Protokoll der Sitzung vom 18.09.2019

und gesagt, schaut Euch an, was in Nordrhein-Westfalen

gemacht wird. – Sie haben sogar den Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen in die Ausschussanhörung eingeladen. Jetzt kritisieren Sie die Landesregierung, dass sie sich genau an diesen Regelungen aus NordrheinWestfalen orientiert. Das ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar.

Wir finden es richtig, dass diese Verpflichtung für zehn Jahre gilt, auch dann schon, wenn die Teile der Fachausbildung in den unterversorgten Gebieten gemacht werden. Deshalb werden wir diesem Gesetz in der vorgelegten Form zustimmen, auch vor dem Hintergrund der von der Landesregierung vorgelegten Ausführungsverordnung. Wir halten das für eine gute Umsetzung des Ziels einer Landarztquote, die aber, wie bereits gesagt, in einigen Jahren noch einmal auf ihre Effektivität hin überprüft werden muss.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich der Abgeordneten Dr. Groß das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Binz, man kann sich natürlich streiten, was man unter „abschreckend“ versteht. Wir hatten das Thema der Vertragsstaffelung auch im Ausschuss diskustiert. Man kann von Abschreckung in dem Sinne nicht reden. Ich hatte nach der Thematik gefragt. Wenn das Studium beendet ist, hat es etwa 250.000 Euro pro Student gekostet. Das heißt, am Ende des Studiums hat der Student eine universitäre Infrastruktur von 250.000 Euro genutzt.

Warum am Ende der Ausbildung 100.000 Euro Vertragsstrafe abschreckend sein sollen, wenn er sich eines anderen besinnt und sich überlegt, dass es gerade noch zu schultern ist, er einen anderen Weg einschlagen wird und die 100.000 Euro zusammenbekommt, dann ist das für meine Begriffe nicht realistisch. Man hat ihm dann sehr viel Infrastruktur dafür geschenkt, dass er möglicherweise seinen Vertrag nicht erfüllt.

Nachdem das dritte Staatsexamen gelaufen ist, erhöht sich im Prinzip zwei Tage später diese Vertragsstaffelung bzw. der Betrag, der zurückzuzahlen ist, auf 250.000 Euro, also das 2,5-Fache. Dafür habe ich kein Verständnis. Im Grunde genommen müsste am Ende der Nutzung der Infrastruktur in Höhe von 250.000 Euro auch diese Vertragsstrafe greifen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der AfD)

Ich erteile der Abgeordneten Katharina Binz zu Erwiderung das Wort.

Vielen Dank. – Wir haben die Diskussion im Ausschuss geführt. Am Ende der Diskussion hat auch das Ministerium gesagt, man werde sich die Zahlen in der Verordnung noch einmal anschauen. Auf diese Aussage baue ich.

Ich muss ganz ehrlich sagen, ich halte es aber nicht für sinnvoll, die Kosten des Studiums an der Stelle irgendwie gegenzurechnen; denn unabhängig davon, ob man sich verpflichtet oder nicht, das Studium ist nun einmal gebührenfrei. Ich finde, egal welches Studium man abschließt, man kann nicht im Nachhinein sagen: Na ja, jetzt macht die Person nicht das, was wir wollen. Sie hat aber Infrastruktur im Wert von soundsoviel Euro in Anspruch genommen. Das muss man in Rechnung stellen. – Für alle anderen Studierenden, egal, was sie am Ende ihres Studiums machen, gilt das auch nicht.

Ein weiterer Hinweis ist auch noch sehr wichtig. Wir bewegen uns hier nicht im luftleeren Raum. Das Bundesgesundheitsministerium hat schon vor Jahren ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um zu untersuchen, inwiefern man rechtssicher eine solche Landarztquote einführen kann. Eine sehr wichtige Frage in diesem Rechtsgutachten ist auch die nach der Vertragsstrafe. Die Gutachter haben sich auf einen Korridor festgelegt und gesagt: Na ja, man kann sich vorstellen, dass 150.000 bis 250.000 Euro als Vertragsstrafe vor Gerichten standhalten und am Ende nicht als sittenwidrig beurteilt werden.

