Protokoll der Sitzung vom 26.05.2005

(Karl-Martin Hentschel)

Pflanzen implantiert werden. Natürlich muss das nicht jedes Mal auftreten, das kann hundertmal gut gehen. Aber wenn es schief geht, dann haben wir Krankheiten, die sich verbreiten, wir haben Lebensmittel und Pflanzen in der Natur, die nicht wieder einzufangen sind, denn eine Eigenschaft der Pflanzen ist es nun einmal, dass sie sich immer weiter verbreitern und selber fortpflanzen.

(Claus Ehlers [CDU]: Sie tun gerade so, als ob wir unsere Kundschaft umbringen woll- ten!)

Unsere Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, selbst entscheiden zu können, was sie essen wollen und was nicht. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag und bitte darum, dass sich die Landesregierung im Bundesrat an solchen Abenteuern nicht beteiligt, sondern das Gentechnikgesetz der Bundesregierung unterstützt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke dem Kollegen Hentschel. Herr Kollege Hentschel, da Sie für die Zustimmung zu Ihrem Antrag geworben haben, möchte ich darauf hinweisen, dass unter der Nummer 2 Ihres Antrages ein Bericht gewünscht wird. Ich frage Sie, ob der Bericht in dieser Sitzung gegeben werden soll.

Ich bin damit einverstanden, dass der Bericht in der nächsten Sitzung erfolgt, wenn der Bericht jetzt noch nicht vorliegt.

Ich bedanke mich. Dann haben wir in dem Zusammenhang festzustellen, dass mit der Nummer 6 in dem Änderungsantrag der FDP, Drucksache 16/86, ebenfalls ein Berichtsantrag vorliegt.

(Günther Hildebrand [FDP]: Richtig, für die September-Tagung!)

- In der September-Tagung. Dann stellen wir fest, dass auf Bitten der Antragsteller die Erstattung des Berichtes auf die September-Tagung verschoben worden ist. Damit können wir in der Aussprache fortfahren.

Ich erteile nunmehr für die Fraktion der FDP Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits im Januar dieses Jahres haben wir über Gentechnik in der Landwirtschaft diskutiert; schlimmer noch: Nummer 1 des heutigen grünen Antrages entspricht exakt dem damaligen Antrag. Damals wie heute halte ich inhaltlich überhaupt nichts davon, denn er zielt auf das faktische Aus für die grüne Gentechnik in Schleswig-Holstein. Gleichzeitig ignoriert er sämtliche Bemühungen europa- und weltweit für ein gedeihliches Nebeneinander von konventioneller und gentechnisch modifizierter Landwirtschaft.

Tatsache ist, dass es die geradezu museale Landwirtschaft, wie sie die Grünen hierzulande beschwören, schon lange nicht mehr gibt. Seitdem es vor mehr als 20 Jahren zum ersten Mal gelungen ist, fertile gentechnisch veränderte Pflanzen zu erzeugen, hat diese Methode seit Ende der 80er-Jahre Einzug in die praktische Sortenzüchtung gehalten. Seitdem 1996 zum ersten Mal gentechnisch veränderte Pflanzen in nennenswertem Maße angebaut worden sind, hat sich deren Fläche bis zum Jahr 2004 weltweit auf über 80 Millionen Hektar ausgeweitet. - Über 80 Millionen ha ohne Schreckensszenario, einfach nur über 80 Millionen ha Anbaufläche mit gentechnisch veränderten Pflanzen.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich kann man für oder gegen grüne Gentechnik sein. Ich halte deshalb sehr viel davon, wenn sich jede Bürgerin und jeder Bürger selbst entscheiden kann, ob sie oder er beispielsweise ein Lebensmittel aus oder mit gentechnisch veränderten Pflanzen haben will oder nicht.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Dank der Kennzeichnungspflicht sind wir insoweit einen gehörigen Schritt weitergekommen und diese Kennzeichnungspflicht unterstützen wir ausdrücklich.

Wovon ich aber gar nichts halte, ist die Doppelzüngigkeit mit der die rot-grüne Bundesregierung die politische Debatte um gentechnisch veränderte Pflanzen führt. Einerseits wird die Pflanzengenomforschung in diesem Lande mit erheblichen finanziellen Mitteln des BMBF unterstützt, andererseits wird gleichzeitig die Anwendung von gentechnisch veränderten Pflanzen durch das BMVEL mit allen Mitteln verhindert.

Auf Landesebene war das in den letzten Jahren nicht anders. Damit ist jetzt Schluss. Auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollte das anerkennen und deshalb Schluss machen mit derart rückwärts gewandten Anträgen. Zu bestimmen haben Sie in dieser Frage sowieso nichts mehr.

(Günther Hildebrand)

Hören Sie auch auf, Stimmung zu machen gegen eine Züchtungsforschung einschließlich ihrer Anwendung, die Visionen für eine leistungsfähige und Ressourcen schonende Pflanzenproduktion eröffnet, und zwar unter Einschluss aller biotechnologischen Verfahren. Mehr - aber leider auch nicht weniger - können Sie mit Ihrem Antrag ohnehin nicht erreichen.

Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion hat dem Antrag der Grünen ganz bewusst einen eigenen Antrag entgegengesetzt. Wir sind davon überzeugt, dass sich die aktuellen Probleme in der Landwirtschaft - sinkende Erzeugerpreise, teilweise Überproduktionen, Abhängigkeiten von Subventionen - sicherlich nicht lösen lassen, wenn anstelle einer effizienten, auf Ertragsmaximierung ausgerichteten Landwirtschaft weiter die organische Wirtschaftsweise propagiert wird. Das wäre schon gar nicht bezahlbar.

Das heißt jetzt nicht: Nur noch Biotechnologie. Aber wir dürfen uns den Möglichkeiten der Biotechnologie nicht länger verschließen - schon gar nicht, wenn Deutschland Einfluss behalten und nicht den Anschluss an die internationale Entwicklung verlieren will. Diesen Fehler haben wir schon in der InsulinForschung gemacht.

Bereits heute hat die Züchtungsforschung so herausragende Leistungen erbracht - ich erinnere nur an die Leistungssteigerung in der Getreideproduktion durch die Veränderung der Pflanzenarchitektur durch die Einführung von Kurzstrohgenen oder die Züchtung von Hybridsorten -, dass es außer Frage steht, dass wir auch in Zukunft leistungsfähige und sich an internationalen Standards orientierende Züchtungsmöglichkeiten brauchen, theoretische wie praktische.

Unser Antrag ist deshalb ein Beitrag zur Versachlichung der Diskussion über die grüne Gentechnik. Er ist vor allem ein Aufbrauchsignal für SchleswigHolstein an Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zu einer weiteren Öffnung der Anwendung der Pflanzenbiotechnologie in der Landwirtschaft.

Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.

Den Bericht der Landesregierung - dies betrifft die Nummer 6; der Herr Präsident hat es bereits angesprochen - erwarten wir für die September-Tagung. Die Nummern 1 bis 5 unseres Antrages möchten wir an den Umweltausschuss überwiesen wissen.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Kollegen Hildebrand und erteile nunmehr für die Fraktion der CDU Herrn Abgeordneten

Axel Bernstein das Wort. Herr Abgeordneter Bernstein hält jetzt seine Jungfernrede.

(Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Antrag zur Gentechnik in der Landwirtschaft von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert in seinem ersten Punkt, dass der Landtag die vorgesehenen Regelungen des Bundes für die Nutzung der grünen Gentechnik in der Landwirtschaft unterstützen soll.

Es wäre nun einfach, darauf zu verweisen, dass die Partner der Regierungskoalition in ihrem Koalitionsvertrag festgestellt haben, dass sie in dieser Frage unterschiedlicher Auffassung sind. Die Spielregeln sind in diesem Fall klar.

Ich möchte jedoch für die CDU-Fraktion an dieser Stelle feststellen: Das Gesetz für die grüne Gentechnik, wie es die Bundesregierung vorsieht, erscheint weder anwendbar noch praktikabel. Aus diesem Grund hat die Union am 29. April den Vermittlungsausschuss in dieser Frage angerufen. Die Beratung dort steht noch aus.

Wir haben klare Vorschläge unterbreitet, wie ein solches Gesetz den Ansprüchen an den Verbraucherschutz und den berechtigten Interessen der Landwirte gerecht werden kann. Dabei geht es auch darum, bei uns die wirtschaftlichen, technologischen, arbeitsplatzrelevanten und ernährungswirtschaftlichen Chancen, die die grüne Gentechnik bietet, zu nutzen.

Die Formulierungen im Künast-Entwurf zu den Haftungsregelungen sind verräterisch. Dabei geht es vor allem um die Frage, wer beispielsweise für den Schaden eines Öko-Landwirts aufkommt, wenn mehrere Landwirte in einer Region Produkte der grünen Gentechnik anwenden und Spuren davon in den Produkten eines Öko-Landwirts wiedergefunden werden können. Die Antwort des Gesetzes lautet pauschal: Alle haften. Diese verschuldensunabhängige gesamtschuldnerische Haftung mit hohem wirtschaftlichen Risiko im Auge, rät der Bauernverband seinen Mitgliedern völlig folgerichtig davon ab, gentechnisch veränderte Pflanzen einzusetzen.

Die Absicht der Bundesministerin, grüne Gentechnik in Deutschland völlig zu verhindern, ist offensichtlich. Statt die denkbaren Risiken verantwortungsbewusst abzuwägen, werden die Chancen auf Arbeitsplätze und Entwicklung bewusst ignoriert.

Weitere Fragen bleiben offen: Glaubt die Bundesregierung ernsthaft, sie könnte Deutschland zu einer

(Axel Bernstein)

abgeschotteten Insel der Seligen machen? Der Wind kümmert sich um nationale Grenzen noch viel weniger, als es der Strom in einem liberalisierten Markt tut.

Noch im Jahre 2004 hatte der zuständige Staatssekretär Müller im Bundesministerium den GentechnikErprobungsanbau der Bundesländer scharf kritisiert und Konsequenzen angedroht. Die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprach von einer ,,Kampfansage gegen Umwelt und Verbraucher". Inzwischen akzeptiert Ministerin Künast selbst, dass grüne Gentechnik auch für Deutschland Vorteile bringen kann. Ihr eigenes Ministerium sät GVOSorten aus.

Die Vorschläge der Union stellen die Beibehaltung aller strengen Zulassungs-, Sicherheits- und Kennzeichnungsvorschriften sicher. Damit würden allen, Landwirten und Verbrauchern, eine umfassende Wahlfreiheit erhalten. Die vorgeschlagenen eindeutigen Haftungs- und Praxisregeln schaffen Klarheit. Sie heben sich damit wohltuend von den Vorlagen der Bundesregierung ab. So werden auch die Voraussetzungen für Investitionen und Arbeitsplätze in Forschung und Praxis geschaffen.

Im zweiten Absatz des vorliegenden Antrages fordern Sie einen Bericht der Landesregierung. Wir sind gern bereit, diesen Bericht im September zu hören, wollen diesem Anliegen gern folgen und beantragen deshalb auch die getrennte Abstimmung über die drei Punkte.

Ähnlich verhält es sich mit dem Antrag der FDP. Wir wünschen Ausschussüberweisung für die inhaltlichen Punkte und wollen den Berichtsantrag gern unterstützen.

Die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Nummer 3 formulierten Wünsche für die Positionierung der Landesregierung im Bundesrat werden wir im Ausschuss behandeln können.

Für uns hat die Sicherheit der Verbraucher und Landwirte oberste Priorität, wir wollen aber die Gentechnik weder verteufeln noch - versteckt hinter schönen Worten - in der Praxis ad absurdum führen, sondern verantwortungsbewusst entwickeln.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke Herrn Abgeordneten Axel Bernstein und erteile nunmehr für die Fraktion der SPD dem Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner das Wort.

Für die Freisetzung von GVO-Pflanzen, über die wir auch heute diskutieren wollen, gilt die EU-Richtlinie 2001/18/EG. Diese Richtlinie ist die Grundlage für das Prinzip der Koexistenz beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und gentechnikfreiem Anbau, so wie es auch im Gentechnikgesetz des Bundes festgehalten wird. Allein die Einführung des Begriffes der Koexistenz bewerteten vor einem Jahr die Gentechnikgegner als einen herben Rückschlag im Gesetzgebungsverfahren.

Wir haben an dieser Stelle heftig darüber gestritten, ob das Gentechnikgesetz des Bundes den europäischen Rechtsnormen widerspricht - das hat damals der Kollege Hopp behauptet - oder ob das Gentechnikgesetz des Bundes die EU-Vorgaben übererfüllt, lieber Kollege Hildebrand. Ich kann das Interesse der beiden kleinen Oppositionsparteien schon verstehen zu prüfen, ob denn ihre ehemaligen politischen Partner noch zu den gemeinsam gefassten Beschlüssen stehen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hier die Grünen zum Beschluss über die Ausweisung von gentechnikfreien Regionen, dort die FDP, um zu prüfen, ob denn die CDU ihre Positionen der letzten Wahlperiode noch vertritt.