Protokoll der Sitzung vom 24.05.2018

Dazu hätte neben den rein materiellen Aspekten vor allem auch der rechtzeitige Zuspruch und die Empathie der politisch Verantwortlichen für die Betroffenen gehört. Hinterbliebene der Opfer haben sich in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin über die Reaktion des Staates beklagt und ihr Untätigkeit und Versagen vorgeworfen. Wenn es also um Opferhilfe in solch schwierigsten Situationen geht, darf es nicht nur um Geld und die organisatorische Abwicklung allein gehen, sondern es muss auch um menschliche Nähe, das Zuhören, das Verständnis, Trost und das persönliche Kümmern gehen.

Unser Ministerpräsident a. D. Kurt Beck hat als Opferbeauftragter der Bundesregierung mit großen Engagement und auch mit dieser Menschlichkeit segensreich gewirkt und viel Vertrauen in unseren Rechtsstaat zurückgewonnen. Er hat darüber hinaus wichtige Schlussfolgerungen in seinem Abschlussbericht aufgezeigt, die im Zusammenhang mit Ihrem Antrag von Bedeutung sind.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Genau!)

Er hat die dauerhafte Einrichtung eines Opferbeauftragten auf Bundesebene, möglichst auch in Verzahnung mit ähnlichen Stellen der Länder angeregt. Die Landesregierung hat diese Anregung nach einem Gespräch der Ministerpräsidentin mit Kurt Beck aufgenommen und lotet derzeit auch die Umsetzungsmöglichkeiten in einer interministeriellen Arbeitsgruppe aus.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Wann habt Ihr das Gespräch geführt? Als der Antrag da war? – Staatsminister Roger Lewentz: Vor sechs Wochen!)

Ihr Antrag geht in diese Richtung. Herr Baldauf, um eines auch vorweg zu sagen, wir wollen gern beantragen, dass wir diesen Antrag an den Ausschuss überweisen, um mit Ihnen das Für und Wider offen und in aller Sachlichkeit zu diskutieren. Was uns allerdings – auch das sage ich ganz klar – im Antrag fehlt, ist eine differenziertere Betrachtung dessen, was in Rheinland-Pfalz bereits gut läuft. Es ist ein bisschen dünn, im Antrag nur zu erwähnen, dass der WEISSE RING eine löbliche Arbeit macht, ansonsten aber nicht klar abzugrenzen, was aus Ihrer Sicht der Staat besser machen könnte und warum der Staat es besser machen könnte.

Der Opferschutzbeauftragte soll nach Ihrem Antrag sehr umfassende Aufgaben im Bereich der Rechtsberatung, eine Lotsenfunktion, als erster Ansprechpartner auch bei schweren Straf- und Gewalttaten übernehmen. Er soll überörtliche und örtliche Netzwerkarbeit fördern, den Aufbau einer Hotline organisieren und vieles mehr. Das führt natürlich bei den Opferschutzinitiativen hier in Rheinland-Pfalz – wir haben zum Glück ein sehr breites Netz – zu der

berechtigten Frage, ob vieles von dem, was bisher oft auch ehrenamtlich geleistet wurde, nicht genug war, ob die Opferschutzhilfeeinrichtungen da möglicherweise versagt haben.

Deshalb – ich glaube, Sie haben auch entsprechende Reaktionen erhalten – gibt es ein Stück weit auch Verunsicherung bei den engagierten Opferhilfeeinrichtungen, dass hier möglicherweise eine Doppelstruktur aufgebaut werden soll. Ich glaube, darüber müssen wir uns im Ausschuss noch einmal sehr dezidiert unterhalten. Dort, wo der Opferschutz zivilgesellschaftlich gut organisiert ist, bedarf es aus unserer Sicht keiner parallelen Struktur des Staates.

