Protokoll der Sitzung vom 01.06.2006

Ich wiederhole es noch einmal: Ich habe Vorschläge gemacht. Die von Ihnen bekämpfte konsequente Verwaltungsstrukturreform wäre zum Beispiel eine Möglichkeit. Ebenso wäre hier der von Ihnen bekämpfte Eingriff in die Personalkosten zu nennen, wodurch die Kommunen entlastet werden könnten. Weiterhin nenne ich den von Ihnen bekämpften Eingriff in den kommunalen Investitionsfond, obwohl die Kommunalkredite auch kaum teurer sind. All dies sind Vorschläge. Der Standardabbau wäre ein weiteres Stichwort. Bei bestimmten Themen, bei denen man meint, sparen zu können, ist Standardabbau allerdings nicht am Platze. Sehr verehrter Herr Kubicki, die Kita-Standards zu schleifen führt nicht zu Einsparungen, sondern kostet uns in der Zukunft etwas. Deswegen werden wir das auch nicht tun.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Kubicki, wenn Sie für die Abschaffung der Mitbestimmung, mit der die FDP noch nie etwas am Hut hatte, eintreten, zugleich aber wie heute Vormittag hier den Arbeitnehmervertreter spielen, so muss ich sagen, dass Ihnen diese Rolle nicht steht. Sie sollten diese Rolle hier deshalb nicht zu spielen versuchen. Wir werden versuchen, die Kommunen - das ist meine Aufgabe als Kommunalminister - in die Lage zu versetzen, ihren Beitrag ohne solche Horrorkataloge mit zu erbringen.

Als Letztes möchte ich noch Folgendes sagen. Es nützt den Kommunen nichts, dann, wenn wir in einer Haushaltsnotlage sind und das Land in eine Situation kommt, in der andere - ich nenne hier Bremen, das Saarland und Berlin - schon sind, am Ende Dinge tun zu müssen, bei denen bei den Kommunen noch viel härter eingegriffen werden muss als bei dem, worüber wir hier reden. Wir müssen fair verfahren.

Ich sage es noch einmal: Ich gönne Ihnen den Applaus von Demonstranten. Das ist vielleicht der Ersatz für gestaltende Regierungspolitik. Dieser Applaus sei Ihnen gegönnt. Zu mehr wird es, so fürchte ich, nicht reichen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Wortbeitrag nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung - das bedeutet Verlängerung der Redezeit für alle Fraktionen - erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

(Wolfgang Kubicki)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Innenminister, es war ja rhetorisch ganz nett, was Sie erzählt haben. Vielleicht erinnern Sie sich dunkel daran, dass die FDP die Mitbestimmung in den 70er-Jahren mit eingeführt hat. Es mag allerdings sein, dass Sie historisch nicht so bewandert sind, um dies zu wissen.

Sie haben die zentrale Frage des Kollegen Kubicki schlicht nicht beantwortet, wahrscheinlich, so nehme ich an, weil Sie sie nicht beantworten wollen. Ich stelle die Frage deswegen hier noch einmal und erwarte von Ihnen, dass Sie diese Frage heute hier klipp und klar entweder mit Ja oder mit Nein beantworten. Herr Minister Dr. Stegner, ich stelle Ihnen die Frage: Wird es in dieser Legislaturperiode keinen weiteren Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich geben - Ja oder Nein?

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die Landesregierung erteile ich Innenminister Dr. Ralf Stegner das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die FDP die Mitbestimmung erfunden hat, ist mir in der Tat neu. Davon habe ich noch nie etwas gehört. Ich glaube auch nicht, dass in irgendeinem Geschichtsbuch steht, dass die FDP die Mitbestimmung erfunden hat. Das wäre wirklich etwas ganz Neues. Sie haben die Mitbestimmung nicht immer gleichermaßen bekämpft, aber hier im Landtag habe ich in den letzten Jahren von Ihnen nur Reden gehört, die sich kritisch mit der Mitbestimmung auseinander gesetzt haben.

