Protokoll der Sitzung vom 21.02.2001

Verhandlungen verpflichtet hatte, den Umfang ihrer Streitkräfte zu reduzieren. Dem ist die Bundesregierung unter Helmut Kohl und Volker Rühe auch nachgekommen. Die Bundesrepublik Deutschland hatte sich aber zu keinem Zeitpunkt vertraglich verpflichtet, den Umfang der Streitkräfte so weit zu reduzieren, wie es jetzt von Herrn Scharping getan wird. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU - Holger Astrup [SPD]: Das hat auch keiner behauptet!)

Alle diesbezüglichen Schritte sind von Ihnen eingeleitet worden und zu verantworten. Sie haben die Kommission eingesetzt und Sie haben letztlich die Sparund Streichbeschlüsse durchgesetzt. Diese Landesregierung hat nichts, aber auch gar nichts für SchleswigHolstein herausgeholt.

Wir hätten uns gewünscht, dass Ihnen wenigstens das gelungen wäre, was wir vermutet hatten, nämlich ein kleiner PR-Gag: Die Hubschrauber bleiben erhalten. Das hätte dann als großer Erfolg verkündet werden können. Aber nicht einmal dazu hat es gereicht. Nicht einmal dazu hat Ihr Einfluss ausgereicht, meine Damen und Herren.

Herr Hentschel, in einem Punkt gibt es ein Stück weit Übereinstimmung mit Ihnen. Sie haben Recht, wenn Sie sagen, Soldaten seien nicht nur Wirtschaftsfaktoren. Viele Soldaten sagen uns auch immer wieder: Wir sind nicht nur Faktor Regionalpolitik. - Streitkräfte haben vielmehr auch einen Verfassungsauftrag. Sie haben den Auftrag, zur Landesverteidigung und auch zur Teilnahme an internationalen Missionen, zu denen sich die Bundesrepublik Deutschland vertraglich verpflichtet hat.

Es stellt sich doch aber die Frage: Sind die Streitkräfte in dem Umfang, wie er von Herrn Scharping jetzt vorgesehen ist, zur Erfüllung dieses Auftrages überhaupt noch in der Lage? Ich sage Nein. Natürlich hat sich die weltpolitische Lage geändert; wir freuen uns darüber. Es ist doch aber eine Illusion zu glauben, jetzt sei der ewige Friede ausgebrochen; das sei verbürgt. Nein, meine Damen und Herren! Natürlich müssen wir ein Stück weit Risikovorsorge betreiben. Diese betrifft nicht nur internationale Missionen, sondern natürlich auch den Auftrag der Landesverteidigung. Es ist ein Faktum, dass kein anderes NATO-Mitgliedsland pro Kopf der Bevölkerung so wenig für seine Streitkräfte ausgibt wie die Bundesrepublik Deutschland unter rotgrüner Verantwortung.

(Holger Astrup [SPD]: Vorsicht! Seit wann, Herr Kollege! Blödsinn!)

Das ist keine verantwortliche Politik.

(Thorsten Geißler)

Frau Dr. Kötschau hat die Frage aufgeworfen, ob denn das persönliche Verhältnis zwischen dem Bundesverteidigungsminister und der Ministerpräsidentin eine Rolle spiele, wenn es um Standortentscheidungen gehe. Ich habe den Eindruck, dass das tatsächlich der Fall ist. Jetzt rächt es sich in der Tat, Frau Simonis, dass Sie Herrn Scharping vor einigen Jahren öffentlich als Autisten bezeichnet haben. Sie mögen mit dieser Aussage durchaus Recht gehabt haben; das können Sie sicherlich besser beurteilen als ich selbst, denn Sie kennen ihn ja besser. Sie hätten dies aber öffentlich nicht sagen dürfen, denn mit dieser Aussage haben Sie das Verhältnis natürlich so zerrüttet, dass nun auch politisch Schaden eingetreten ist. Das machen wir Ihnen zum Vorwurf, meine Damen und Herren: Es ist eine unverantwortliche Politik, die hier betrieben worden ist und die allein von Ihnen zu verantworten ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile dem Oppositionsführer, Herrn Kayenburg, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerpräsidentin, zur Wahrheit gehört auch, dass die Stärke der Bundeswehr aufgrund internationaler Verpflichtungen von 450.000 auf 370.000 Mann abgebaut werden sollte. Dies hat mit der jetzigen Reform überhaupt nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Dies gehört nicht zu der von Scharping dargestellten Ausgangslage. Insofern ist diese Reduzierung keine Reduzierung aufgrund internationaler Verpflichtungen, sondern eine einzig und allein von dieser Bundesregierung zu vertretende und aus finanzpolitischen Gründen vorgenommene Reduzierung.

(Beifall bei der CDU - Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Aufgabe der Bundeswehr hat sich geändert!)

Ein zweiter Punkt. Frau Simonis, ich will hier nicht das zitieren, was Zeitungen schreiben, sondern das, was Zeitungen zitieren. In den „Lübecker Nachrichten“ vom 18. Februar werden Sie, Frau Simonis, wie folgt zitiert:

„Wir können den Bundesfinanzminister nicht zwingen, ein Konversionsprogramm aufzulegen. Wir werden es aber weiter energisch fordern. Ich kann nur sagen: Man darf den Bogen nicht überspannen.“

Ein zweites Zitat. Ich beziehe mich dabei auf die „Kieler Nachrichten“ vom 14. Februar 2001.

(Holger Astrup [SPD]: Was halten Sie denn von dem gerade angeführten Zitat? - Mini- sterpräsidentin Heide Simonis: Das haben Sie doch aus dem Zusammenhang gelöst zitiert!)

- Entschuldigung, ich habe einen ganzen Absatz, der von Ihnen auf eine Frage hin formuliert wurde, zitiert, Frau Ministerpräsidentin!

