rechtsanwaltschaft in Rheinland-Pfalz geht zurück auf das Rechtsanwaltsversorgungsgesetz aus dem Jahr 1985. Das ist jetzt 33 Jahre her. Man kann feststellen, das Versorgungswerk der Rechtsanwaltskammern hat sich etabliert, bewährt und ist absolut leistungsfähig.

Mit der Änderung geht es nun darum, das Gesetz an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen.

Im Mittelpunkt steht die Aufhebung der Höchstaltersgrenze für die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk. Dies war eine Regelung, die insbesondere für die Anwältinnen und Anwälte von Nachteil war, die infolge

eines Ortswechsels nach Rheinland-Pfalz oder der Verlegung des Kanzleisitzes nach Rheinland-Pfalz zwar Mitglied einer rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammer werden konnten, aber nicht Pflichtmitglied des Versorgungswerks. Dies war insoweit von Nachteil, als Versicherungsbiografien nicht fortgesetzt werden konnten.

Mit der Aufhebung der Höchstaltersgrenze wird diese Benachteiligung älterer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte abgebaut und dadurch auch die Bereitschaft zur Mobilität und zur Flexibilität gefördert. Außerdem – das ist auch ein wichtiger Punkt – erreichen wir dadurch eine Rechtsangleichung für die Anwaltschaft. Herr Dr. Martin, Sie haben es ausgeführt, das war auch Ziel der Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte auf Bundesebene. Die Länder wurden im SGB VI ermächtigt, Landesregelungen für die Aufhebung der Altersgrenze zu treffen. Davon machen wir Gebrauch, wie andere Bundesländer im Übrigen auch. Viele sind derzeit auf diesem Weg, und Rheinland-Pfalz ist mit vorne dabei und befindet sich insoweit auch absolut in der Zeit. Wir werden diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Danke schön.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun hat Herr Abgeordneter Friedmann von der Fraktion der AfD das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir befassen uns heute mit dem Dritten Landesgesetz zur Änderung des Rechtsanwaltsversorgungsgesetzes. Ich möchte zunächst einige Ausführungen machen zum Versorgungswerk der rheinland-pfälzischen Rechtsanwälte.

Ein solches Versorgungswerk besteht in Rheinland-Pfalz seit 1985 mit Sitz in Koblenz. Die Rechtsanwaltsversorgungswerke wurden gegründet mit dem Ziel, die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Alter abzusichern und somit die Beschäftigung bis in das hohe Alter aufgrund wirtschaftlicher Not zu verhindern.

Die Leistungen des Versorgungswerks bilden jedoch lediglich eine Basis, die durch eine private Altersvorsorge erheblich ausgebaut werden muss. Darüber müssen die jungen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ausreichend informiert werden, damit es nach 35 Jahren Zugehörigkeit zum Versorgungswerk kein böses Erwachen gibt. So viel zur grundsätzlichen Problematik über das Versorgungswerk, das den Versicherten nicht in finanzieller Sicherheit wiegen darf.

Weiterhin sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Niedrigzinsphase eine erhebliche finanzielle Belastung für die Versorgungswerke darstellt. Die andauernde Nullzinspolitik ist Gift für die Versorgungswerke, die sich im offenen Deckungsplanverfahren finanzieren. Einschnitte auf der Leistungsseite werden so dank der verantwortungslosen

Finanzpolitik der Europäischen Zentralbank immer wahrscheinlicher.

(Beifall der AfD)

Das Änderungsgesetz will nun die Höchstaltersstufe von 45 Jahren abschaffen. Mit dieser starren Grenze ging zugleich eine Benachteiligung älterer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte einher. Diese Benachteiligung war durch hinreichend sachliche Gründe gerechtfertigt.

