Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Müller, es steht mir überhaupt nicht zu, irgendetwas zu den Neumünsteraner Kollegen und Kolleginnen zu sagen. Aber wenn ich richtig informiert bin, dann hat ein Kreisparteitag der Grünen hier in Kiel sehr differenziert über die Frage entschieden, ob die Kapazitäten in Kiel ausgebaut werden sollten oder nicht. Die Grünen haben sich windelweich aus der Verantwortung geschlichen:
Die Hälfte hat Ja gesagt, ein Viertel hat sich enthalten und ein Viertel hat die Erweiterung abgelehnt. So viel zur Glaubwürdigkeit von Positionen kommunalpolitischer Größen.
Ich werde allerdings bei der Frage hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit Hamburg leidenschaftlich und deswegen habe ich mich noch einmal gemeldet. Kollege Harms, das habe ich wirklich nicht verstanden. Es macht doch nur Sinn zu gucken, wie sich dort die Kapazitäten entwickeln, um Entscheidungen in Schleswig-Holstein treffen zu können. Ansonsten könnte ich auch sagen: Sämtliche
Schleswig-Holsteiner, die jemals ein Flugzeug benutzen, dürfen nicht mehr nach Hamburg, sondern müssen von Schleswig-Holstein aus abfliegen.
Wir sind beieinander, wenn es darum geht, Mülltourismus und Müllakquise kreuz und quer durch Europa zu verhindern. Aber genau diese Müllakquise - das sage ich Ihnen heute voraus - werden wir betreiben müssen, wenn Hamburg baut und seine Kapazität um über 750.000 t erweitert und wir den dritten Kessel beispielsweise hier in Kiel auslasten wollen. Genau dann werden wir Müllakquise kreuz und quer durch Europa betreiben und genau deshalb läuft Ihre Argumentation ins Leere. Nein, sie ist sogar völlig falsch an dieser Stelle.
Wir müssen mit Hamburg zusammenarbeiten und da interessiert es mich gar nicht, ob die letzte Landesregierung ein anderes Konzept hatte oder nicht. Wichtig ist vielmehr, was jetzt für die Zukunft passiert, und da ist eine Zusammenarbeit mit Hamburg unumgänglich. Ich würde mich freuen, wenn wir gemeinsam die Positionen, die Sie hier insbesondere zur Zusammenarbeit mit Hamburg vorgetragen haben, im Wirtschaftsausschuss noch einmal überdenken könnten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es steht mir zwar nicht zu, Grüne zu verteidigen, aber, Herr Kollege Dr. Garg, so viel Ehrlichkeit in der Retrospektive muss doch sein: Wenn ein grüner Kreisparteitag in Kiel im Grunde sagt, er stimmt der Einrichtung der so genannten dritten Kessellinie in Kiel zu, ist das aus der Sicht der Grünen - wenn man einmal die Geschichte ein Stück betrachtet und nicht völlig ausblendet - ein großer Schritt. Ich kann mich noch an sehr viele Diskussionen auch mit Grünen-Politikern erinnern.
Ich möchte auch meinen Kollegen Bernstein gegen den Kollegen Müller in Schutz nehmen: Es ist nicht ganz richtig, Vorwürfe an Herrn Bernstein zu richten und dabei zu vergessen, wie die grüne Position der letzten Jahrzehnte war. Herr Kollege, es war Ihre Politik, die ganz entscheidend mit auf die permanente Bestückung mit MBAs gesetzt hat und die die
Bundesvorschriften nach der Technischen Anleitung Siedlungsabfälle schlichtweg außer Acht gelassen hat. Heute stehen wir vor der Situation, dass uns die notwendigen Verbrennungskapazitäten fehlen, um zum Beispiel Gewerbeabfälle zu inertisieren und damit ablagerungsfähig zu machen. Die Zwischenlager, die wir zur Zeit haben, sind „wilde Müllkippen“, wo jeden Tag ein größerer Brand entstehen kann, wo es Sickerwässer gibt und all diese Geschichten. Das wissen Sie auch, Herr Kollege. Ich bin gern bereit, mit Ihnen darüber eine Fachdiskussion anzustrengen. Ich habe mich vier Jahre lang als umweltpolitischer Sprecher auch mit anderen in dieser Frage gestritten. Insofern macht der dritte Kessel in Kiel Sinn und ich freue mich, wenn wir da Einigkeit haben.