Ich kann Ihnen noch ein anderes Zitat entgegenhalten. Ich will es vollständig zitieren:

„Simonis erneuerte ihre Forderung nach einem Konversionsprogramm, um die Folgen des Truppenabbaus abzufedern.“

(Holger Astrup [SPD]: Sehr gut!)

„Dabei hat sich die Ministerpräsidentin bereits auf harte Verhandlungen eingestellt.“

Sie sagten wörtlich, Frau Ministerpräsidentin:

„Zuständig ist Bundesfinanzminister Hans Eichel. Ich wette, der sagt erst mal Nein.“

Mein Gott, wer so in Verhandlungen geht, hat seine Position nachhaltig geschwächt, weil er das Verhandlungsziel von vornherein aufgegeben hat. Das ist der Vorwurf, den wir Ihnen machen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Frau Simonis, warum gehen Sie denn nicht her und machen beispielsweise im Bundesrat mit anderen Bundesländern gemeinsam Druck? Warum treten Sie nicht der Klage betreffend die UMTS-Mittel bei, um Herrn Scharping und Herrn Eichel zu zwingen, für dieses Land etwas zu tun? Sie versagen, Frau Simonis. Das ist unser Problem in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Kähler das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man den Debattenbeiträgen der Opposition, in diesem Falle insbesondere der CDU, in den letzten zwei Stunden gefolgt ist, könnte man meinen, es gäbe keinen gemeinsamen Antrag.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

Ich frage mich allen Ernstes, wie weit ein Parlament eine solche Sache eigentlich noch treiben will, wenn es

(Ursula Kähler)

jetzt im Grunde lediglich darum geht festzustellen: Die Regierung hat in Berlin gekämpft und als Ergebnis ist dabei dies und das herausgekommen. Das Parlament hat einen gemeinsamen Antrag bezüglich der Rahmenbedingungen für die Abwicklung gestellt. Meine Damen und Herren insbesondere von der CDU, ich möchte Ihnen dies hier noch einmal in das Stammbuch schreiben: Es muss doch in der Öffentlichkeit als bescheuert ankommen, wenn Sie sich hier einerseits hinstellen und die Regierung anmachen,

(Heiterkeit bei der SPD)

obgleich Sie genau wissen, welche Punkte in Berlin von der Regierung eingebracht worden sind - dies ist auch nachzulesen; Sie haben es teilweise ja auch zitiert -, und sich andererseits hier hinstellen und solche Beiträge liefern, wie Herr Wadephul es getan hat. Herr Wadephul, Ihr erster Debattenbeitrag mag allenfalls für Ihre zukünftige Landesparteitagssituation ein Übungsprozess gewesen sein, wie ich annehme.

(Beifall bei der SPD)

Entweder beschließen wir jetzt in aller Ehrlichkeit und Konsequenz im Sinne einer Chance für Umgestaltung im Zusammenhang mit der Konversionssituation einen gemeinsamen Antrag oder Sie sollten ehrlicherweise zugeben, dass Ihnen die Gemeinsamkeit überhaupt nicht am Herzen liegt. Wir sollten die Entscheidungen, die jetzt anstehen, wirklich im Sinne einer positiven Begleitung der Kommunen vor Ort, die betroffen sind, betrachten. Wir sollten diesen Kommunen nun nicht noch ein Bild der Zerrissenheit bieten, sondern gemeinsam mit den Kommunen am runden Tisch dafür sorgen, dass es auch in den Kommunen eine Zukunftsperspektive gibt, die von den ins Auge gefassten Maßnahmen betroffen sind.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich gebe Herrn Abgeordneten Astrup das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorrednerin hat, wie ich finde, sehr deutlich gemacht, welche Gratwanderung einige von Ihnen gerade betreiben. Ich sage das aus der Position dessen, der sich innerhalb meiner Fraktion sehr für einen gemeinsamen Antrag dieses Hauses, wie er auf dem Tisch liegt, engagiert hat.

Nach Ihren Redebeiträgen weiß ich nicht, ob ich Recht getan habe, dafür zu werben.

(Lothar Hay [SPD]: Sehr gut! - Beifall bei der SPD)

Ich sage das in allem Ernst. Ich sage das als jemand, der der Auffassung war und eigentlich auch ist, dass ein gemeinsamer Antrag mit der F.D.P. - die wir jetzt Gott sei Dank haben überzeugen können; wir sie und sie uns - am besten geeignet ist, in Verhandlungen mit Berlin einzutreten, die eben in Berlin und nicht in unserem Haus geführt werden. Ich bin nicht ganz sicher, ob das richtig war. Ich sage das in allem Ernst.

Lassen Sie mich ein paar Anmerkungen zur Debatte machen. Wenn sich hier jemand von der CDUFraktion hinstellt und sagt, die Landesregierung habe nicht gekämpft, und macht das am Ergebnis fest, frage ich mich, wie dann beispielsweise Briefe zustande kommen, wie sie der Bürgermeister der Gemeinde Hohenlockstedt nach meinem Kenntnisstand an die Frau Ministerpräsidentin gerichtet hat mit dem ausdrücklichen Dank, man habe gekämpft und man habe verloren.

Frau Kollegin Schwarz, das Wort Schleswig nehme ich in einem anderen Zusammenhang in den Mund, nicht in dem Ihren. Ich werde mich hier heute nicht hinstellen und für Schleswig werben.

Wir haben heute ja eine ganze Reihe von Wehrexperten gehört. Man wundert sich ja immer nur, wer alles dazu gehört. Betrachtet man die internationale Situation, die geopolitische allemal, stellt man fest: Wir sind erstmals in der Geschichte Deutschlands, nicht der Bundesrepublik, von Freunden umzingelt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)