Der Gedanke war, das erst seit Kurzem bestehende Versorgungswerk finanziell auf gesunde Beine zu stellen, sodass von den Mitgliedern bis zum Erhalt von Leistungen erst über einen längeren Zeitraum Einzahlungen vorgenommen werden, um einen sicheren finanziellen Grundstock zu errichten. Ob die sachlichen Gründe nach über 30 Jahren nach Gründung des Versorgungswerkes noch bestehen, ist fraglich. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat eine Klage eines 60-jährigen Notars, der Mitglied im Versorgungswerk werden wollte, mit Urteil vom 13. März 2013 als unbegründet abgewiesen, da der Kläger durch die Bescheide und Widerspruchsbescheide nicht in seinen Rechten verletzt würde. Das Gericht stellte fest, dass eine Verletzung höherrangigen Rechts, namentlich des Grundgesetzes und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, nicht vorliege.

In der Folgezeit entwickelten sich die Versorgungswerke sehr gut, sodass sich deren Errichtung als eine Erfolgsgeschichte beschreiben lässt. So beträgt das Vermögen des Versorgungswerks 850 Millionen Euro, was zugleich eine rechtliche Kapitalmasse darstellt.

In der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass aus versicherungsmathematischer Sicht nichts gegen eine Streichung der Höchstaltersgrenze spricht. Unabhängig davon stellt sich die Altersgrenze auch in juristischer Hinsicht problematisch dar, weil hier eine altersdiskriminierende Ausschlussregelung vorliegt, die eine Begünstigung darstellt und nur für Angehörige bestimmter Altersjahrgänge einen Zugang gewährt und es den Betroffenen von dieser Altersklausel in unangemessener Weise erschwert bzw. unmöglich macht, an den Leistungen des Versorgungswerkes teilzuhaben.

Diesen Gedanken hat das Versorgungswerk selbst erkannt und diese Gesetzesänderung vorgeschlagen. Manche Bundesländer, unter anderem Hessen und Nordrhein-Westfalen, haben die Altersgrenze schon aufgehoben. Manche Bundesländer wie beispielsweise BadenWürttemberg wollen demnächst die Altersgrenze abschaffen. Dies sind Anzeichen dafür, dass hier Handlungsbedarf besteht.

Es macht allerdings wenig Sinn, wenn nur einzelne Bundesländer die Altersgrenze beseitigen, jedoch andere Bundesländer die Regelung beibehalten. Das System wird nur gerecht sein, wenn alle Bundesländer ihre Gesetze in diesem Bereich ändern.

Den Wunsch zur Gesetzesänderung können wir aus rechtlicher und tatsächlicher Sicht nur unterstützen und werden nach heutigem Stand einer Gesetzesänderung zustimmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der AfD)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Roth von der Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann es wesentlich kürzer machen als meine Vorredner.

(Beifall bei FDP und SPD – Zurufe von der SPD: Sehr gut!)

Es ist vieles Richtige hierzu gesagt worden. Eine Novellierung des Gesetzes in seiner jetzt vorliegenden Form halten wir für sinnvoll und für absolut notwendig. Ich freue mich schon jetzt auf lange Diskussionen im Ausschuss und freue mich auf einen schönen Abend. Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schellhammer von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute über das Landesgesetz zur Änderung des Rechtsanwaltsversorgungsgesetzes. Als fünfte Rednerin in dieser Runde darf ich feststellen, dass im Grunde Einigkeit besteht, dass die Aufhebung der Altersgrenze zielführend ist und wir damit einer Anregung des Bundesgesetzgebers und der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen nachkommen und ausdrücklich auf Wunsch des Versorgungswerkes handeln. Diesem Wunsch schließt sich auch die Fraktion der Grünen an. Ich kann jetzt schon ankündigen, dass wir auch in der zweiten Lesung dem Gesetz zustimmen werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Somit schließe ich die Beratung des Gesetzentwurfs in erster Lesung und schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Rechtsausschuss zur vertieften Beratung zu überweisen. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe nun Punkt 6 der Tagesordnung auf: