Protokoll der Sitzung vom 28.01.2009

Ich bitte um einen letzten Satz!

Ich warne deshalb vor einem Irrweg, der - ähnlich wie die Atomenergie - gewaltige Finanzen verschlingen wird und am Ende ergebnislos abgebrochen werden muss. Da zwei gegensätzliche Anträge von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorliegen, beantrage ich, beide Anträge an den Umweltund Agrarausschuss und an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Olaf Schulze. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die FDP setzt auf neue Kohlekraftwerke in Brunsbüttel. Widersprüche im eigenen Handeln interessieren Herrn Dr. Garg offenbar nicht, der nebenbei auch Kreisvorsitzender der FDP in Kiel ist. In der Kieler Ratsversammlung agiert die FDP zusammen mit der CDU pro Kohlekraft und vergisst völlig ihre Aussagen im eigenen Wahlprogramm.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist ja Lüge!)

Dort steht unmissverständlich in Anlehnung an grüne Forderungen: Wir lehnen den Neubau eines Kohlegroßkraftwerks ab. Wir wollen auf dem Ostufer ein Gas- und Turbinenkraftwerk errichten, das zunächst mit Erdgas, später mit Biogas betrieben

(Olaf Schulze)

wird. Ansonsten wollen wir dezentrale BHKWs und erneuerbare Energien.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Was aber folgt in der Praxis? - Bei der Abstimmung in der Ratsversammlung über das Aus für das geplante 800-MW-Kohlekraftwerk stimmt die FDP dagegen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Nein, nein! Sie lü- gen!)

- Herr Dr. Garg, das mache ich mit Genuss, weil Sie immer derjenige sind, der Widersprüche im politischen Handeln moniert.

Herr Dr. Garg, Sie haben nachher drei Minuten Redezeit. Das ist schon notiert.

Mit der CCS-Technologie wird die Machbarkeit der sogenannten clean coal - der sauberen Kohle suggeriert. Das ist die letzte Trumpfkarte der Kohleindustrie. In der McKinsey-Studie „Carbon Capture and Storage: Assessing the Economics“ geht man davon aus, dass die CO2-Abscheidung und -speicherung ab 2030 wirtschaftlich nutzbar sein kann. Sie wird dann nicht wirtschaftlich sein, aber sie kann wirtschaftlich werden. Im Landeshaushalt sind beim Umweltministerium für das Projekt zur Modellierung und Parametrierung von CO2-Speicherung in salinen Formationen für das Jahr 2009 über 170.000 € eingestellt. Für 2010 belaufen sich diese Mittel auf fast 160.000 €. Das lehnen wir ab, weil wir eine Subventionierung dieser Steinzeittechnik der Kohleverbrennung mit öffentlichen Mitteln nicht wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind als Landtag von Schleswig-Holstein immerhin eine gesetzgebende Körperschaft. Ich möchte feststellen, dass wir zurzeit keine gesetzliche Grundlage für die CCS-Technologie haben.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Herr Kollege Kayenburg, zum Beispiel ist die rechtliche Frage, ob es sich um Abfall oder nicht um Abfall handelt, zu klären. Das ist eine bedeutende Festlegung, denn dies würde festlegen, ob das Umweltministerium oder ob das Wirtschaftsminis

terium zuständig wäre, ob das Bergrecht oder ob das Abfallrecht gelten würde. Alle diese Fragen sind nicht geklärt. Auch die Pflichten der zukünftigen Betreiber sind keineswegs eindeutig geklärt. Dafür brauchen wir eine rechtliche Grundlage. Mindestens die sollte man abwarten, bevor man einen Einstieg in diese Technologie fordert, wie die FDP es hier tut.

Wir haben viele Gründe gegen die CCS-Technik genannt. Die CCS-Technik ist technisch nicht ausgereift. Das ist eine eindeutige und von niemandem bestrittene Feststellung. Die Wirkungsgrade der Kraftwerke würden deutlich sinken, weil die Technik Energie in Anspruch nimmt, Herr Kollege Garg. Statt 100 t Kohle müssten 120 t Kohle eingesetzt werden. Bei einer Abscheidungsrate von 80 %, die auch die Befürworter dieser Technik vorhersagen, haben wir also einen Reinigungsgrad von etwa drei Viertel. Das heißt, ein Viertel der Kohle wird nicht von CO2 gereinigt. Insofern kann man sagen, dass allein die Begrifflichkeit von CO2-freier Stromproduktion aus Kohle schlicht falsch ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt eine Reduzierung in einer Größenordnung, die wir in etwa bei der Stromerzeugung aus Erdgas kennen. Selbst wenn diese Technik käme; der zusätzliche Aufwand hat auch etwas mit der Wirtschaftlichkeitsseite zu tun. Die Wirtschaftlichkeit der Kraftwerke würde sehr deutlich sinken.

Die CCS-Technologie kommt auch zu spät. Erinnern wir uns an die Mahnungen des Weltklimarates. Der sagte, wir müssten heute, bis 2013, handeln. Wir sollten heute keineswegs eine Technologie nach vorn schieben, die erst ab 2030 greift. Das ist etwas, was uns im Rahmen der Klimapolitik unter Berücksichtigung der Zeitschiene als Instrument verboten sein muss. Wir haben ganz andere und viel größeren Erfolg versprechende Instrumente zur Hand. Die CCS-Technologie verteuert die Erzeugung von Strom und Wärme.

Herr Kollege, die Zeit!

Ich komme zu meinem letzten Satz: Neue Kraftwerke verhindern die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien. CO2-Senken werden für zukünftige Generationen verstopft. Wir erzeugen wieder neue „Ewigkeitskosten“. Deshalb lehnen wir die CCS

(Detlef Matthiessen)

Technik ab. Saubere Kohle ist und bleibt eine dreckige Lüge.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen. - Für den SSW im Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein CCS-Versuchsprojekt in SchleswigHolstein - eine nicht ausgereifte Technologie mit unüberschaubaren Konsequenzen. Das ist die Antwort der FDP auf die Frage, wie die Energie- und Klimaprobleme der Zukunft gelöst werden sollen.

Ein Teil des EU-Klimapaktes - der durchaus auch ambitionierte Ziele formuliert - ist die Förderung von bis zu zwölf Versuchsprojekten zur Kohlendioxidabscheidung beziehungsweise -lagerung. Damit werden Tür und Tor für eine Energieform geöffnet, von der wir bereits heute wissen, dass sie der Vergangenheit angehören muss. Der Bau neuer Kohlekraftwerke zum dauerhaften Betrieb ist nicht die Antwort darauf, wie unsere langfristige Energieversorgung nach dem Atomausstieg aussehen soll. Die CO2-Schleudern - und nichts anderes sind Kohlekraftwerke - sind erst recht nicht die Antwort auf die Frage, wie die Klimaprobleme zu lösen sind. Das wissen wir.

Das vermeintliche Zauberwort zur Lösung der Probleme heißt nun angeblich CCS-Technologie. Das ist eine Technologie, die auf dem Papier hervorragend funktioniert, aber in der Realität mehr Fragen als Antworten aufwirft. Nach einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey benötigt die CCSTechnologie eine Anschubfinanzierung von 0,5 bis 1,1 Milliarden € aus der Staatskasse. Angesichts der Tatsache, dass die CCS-Technologie noch in den Kinderschuhen steckt, ist es fraglich, wie hoch die Forderung letztendlich wirklich ausfallen wird.

Wir wissen, dass es bereits Pilotprojekte bei der CO2-Abtrennung gibt. Die beiden gängigsten Verfahren hierbei sind die CO2-Abtrennung nach der Verbrennung und die CO2-Abtrennung vor der Verbrennung. Für beide Verfahren gilt aber, dass die Abtrennung Kosten verursacht. Vorsichtigen Schätzungen zufolge belaufen sich diese auf eine Höhe von 60 bis 110 € pro Tonne CO2. Darüber hinaus sinkt die Energieeffizienz, und der Rohstoffver

brauch steigt an. Das soll heißen, dass sich die Kosten entsprechend auf den Strompreis niederschlagen, den wir alle zu tragen haben.

Ein viel größeres Problem entsteht jedoch, nachdem die Abtrennung stattgefunden hat. Wohin mit dem Klima-Killer? Neben der Frage, wie der Transport von mehreren Millionen Tonnen CO2 geregelt werden soll, stellt sich insbesondere die Frage, wo es gelagert werden soll. Auch hier sind sich die Experten nicht gänzlich sicher. Dazu gibt es mehrere Vorschläge. Leere Öl- und Gasfelder, mit Salzwasser gefüllte geologische Schichten und Kohleflöze kommen nach Einschätzung von Experten dafür in Deutschland in Frage. Die Wirtschaftlichkeit der genannten Lagerkapazitäten ist ebenfalls nicht geklärt, aber sicher ist, dass sich der Transport und die Lagerung auch auf den Strompreis niederschlagen werden, den wir alle - wie gesagt - zu zahlen haben.

Im Zusammenhang mit der Lagerung ist der Sicherheitsaspekt hierbei noch unberücksichtigt geblieben. Neben der aufwendigen Lagerung müssen die Hinterlassenschaften auch noch langfristig überwacht werden. Denn niemand kann mit hundertprozentiger Sicherheit garantieren, dass die Lagerstätten auch wirklich dicht halten. Die Risiken, die damit verbunden sind, sind nicht abschätzbar.

Dass das CCS-Verfahren auch zu Kosteneinsparungen für den Verbraucher führen wird, ist also eher zu bezweifeln. Wir haben somit nichts gewonnen - außer der Erkenntnis, dass dies nicht der richtige Weg ist.

Anstatt Kohlekraftwerke nur als notwendige Übergangslösung zu sehen, wird mit der fragwürdigen CCS-Technologie einer Technologie Vorschub geleistet, von der wir heute noch nicht wissen, ob sie funktioniert und wie sie sich auswirken wird. Eines wissen wir aber bereits heute: Wenn wir erst mit dem Einstieg in diese Technologie beginnen, dann wird es schwer werden, dies wieder rückgängig zu machen. Dann haben wir die gleiche Diskussion wie heute bei den Atomkraftwerken, nämlich dass sie als klima-saubere Energieerzeuger dargestellt werden, was sie definitiv nicht sind.

Anstatt also auf eine Energieform zu setzen, die nur eine Übergangsform sein darf, und anstatt Milliarden in diese Technologie zu pumpen, müssen wir auf Energieeinsparung, verbesserte Energieeffizienz und erneuerbare Energien setzen, deren Ausbaupotenzial auch hier bei uns im Land noch lange nicht erschöpft sind. Hier müssen wir in die Forschung investieren, nur so leisten wir wirklich einen Beitrag zum Klimaschutz.

(Detlef Matthiessen)

(Beifall des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms und erteile für einen Dreiminutenbeitrag Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Matthiessen, man muss schon sehr verzweifelt sein, wenn man das Instrument der Unwahrheit als politisches Stilelement in diese Debatte einbringt. Ich weiß nicht, ob es möglicherweise mit der neuen Kreisvorsitzenden der Grünen in Kiel zu tun hat, dass Falschbehauptungen zunehmend zum Instrument der Politik bei den Grünen in Kiel wird. Das kann ich nicht sagen. Aber ich will richtigstellen, dass die FDP in der Kieler Ratsversammlung nie dem Bau eines 800-Megawatt-Kohlekraftwerks zugestimmt hat. Die FDP hat gegen die Aufkündigung des Moratoriums gestimmt, eines Moratoriums, das Ihre Partei vor der Kommunalwahl mitbeschlossen hat, Herr Matthiessen.

(Beifall bei der FDP - Torsten Geerdts [CDU]: Stimmt!)

Das ärgert übrigens die Union, dass wir in Kiel kein Kohlekraftwerk wollen und auch weiterhin für ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk werben. Aber dass Sie sich wirklich hinstellen und behaupten, wir hätten in der Kieler Ratsversammlung für den Bau eines Kohlekraftwerks gestimmt, das sucht schon seinesgleichen. Sie haben ja selber in Ihrem abschließenden Satz den Begriff „dreckige Lüge“ geprägt. Ich wäre an Ihrer Stelle ein bisschen vorsichtig.

Ich lasse die Redebeiträge der beiden energiepolitischen Sprecher der Großen Koalition Revue passieren: Herr Ritzek, Sie haben unserem Antrag große Sympathie und Beifall bekundet, und Herr Schulze, ich nehme Ihnen das nicht übel, dass Sie eine ganz andere Position als Ihre Europa- und Bundestagsfraktion haben. Wir haben auch eine andere Auffassung als unsere Bundespartei, was die Aufkündigung des Energiekonsenses anbelangt. Aber ich fordere beide Fraktionen auf: Mut zur Sache! Stimmen Sie, liebe CDU-Fraktion, unserem Antrag zu, und stimmen Sie, sehr geehrte SPD-Fraktion, dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu, dann haben wir hier klare Verhältnisse, anstatt dass wir das Ganze in den Ausschuss überweisen,

(Beifall bei der FDP)

wo es dann so lange weichgekocht wird, bis nichts mehr übrig bleibt!

Herr Ritzek, ich fordere Sie auf: Haben Sie den Mut, sorgen Sie dafür, dass unserem Antrag zugestimmt wird, wenn Sie das alles richtig, gut und begrüßenswert finden, was da drin steht! Und Herr Schulze, ich fordere Sie auf, dass, wenn Sie das richtig finden, was die Grünen aufgeschrieben haben, Sie dem zustimmen.

Ich beantrage Abstimmung in der Sache.