Herr Kollege Dr. Garg, ein Stück mehr Selbstbewusstsein als Schleswig-Holsteiner würde ich auch Ihnen wünschen, statt immer nur nach Hamburg zu schauen wie das Kaninchen auf die Schlange und zu sagen: Was machen die Hamburger, dürfen wir eigentlich überhaupt noch etwas machen? Deshalb dürfen wir auch keinen Flughafen haben, vielleicht bald auch keinen Bahnhof mehr, denn die haben auch einen Hauptbahnhof.
Die Affinerie hat bisher überhaupt noch keine Ausbauentscheidung getroffen, Kiel hingegen hat eine Ausbauentscheidung getroffen. Sie haben bei einem Recht, Herr Dr. Garg, dass Müll auch in Zukunft ein einträgliches Geschäft sein kann. Ich sage Ihnen, wenn wir die Voraussetzungen hierfür in Schleswig-Holstein schafften, zum Beispiel in Kiel, mit einer Anlage, die umwelttechnisch an der Spitze in Europa steht, warum sollen wir uns dieses Aufkommen dann in Schleswig-Holstein nicht verfügbar machen, insbesondere aus Sicht der Gebührenzahler, und dadurch eine stärkere Gebührenstabilität auch in Kiel erwarten dürfen?
Es ist so, Herr Kollege Dr. Garg. Sie haben ein Problem mit Ihrer Position - wackel hier, wackel da. In Sachen Müllentsorgungssicherheit hilft das nicht weiter.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen erst einmal eines feststellen: Es ist immer noch kommunale Aufgabe, die Abfallwirtschaft zu betreiben. Wenn sich eine Kommune entschließt, mit einer anderen Kommune, mit einem anderen Bundesland, zum Beispiel mit dem Bundesland Hamburg, zusammenarbeiten, dann habe ich das nicht zu entscheiden, sondern die jeweilige Kommune. Das ist nicht das Problem.
Worum es hier geht, lieber Kollege Müller, ist, dass in dem Antrag geschrieben steht: Wir wollen ein gemeinsames Konzept entwickeln, Land und Land gemeinsam, um zu gucken, wie man den Müll in Zukunft verarbeiten kann. Wir haben seinerzeit, als Sie noch Umweltminister waren, gefordert, wenigstens ein Abfallwirtschaftskonzept für SchleswigHolstein zu bekommen, das haben wir noch nicht bekommen. Frau Todsen-Reese und ich waren uns damals sehr einig und wir vermissen es bis heute. Ich glaube nicht, dass es der richtige Weg ist, vorher politisch festzulegen, in welchem Rahmen man grenzüberschreitend zusammenarbeitet. Ich sehe das ähnlich wie der Kollege Stritzl, wir sollten sehen, dass wir das so ortsnah wie möglich gebacken kriegen.
Das war bisher auch immer die Haltung der Grünen. Ich verstehe auch deshalb Ihre Argumentation in dieser Weise nicht, weil man das ganzheitlicher betrachten muss. Es geht nicht nur um die reine Verbrennung und ökonomische Aspekte, es geht auch um Transport, um Ausbildung, um Fachgerechtigkeit, Emissionswerte und so weiter. Das sind die Kriterien, an denen ich messe, nicht das zwangsweise Zusammenarbeiten mit einer anderen Gebietskörperschaft, mit einem anderen Land. Es geht darum, dass ich die Qualität haben will.
Dann muss ich mir überlegen, welches der richtige Ansatz ist. Der richtige Ansatz ist nicht, ein Konzept zu entwickeln und zu sagen, das ist jetzt das schöne Konzept, das ich habe, um in irgendeiner Art und Weise einen Weg zu finden, wie ich Mülltourismus vermeide, sondern ich muss die Grundlage des Mülltourismus lahm legen. Es sind wirtschaftliche Gründe, die da eine Rolle spielen. Ich muss sehen, dass sich der Transport von Müll nicht mehr lohnt. Ich muss sehen, dass für uns Qualitätsstandards so hoch gesetzt werden, dass es sich
Seien wir doch einmal ehrlich im Hinblick auf das, was da geschieht. Ich muss ökologische Standards festlegen, sowohl für den Transport als auch für die Behandlung in Anlagen. Ich muss Ausbildungsstandards festlegen, damit ich Leute habe, die den Müll fachgerecht behandeln und auch entsorgen. Ich muss Lohnstandards festlegen, weil ich sonst keine vernünftig ausgebildeten Leute bekomme.
Das sind die Möglichkeiten, die ich habe, wenn ich Mülltourismus wirklich verhindern und gleichzeitig die Qualitätsstandards erhöhen will. Das ist die Argumentation, die ich versucht habe vorzubringen. Deswegen glaube ich, dass Ihr Weg der falsche Weg ist. Der richtige Weg ist, auf Qualität zu setzen, dann steuert sich das System von alleine. So hat Wirtschaft schon immer funktioniert.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde, wir führen eine qualitativ sehr gute Debatte, auch wenn manchmal einige Dinge klargestellt werden müssen. Zunächst zur Historie: Natürlich haben wir gegen Müllverbrennungsanlagen gekämpft, die damals auf einem Stand waren, der zu erheblichen Belastungen der Bevölkerung führte, insbesondere wenn es Anlagen waren, die mitten in besiedelten Gebieten standen. Ich kann mich noch erinnern, dass wir Anlagen hatten - ich denke einmal an Stellingen damals -, die völlig ohne Filter arbeiteten. Das waren Zeiten, die man sich heute nicht mehr vorstellen kann. Da sind anschließend noch für zig Millionen DM - ich glaube, es waren 100 Millionen DM - Filteranlagen nachgerüstet worden. Es hat eine Historie gegeben, die dazu geführt hat, dass wir heute qualitativ sehr hochwertige Anlagen haben, und darüber freuen wir uns.
Darüber hinaus, Herr Harms, wollen wir natürlich eine Planung und diese Planung soll natürlich ökologische Gesichtspunkte, Qualitätsgesichtspunkte, Transportgesichtspunkte und so weiter berücksichtigen. Ob man das Konzept nennt oder wie man es sonst nennt, ist mir relativ egal. Es spielt keine Rolle, wie man das nennt. Wichtig ist, dass mit Hamburg geredet wird und dass es eine abgestimmte
Politik gibt, damit die Kommunen wissen, wie sie planen können, denn die Kommunen können ja nicht ins Blaue planen.
Und noch einmal zum Beschluss des Kieler Kreisverbandes. Der Kieler Kreisverband hat beschlossen: Ja, wir steigen in Kiel in die Planung ein, aber wir beobachten weiter, was in Hamburg passiert.
Das ist natürlich ein sehr verantwortungsvoller Beschluss, weil alle hier gesagt haben - der Minister hat es auch gesagt -: Wenn die Affinerie 750.000 t bereitstellt, sind alle anderen Planungen obsolet.
Das war die Kernaussage des Ministers. Also muss man so handeln, wie der Kieler Kreisverband entschieden hat. Ich denke, dass das ein sehr verantwortungsvoller Beschluss ist.
Letzter Punkt: Zu der Qualität! Es ist natürlich auch eine Frage der Koordination und der Planung, ob man weitere Müllverbrennungskapazitäten oder Müllvorbehandlungskapazitäten baut, die dazu führen, dass am Schluss nur noch ein Bruchteil verbrannt werden muss. Auch das ist eine Entscheidung, die geplant und getroffen werden muss. Immerhin hat der Bau der MBAs in Lübeck und Neumünster dazu geführt, dass in Schleswig-Holstein in erheblichem Umfang weniger verbrannt werden muss, als ohne den Bau dieser beiden MBAs. Das ist ein qualitativer Fortschritt, den wir begrüßen. Insofern muss bei den zukünftigen Planungen der Kommunen auch dies berücksichtigt werden.
Das Prinzip „erst Vorbehandlung, dann Verbrennung“ sollte auch in Diskussionen mit den Kommunen erreicht werden. Ich glaube, wenn wir diese Diskussion in den letzten Jahren nicht gehabt hätten - natürlich hat es Pläne und Konzepte gegeben, Herr Harms -, hätten wir auch heute nicht die Situation, dass wir in Schleswig-Holstein diese beiden großen MBAs haben. Sie sind Ergebnis solcher Planungen, solcher Diskussionen und übergreifender Koordination, sonst wären sie nämlich gar nicht möglich gewesen. Kein Kreis hätte das allein realisieren können. Insofern glaube ich, dass es sehr sinnvoll ist, ein solches Konzept zu entwickeln, natürlich gemeinsam mit Hamburg.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es hätte des Antrags der Grünen nicht bedurft, um sich um ein gemeinsames Konzept mit Hamburg zu bemühen. Dies steht längs im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD.