Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

Wir wünschen uns in diesem Sinne, dass die Landesregierung mit einer Bundesratsinitiative eine Rechtsvereinheitlichung für jene Schuldner anstrebt, die ein Verbraucherinsolvenzverfahren einleiten wollen. Wir meinen, dass dies schnell geschehen sollte. Gegenwärtig arbeiten Bund und Länder zwar wieder an einer Novelle des Insolvenzrechts. Dieses Problem erscheint uns aber so dringend und unerträglich, dass es vom übrigen Verfahren ausgeklammert werden sollte und möglichst schnell eine Lösung gefunden werden muss.

(Silke Hinrichsen)

Ich bitte um Ihre Unterstützung für unseren Antrag, damit all diejenigen, die versuchen, wieder Ordnung in ihre Finanzen - und damit häufig auch in ihr Leben zu bringen, endlich eine echte Chance bekommen.

(Beifall beim SSW)

Ich erteile jetzt dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem 1. Januar 1999 ist die neue Insolvenzordnung des Bundes in Kraft. Das Gesetz ist gut, aber es hat einen Geburtsfehler. Es ist gut, weil erstmals neben wirtschaftlichen Unternehmen auch Privatpersonen in größerem Umfang die Möglichkeit eröffnet wird, geordnete Schuldenbereinigung und Restschuldbefreiung zu erreichen.

Das Land hat demgemäß seine Pflicht und Schuldigkeit getan. Hier ist nämlich in Form eines Ausführungsgesetzes zur Insolvenzordnung beschlossen worden, den Aufgabenbereich der Schuldnerberatungsstellen im Wesentlichen bei der außergerichtlichen Schuldenbereinigung zu klären und die Zuständigkeit im Bereich der Regierung auf das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu verteilen sowie den Schutz von Daten zu regeln, soweit persönliche Probleme betroffen sind.

Das Gesetz hat einen Haken. Er besteht darin, dass vonseiten des Bundes - wie so häufig - nach dem Motto verfahren wurde: Der Bund bestellt, die Länder zahlen.

Die Umsetzung ist für Schleswig-Holstein in organisatorischer und finanzieller Hinsicht ein ziemlich dikker Brocken. Wir haben uns gleichwohl daran gemacht, diesen Brocken zu schlucken, und haben in organisatorischer Hinsicht die Voraussetzungen geschaffen. Diese bestehen darin, dass im ganzen Lande 13 Insolvenzgerichte eingerichtet worden sind - vier Insolvenzgerichte wären nur nötig gewesen - und 55 neue Stellen für Richter, Rechtspfleger und Schreibkräfte geschaffen wurden. Das hat rund 5 Millionen DM gekostet. Auch der zusätzliche Raumbedarf für die Gerichte ist zu finanzieren gewesen.

Das nach wie vor offene Problem ist die in dem Antrag des SSW angesprochene Prozesskostenhilfe und die uneinheitliche Handhabung nicht nur bundesweit, sondern auch innerhalb unseres Landes. Zwischenzeitlich haben Landgerichte zum Teil Entscheidungen gefällt, die für die im Landgerichtsbezirk befindlichen

Amtsgerichte eine etwas einheitlichere Handhabung gewährleisten. Aber, Herr Kubicki, es ist natürlich unbefriedigend,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Ganz genau!)

wenn es dann zum gerichtlichen Insolvenzverfahren kommt, gerade dem Menschenkreis, der keinen Pfennig Geld in der Tasche hat und sich darum bemüht, seine Schulden loszuwerden, nicht die Möglichkeit zu eröffnen, Prozesskostenhilfe für das gerichtliche Verfahren zu erhalten, also für die entstehenden Gerichtsund Anwaltskosten.

Dies ist ein Widerspruch, der sich mit der Tendenz und dem Ziel des Gesetzes nicht vereinbaren lässt. Deswegen muss eine einheitliche Lösung gefunden werden. Sie ist auch in Arbeit. Sie ist auf Bundesebene in Bearbeitung. Das ist der Grund, weshalb wir eine Überweisung dieses Antrages in den Innen- und Rechtsausschuss vorschlagen.

Dort sollten wir uns bemühen, etwas über den Sachund Verfahrensstand auf Bundesebene in Richtung bundeseinheitliche Regelung zu erfahren. Dann können wir möglicherweise - und zwar nicht so allgemein wie in diesem Antrag gehalten, der auf Bundesebene eigentlich schon erfüllt wird - noch Einzelpunkte von Landesebene in die laufenden Beratungen einbeziehen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Thorsten Geißler das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung ist von allen Parteien begrüßt worden. Denn durch die Einführung der so genannten Restschuldbefreiung wurde zum ersten Mal die Möglichkeit gegeben, natürliche Personen von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten zu befreien.

Das Gesetz ist auch für unser Bundesland von großer Bedeutung. Denn nach Auskunft der Landesregierung gab es Ende 1998 - das ist die jüngste vorliegende Schätzung - in Schleswig-Holstein zirka 50.000 bis 60.000 überschuldete Haushalte, von denen etwa 10 % für das Schuldenbereinigungsverfahren infrage kommen könnten.

Der SSW hat allerdings zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass die Frage der Prozesskostenhilfe im Insolvenzverfahren - also beim Privatkonkurs - in der

(Thorsten Geißler)

Tat nicht gelöst ist. Eine klare gesetzliche Regelung fehlt. Die Rechtsprechung ist uneinheitlich. In der Antragsbegründung wird völlig zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass in Schleswig-Holstein durch die Amtsgerichte unterschiedliche Anforderungen an die Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt werden, beziehungsweise eine Reihe von Gerichten gewährt grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe. Obergerichtliche Entscheidungen fehlen einstweilen.

Es ist daher grundsätzlich richtig, dass im Falle der Versagung der Prozesskostenhilfe ein großer Teil der mit der Insolvenzordnung im Rahmen des Privatkonkurses verfolgten Absichten ins Leere läuft. Das ist natürlich ein unbefriedigender Zustand.

Wir sollten allerdings nicht übersehen, dass die Länder die Kosten für die Prozesskostenhilfe zu tragen haben. Das bayerische Justizministerium geht davon aus, dass im Falle der Prozesskostenhilfe jeder Privatkonkursfall ungefähr 6.000 DM an Kosten mit sich bringen würde.

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, dass die Einführung der Insolvenzordnung die Länder ohnehin mit Kosten überzogen hat, nämlich durch die Ausweitung der Tätigkeit der Schuldnerberatungsstellen, durch die erforderlichen neuen Richter- und Rechtspflegerstellen sowie die Stellen im so genannten Servicebereich.

Bei der Debatte über das Schleswig-Holsteinische Ausführungsgesetz zur Insolvenzordnung am 10. Dezember 1998 habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass der Bundesrat seinerzeit seine Zustimmung zu dem Gesetz auch deshalb erteilt hat, weil es im Rahmen des Vermittlungsverfahrens zwischen Bundesrat und Bundestag eine Zusage auf Kompensation für die Bundesländer gegeben hat.

Ich hatte die Landesregierung in dieser Debatte aufgefordert, auch nach dem Regierungswechsel im Bund auf eine Einhaltung dieser Zusage zu drängen. Nach meinem Kenntnisstand - ich lasse mich gern korrigieren - sind bisher durch den Bund keinerlei Ausgleichszahlungen an die Länder geflossen, sodass zurzeit noch der Grundsatz gilt: Der Bund bestellt, die Länder zahlen.

Vielleicht kann die Frau Justizministerin dieses Haus darüber unterrichten, ob, wann und in welchem Umfang das Land Schleswig-Holstein wie auch die anderen Bundesländer noch mit Ausgleichszahlungen durch den Bund rechnen können.

Meine Damen und Herren! Vom Grundsatz her unterstützen wir durchaus das Ziel des SSW-Antrages. Aufgrund der finanziellen Folgen besteht allerdings die Notwendigkeit, im Ausschuss noch eingehend darüber

zu sprechen. Ich habe deshalb die herzliche Bitte, dass wir, bevor wir die Landesregierung auffordern, im Bundesrat gesetzgeberisch initiativ zu werden, über die Einzelheiten noch im zuständigen Fachausschuss miteinander sprechen. Ich bitte Sie daher herzlich, meinem Antrag auf Ausschussüberweisung zuzustimmen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfgang Kubikki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als zum 1. Januar 1999 die neue Insolvenzordnung in Kraft trat, sollte eigentlich alles besser und einfacher werden. Erstmals - darauf ist bereits hingewiesen worden - sollte auch überschuldeten Haushalten die Chance auf einen wirtschaftlichen Neubeginn verschafft werden, indem sie die Möglichkeit für eine so genannte Restschuldbefreiung erhielten. Alle politischen Seiten haben dieses Ziel unterstützt.

Doch die sozialpolitisch wünschenswerte Neuregelung hat einen wesentlichen Haken: Sie ist kaum finanzierbar. Nicht zufällig haben sich deshalb sowohl der Bund als auch das Land in seinem Ausführungsgesetz um jegliche Regelung zur Kostenfrage herumgedrückt. So bleibt das neue Insolvenzrecht für die meisten überschuldeten Haushalte im Wesentlichen Theorie.

Bereits in der Debatte über den Gesetzentwurf zur Ausführung der Insolvenzordnung im Dezember 1998 habe ich für die F.D.P.-Fraktion dargelegt, dass es ein wesentlicher Schwachpunkt des Gesetzentwurfs ist, dass er keinerlei Aussagen enthält, wer die Kosten für die Insolvenzverfahren übernimmt.

Zwar hat das Land mit 13 neuen Insolvenzgerichten und insgesamt 55 zusätzlichen Personalstellen durchaus günstige Rahmenbedingungen geschaffen, um überschuldeten Haushalten zur Durchführung der Insolvenzverfahren zu verhelfen, doch meistens kommt es gar nicht bis zu diesen Verfahren. Sie werden ganz wesentlich durch die fehlende Prozesskostenhilfe verwehrt.

Kollege Geißler, bereits im Oktober 1999 war Presseberichten zu entnehmen, unter anderem den „Kieler Nachrichten“ vom 15. Oktober 1999, dass es in Schleswig-Holstein keinen Gerichtsbezirk mehr gibt, der den Betroffenen die notwendige Prozesskostenhilfe gewährt. Bundesweit tendieren mittlerweile zwei

(Wolfgang Kubicki)

Drittel aller Gerichte dazu, die Prozesskostenhilfe im Verbraucherinsolvenzverfahren abzulehnen.

Aus guten Gründen raten die Schuldnerberatungen deshalb von einem Verfahren ab, wenn zu erwarten ist, dass es ohne Prozesskostenhilfe sowieso nicht weitergeht, auch wenn sich bei ihnen inzwischen die Anträge stauen. Vor diesem Hintergrund ist der Antrag des SSW nachvollziehbar.

Gleichwohl ist es mit der Forderung nach einer einheitlichen Regelung zur Gewährung von Prozesskostenhilfe im Insolvenzverfahren nicht getan. Es sind sich ja alle einig, dass die Versäumnisse in puncto Kostenregelung im neuen Insolvenzrecht nachgebessert und insbesondere Regelungen zur Prozesskostenhilfe gefunden werden müssen. Dabei richten sich die von Rot-Grün erhobenen Vorwürfe gegen die Versäumnisse der alten Bundesregierung inzwischen ebenso gegen die jetzige. Rot-Grün in Berlin hat bis heute ebenfalls nichts unternommen, um hier wirksam Abhilfe zu schaffen.

Die F.D.P. erkennt aber an, dass auf der 70. Justizministerkonferenz im Sommer des letzten Jahres zumindest eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden ist, die nach Möglichkeiten sucht, ob und wie die Probleme der praktischen Anwendung mit dem Verbraucherinsolvenzverfahren behoben werden können. Die angespannte Finanzlage der Länder - Sie haben es gehört lässt hier jedoch zugegebenermaßen wenig Spielraum.

Leider lässt der SSW-Antrag diesen Aspekt völlig unberücksichtigt. Auch im Bereich der Verbraucherinsolvenzen lässt sich die Realität nicht ausblenden. Wir müssen anerkennen, dass die Gewährung von Prozesskostenhilfe immer auch bezahlbar sein muss. Bei Kosten in zweistelliger Millionenhöhe allein für das land Schleswig-Holstein ist das sicherlich kein leichtes Unterfangen.

Ich erinnere daran, dass dann, wenn wir entsprechende Regelungen hätten, wir mit den sonstigen Bedürfnissen - beispielsweise der Verbesserung der Zellensituation in den JVAs - sehr schnell an die Grenzen unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geraten würden.

Wir sollten uns bei allem Verständnis dafür, zumindest möglichst vielen, die unverschuldet oder verschuldet in finanzielle Nöte geraten sind, einen Neuanfang zu ermöglichen, noch eines klarmachen: Es kann nicht Aufgabe des Staates oder der Gesellschaft sein, im Zweifel für die Beseitigung der Verschuldung Dritter Sorge tragen zu müssen. Die Schuldner brauchen eine Chance, aber ich möchte auch nicht, dass hier eine Schieflage entsteht, die sich auf die bisherige Anerkennung für das neue Insolvenzrecht nachteilig auswirken kann. Wenn der Staat in dieser Frage alles

übernimmt, vermindern wir nämlich auch das Risiko, für sich selbst Sorge zu tragen. Wir sollten daher auch diesen Aspekt im Ausschuss nachhaltig erörtern. Hier bin ich sehr gespannt auf die weitreichenden Vorschläge der Grünen, der Sozialdemokraten, der Union und der Liberalen, wie denn das neue Insolvenzrecht in puncto Prozesskostenhilfe wirksam finanziert werden soll.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Irene Fröhlich.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kubicki, machen Sie sich mal keine Sorgen: Wir können unsere Regierung gern kritisieren, weil Kritik immer der Motor dafür ist, dass etwas Besseres entsteht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)