Protokoll der Sitzung vom 13.10.2006

de der 80er-Jahre und bis in die Mitte der 90er-Jahre geführt wurde, neu und verschärft wieder aufleben. Das bedauere ich sehr. Es entsteht der Eindruck, dass 2 bis 3 % der Menschen unseres Landes auf ihren Flächen Naturschutz nach ihren persönlichen Vorstellungen durchführen dürfen. Dies ist für mich nicht hinnehmbar.

Das Landesnaturschutzgesetz muss für alle Menschen in Schleswig-Holstein einzuhaltende Ziele und Grundsätze formulieren. Auch durch die herausgehobene Stellung dieses Absatzes werden möglicherweise falsche Rechtsauslegungen in der Anwendung bei den im Gesetz folgenden Instrumenten des Naturschutzes möglich. Aus diesem Grund bedarf es in der parlamentarischen Beratung hierzu noch intensiver rechtlicher Betrachtung.

Lassen Sie mich dazu den Landesnaturschutzverband zitieren, der zu einem ähnlich lautenden Absatz im damaligen Gesetzentwurf der CDU im Jahre 2002 gesagt hat:

„Die Erweiterung der Grundsätze und Ziele um einen Eigentumstatbestand in § 1 Abs. 2... ist eine kuriose Beschränkung der Zielrichtung des Gesetzes auf bestimmte Teile der Bevölkerung. Dies bleibt unbegründet und soll offensichtlich die Grundstückseigentümer von ihrer Verantwortung gegenüber den Gesetzeswirkungen freistellen, während der Rest der Bevölkerung die gesamten Rechtsfolgen des Gesetzes tragen darf, beispielsweise bei der Eingriffsregelung. Aus Sicht des Naturschutzes ist dies nicht zielführend.“

Der LNV führt später fort:

„Nach TeßMER dürfte ein derartiger Eigentumsgrundsatz darüber hinaus zu erheblichen Missverständnissen beim Normadressaten führen, da die Erwartung geweckt wird, dass jede nicht gegen ein Gesetz verstoßende Grundstücksnutzung per se den Zielen des Naturschutzes dient. Ein solches Selbstverständnis existiert jedoch nicht.“

(Vereinzelter Beifall bei SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, Sie sehen, am Entwurf für die Novelle des Landesnaturschutzgesetzes muss noch intensiv gearbeitet werden.

Zum Schluss möchte ich einen Appell zur parlamentarischen Beratung des Landesnaturschutzgesetzes an Sie richten. Es entspricht der gelebten Tradition hier im Parlament, derart grundlegende Gesetzentwürfe mit ausreichend Zeit und in angemessener Tiefe zu beraten.

(Konrad Nabel)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

- Auch du, Claus Ehlers, musst noch lernen. - Die Vielzahl der noch zu prüfenden Fragestellungen und die Notwendigkeit, den stark veränderten Entwurf allen Verbänden zur Prüfung zu geben und sie anzuhören, macht deutlich, dass wir diesen Gesetzentwurf nicht im Eilschritt durch die Ausschüsse treiben dürfen.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass die Diskussion im Umweltausschuss dazu führt, dass wir ein gutes Gesetz verabschieden können.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke dem Kollegen Konrad Nabel. Das Präsidium freut sich über die fraktionsübergreifende Freundschaft, bittet dennoch, auf das vertraute Duzen zu verzichten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Schüler und Schülerinnen der Realschule mit Grundschul- und Hauptschulteil aus Viöl sowie Kursteilnehmer bei der Fortbildungsakademie der Wirtschaft Kiel. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für die FDP-Fraktion erhält der Herr Abgeordnete Günther Hildebrand.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Schutz unserer Natur liegt uns allen am Herzen. Es geht hierbei schlichtweg um die Sicherung unserer Lebensgrundlagen. Der Mensch ist dabei für uns Teil der Natur. Ein modernes nachhaltiges Naturschutzrecht muss also gemäß den Kriterien der Agenda 21 drei Aspekte gleichberechtigt in Einklang bringen: erstens die Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen der Natur, zweitens die wirtschaftliche Entwicklung und drittens die sozialen Komponenten. Das heißt, ein modernes Naturschutzrecht darf nicht parteiisch sein. Es muss geeignet sein, die Lebensgrundlagen hinreichend zu sichern, wirtschaftliche Entwicklung zuzulassen, auch zum Beispiel um Arbeitsplätze zu schaffen und damit sich das soziale Leben entwickeln kann. Aus unserer Sicht wird das bestehende Naturschutzrecht diesem Gleichklang nicht gerecht, weil es wirtschaftliche und soziale Belange nicht hinreichend berücksichtigt. Darüber hinaus ist es büro

kratisch und belastet allein aus diesem Grund eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung.

Meine Damen und Herren, liest man die Presseerklärungen der Landesregierung, dann soll heute mit dem Entwurf eines Landesnaturschutzgesetzes auch ein großer Wurf im Bereich der Entbürokratisierung vorgenommen werden. Das Gesetz soll das geltende Recht umfassend ändern und den modernen Anforderungen anpassen. Nach 17 Monaten großer Koalition und einem FDP-Gesetzentwurf, der schon seit Mai letzten Jahres im Ausschuss auf Halde liegt, haben sich SPD und CDU auf einen Gesetzentwurf geeinigt. Bereits im Vorwege konnte man aber nicht übersehen, welche Bauchschmerzen - wir haben das eben auch erlebt - dieser Kompromiss aus völlig unterschiedlichen Gesichtspunkten bei vielen Kollegen der CDU und der SPD ausgelöst hat.

Eines wird bei der Durchsicht dieses Gesetzes klar: Es handelt sich um einen Kompromiss. Dennoch bietet dieser Entwurf Fortschritte gegenüber dem bestehenden Recht. So wird das Gesetz mit nur 77 anstatt 103 Paragrafen übersichtlicher. Die Grünordnungspläne sollen entfallen und - was wir seinerzeit in unserem Gesetzentwurf erstmals eingebracht haben - die Positivliste, die zum heutigen § 7 Abs. 2 des Landesnaturschutzgesetzes gehört, wird künftig entfallen. Diese Positivliste, die zurzeit immerhin zwölf Punkte umfasst, definiert verschiedenste Maßnahmen als regelmäßigen Eingriff in Natur und Landschaft. Die Beweislast, dass eine solche Maßnahme keinen schwerwiegenden Eingriff in Natur und Landschaft darstellt, liegt dabei regelmäßig bei den Antragstellern. Durch den Wegfall dieser Positivliste muss zukünftig die Fachbehörde nachweisen, dass durch die beabsichtigte Maßnahme ein erheblicher Eingriff in Natur und Landschaft vorliegt.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Erst dann können entsprechende Auflagen oder Sanktionen gefordert werden. Das bedeutet in der Praxis eine Umkehr der Beweislast und stellt eine erhebliche Entlastung der Bürgerinnen und Bürger dar. Das begrüßen wir. So steht es auch in dem Gesetzentwurf, den wir eingebracht haben.

Ebenso wird die allgemeine Verpflichtung zum Schutz von Natur und Landschaft gelockert. So soll künftig jeder nach seinen Möglichkeiten zur Verwirklichung der Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege beitragen. Nach dem geltenden Recht ist jedermann dazu zwingend

(Konrad Nabel)

verpflichtet. Auch das wurde aus dem Gesetzentwurf der FDP übernommen.

Ebenso ist der Wegfall der Grünordnungspläne und der Landschaftsrahmenplanung zu begrüßen. Auch die Genehmigungsfiktion für die vor 1982 errichteten Bootsliegeplätze bietet für die Betroffenen Rechtssicherheit und trägt damit auch zu so mancher Streitlösung bei.

Ebenso hat der Umweltminister angekündigt, dass die Sukzessionsflächen als Biotop abgeschafft werden sollen. Das ist ein guter und wichtiger Schritt. Hierbei möchten wir als FDP insbesondere loben, dass die Landesregierung von ihrer ursprünglichen Intention für die Sukzessionsflächen eine Übergangsregelung zu schaffen, Abstand genommen hat. Im § 77 des Kabinettsentwurfs zum Landesnaturschutzgesetz vom 28. Februar dieses Jahres wurde zunächst die Fortgeltung des Verbots oder der erheblichen Beeinträchtigung von Sukzessionsflächen für längstens vier Jahre angeordnet. Dieser § 77 ist im vorliegenden Entwurf entfallen. Das ist eine Verbesserung.

Aber so hervorragend, wie der Umweltminister seinen Gesetzentwurf eingestuft hat, ist er aus unserer Sicht trotzdem nicht. Es gibt viele offene Fragen und Kritikpunkte, die wir noch in den sicherlich intensiven Anhörungen und Ausschussberatungen zu diskutieren haben. Am Ende dürfen wir wohl nicht einmal sicher sein, dass sämtliche Teile der Koalitionsfraktion diesem vorbehaltlos zustimmen werden. Wir schauen mal, was in den Ausschussberatungen letztlich herauskommt und was schließlich als Entwurf hier vorgelegt wird.

Wir haben aber auch noch weitere Fragen. Warum werden beispielsweise künftig die Angelboote nach diesem Gesetz in den Begriff Sportboote einbezogen? Ich bin mir nicht sicher, ob alle wissen, was das für eine Folge hat. Wenn Angelboote künftig Sportboote sind, unterliegen sie konsequenterweise auch der Sportbootverordnung, über die wir uns vor nicht allzu langer Zeit - ich glaube, in der letzten Plenar-Tagung - unterhalten haben. Ist bekannt, welche Auswirkungen dies auf die Hobbyangler und deren Vereine haben kann? Ich bin mir da nicht sicher. Ich glaube auch nicht, dass die Stellungnahme des Verbandes wirklich von allen gelesen wurde. Bei den Vereinen, die Anlagen für mehr als 20 Anglerboote zur Verfügung stellen - und das sind einige - gelten dann die Verpflichtungen der Sportboothafenverordnung, im Abstand von 30 m 6-kgFeuerlöscher anzubringen und auch die entsprechenden Bestimmungen im Bereich der Abfallbeseitigung.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Erschließung durch eine Straße ist viel gravierender!)

Die Ministerialbürokratie funktioniert also doch noch, denn sowohl die Sportboothafenverordnung als auch diese Regelung im Landesnaturschutzgesetz kommen aus dem gleichen Ministerium. Ich denke aber, dass wir dieses Problem im Rahmen der Ausschussberatungen noch in den Griff bekommen.

Ein weiterer Punkt sind die Übergangsvorschriften. Leider ist es nicht so, dass beispielsweise die Grünordnungspläne künftig alle entfallen. Die Grünordnungspläne, die bereits beim Inkrafttreten des Gesetzes bestehen, gelten weiterhin bis zur Aufstellung oder Änderung des Bauleitplanes fort. So will es der § 76 des Gesetzentwurfes, der eine ähnliche Regelung für Landschaftsrahmenpläne enthält.

Eine weitere Frage ergibt sich aus § 74 des Gesetzentwurfes, der Übergangsvorschriften für sonstige Eingriffe in Natur und Umwelt regelt. So gelten zwar vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erteilte Genehmigungen für Eingriffe in die Natur und Landschaft weiter, aber die Naturschutzbehörden werden zusätzlich befugt, nach dem neuen Gesetz zulässige Nebenbestimmungen zu erteilen. Damit können natürlich auch Investitionsentscheidungen beispielsweise beim Kiesabbau - wieder infrage gestellt werden. Wir haben hier entsprechende Rückmeldungen erhalten und müssen im Ausschuss klären, ob hier Nachbesserungsbedarf besteht.

Auch die Frage, ob die Erweiterung des Kataloges der gesetzlich geschützten Biotope in § 25 wirklich notwendig ist, müssen wir noch weiter diskutieren.

Landschaftsschutzgebiete, die die CDU-Fraktion noch in ihrem eigenen Gesetzentwurf aus der letzten Legislaturperiode komplett entfallen lassen wollte, sind in diesem Gesetzentwurf weiterhin enthalten. Wir werden gespannt verfolgen, wie sich die CDU hierzu im Ausschuss verhalten wird.

Ich bleibe trotzdem dabei: Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Schritt in eine insgesamt bessere Richtung, muss aber nachgebessert werden. Ob er auch den großen Wurf darstellt, werden wir bei der zweiten Lesung feststellen können. Wir begleiten auf jeden Fall den Weg zu einem besseren Landesnaturschutzgesetz so konstruktiv, wie wir es bereits bei unserem eigenen Gesetzentwurf gezeigt haben.

Ich hoffe, dass wir am Ende gemeinsam ein Naturschutzgesetz verabschieden können, das den berechtigten Interessen der Bevölkerung an dem Er

(Günther Hildebrand)

halt einer vielfältigen Natur und Landschaft, an einer wirtschaftlichen Entwicklung und am Wohlstand gerecht wird.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand und erteile für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hildebrandt, die Sache mit den Sportbooten und den Anglern werden wir in der Ausschussberatung noch einmal vertiefen. Da bin ich sehr offen.

Die CDU in Schleswig-Holstein unter Führung des Ministerpräsidenten und Landwirtes Carstensen lange Zeit Vorsitzender des Agrarausschusses des Bundestages - wollte mit der geplanten Verabschiedung dieses Naturschutzgesetzes die aus ihrer Sicht lästigen Standards zum Schutz von Natur und Landschaft schleifen. Wir halten diese Absicht und die ganze Tonalität, mit der dort vorgegangen wurde - man kann auch von Demagogie reden -, angesichts des drastischen Rückgangs vieler Arten und Biotope für einen Frevel an Mensch und Natur. Wir Grüne wollen die Natur um ihrer selbst willen schützen, aber auch und vor allem auch als unverzichtbare Lebensgrundlage für uns Menschen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die CDU hatte den Naturschutz immer als wesentliche Bremse wirtschaftlicher Entwicklung dargestellt, wenn es im Wahlkampf zu begründen galt, warum sie gewählt werden sollte. Dabei wurde in übelster Weise verleumdet und gelogen.

(Widerspruch bei der CDU)

Dabei wurden dann aber die Demagogen Opfer ihrer eigenen Ideologie. Sie glaubten nämlich, was sie sagten. Das zeigte sich in den ersten Überlegungen und Entwürfen, als plötzlich die Möglichkeit zur Gestaltung da war. Daher will ich aufzählen, welche Zähne sich der Patient ziehen lassen musste, weil EU- und Bundesrecht zu beachten waren und weil sich Regelungen und Institutionen überraschenderweise doch als sinnvoll herausgestellt hatten.

Wie schlecht der vorgelegte Gesetzesentwurf war, zeigte sich in den vielen Nachbesserungen, die das Kabinett verabschiedet hat. Einige der unhaltbarsten Punkte, die von den Naturschutzverbänden und auch von uns harsch kritisiert wurden, sind mittlerweile nachgebessert worden, bevor sich die CDU damit endgültig blamiert hätte. Das Verbandsklagerecht war nicht zu kippen - leider gibt es das Bundesgesetz, dem das schleswig-holsteinische Gesetz Pate stand. Die Akademie für Natur und Umwelt bleibt zumindest im Gesetz bestehen. Wie ihre Arbeit künftig aussehen wird und wie viel sich dort noch für die Umwelt arbeiten lässt, wird sich erweisen. Wir werden dies weiter kritisch beobachten.