(Vizepräsident Hans-Josef Bracht übernimmt den Vorsitz)

Man hat also nicht die freie Wahl, eine Vertragsstrafe von, was weiß ich, 1 Million Euro in die Verordnung zu schreiben, sondern auch da muss man sich an bestimmte Grenzen halten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Nächste Rednerin ist Frau Staatsministerin BätzingLichtenthäler.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach intensiver Vorbereitung und Beratung in den Ausschüssen, für die ich mich noch einmal sehr herzlich bedanken möchte, liegt uns heute der Gesetzentwurf zur Sicherung der ärztlichen Grundversorgung zur Beschlussfassung vor.

Nach dem Motto „Land schafft Arzt“ wollen wir damit den drohenden Nachbesetzungsbedarf sowohl in der hausärztlichen Versorgung als auch im öffentlichen Gesundheitsdienst konsequent bekämpfen; denn der Landesregierung und mir als Gesundheitsministerin ist es ein wichtiges Anliegen, dass die Menschen über eine stabile, funktionierende und erreichbare ärztliche Grundversorgung verfügen, und zwar auch im Sinne der Daseinsvorsorge.

Die mit dem Gesetzentwurf vorgeschlagene Landarztquote und ÖGD-Quote sind als Instrumente geeignet, um Impulse entsprechend unserem Motto „Vorausschauend. Versorgend. Vor Ort“ zu setzen; denn vorausschauend werden die Landarztquote und die ÖGD-Quote dazu beitragen, dem sich insbesondere durch Altersabgänge noch verschärfenden Nachbesetzungsbedarf entgegenzuwirken. Neben den hier auch schon erwähnten, kurzfristig wirkenden Maßnahmen, die wir als Landesregierung schon seit Jahren mit Partnerinnen und Partnern auf den Weg bringen und auch stetig weiterentwickeln, um die Niederlassung in ländlichen Regionen zu verbessern und zu erhöhen, braucht es eben gerade für eine nachhaltige, eine konsequente Sicherung der Grundversorgung vor allem mittelund langfristig wirkende Instrumente. Hierfür sind die Quoten hervorragend geeignet.

Liebe Frau Thelen, lassen Sie mich das noch einmal erläutern, weil nach Ihrer Rede der Eindruck entstehen könnte, wir hätten bei der Quote nicht unseren vollen Rahmen der Möglichkeiten ausgeschöpft. Wir haben mit den 7,6 % unsere Möglichkeiten vollumfänglich genutzt, die uns vom Staatsvertrag vorgegeben sind. Wir haben 6,3 % für die Landarztquote und 1,3 % für die ÖGD-Quote verwendet. Alles andere darüber hinaus ist schon im Wege der Vorabquoten reserviert.

Im Vergleich dazu: Nordrhein-Westfalen hat ebenfalls die 7,6 %. Bayern hat 5,8 % vorgesehen. In Sachsen-Anhalt sind es lediglich 5 %. Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir in Rheinland-Pfalz nutzen den uns zur Verfügung stehenden Regelungsrahmen vollumfänglich aus und handeln vorausschauend.

„Vorausschauend. Versorgend.“ Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der Versorgung geht eine große Verantwortung einher. Hier geht es um nicht weniger als um die Versorgung der Patienten aller Altersklassen. Dazu braucht es kompetente, breit aufgestellte Hausärzte, die als erster Vertrauter, als erster Ansprechpartner die Patientinnen und Patienten behandeln und versorgen. Darüber hinaus braucht es auch einen starken öffentlichen Gesundheitsdienst und gut aufgestellte Gesundheitsämter.

„Vorausschauend. Versorgend. Vor Ort.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Ort gilt es die Versorgung sicherzustellen; denn die Versorgung kann noch so optimal sein, aber wenn sie nicht erreichbar ist, ist sie wirkungslos. Mit der Landarztquote und mit der Quote für den öffentlichen Gesundheitsdienst stellen wir sicher, dass die Ärzte nach ihrer Weiterbildung mindestens zehn Jahre lang Patientinnen und Patienten in Regionen mit einem besonderen Versorgungsbedarf vor Ort versorgen. Dabei werden wir uns bemühen, dass wir zu Beginn der Weiterbildung auf der einen Seite den Nachbesetzungsbedarf und auf der anderen Seite die individuellen Niederlassungswünsche der Ärztinnen und Ärzte miteinander in Einklang bringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem heute zu beschließenden Gesetzentwurf haben wir die Chance, mit dazu beizutragen, die ärztliche Grundversorgung in Rheinland-Pfalz zu sichern. Mit diesem Gesetz geben wir jungen Menschen, die sich besonders für die hausärztliche Tätigkeit oder den öffentlichen Gesundheitsdienst interes

sieren, die Chance, ihrem Interesse nachzugehen, auch wenn sie nicht über ein Spitzenabitur verfügen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, daher lassen Sie uns diese Chance nutzen, und lassen Sie uns bundesweit als erstes Bundesland die ÖGD-Quote und als bundesweit zweites Bundesland die Landarztquote einführen; denn dann gilt auch in Rheinland-Pfalz: „Land schafft Arzt“.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für eine Kurzintervention auf die Ausführungen von Frau Staatsministerin Bätzing-Lichtenthäler erteile ich das Wort der Abgeordneten Hedi Thelen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie sagen, Sie wollen mit diesem Gesetz den drohenden Nachbesetzungsbedarf konsequent bekämpfen. Eben habe ich versucht deutlich zu machen, wie dramatisch die Entwicklung bei den Ärzten ist.

Frau Dr. Groß hat noch einmal die Zahlen genannt. 13 werden wir im Jahr, wenn alles glatt läuft, durch diese Landarztquote im Jahr 2031 bekommen. Für das Jahr 2030 haben wir schon die Voraussage, dass 50 % fehlen werden.

Ich habe den Eindruck, dass Sie den Menschen nicht wirklich sagen, wie sie die nächsten Jahre überstehen sollen, wenn jetzt sukzessive und das immer stärker die Ärzte aus der ambulanten Versorgung herausgehen. Diese Antwort bleiben Sie mit dem Gesetzentwurf schuldig, und Sie bleiben sie mit Ihrem gesamten Verhalten schuldig.

In diesem Gesetzentwurf hätten Sie regeln können, dass es schneller geht, wenn man bereit wäre – der Vorschlag im Ausschuss war zu sagen, okay, wir sind jetzt wegen der dramatischen Entwicklung bereit, weil wir die Ärzte früher brauchen, das muss man nicht auf ewig festlegen; in den Jahren 2024 und 2025 brauchen wir schon deutlich mehr Ärzte, die bereit sind, sich als Hausarzt zu niederlassen –, die praktische Ausbildung schon auf diese zehn Jahre anzurechnen. Das muss nicht vollumfänglich, aber vielleicht zu 50 % erfolgen.

Es geht darum, wirklich die Chance zu nutzen, die Sie mit dem Gesetz hätten, um die Leute früher in die Behandlung zu geben. Ich frage Sie: Wie wollen Sie diese Jahre überbrücken, die erforderlich sind, bis wir die Ärzte als Quotenlandärzte bekommen? Dazu gehört – das ist das, was ich gesagt habe –, dass wir grundsätzlich viel mehr Studienplätze benötigen.

Sie gehen nach unserem Resümee dieses gesamte Problem nicht an. Das wird viele Menschen bei uns in Rheinland-Pfalz sehr hart treffen, weil es nicht nur darum geht, woher ich meinen Liter Milch bekomme, sondern

es geht auch darum, ob ich überhaupt noch zu einem Arzt komme, der mich behandelt. Es wird nicht alles über die Telemedizin gehen. Sie brauchen die persönliche Vorsprache und die Untersuchung beim Arzt. Diese Antwort hätten wir gerne. Wir sehen durch dieses Gesetz bei Weitem nicht den großen Wurf, der wirklich nötig wäre.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Zur Erwiderung erteile ich das Wort Staatsministerin Bätzing-Lichtenthäler.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Thelen, ich denke, wir sollten zunächst einmal gemeinsam zur Kenntnis nehmen, dass es nicht um 13 Studierende, sondern um 26 Studierende pro Jahr geht, die über die Landarztquote studieren können. Wenn wir das auf zehn Jahre hochrechnen – mit diesem Zeitraum rechnen Sie –, geht es immerhin um 260 Studierende, die aufs Land vor Ort in die Versorgung gehen. Erstmals haben wir damit ein Steuerungsinstrument, um Versorgung auf dem Land sicherzustellen. Das ist das Wirkungsvolle der Landarztquote.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

Darüber hinaus – wir haben es Ihnen schon sehr oft in diesem Plenum erläutert, und Sie kennen die Maßnahmen, aber ich wiederhole sie gerne noch einmal – wissen Sie, dass wir viele weitere Maßnahmen haben, ob das die angesprochene finanzielle Förderung der Niederlassung ist, ob das die Entlastungsmöglichkeiten über eine Delegation auf die Versorgungsassistenten sind, ob es die Möglichkeit der Telemedizin ist oder ob es die Möglichkeit des Quereinstiegs oder des Wiedereinstiegs ist, um die stille Reserve zu heben. Es gibt also zahlreiche Möglichkeiten und Maßnahmen, die wir auf den Weg bringen. Die Landarztquote und die ÖGD-Quote sind eine dieser Möglichkeiten; eine, die mittel- und langfristig wirkt, die wir aber brauchen, um konsequent und nachhaltig die Versorgung zu sichern.

Nachdem Sie das Thema der Weiterbildungszeit noch einmal angesprochen haben, nämlich inwiefern diese Weiterbildungszeit schon auf die Verpflichtung von zehn Jahren angerechnet werden soll, stelle ich zunächst einmal fest: Das ist nicht Bestandteil des Gesetzes, sondern wir reden über die Verordnung.

Hierzu gebe ich Ihnen aber gerne auch noch einmal eine Auskunft, weil wir gerne bereit sind – das habe ich Ihnen im Ausschuss zugesagt – zu schauen, wie es uns in der Verordnung noch besser gelingen kann, dass die jungen Ärztinnen und Ärzte noch früher im Rahmen ihrer Weiterbildung in die ländlichen Regionen kommen und ihnen vielleicht auch früher schon die Regionen zugewiesen wer

den, in denen sie künftig einmal tätig sein werden, sodass sie dann durchaus schon auf dem Land vor Ort in der Versorgung tätig sind.

Diese Zeit dann aber schon auf die zehnjährige Verpflichtung anzurechnen, würde unserem ganzen mit der Landarztquote verfolgten Ansinnen und dem Ziel, eine zehnjährige Planung für die Versorgung vor Ort zu haben, vollkommen zuwiderlaufen. Deswegen sind wir bereit – wir sind dabei, dahin gehend die Verordnung zu überarbeiten –, bereits zu Beginn der Weiterbildungszeit den Studierenden zu ermöglichen, schon auf dem Land in den Regionen tätig zu sein, in denen wir einen Versorgungsbedarf haben. Diese Zeit werden wir aber nicht auf die verpflichtenden zehn Jahre anrechnen, weil wir die als Steuerungsinstrument brauchen. Das ist ein wesentlicher Hebel dieser Landarztquote.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)