Protokoll der Sitzung vom 26.05.2004

Meine Damen und Herren, für die FDP ist der Datenschutz nicht erst seit dem Volkszählungsurteil ein ganz besonderes Gut. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht etwa ein lästiges Hindernis für staatliche Ermittlungsbehörden.

(Christel Aschmoneit-Lücke)

Ich möchte Ihnen aber auch klar sagen, dass Datenschutz aus unserer Sicht nicht dazu dienen kann, Behörden oder möglicherweise der Landesregierung immer wieder eine Entschuldigung dafür zu geben, dass sei beispielsweise bestimmte Fragen, die sie nicht gerne beantworten, nicht behandeln. Das kann nicht der Zweck des Datenschutzes sein.

(Beifall bei der FDP)

Der Bericht des Unabhängigen Landeszentrums für den Datenschutz macht vor allem drei Dinge deutlich:

Erstens. Das Landeszentrum für den Datenschutz hat sich in den vergangenen Jahren von einer reinen Aufsichtsbehörde immer mehr zu einem Innovationszentrum gemausert.

Zweitens. Der Datenschutz fand dennoch zu oft wenig Beachtung in der Diskussion um die innere Sicherheit, Herr Minister.

Drittens. Der Datenschutz wird sich auch in Zukunft gegen weitere Begehrlichkeiten aus diesem Bereich der Sicherheit zu behaupten haben.

In den vergangenen Jahren hat das Unabhängige Landeszentrum für den Datenschutz eine Zahl von Modellprojekten entwickelt, die nunmehr Marktreife erfahren haben. So sind das Datenschutzaudit und das Datenschutz-Gütesiegel dem Entwicklungsstadium entwachsen und haben sich zu erfolgreichen Innovationsinstrumenten weiterentwickelt. Darüber wurde gesprochen.

Auch nach dem Ende der EU-Förderung für diese beiden Modellprojekte gehen die Zertifizierungsanträge unvermindert aus der Wirtschaft ein. Wir wünschen uns, dass insbesondere das Gütesiegel auch auf Bundesebene eingeführt werden kann. Die Voraussetzungen hierfür hat allerdings der Bundesgesetzgeber zu schaffen.

Für uns ist die Stellung des Datenschutzzentrums in seiner Funktion als Kritiker und Mahner gegenüber dem Gesetzgeber und der öffentlichen Verwaltung von größter Bedeutung. Lassen Sie mich hierzu nur einige wenige Beispiele nennen: Wir stimmen in der Bewertung der Rasterfahndung mit dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz überein. Die Rasterfahndung hat außer Spesen nichts gebracht. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hat sich auch Schleswig-Holstein an der Durchführung der bundesweiten Rasterfahndung beteiligt. Sie kennen die Zahlen für den Bund. Es gab 8,3 Millionen erhobene Daten, 19.000 Prüffälle und sowohl im Bund als auch in den Länder das gleiche Ergebnis: Nennenswerte Erfolge sind nicht zu verzeichnen gewesen.

Für diese erfolglosen Mittel wurde hingenommen, dass beispielsweise die Unschuldsvermutung auf den Kopf gestellt wird. Unbescholtene Bürgerinnen und Bürger gerieten in das Blickfeld der Polizei. In einigen Bundesländern - wie zum Beispiel in Berlin - wurden erhebliche rechtsstaatliche Mängel bei der Durchführung der Rasterfahndung festgestellt. In Sachsen wurde sogar ein Fall bekannt, wo die auf einer Diskette gespeicherten Daten einer Einwohnermeldebehörde auf dem Postweg verloren gingen. In Hessen mussten schließlich die rechtlichen Bestimmungen angepasst werden, weil die tatsächlichen Voraussetzungen zur Durchführung der Rasterfahndung den rechtlichen Anforderungen der hessischen Ursprungsregelung nicht genügten. Die Rasterfahndung war im Ergebnis ein absoluter Flop.

Ich persönlich habe in Berlin vor einiger Zeit mit einem Sicherheitsbeamten über dieses Thema gesprochen. Er hat mir aus seiner ganz eigenen Erkenntnis gesagt: Es ist unmöglich. Dieses Instrument der Rasterfahndung führt zu nichts. Wir können sie nicht so durchführen, wie diejenigen, die sie eingeführt haben, es sich vorgestellt haben. Es bringt nichts!

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Herr Minister, ich hätte noch einiges dazu zu sagen, insbesondere zu der Aufnahme und Speicherung von biometrischen Daten. Wir wissen, dass wir sie nicht mehr verhindern können. Wir wissen, dass wir sie insbesondere im Ausland nicht verhindern. Sie haben das Stichwort USA genannt. Dennoch müssen wir ein sehr wachsames Auge haben. Wenn diese Daten - ohne dass wir uns dagegen wehren können - gespeichert werden, dann muss die Weitergabe unter höchstem Schutz stehen. Die Dauer der Speicherung muss kontrolliert werden. Wir sollten darauf achten, uns nicht mit dieser zunehmenden Art von Überprüfung abzufinden. Wir als FDP werden hier immer auf der Seite des Datenschutzes stehen, und zwar vermutlich noch mehr als viele andere hier im Haus. Ich meine, der SSW könnte sich unserer Vorstellung hier am ehesten anschließen.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile Frau Abgeordneter Fröhlich das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal nehmen wir mit Respekt den Tätigkeitsbericht des Datenschutzes entgegen, der

(Irene Fröhlich)

zudem wertvolle Handlungsanweisungen enthält. Als justizpolitische Sprecherin freue ich mich, dass die Anregungen der vergangenen Jahre im Justizbereich fast vollständig umgesetzt werden konnten. Vom Datenschutz in Haftanstalten bis zur Kontrolle der Datenweitergabe durch Staatsanwaltschaften. Von der kritischen Stellungnahme zur Rasterfahndung bis zum Eintreten für die Datenschutzrechte von Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialempfängern, vom Korruptionsregister bis zur Videoüberwachung: Dem ULD entgeht nichts. Das hat auch der vorliegende Bericht wieder einmal gezeigt. Was aber offenbart der Bericht darüber hinaus? Der Datenschutzbeauftragte kümmerte sich nicht nur um die Datenverarbeitungspraxis in unserem heutigen täglichen Leben. Er macht sich darüber hinaus Gedanken um die langfristigen Entwicklungen und zeigt möglichen Handlungsbedarf der Politik auf.

Neue Technologien bringen immer neue Chancen für Effizienzgewinne und für das Lösen von Problemen, mit denen die Menschheit konfrontiert ist. Darauf haben insbesondere die Grünen schon seit Jahren hingewiesen. Sie wecken aber immer auch Begehrlichkeiten, denn wer die Technologie beherrscht und sich nutzbar macht, kann damit Macht ausüben. Ich füge hinzu: Man kann damit auch Gewinne einstreichen. Herr Minister, wenn wir uns hier darüber Gedanken machen, dass die Privaten in eine solche Sammelwut geraten, dass unsere Schreibtische und Postfächer überlaufen, dann sollten wir als öffentliche Einrichtung in jedem Fall dafür sorgen, dass wir dieser Datensammelwut nicht noch ein Übriges hinzutun. Für mich gehört die Rasterfahndung als Instrument in eine ganz kritische Betrachtung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Wohl keine Technologie entwickelt sich zurzeit so schnell wie die Verarbeitung oder die Entschlüsselung von Informationen. Dies ermöglicht den Nutzerinnen und Nutzern dieser Technologien teilweise großen Einfluss auf langfristige gesellschaftliche Entwicklungen. Dies scheint auch Gewinnerwartungen zu berechtigen, auf die man ein Auge haben muss. Ohne diese gestaltende Macht könnte eine Gesellschaft wie unsere nicht funktionieren. Dennoch müssen alle gesellschaftlichen Kräfte, die technologische Entwicklung beobachten, künftige Entwicklungen abschätzen und auf diese Weise in der Lage sein, rechtzeitig ein demokratisches Korrektiv zu installieren.

Der Landtag hatte zur Beratung in diesen Fragen den Landesdatenschutzbeauftragten berufen. Wie gesagt, er berät lediglich. Die gewählten Abgeordneten müs

sen die Chancen und Risiken selber abwägen und die Nutzung neuer Technologien so gestalten, dass die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger so weit wie irgend möglich gewahrt bleibt.

Wie schon erwähnt: Die Begehrlichkeiten sind groß, insbesondere wenn es um die Verbrechensbekämpfung geht. Immer wieder von der rechten Seite dieses Hauses losgetretene Debatten über mehr Sicherheit durch mehr Videoüberwachung, über bessere Verbrechensaufklärung durch Vergrößerung der DNADatenbanken und auch die Forderung nach Ausweitung der Telefonüberwachung zeigen dies deutlich.

Herr Dr. Wadephul, ich habe mich über die Rede, die Sie eben gehalten haben, gefreut, weil die Töne etwas moderater waren, als wir es in der Vergangenheit gewohnt waren. Ich hoffe auf eine gute und konstruktive Zusammenarbeit in Ihrer Eigenschaft als neuer zuständiger Sprecher.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die immer wieder in den Raum gestellte Gleichung, dass mehr Überwachung mehr Sicherheit bringt, wird durch ständige Wiederholung nicht wahrer. Eine derartige Verkürzung der komplexen Thematik dient einer sachlichen Abwägung von Kosten und Lasten und einer Abschätzung der langfristigen gesellschaftlichen Folgen nicht.

Wohl aber dient der wie jedes Jahr flott geschriebene und wie jedes Jahr äußerst informative Bericht diesem Ziel. Eine über Jahre so hervorragende und Standard setzende Tätigkeit kann nur mit einem gut eingespielten und kompetenten Team gelingen. Ich möchte Herrn Dr. Bäumler und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - wie auch meine Vorrednerinnen und Vorredner - an dieser Stelle für die wegweisende Arbeit der letzten Jahre danken. Ich bin sicher, dass sein Nachfolger im Amt, der bisherige stellvertretende Landesdatenschützer Dr. Thilo Weichert, das Qualitätsprodukt „Datenschutz aus Schleswig-Holstein“ nicht nur weiterführen, sondern ausbauen kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Ich erteile Frau Abgeordneter Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich auch für den SSW beim ULD für den 26. Tätigkeitsbericht und insbesondere auch bei Herrn Dr. Bäumler und seinen Mitarbeiterinnen und Mitar

(Silke Hinrichsen)

beitern bedanken. Der Bericht ist ausführlich und informativ. Er zeigt auf, in wie vielen Bereichen wir inzwischen an die Grenzen unserer menschlichen Vorstellungen herankommen. Er zeigt, warum es wichtig ist, einen so ausführlichen Bericht zu erhalten, denn wir können es uns manchmal gar nicht vorstellen, in welchen Bereichen welche Daten aus welchen Gründen gesammelt werden.

Ich kann mich auch nach dem Durcharbeiten des Berichtes an dieser Stelle der Aussagen der Pressemitteilung des ULD anschließen. Die permanenten Innovationen im Bereich der IT-Technik bringen immer neue Gefahrenpotenziale hervor, deren Bewältigung stets aufs Neue geleistet werden muss.

Er weist, wie gesagt, auch auf die Gefahren der neuen Techniken hin, mit denen wir uns aber zunächst noch vertraut machen müssen, bevor wir uns mit ihnen auseinander setzen.

Ich fand es ausgesprochen interessant an diesem Bericht, dass ich bestimmte Passagen zweimal lesen musste, bevor ich verstanden hatte, um welche Techniken es sich handelt, wie sie funktioniert und was hierzu möglicherweise negativ anzumerken ist.

Da aber der Bericht sehr umfangreich ist, möchte ich mich in meiner Rede auf einige andere Teilaspekte beschränken. Meine Kollegen sind hierauf zum Teil auch schon eingegangen.

Zur Rasterfahndung! Außer Spesen nichts gewesen. Dieses Instrument zur Aufdeckung von so genannten Schläfern im Rahmen der Terrorismusbekämpfung hat sich eindeutig nicht bewährt.

Wie wir bereits bei der Einführung dieses Gesetzes meinten, könnte die Rasterfahndung vielleicht ein Mittel sein, um weitere Terroranschläge zu verhindern. Im Jahr 2001 waren auch wir der Meinung, dass die aktuelle Lage zum damaligen Zeitpunkt eine präventive Rasterfahndung begründen könnte. Das Gesetz wurde aber auch aufgrund weiterer Argumente dagegen und insbesondere aufgrund des Eingriffs in die Rechte unbescholtener Bürger zeitlich befristet.

Im Laufe dieser Maßnahme ergaben sich jedoch keine konkreten Verdachtsmomente in Schleswig-Holstein, obwohl nach dem Verfassungsschutzbericht und den letzten Aussagen zum Verfassungsschutzbericht die islamistischen Tätigkeiten in Schleswig-Holstein und anderswo doch sehr stark sind.

Aus heutiger Sicht und aufgrund der Erfahrungen ergibt sich also, dass dieses Mittel überhaupt nicht geeignet ist. Es gab, wie gesagt, von Anfang an rechtliche Bedenken.

Der Bericht weist ebenso wie die Vorgängerberichte auch darauf hin, dass die Untersuchung auch nicht immer ordnungsgemäß lief. Das BKA führte - in der Umsetzung auf Bundesebene - einen automatischen Abgleich von Daten durch, ohne rechtliche Grundlagen hierfür zu haben.

Unsere Bedenken gegen diese Art der Fahndung sind nach unserer Ansicht bestätigt worden, denn die präventiv-polizeiliche Fahndung hat keine Erkenntnisse erbracht. Deshalb ist es zur Evaluation des Gesetzes notwendig zu überlegen, ob dieses Gesetz wirklich über das Jahr 2005 hinaus Bestand haben sollte.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch der bundesweite Fahndungsdruck, den Sie, Herrn Innenminister, genannt haben, der dadurch ausgeübt wurde, dass letztendlich bundesweit beschlossen wurde, die Rasterfahndung durchzuführen, hat nicht zu weiteren Erkenntnissen geführt, die man möglicherweise anders nicht hätte gewinnen können.

Für uns als SSW ergibt sich somit die Erkenntnis, dass die Hoffnungen durch dieses Gesetz eindeutig nicht erfüllt werden. - Wir haben damals wirklich von Hoffnungen gesprochen. - Die Handlungen auf Bundesebene waren möglicherweise fraglich und bedenklich und die Erfolgsaussicht, die uns damals versprochen wurde, ist eindeutig nicht erfüllt worden.

Im Weiteren geht der Bericht auf die Bemühungen auf Bundesebene ein, nun endlich auch für diese Ebene ein Informationsfreiheitsgesetz zu schaffen. Gerade die positiven Erfahrungen in Schleswig- Holstein sollten der Bundesregierung und den Bundesparteien Ansporn sein, dieses Gesetz nun endlich für die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands zu schaffen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bedenken, die das Gesetz schon einmal scheitern ließen, werden gerade durch die tatsächliche Praxis im Umgang mit diesem Gesetz widerlegt. Ich verweise insoweit auf unseren wirklich hervorragenden Datenschutzbericht.