Nun zu Ihrer Frage. Die Landesregierung hat beschlossen, dass wir bis zum Ende der Legislaturperiode jährlich einen Eingriff in Höhe von 120 Millionen € bei den kommunalen Finanzen vornehmen müssen. Das ist die Beschlusslage der Landesregierung. Diese Beschlusslage gilt. Diese Beschlusslage ist Ihnen heute hier vorgetragen worden. Andere Beschlüsse der Landesregierung kenne ich nicht. Wenn Sie etwas von anderen Beschlüssen gehört haben, sollten Sie noch einmal hierher nach vorne kommen und sagen, worauf Sie sich beziehen. Die Landesregierung hat, wie gesagt, für den Rest der Legislaturperiode einen Eingriff in Höhe von jährlich 120 Millionen € in die kommunalen Finanzen beschlossen. Etwas anderes ist mir nicht bekannt.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. - Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/775, federführend dem Innenund Rechtsausschuss und mitberatend dem Finanzausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Es ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Herzkrankheit

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/786

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Ursula Sassen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auslöser für unseren Antrag war eine Veranstaltung der Landesarbeitsgemeinschaft Herz und Kreislauf in Schleswig-Holstein e.V. hier im Landeshaus. An dieser Stelle möchte ich dem Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft und allen Beteiligten danken, die sich in den Herzgruppen und für die Gesundheitsinitiative „Herzintakt“ engagieren.

(Beifall bei CDU und SPD)

Kardiologen und Rettungsdienste sind sich darüber einig, dass der frühe Einsatz von Defibrillatoren Leben rettet.

(Zuruf von der SPD: Was ist das?)

- Das kommt sofort. - Herz- und Kreislauferkrankungen sind die häufigste Todesursache. Jährlich sterben zwischen 100.000 und 150.000 Menschen in Deutschland an dem plötzlichen Herztod, dessen häufigste Ursachen Kammerflimmern und Asystolie sind.

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Da auch Politiker Kammerflimmern bekommen können, würde ich mich über mehr Aufmerksamkeit freuen. Sie können viel dabei lernen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Plötzlicher Herzstillstand kann auch durch Ertrinken, Stromunfälle, Ersticken und Traumata ausgelöst werden. Kammerflimmern ist eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung und kann als Komplikation bei Herzinfarkt oder auch spontan im Zusammenhang mit dem Erscheinungsbild des so genannten plötzlichen Herztodes auftreten und theoretisch jeden treffen. Im Normalfall arbeiten die unzähligen Muskelzellen des Herzmuskels durch eine gezielte Steuerung über das Erregungsleitungssystem optimal zusammen. Durch eine Störung in diesem System kommt es zum unkoordinierten Zusammenziehen der einzelnen Herzmuskelzellen. Das Herz führt dann keine ordnungsgemäßen Schläge mehr aus, die Pumpleistung fällt aus, und der Patient erleidet einen Kreislaufstillstand. Dieser Kreislaufstillstand kann im Falle des Kammerflimmerns nicht durch die Herzdruckmassage abgewendet werden, da der Herzmuskel weiter flimmert und sich deshalb nicht mehr mit Blut füllen kann. Die einzig erfolgreiche Behandlung zur Unterbrechung des Kammerflimmerns ist die Defibrillation. Dabei werden durch einen gezielten Elektroschock die unkoordinierten Aktivitäten der Herzmuskel gestoppt. Entweder reagieren sie dann wieder normal oder das Herz steht still. Bei einem solchen Stillstand wird durch die Herzdruckmassage eine manuelle Kreislaufaktivierung ermöglicht. Ohne Therapie würde innerhalb weniger Minuten der Tod eintreten. Jede Minute ohne Defibrillation verringert die Überlebenswahrscheinlichkeit des Betroffenen um 7 bis 10 %. Durch Defibrillation wird daher wertvolle Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes gewonnen.

In Deutschland überleben beim Erscheinungsbild des so genannten plötzlichen Herztodes nur etwa 3 bis 8 %, während in den USA die Überlebensrate deutlich höher ist und bei 15 bis 60 % liegt. Das liegt daran, dass es in den USA Regionen gibt, in denen Defibrillatoren öffentlich zugänglich sind und wie Feuerlöscher zur Verfügung stehen.

Das Deutsche Rote Kreuz und die Bundesärztekammer fordern solche Laien-Defibrillatoren auch in Deutschland. Ich habe mir am vergangenen Wochenende von einem Notfalltrainer den Umgang mit einem solchen Gerät erklären lassen. Er ist überzeugend einfach.

Das Gerät ist batterie- bzw. akkubetrieben. Es leitet selbst ein EKG ab, wertet dieses aus und gibt dem Benutzer per Sprachmodul genaue Anweisungen, was dieser zu tun hat. Wenn die Analyse des EKG einen defibrillationswürdigen Befund ergibt, fordert das Gerät die Defibrillation. Die Abgabe des Schocks erfolgt durch den Ersthelfer via Auslöseknopf.

In der Öffentlichkeit sind Wirksamkeit und Anwendung der Automatischen Externen Defibrillatoren kaum bekannt. Ziel unseres Antrages ist daher auch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und der selbstverständliche Umgang mit solchen Geärten. Die Laien-Schulung ist relativ einfach und sollte daher auch Bestandteil der Erste-Hilfe-Kurse für die Führerscheinprüfung sein.

