Setzen Sie sich doch einmal ernsthaft mit der Kritik des Landesrechnungshofs auseinander und nennen Sie uns dann zu den dort vorgegebenen Sparvorschlägen auch einmal Ihre Konzepte! Begrüßen Sie nicht nur pauschal irgendwelche Sparmaßnahmen, von denen Sie dann nichts mehr gewusst haben wollen.
Es wurde ja vorhin zitiert, was die Grünen in Lübeck gesagt haben. Um das zu ergänzen, lese ich jetzt einmal vor, was ein SPD-Vertreter dazu gemeint hat: Es muss deutlich werden, dass es in Schleswig-Holstein weiterhin einen zweiten Bildungsweg für alle gibt, die ihn brauchen, um sich zu qualifizieren. Aber wir müssen uns auch den Veränderungen in der Gesellschaft anpassen. Und deshalb ist es richtig, jetzt den Sachstand abzufragen, um entsprechende Konzepte zu erarbeiten. Ich lade die CDU herzlich ein, sich darüber zu informieren, was flächendeckend vorhanden ist und was nicht.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich frage zunächst, ob der Antrag auf Ausschussüberweisung noch aufrechterhalten wird. - Frau Abgeordnete Spoorendonk, bitte!
Ich habe den Debattenbeiträgen entnehmen können, dass das nicht der Wunsch ist. Aber ich bleibe inhaltlich bei dem, was ich gesagt habe. Ich finde, dass in der Sache noch nicht abgestimmt werden kann. Ich habe gesagt, wie wir uns verhalten wollen, und halte den Antrag auf Ausschussüberweisung aufrecht.
Vielen Dank. Dann kommen wir zur Abstimmung. Es ist alternative Abstimmung beantragt worden. Gibt es dazu Gegenmeinungen? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich zunächst über den Antrag der Fraktion der CDU abstimmen, Drucksache 15/1191. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Dann lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Dieser Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW angenommen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Garg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir waren uns im Februar dieses Jahres mehrheitlich darüber einig, dass den einzelnen Bundesländern die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, Modellversuche mit Betäubungsmitteln durchzuführen. Das Ganze war ja ursprünglich eine Initiative des SSW.
Nun sah ich die Möglichkeit - um Ihre Tochter zu zitieren, Frau Ministerin Moser -, Drogenpolitik „in echt“ in Schleswig-Holstein weiterzuentwickeln, indem wir uns an einem wissenschaftlich begleiteten Modellprojekt beteiligen. Weil der Kollege Nabel schon so grinst, räume ich ein, ich habe zu dem damaligen Zeitpunkt schlichtweg übersehen, dass es sich dabei um einen Arzneimittelversuch handelt, weil RotGrün bis heute in Berlin bedauerlicherweise nicht die gesetzliche Grundlage geschaffen haben. Das wäre nämlich eine Änderung des BtMG gewesen. Deswegen bin ich mir darüber im Klaren, dass es schwer sein wird, unseren Antrag so zu entsprechen, dass wir uns an diesem Modellprojekt beteiligen.
Ich sage trotzdem gleich zu Beginn, dass ich vorschlage, unseren Antrag dennoch in den Sozialausschuss zu überweisen, damit wir uns grundsätzlich Gedanken darüber machen können, wie wir die Heroinabgabe an Schwerstabhängige organisieren können. Eventuell gibt es ja auch die Möglichkeit, in Form des Drucks auf die rot-grüne Bundesregierung endlich die erforderliche Änderung des BtMG herbeizuführen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das Projekt, von dem hier die Rede ist, soll die kontrollierte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige beinhalten und gerade diejenigen Abhängigen erreichen, die von den bisherigen Hilfsangeboten nur ganz ungenügend profitieren. Es bietet die Chance herauszufinden, ob durch die ärztlich kontrollierte Behandlung einer Gruppe von Abhängigen mit Heroin eine Besserung ihrer gesundheitlichen Situation und ihrer sozialen Lage erreicht werden kann.