Kurt Beck hat seinen Vorschlag auf den Umgang mit Opfern schwerster Straftaten oder ähnlicher Anschläge wie auf dem Berliner Weihnachtsmarkt, die wir hoffentlich nie mehr erleben müssen, bezogen. Er hat ausgeführt, dass bei derartigen schwersten Schadensereignissen eine koordinierende Stelle sicherlich von großem Vorteil wäre. Allerdings darf diese Stelle nicht überfrachtet werden oder bestehende gute Strukturen verdrängen. Die Bundesregierung hat mit der Berufung des Bundestagsabgeordneten Edgar Franke einen zentralen Ansprechpartner für die Anliegen der Betroffenen von terroristischen Straftaten etabliert.

(Glocke des Präsidenten)

In der Zusammenarbeit mit den Ländern sind Ansprechpartner vor Ort durchaus sinnvoll. Das will ich einräumen. Wir wollen gern mit Ihnen darüber reden, ob und in welcher Form das in Rheinland-Pfalz geschehen soll.

Danke schön.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun erteile ich Herrn Abgeordneten Friedmann von der Fraktion der AfD das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Damen und Herren! Wir sprechen heute über einen Antrag der CDU-Fraktion zu Einsetzung eines Opferschutzbeauftragten. Zunächst, es gibt in den fünf Polizeipräsidien Mainz, Koblenz, Trier, Rhein und Westpfalz Opferschutzbeauftragte bei der Polizei. Sie bieten Opfern, Zeugen und Angehörigen persönliche und telefonische Beratung an und vermitteln weitere Hilfsangebote vor Ort. Der polizeiliche Opferschutz Rheinland-Pfalz hat zweifellos seine Berechtigung und muss erhalten bleiben.

Im nichtstaatlichen Bereich gibt es noch die Organisation WEISSER RING, die sich ebenfalls um Opfer von Straftaten bemüht. Außerdem haben wir noch die Stiftung Rheinland-Pfalz für Opferschutz. Nichtsdestotrotz bedarf es laut der CDU eines im hierarchischen Sinne übergeordneten Opferschutzbeauftragten.

Wir müssen nicht gesondert auf die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln oder den Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin eingehen. Dass in diesen Fällen staatlicher Opferschutz vermisst wurde, konnte in den Medien nachgelesen werden. Auch andere Straftaten – in der Regel Verbrechen, die es nicht in die exklusive Auswahl der deutschen Medien schaffen – haben ebenfalls weitreichende Folgen für die Opfer und ihre Angehörigen. Diese sind nicht nur physischer, sondern insbesondere auch psychischer Natur. Das Gefühl, keine Unterstützung, kein offenes Ohr für die Probleme nach der Tat zu bekommen, lässt die Opfer die Tat oft ein zweites Mal erleben.

Die beschriebenen Ursachen liegen aber im System begründet. Die Staatsanwälte und Richter legen ihren Fokus auf den Täter. Bereits in der juristischen Ausbildung im Fall Strafrecht lautet die Frage: Wie haben sich die Beteiligten nach dem Strafgesetzbuch strafbar gemacht? – Es ist ausschließlich die Strafbarkeit der möglichen Täter zu prüfen. Das Opfer findet im Sachverhalt nur insoweit Erwähnung, wie dies aus Sicht des Richters bzw. Staatsanwalts von Bedeutung ist. Die erschreckenden Einzelheiten der Tat werden nach Bedarf in ihrer Breite beschrieben, um die Bearbeitung einzelner Probleme zu gewährleisten.

Darüber hinaus – mit der Ausnahme im Bearbeitungsvermerk, dass die eventuell erforderlichen Strafanträge gestellt wurden – hat das Opfer weder im Sachverhalt noch in der strafrechtlichen Ausbildung eine Bedeutung.

Eine bedenkliche Entwicklung ist seit einigen Jahren – möglicherweise inzwischen Jahrzehnten – in der Jugendsprache zu beobachten. Dort wird die Bezeichnung „Du Opfer“ für Personen verwendet, die erheblich abgewertet werden sollen. Das Opfer wird mit Schwäche, Passivität und Versagen assoziiert. Es verwundert nicht, dass ein solcher Begriff mit dieser Intention Eingang in eine Sprache gefunden hat, die Schwäche nicht duldet.

Wir werden diesen Blickwinkel nicht innerhalb kürzester Zeit ändern können. Wir können aber mit der Schaffung eines Opferschutzbeauftragten einen Schritt in die richtige Richtung tun, um das Opfer mehr in den Mittelpunkt des Strafverfahrens zu rücken. Hier gilt es, bereits im Vorfeld des Ermittlungsverfahrens Hilfe anzubieten und das Opfer durch das Zwischen-, Haupt- und möglicherweise Rechtsmittelverfahren und darüber hinaus zu begleiten.

Es ist grundsätzlich begrüßenswert, dass mit dem vorliegenden Antrag der Opferschutz mehr Gewicht und Aufmerksamkeit bekommen soll. Aus eigener beruflicher Erfahrung als Polizist kann ich die Wichtigkeit dieser Thematik nur unterstreichen. Es ist leider traurige Realität, dass in vielen Fällen die Täter besser versorgt werden als die Opfer, denen es vielfach an Anlaufstellen und auch der Koordination dorthin fehlt, an denen sie effektive Hilfe bekommen können.

Der Antrag der CDU ist in seiner vorliegenden Form jedoch leider unausgereift und oberflächlich. Gut gedacht, aber schlecht gemacht! Er bleibt in der konkreten Ausgestaltung blass. Hier wäre es zum Beispiel eine mutige Initiative, die Landesregierung unter Federführung von Staatsminister Mertin aufzufordern, sich dafür einzusetzen, dass zum Beispiel auch Opfer von Straftaten im Zuge einer Gleichbe

handlung konkrete juristische und finanzielle Hilfe gestellt bekommen, so wie die Täter einen Pflichtverteidiger auf Staatskosten zur Seite gestellt bekommen.

Kurzum, in der hier vorliegenden Form ist der Antrag inhaltlich zu oberflächlich, aber grundsätzlich begrüßenswert. Es fehlt die Stellenbeschreibung, Finanzierung und noch einiges mehr. Herr Sippel hat dazu noch einiges gesagt. Für jede sinnvolle Sachdiskussion, die zur Verbesserung der Situation für die Opfer von Straftaten beiträgt, stehen wir gern zur Verfügung. In der jetzigen Form sollte der Antrag nicht ins Schaufenster dieses Plenums gestellt werden. Wir plädieren daher für eine Überweisung des Antrages an den Fachausschuss und diskutieren dort gern mit Ihnen die Details dieser grundsätzlich lobenswerten Initiative aus.

(Glocke des Präsidenten)

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Nun erteile ich Herrn Abgeordneten Roth von der Fraktion der FDP das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kolleginnen und Kollegen der CDU haben einen Antrag zu einem wichtigen Thema, dem Opferschutz, eingebracht, durch den ein koordinierender Beauftragter für RheinlandPfalz gefordert wird.

(Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmt den Vorsitz)

Nach dem furchtbaren Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin wurde unser ehemaliger Ministerpräsident Kurt Beck als Opferbeauftragter der Bundesregierung berufen. Seinen Abschlussbericht hat die Landesregierung zum Anlass genommen, eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Innenministeriums zum Thema Opferschutz einzusetzen.

Ich möchte aber an dieser Stelle nicht nur auf diejenigen eingehen, die Opfer von Terroranschlägen oder Gewaltverbrechen geworden sind oder werden. Jegliche Opfer bedürfen unserer Solidarität und Unterstützung.

Insbesondere in der jüngeren Vergangenheit lesen wir beispielsweise vermehrt, dass ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger Opfer von Betrügern werden. Diese Betrüger geben beispielsweise vor, Polizisten zu sein und versuchen so, Wertgegenstände zu erlangen. Allzu oft haben sie damit leider Erfolg. Teilweise werden Menschen um ihr gesamtes Erspartes oder ihre Altersvorsorge gebracht. Die Strafverfolgung gestaltet sich schwierig, da die Täter meist im Ausland sitzen.

Gerade dieses Beispiel zeigt meines Erachtens, Opferschutz ist ein Thema, das uns alle angeht und nicht nur in spektakulären Fällen relevant ist. Die Opfer fühlen sich,

nachdem sie zu solchen geworden sind, oftmals hilflos und alleingelassen. Zuspruch und Unterstützung aus dem direkten sozialen Umfeld sind vor allem in solchen Situationen unerlässlich. Jedoch bedarf es auch der objektiven Hilfe von außen, also von Menschen und Stellen, die nicht emotional involviert sind.

Wir dürfen Opfer jeglicher Form nicht alleinlassen. Gleichzeitig sollte ein eventueller Schritt zur Einsetzung eines Opferschutzbeauftragten mit Bedacht angegangen werden. Wir dürfen nicht vergessen, es gibt bereits eine Vielzahl von Opferschutzstellen in unserem Land. Diese leisten großartige Arbeit, und ihnen gebührt an dieser Stelle unser Dank und unser Respekt.

(Beifall bei FDP, SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beispielhaft seien die Stiftung Rheinland-Pfalz für Opferschutz, der WEISSE RING – Herr Kollege Sippel und auch Herr Kollege Baldauf haben ihn genannt – und die Opferschutzbeauftragten an den Polizeipräsidien in RheinlandPfalz genannt. Ich nenne diese Einrichtungen bewusst. Sie sind von polizeilichem, psychologischem und juristischem Sachverstand geprägt, und sie wissen um die Traumata der Opfer, die nach kriminellen Handlungen erlitten worden sind. Sie sind zudem nah an den Sachverhalten dran und können sich gut in Situationen der Opfer hineinfühlen.

Gleichzeitig ist jedoch zu bedenken, es handelt sich gerade bei den Opferschutzbeauftragten der Polizeipräsidien oftmals um Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die bei Kenntnis einer Straftat verpflichtet sind, Ermittlungen einzuleiten. So schreibt es § 163 der Strafprozessordnung vor.

Werte Kolleginnen und Kollegen, Sie fragen sich jetzt vermutlich, warum ich das erwähne. Ich möchte an diesem Beispiel aufzeigen, es gibt nicht nur eine Vielzahl von Stellen, bei denen Hilfe erlangt wird, sondern jede Stelle kann auch ihre Besonderheiten aufweisen. Diese Kenntnis um die Besonderheiten kann für die Hilfesuchenden durchaus relevant sein.

Vor diesem Hintergrund wäre eine koordinierende Stelle für die Opfer vielleicht tatsächlich sinnvoll. Doch, wie eingangs gesagt, sollte dieses Vorhaben mit Bedacht geprüft und angegangen werden. Daher unterstützen wir die Bemühungen der Landesregierung und eine tiefgehende Befassung mit diesem Antrag in den Ausschüssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Schellhammer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Antrag der CDU fordert diese die

Einsetzung eines Opferschutzbeauftragten für das Land Rheinland-Pfalz. Es ist gut, dass durch diese Initiative der CDU das Thema Opferschutz auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt wurde.

Aber um diesem Thema noch weitere Bedeutung zu verleihen, plädiere auch ich dafür, dass wir diesen Antrag an den federführenden Rechtsausschuss überweisen und dort eine Anhörung durchführen. Auch wenn die Grünen – das haben wir schon öffentlich gesagt – generell der Aufwertung des Opferschutzes offen gegenüberstehen, stehen dennoch in Ihrem Antrag einige Schwächen. Darauf ist in der Debatte schon eingegangen worden.

Tatsächlich lässt Ihr Antrag eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Thema Opferschutz und den Maßnahmen, die bereits in Rheinland-Pfalz existieren – und als weiterer logischer Schluss, diese besser zu koordinieren –, vermissen. Daher halte ich es für erforderlich, dass wir uns im Rahmen des Ausschusses tiefergehend mit dem Thema befassen.

Seit dem Beschluss des Landtags aus dem Jahr 2007 zu Bemühungen der Landesregierung zur Verbesserung des Opferschutzes in Rheinland-Pfalz erstellt die Landesregierung alle zwei Jahre einen Opferschutzbericht. Zuletzt haben wir im Februar 2017 über den 5. Opferschutzbericht im Plenum diskutiert. Leider finden sich keinerlei Hinweise auf die bereits existierenden Maßnahmen der Landesregierung zum Opferschutz in Ihrem Antrag. Das gehört zu einer ernsthaften Befassung mit dazu.