Protokoll der Sitzung vom 11.05.2007

Dass gerade an dieser Stelle in der Stadt Kiel ein Riesen-Kraftwerk - ich sage das einmal etwas übertrieben -, ein Monster-Kraftwerk gebaut wird, wo diese Stadt wie auch andere schleswig-holsteinische Städte ein vorbildliches Wärmekonzept umsetzt, ist völlig widersinnig. Man könnte genauso gut drei, vier oder fünf kleinere Kraftwerke bauen.

Hinzu kommt noch etwas - Herr Minister, da sind wir vielleicht etwas auseinander -: Natürlich ist der Bau von großen Kraftwerken nicht im Interesse des Klimaschutzes, sondern im Interesse der großen Stromkonzerne, weil die Leitungen das eigentliche Machtinstrument sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das ist eine Sache, die wir auch anderweitig im Zusammenhang mit Windstrom und Offshore diskutiert haben. Dem dürfen wir uns aber nicht hingeben.

(Karl-Martin Hentschel)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn wir es nicht schaffen, von den Leitungen wegzukommen, ist weder unsere Technologie für uns gut noch als Exportschlager geeignet. Denn wenn wir als Spitzenland in der Produktion von regenerativen und anderen Energieanlagen unsere Anlagen exportieren wollen, dann wollen wir sie in Länder exportieren, in denen es keine Netze gibt. Also müssen wir Anlagen bauen, die netzunabhängig und dezentral sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das ist das zweite oder vierte Rezept für die Zukunft: Wir müssen dezentrale, regionalisierte Energiekonzepte haben.

Herr Kollege Nabel, Ihre Redezeit!

Ich bin sofort fertig. - Dann sparen wir Strom, weil wir Leitungsverluste sparen und weil wir vor allem Wärmeverluste sparen. Gleichzeitig haben wir die Möglichkeit, Technologien, die unserem Land angemessen sind, mittelständisch orientiert zu exportieren. Das ist das Rezept für die Zukunft!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen das Wort.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Konrad Nabel hat eben ein bisschen ausgeführt, welchem Fehler wir hier gemeinsam aufsitzen, wenn wir dem Energieminister folgen, der offensichtlich nur in Großkraftwerken denken kann. Es war deutlich, dass er die Erwiderung, dass es mit Biomasse nicht geht, am Beispiel eines Großkraftwerks in Kiel dargestellt hat, was natürlich zu den genannten Riesenbergen an Biomasse führen würde. Das ist aber auch nicht das Ziel. Wir könnten zum Beispiel in Kiel an fünf bis zehn Standorten inklusive des Müllheizkraftwerks - die Versorgung gewährleisten.

Ich will noch einmal zusammenfassen, was unstrittig ist, weil es vom zuständigen Staatssekretär im Wirtschaftsausschuss gesagt worden ist. Das ist tatsächlich - wie Dr. Garg ausgeführt hat - auf der Stromseite eine Verdreifachung der CO2-Emissionen in Schleswig-Holstein. Herr Minister, damit könnte man eventuell leben, wenn wir das zwei oder vier Jahre machen würden, weil danach eine Anschlusstechnologie, die dies vermeidet, eingesetzt werden kann. Es ist aber so, dass wir zurzeit Kraftwerke ersetzen, die ein Alter von weit über 30 Jahren aufweisen. GKK ist 37 Jahre alt. Die neuen Kohlekraftwerke werden 40 Jahre lang laufen und die stromseitige Verdreifachung von CO2Emissionen in Schleswig-Holstein wird die nächsten 40 Jahre hinzunehmen sein. Darum sage ich, dass es eine Katastrophe ist, da einzusteigen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Nabel hat auch richtigerweise das Stichwort von der Stromfixierung genannt. Das Problem ist nämlich, dass in den anderen Bereichen, zum Beispiel im Bereich der Mobilität, die CO2-Minderung sehr viel schwieriger umzusetzen ist als im Bereich des Stroms. Herr Kollege Hentschel hat das schon ausgeführt.

Herr Kollege Garg, Sie sagten, wir würden allein dastehen. Das ist keineswegs der Fall. Ich will Ihnen noch einmal sagen, wer diese Szenarien inzwischen auch für möglich hält. Das ist nicht nur der Umweltbeirat, sondern auch der Club of Rome, die Universität Kassel, das Risø-Institut in Dänemark einer der größten Research-Standorte europaweit, was Energiefragen angeht -, es ist der EnBW-Vorsitzende Claassen, der nur eins damit im Sinn hat: Er möchte gern die zukünftigen regenerativen Erzeugungsanlagen im Besitz der EnBW betreiben. Das ist seine Aufgabe. Ich habe da andere Vorstellungen.

Tatsächlich ist das Netz die strategische Brücke. Wir müssen die Netze in öffentliches Eigentum überführen. Wir dürfen sie nicht mehr renditeorientiert bewirtschaften, sondern wegen der Versorgungsnotwendigkeit die Infrastruktur im öffentlichen Auftrag - meinetwegen von privaten Betreibern, die eine Ausschreibung gewonnen haben, aber im öffentlichen Besitz - betreiben. Das ist wichtig.

Herr Kollege Matthiessen, Ihre Redezeit!

(Konrad Nabel)

Meine Damen und Herren, die Großkraftwerksstruktur der zukünftigen Großkohlekraftwerke zerschlägt uns einen Ausbau von KWK. Die Bundesrepublik hat 12 %, wir in Schleswig-Holstein sind mit 20 % etwas besser, zum Beispiel dank Flensburg. Dänemark hat aber 50 % und Holland hat über 40 % Stromerzeugung durch Kraft-WärmeKopplung.

Herr Kollege Matthiessen, formulieren Sie bitte Ihren letzten Satz!

- Ich komme zum letzten Satz. - Leider ist die Großkraftwerksstruktur, Herr Minister, dafür hinderlich, einen Ausbau von KWK in Schleswig-Holstein zu erreichen. Wenn wir diese Großkraftwerke hier haben, werden wir leider einen ökonomischen Ausbau an KWK-Strom nicht hinkriegen können.

(Der Präsident schaltet dem Redner das Mi- krofon aus)

Das ist ein großes Hindernis -

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/1378, Änderungsantrag des SSW, Drucksache 16/1396. Es ist beantragt worden, die beiden Drucksachen in den Wirtschaftsausschuss und mitberatend in den Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag der Landesregierung Veräußerung eines Grundstücks in Brunsbüttel, Drucksache 16/1277.

Der Ausschuss empfiehlt mit der Beschlussempfehlung Drucksache 16/1376 die unveränderte Annahme des Antrages der Landesregierung. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen des Hauses bei Ablehnung durch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf:

Kein australischer Giftmüll nach Brunsbüttel

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1238

Bericht und Beschlussempfehlung des Umwelt- und Agrarausschusses Drucksache 16/1308

Ich erteile dem Berichterstatter des Umwelt- und Agrarausschusses, Herrn Abgeordneten Klaus Klinckhamer, das Wort, der auf die Vorlage verweist.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, ich habe die Unterlage zwar vorliegen, aber ich nehme den Hinweis gern auf und verweise auf die Vorlage.

(Beifall)

Ich bedanke mich, Herr Berichterstatter. - Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Damit erteile ich nach Eröffnung der Aussprache zunächst Herrn Abgeordneten Axel Bernstein für die Fraktion der CDU das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sorgen, die manche mit dem langen Transportweg von gefährlichen Abfällen aus Australien nach Deutschland und der Entsorgung im Land verbinden, nehmen wir ernst. Wir haben auch in der Debatte, die wir zu diesem Thema schon einmal im Plenum geführt haben, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir Möglichkeiten, die eine qualitativ hochwertige Entsorgung sicherstellen würden und dabei einen weniger langen Transportweg erfordern, politisch durchaus befürworten würden. Darauf können wir aber nicht vertrauen. Vor dem Hintergrund hochqualifizierter Entsorgungseinrichtungen wie der SAVA in Brunsbüttel gilt es deshalb, offen zu informieren. Das tut das zuständige Ministerium. Es gilt auch, ein solches Thema nicht künstlich hochzuziehen.

Seit wir das Thema am 21. Februar 2007 hier im Landtag behandelt haben, hat sich - man kann fast sagen: erwartungsgemäß - nichts Wesentliches ergeben. An diesem 21. Februar haben wir das The

ma in Form eines Dringlichkeitsantrages der Grünen auf die Tagesordnung genommen.

Das war bereits damals ein ausgesprochen durchsichtiges Manöver. Ihr damaliger Antrag war weder dringlich

(Holger Astrup [SPD]: Da hat er recht!)

noch war er inhaltlich wertvoll, die Landesregierung aufzufordern, sich an ein Verwaltungsverfahren zu halten und geltendes Recht einzuhalten.

Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Mit dem australischen Giftmüll ist nichts geschehen. Im Umwelt- und Agrarausschuss haben wir einen ausführlichen Bericht der Landesregierung gehört, der uns über den weiterhin unveränderten Stand der Dinge ausführlich informierte und der auch als Drucksache vorliegt. Und wie ist es heute? In der Sache hat sich noch immer nichts geändert. Stattdessen erleben wir den dritten Versuch der Grünen, doch endlich die Reaktionen auf dieses Thema hervorzurufen, die sie politisch so gern hätten.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU] und Günther Hildebrand [FDP])

In der Sache will ich gar nichts weiter ausführen. Der Bericht war umfassend; die Vorlage gibt alles her.

Meine Damen und Herren, wir vertrauen dem zuständigen Ministerium und wir vertrauen Minister Dr. von Boetticher und seiner Aussage, uns über aktuelle Entwicklungen zu informieren, sofern es solche aktuellen Entwicklungen gibt. Wir hoffen, dieses Thema dann auch erst zu diesem Zeitpunkt wieder im Plenum oder im Ausschuss behandeln zu müssen.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Olaf Schulze das Wort.