Nach allgemeinen Schätzungen gibt es etwa 60.000 Drogenabhängige, die nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums von den bisherigen Therapieprogrammen nicht oder nur sehr unzureichend erreicht werden. Auch in Schleswig-Holstein haben wir natürlich das Problem. Das haben wir in der FebruarDebatte bereits erörtert.
Frau Ministerin, Schleswig-Holstein hat im Bereich der Drogenpolitik oftmals eine Vorreiterrolle übernommen, auch wenn das eine oder andere Projekt umstritten war. Es war trotzdem so, dass abseits der ausgetretenen Pfade immer wieder etwas Neues angestoßen werden sollte. Insofern wäre es natürlich schön, wenn wir auch in Schleswig-Holstein irgendwann
dahin kämen, uns Städten wie München, Karlsruhe oder auch Frankfurt anzuschließen, die nicht unbedingt in dem Ruf standen, eine großzügige Drogenpolitik zu machen.
Wir haben in der Vergangenheit immer wieder Wege gesucht, gerade erkrankten Menschen zu helfen, die von den herkömmlichen Hilfsmaßnahmen bisher nicht erreicht wurden. Alle bisherigen Modelle kämpfen damit, dass gerade harte Drogen neben den Substituten konsumiert und Therapien dadurch konterkariert werden. Hier hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte das wissenschaftliche Studiendesign zum Modellversuch geprüft und ihm zugestimmt.
Neben der Therapie sind Formen der psychosozialen Begleitung der Patientinnen und Patienten Bestandteil dieses Modellprojektes. Sollte die gezielte Heroinbehandlung bessere Ergebnisse erzielen als eine Vergleichsgruppe, die mit Methadon behandelt wird, soll sogar die Zulassung des Heroins als Fertigarzneimittel möglich sein.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, lassen Sie mich ganz kurz noch darauf eingehen, warum die staatlich kontrollierte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige unser Anliegen ist. Dies gibt uns allen eine echte Perspektive, Abhängige sozial und beruflich wieder zu integrieren, eine Perspektive, die sie durch ihre Sucht bereits seit langem verloren glaubten. Es besteht die Hoffnung, dass die mit der Drogensucht unmittelbar zusammenhängende Beschaffungskriminalität in all ihren Facetten sowie die Zahl der Drogentoten durch die Abgabe von Heroin an schwerstabhängig erkrankte Personen gesenkt werden können.
Es gibt im Übrigen durch die staatlich kontrollierte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige auch die Möglichkeit, Drogenkartelle mittelfristig ökonomisch auszutrocknen und die damit verbundenen gesellschaftlichen Probleme, beispielsweise im Bereich der Geldwäsche oder auch der Zwangsprostitution, vor Ort akut zu mildern.
Ich würde mich deshalb sehr freuen, wenn Sie etwas Milde walten ließen und wir über unseren Antrag im Sozialausschuss reden könnten, um Wege zu finden, wie wir die staatlich kontrollierte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige in Zukunft organisieren können. Dem Antrag des SSW stimmen wir selbstverständlich zu.
Seit Anfang der Neunzigerjahre hat sich die SPD in Schleswig-Holstein dafür eingesetzt, dass Versuche zur therapeutischen Originalstoffvergabe in der Suchtkrankenhilfe in Deutschland möglich werden, wie sie seinerzeit bereits in England und in der Schweiz erprobt wurden. Diese Forderung war ein Ergebnis der umfassenden Anhörungen von Fachleuten im Rahmen unserer neuen Drogen- und Suchthilfepolitik für Schleswig-Holstein, die wir seit 1988 formuliert haben. Deshalb haben wir - Landtagsfraktion und Landesregierung - nicht nur entsprechende Vorstöße des damaligen Hamburger Senats im Bundesrat unterstützt, sondern auch unsere Bundestagsfraktion zu entsprechenden Anträgen angeregt.
Sie wissen, wer damals in Bonn regiert hat - die schwarz-gelbe Koalition, der ein liberales Denken in der Drogenpolitik völlig fehlte. Eine der halbherzigen Folgen der gemeinsamen Vorstöße war die Ergänzung des Betäubungsmittelgesetzes um den § 31 a; zur Initiierung eines Versuchs zur Heroinvergabe an schwerstabhängige Personen musste aber erst ein Regierungswechsel erfolgen. Wir aus Schleswig-Holstein haben darauf gedrängt, dass die neue Bundesregierung dies in ihr Programm aufnimmt, und wir haben darauf geachtet, dass dies in die Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und den Bündnisgrünen auf Bundesebene aufgenommen wurde, um überhaupt einen entsprechenden Modellversuch starten zu können.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Uns ging es darum, im Rahmen des derzeit geltenden Betäubungsmittelgesetzes in einem Modellversuch mit wissenschaftlicher Begleitung nachzuweisen, dass durch die ärztlich kontrollierte Behandlung schwer heroinabhängigen Menschen mit Heroin und in Kombination mit neuen Formen von psychosozialer Unterstützung nachhaltige Hilfe geboten werden kann. So kann für Menschen, die sonst durch kein anderes Hilfsangebot mehr erreichbar und gesundheitlich und sozial stark verelendet sind, möglicherweise eine Besserung der gesundheitlichen Situation und der sozialen Lage erreicht werden.
Meine Damen und Herren, da das heutige Betäubungsmittelgesetz keine Vergabe von Heroin erlaubt, kann der Modellversuch nur im Rahmen einer Arznei
mittelstudie durchgeführt werden. Darüber hat sich inzwischen auch Herr Dr. Garg informiert. Das ist natürlich ein Problem und dieses Problem hat Auswirkungen auf das Verhalten unseres Landes.
Hierbei gibt es sehr enge Grenzen. Ich will nicht weiter auf die Einzelheiten eingehen, aber es ist offensichtlich, dass so ein Versuch nur dort durchgeführt werden kann, wo der Druck - zum Beispiel durch eine große offene Szene - erheblich ist.
Solche offenen Szenen haben wir in diesem Umfang in Schleswig-Holstein nicht. Deshalb haben wir von Anfang an gesagt, dass wir uns - bei aller Unterstützung der Maßnahme an sich - nicht an dem Modellprojekt beteiligen werden. Dieses haben auch unsere Großstädte so gesehen. Was sollen wir als Land anders reden als die Städte Kiel und Lübeck, in denen das Problem, wenn man es einmal vergleicht, landesweit am größten ist?
Andere Großstädte in dieser Republik haben den Druck durch offene Szenen und deshalb haben sie sich an dem Modellprojekt beteiligt. Es sind insgesamt sieben Städte übrig geblieben. Andere sind inzwischen leider aus politischen und finanziellen Gründen, nicht aus sachlichen Gründen, aus diesem Projekt ausgestiegen. Es sind aber immerhin - ich will die Städte nennen - Bonn, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Köln und München, die dieses Projekt beantragt haben. Sie werden auch alle dabei bleiben, auch wenn sich in Hamburg eine Regierungsneubildung ergibt. Ich habe mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass dort die Absicht besteht, sich weiterhin an das Gesagte zu halten.
Am 22. August wurde nach langjährigem und relativ zähem Ringen die Kooperationsvereinbarung zwischen diesen Städten und den vier Bundesländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen unterzeichnet. Dies war letztlich möglich geworden, nachdem das Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte sowie die Ethik-Kommission der Hamburger Ärztekammer das im Hamburger Universitätskrankenhaus Eppendorf entworfene Studiendesign genehmigt hatten.
Wenn die Studie nach Ablauf und Auswertung des Modellversuchs nach drei Jahren zu dem Schluss kommt, dass Heroin für bestimmte Indikationen als Arzneimittel zugelassen werden soll, dann wird sich auch Schleswig-Holstein für eine solche Behandlung in unserem Land stark machen. Bis dahin werden wir das Modellprojekt aufmerksam begleiten.