Es hat mich überrascht, dass die Hamburger Polizei keinen Bedarf für eine solche sieht. Ich zitiere:

„Diese Bedarfsbeurteilung basiert auf dem Standard des Rettungswesens in Hamburg, mit dem eine unverzügliche Erreichbarkeit durch ausgebildete … Rettungskräfte in kürzester Zeit gesichert ist. Diese Bedarfsbeurteilung basiert dabei auch auf den langjährigen Erfahrungen der Polizei Hamburg mit entsprechenden Notfalleinsätzen.“

Wenn die Mitarbeiter des Notfalldienstes da sind, ist es ja gut, aber sie müssen eben auch schnell genug da sein. Die besten Überlebenschancen bestehen, wenn innerhalb von fünf Minuten ein Defibrillationsschock abgegeben wird, sodass es Sinn macht, auch Polizei und Feuerwehr mit entsprechenden Geräten auszurüsten.

Da jede Minute zählt und Defibrillation auch als Präventionsmaßnahme nachhaltiger Folgen durch Herzstillstand gesehen werden muss, bitte ich Sie, unserem Antrag nicht halbherzig, sondern aus vollem Herzen zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Für die Fraktion der SPD erteile ich der Frau Abgeordneten Jutta Schümann das Wort.

(Unruhe)

- Die intensiven Männerstimmen der letzten Reihe aufseiten der Fraktion der CDU stören doch ein wenig.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schlechte Nachricht für die Schleswig-Holsteiner: Bei einem akuten Herzinfarkt liegen ihre Überlebenschancen exakt 19 % unter dem Bundesdurchschnitt. 97 Patienten pro 100.000 Einwohner starben bei uns nach einer akuten Herzattacke. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt waren es 78. Zu diesem Ergebnis kommt die Techniker Krankenkasse nach Auswertung des Herzberichts 2004 zur Kardiologie und Herzchirurgie in Deutschland.

Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems sind in Deutschland Todesursache Nummer eins. Jährlich sterben in Schleswig-Holstein 14.000 Menschen daran. Diese Zahlen sprechen für sich. Trotz großer Bemühungen vieler Akteure in der Vergangenheit, trotz der engagierten Arbeit der Landesarbeitsgemeinschaft Herz und Kreislauf in Schleswig-Holstein e. V. mit ihrer Kampagne „Herz-Intakt“ gilt es weiterhin, Maßnahmen einzuleiten, um koronare Herzkrankheiten weiter zu verringern.

Herzinfarkt und Herzschwäche lassen sich verhindern. Richtiges Verhalten beim Herzinfarkt sichert das Überleben oder verringert den Schweregrad der Erkrankung. Beim plötzlichen Herztod müssen medizinische Laien durch Wiederbelebung und Sofort-Defibrillation helfen, damit der Erkrankte eine Chance hat. Es gibt einfache medizinische Konzepte; sie werden nach Einschätzung der Experten leider zu selten umgesetzt. Durch umfangreiche Schulungskonzepte für die Bevölkerung können Herzinfarkte verhindert werden. Sie können dazu beitragen, dass sich die Überlebenschancen beim Herzinfarkt vergrößern und der plötzliche Herztod besser bekämpft werden kann.

Ich begrüße es, dass die Landesregierung seit vielen Jahren unter anderem die Landesarbeitsgemeinschaft Herz und Kreislauf in Schleswig-Holstein e. V. - zurzeit jährlich mit circa 30.000 - unterstützt. Wir konnten uns am 21. Februar 2006 im Rahmen einer Präventionsveranstaltung hier im Landeshaus über das umfangreiche Konzept der Gesundheitsinitiative informieren, mit ihren medizinischen Experten diskutieren und erleben, mit welch großem Engagement sie sich einsetzen. Dafür auch von dieser Stelle nochmals unser Respekt und unser herzlicher Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Ursula Sassen [CDU])

Der Anregung der Initiatoren von „Herz-Intakt“, auch im Rahmen einer Landtagsbefassung das Präventionskonzept aufzugreifen und weiter zu tragen, sind wir gerne gefolgt. Mit unserem Antrag

greifen wir die vier wichtigen inhaltlichen Zielsetzungen der Initiative auf:

Erstens. Aufklären und Informieren über die Ursachen von Herz-Kreislauf- Erkrankungen. Deshalb fordern wir zum Beispiel die Aufbereitung von Informationen über Präventionsmaßnahmen gegen die koronare Herzkrankheit im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung.