Wir sollten in unseren weiteren Beratungen sorgfältig prüfen und abwägen, ob ein solcher Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch verhältnismäßig wäre, Herr Geißler!
In diesem Zusammenhang wären ebenfalls die Probleme beim Richtervorbehalt zur Anwendung der DNA-Analyse anzusprechen. In den Datenschutzbericht haben Sie ja sicher auch schon reingeschaut. Dort sind auf den Seiten 43 und 44 interessante Anmerkungen enthalten. Im Innen- und Rechtsausschuss werden wir uns noch über die unterschiedlichen Auffassungen von Landesregierung und Datenschutzbeauftragtem zur Altfallregelung unterhalten müssen. Das sollten wir sinnvoller Weise mit einer Diskussion dieses Berichtes verbinden.
Deshalb beantrage ich die Überweisung des Berichts an den Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung.
(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Was sollen wir da beraten? Das kön- nen wir nur zur Kenntnis nehmen!)
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! In der Mai-Tagung hat die FDP dem Antrag der CDU zugestimmt. Damals hat keine Aussprache stattgefunden. Sehr geehrter Herr Kollege Geißler, wenn Sie von der Landesregierung erfahren möchten, ob sie, die Landesregierung, es für rechtlich zulässig hält, ein Gesetz zu ändern oder nicht, zeugt das bei Ihnen von keinem ausgeprägten Selbstbewusstsein. Sie sind doch selbst Jurist,
was brauchen Sie dazu die Meinung der Landesregierung? Oder halten Sie die Landesregierung in diesem Fall für besonders qualifiziert?
Oder wollten Sie eigentlich von der Landesregierung erfahren, ob sie eine Änderung des Gesetzes anstrebt? Oder wollten Sie uns nur mitteilen, dass Sie eine Änderung für angebracht halten? - Dann sollten Sie das auch eindeutig sagen und einen Antrag stellen, in dem Sie beispielsweise die Landesregierung auffordern, sich über den Bundesrat für die Änderung des DNAIdentitätsfeststellungsgesetzes einzusetzen. Das wäre eine politische Äußerung gewesen. So müssen wir uns heute theoretisch über Fragen unterhalten, denen keine Konsequenzen folgen. Der Bericht ist eigentlich nur Wischiwaschi.
- Ich habe sehr genau zugehört und vor allem habe ich Ihren Antrag bei der Herstellung meiner Rede gelesen.
Ich teile die im Bericht der Landesregierung geäußerte Ansicht, dass ein möglicher Wegfall der so genannten Prognoseentscheidung in § 2 des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes rechtlich höchst bedenklich ist. Ich versuche, den rechtlich hochkomplexen Bereich einmal so auszudrücken, dass auch die Nichtjuristen im Hause - also auch ich - ihn verstehen.
Sinn und Zweck der heute geltenden Regelung des § 2 DNA-IFG ist es, Beweismittel für zu erwartende Straftaten zu sichern. Es kann also eine zukünftige Strafverfolgung erleichtern. Das geschieht durch die Entnahme von körpereigenen Zellen und deren Entschlüsselung zum Abgleich mit den vom Tatort stammenden DNA-Spuren. Die Entnahme und Entschlüsselung der DNA stellt dabei einen nicht unerheblichen Eingriff in das Recht auf informelle Selbstbestimmung dar.
Dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und wie seine persönlichen Daten verwandt werden. Wenn sich der Staat also nun der Daten einer Person bemächtigt und diese speichert, muss dafür auch eine entsprechende Begründung vorliegen.
Das gilt umso mehr, als die Entnahme einer zukünftigen Strafverfolgung und nicht zur Ermittlung in einem aktuellen Fall dient.
Nach der Menschenrechtskonvention und auch bei uns im Land gilt die Unschuldsvermutung. Das ist gut so.
Straffällig gewordene Personen dürfen daher nicht für ihr zukünftiges Leben dem Generalverdacht unterworfen werden, dass sie wieder Straftaten begehen.
Selbst wenn diese Personen wegen Straftaten verurteilt wurden, die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ganz erheblich beeinträchtigt haben, müssen für die Speicherung ihrer Daten Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen lassen, dass diese Menschen in Zukunft wieder in erheblichem Maße straffällig werden. Auf solche Anhaltspunkte kann aber nur aus einer qualifizierten Prognoseentscheidung heraus für die Zukunft geschlossen werden. Das heißt, dass solche Anhaltspunkte ohne eine Prognoseentscheidung eben nicht vorliegen. Man greift also in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Menschen ein, die von unserem Rechtsverständnis wie Unschuldige zu behandeln sind. Das kann nicht sein. Dahinter treten auch die konkreten Vorteile für die Strafverfolgung zurück. Genau diese Argumentation verfolgen auch das Bundesverfassungsgericht und der Bericht der Landesregierung zu ihrem Antrag, Herr Geißler.
Zuletzt möchte ich auf das Schreiben des Landesdatenschützers bezüglich der Umsetzung des DNA-IFG durch die gemeinsamen Richtlinien des Generalstaatanwaltes und des LKA zur Erfassung so genannter Altfälle hinweisen, wonach die Ersetzung der richterlichen Anordnung zur Erfassung der DNA-Altfälle auf der Grundlage von Einwilligungen der Betroffenen ergänzt durch eine staatsanwaltschaftliche Einzelfallprüfung - rechtlich problematisch ist. Wir sollten zunächst die Umsetzung der geltenden Regelungen einwandfrei gestalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hildebrand, bei der Aufzählung der Vermutungen, weswegen die CDU-Fraktion diesen Antrag gestellt hat, haben Sie vergessen aufzuzählen, dass es natürlich immer spannend ist, in einen offensichtlichen Konflikt zweier Akteure - Landesregierung und Generalstaatsanwalt - hineinzugehen. Der Versuchung konnte der Kollege Geißler offensichtlich nicht widerstehen. Das kann man noch nachvollziehen. Das würden wir im umgekehrten Fall ähnlich machen.
Wer manchmal in einen Krimi hineinschaut, wird oft Technikglaube vereint mit Verbitterung über Politiker feststellen, die mit kleinlichen Bedenken rechtsstaatlicher oder datenschützerischer Natur die effektive Jagd auf das Böse erschweren oder verhindern. Wir alle wissen, dass dies auch an vielen Stammtischen so gesehen wird.
Es herrscht oft die Meinung, Verbrechen würden weniger oft begangen werden, wenn nur der Polizei nicht so viele Steine in den Weg gelegt würden. Also stellen sich mir im Zusammenhang mit der Ausweitung der Erstellung von DNA-Identitätsmustern zwei Fragen:
Erstens. Wann hält eine höhere Entdeckungswahrscheinlichkeit einen potenziellen Täter von der Begehung einer Tat ab? Das hängt sicherlich von der Art der Straftat ab, kann aber nicht immer - insbesondere nicht bei Sexualtätern - angenommen werden. Allerdings können die Menschen, die für ihre Umgebung gefährlich sind, durch bessere Identifikationsmöglichkeiten schneller von ihrer Umgebung getrennt werden. Das muss man sehen.
Zweitens. Kann eine höhere Aufklärungsquote diesen massiven Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung rechtfertigen? Es bleibt ein schwerwiegender Eingriff in ein Grundrecht, auch bei verurteilten Straftätern. Selbst wenn sich die DNA-Untersuchung auf das Identifizierungsmuster beschränkt, so geht es doch um die Speicherung höchst sensibler Daten, sozusagen um eine „bevorratende“ Speicherung.
Mit dem Blick auf unsere Erbmasse ist ein Blick auf die Persönlichkeit eröffnet. Er stellt gerade deshalb eine neue Stufe des Eingriffs in die Intimsphäre dar,
weil die Informationen demjenigen zugänglich sind, der sie zu lesen weiß, dem Menschen selbst, von dem sie stammen, eben nicht. Anders gesagt: Es gibt zu den Daten kein Pendant der eigenen Wahrnehmung. An
ders ist es beispielsweise bei Aufzeichnungen über Krankheiten. Wie schwer dieser Eingriff ist, wird durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts unterstrichen, in dem es die Notwendigkeit der sorgfältigen Einzelfallentscheidung für DNA-Analysen festgestellt hat.
Ich bin also froh darüber, dass die Landesregierung die Anordnung von DNA-Analysen ohne Gefährlichkeitsprognose für rechtlich höchst problematisch hält. Aufgrund der Schwere des Eingriffs darf auf eine Abwägung im Einzelfall nicht verzichtet werden. Ob eine Erweiterung der Möglichkeiten, den genetischen Fingerabdruck von Straftätern zu speichern, aus praktischen Gründen überhaupt sinnvoll ist, soll nun die Innenministerkonferenz prüfen. Wenn diese Frage bejaht werden sollte, wird sich dieser Landtag sicherlich noch einmal mit dem Thema befassen, denn es geht ja um eine politische Bewertung dieser Auseinandersetzung zwischen Generalstaatsanwalt und Justizministerin. Das muss politisch entschieden werden. Das ist Aufgabe des Landtages in Zusammenwirkung mit der Justizministerin.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Lothar Hay [SPD], Rolf Fischer [SPD] und Lars Harms [SSW])
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer sich die Mühe macht, in die Annalen des Landtages einzutauchen und die letzte Debatte über die kriminalistische Speicherung von Gendaten herauszukramen, wird jedenfalls eines bestätigt bekommen: Den modernen Techniken wohnt eine erstaunliche Eigenschaft zur Ausweitung inne, wenn sie nämlich erst einmal in die Welt gesetzt wurden. Hatten wir bei Einführung der Gendatenbank 1998 noch gemeinsam zur Vorsicht gewarnt und für die Beschränkung des Personenkreises plädiert, kommen jetzt schon wieder Erweiterungspläne auf den Tisch. Das betrifft leider nicht nur abwegige gentechnische Allmachtsphantasien, wie den Vorschlag einiger CDU/CSU-Politiker und des FDPInnenministers Goll, eine Gendatei mit DNA-Profilen aller Männer anzulegen. Viel bedenklicher ist es, dass unter anderem die Innenministerkonferenz über Erweiterungen des Personenkreises nachdenkt. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich schon in Ihrem Bericht
Zugegeben: Die Gentechnik hat gerade Hochkonjunktur. Es ist beeindruckend, wenn das Bundeskriminalamt heute Aussagen über Fälle treffen kann, die vor Jahrzehnten als ungelöst zu den Akten gelegt wurden. Gerade die Terroranschläge der RAF und die Taten von Serienmördern haben die Nation in den Bann gezogen. Es mutet wie Magie an, dass zum Beispiel ein Handtuch heute noch neue Erkenntnisse über einen Fall liefert. Wer die Klassiker der Kriminalliteratur liest, wird feststellen, dass auch ein großer Teil dieser Fälle vor dem Hintergrund der heutigen Techniken wohl auf den ersten Seiten gelöst worden wäre und kaum noch ein ganzes Buch füllen würde.
Es ist faszinierend, was heute in der Kriminalistik passiert. Aber gerade diese Erfolge der DNA-Analyse in der Verbrechensbekämpfung können nicht davon ablenken, welche grundlegenden Probleme diese Technik birgt. Wir dürfen nicht vergessen, dass die heutigen Regelungen zur Speicherung von menschlichem Erbgut unter erheblichen Bedenken eingeführt und erst nach langer Debatte und mit Bedacht in den heutigen Grenzen festgelegt wurden.
Wer ein genetisches Profil von einem Menschen hat, kann wesentlich mehr damit anstellen, als die Identität festzustellen.