Meine Damen und Herren, Naturschutz nützt nicht nur den Vögeln, besonders in einem Tourismusland wie Schleswig-Holstein. Naturschutz hilft uns allen. Stimmen Sie unserem Antrag zu.
Ich danke dem Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. Erlauben Sie mir die Bemerkung, dass ich finde, dass Vergleiche mit Straftatbeständen nicht parlamentarisch sind.
Ich darf auf der Tribüne eine weitere Besuchergruppe begrüßen. Ich nehme an, es ist eine weitere Klasse des Wolfgang-Borchert-Gymnasiums aus Halstenbek. - Seien Sie uns herzlich willkommen. Schön, dass Ihre Schule so viel Interesse an uns hat.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem prägnanten und inhaltlich genau auf den Punkt gebrachten Bericht des Ministers hatte ich eigentlich gedacht, es würde ein bisschen schwierig werden für die Grünen, ihre zehn Minuten zu füllen. Ich muss aber sagen, ich bin dem Kollegen Hentschel ausgesprochen dankbar dafür, dass er die zehn Minuten in Anspruch genommen hat und von sich aus die blamable Bilanz der grünen Regierungsbeteiligung im Vogelschutz deutlich gemacht hat.
Die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit der grünen Minister an dieser Stelle haben Sie auch selber auf den Punkt gebracht. Ich finde es fast ein bisschen drollig, dass ausgerechnet die CDU-Opposition den Einfluss gehabt haben soll, an dieser Stelle den Ausschlag zu geben.
Ich darf allen, die sich jetzt in Positur werfen und sagen, es wäre ja von Anfang an klar gewesen, dass die zunächst gemeldete Gebietskulisse nicht ausreicht, Folgendes sagen. Sie hatten im Übrigen 13 Jahre Zeit, um an dieser Stelle überhaupt einmal einen Schritt hinzubekommen. Sie haben das aber nicht hinbekommen. Dieser Minister und diese Landesregierung haben in drei Jahren mehr geleistet als Sie in 13 Jahren.
Ich darf noch einmal auf das Verfahren hinweisen, das im Koalitionsvertrag verabredet ist. Wir haben uns ganz klar darauf verständigt, Europarecht eins zu eins umzusetzen. Das ist an der Stelle vergleichbar leicht, an der Europarecht ausdrücklich
kodifiziert ist. Das ist sicherlich an den Stellen, an denen von europäischer Ebene nur Rahmen vorgegeben werden, ein Prozess. In diesem Prozess muss man zunächst erkunden, wo die Messlatte für eine Umsetzung im Verhältnis eins zu eins liegt. Dass man sich im Verlauf eines solchen Prozesses dieser Messlatte sinnvollerweise von unten annähert, ist unschwer nachzuvollziehen, wenn man am Ende eine Umsetzung von eins zu eins haben möchte.
Ich bin dem Ministerium ausgesprochen dankbar dafür, dass es gelungen ist, in einen Diskussionsprozess mit der Kommission einzutreten. Ich bin dankbar dafür, dass es gelungen ist, maßgebliche Vertreter in die Region zu holen, damit diese sich ein Bild darüber machen, worum es vor Ort geht, und um so zu dem jetzigen Ergebnis zu gelangen.
In der Vergangenheit ist eine Menge passiert. Es ist nicht nur misslungen, zu einer Ausweisung zu kommen. Mit der Forderung nach einer völlig überzogenen Gebietskulisse ist das Vertrauen in die zuständigen Stellen des Landes in der Region massiv verloren gegangen. Die Akzeptanz der sinnvollen Idee des Vogelschutzes hat fürchterlich gelitten. Genau darum geht es in diesem Prozess. Es geht darum, Vertrauen in die Maßnahmen und Vertrauen in den Prozess zurückzugewinnen und die Menschen in der Region dazu zu motivieren, mitzumachen.
Man kann über die Thematik denken wie man möchte, an einer Tatsache kommt man nicht vorbei: Das Ganze findet auf den Flächen fremder Leute statt. Wenn diese fremden Leute nicht dazu bereit sind mitzumachen, dann können wir hier verabreden und verabschieden, was wir wollen, es wird am Ende nicht gelingen.
- Sie haben selbst dargestellt, wo Sie die bisherigen Defizite sehen. Von daher wäre es vielleicht sinnvoll, die Realitäten in der Region ernst zu nehmen und die Belange der Menschen in der Region ebenfalls ernst zu nehmen. Es wäre sinnvoll, nicht immer wieder den Versuch zu unternehmen, von oben vorzugeben, was zu passieren hat.
Ich möchte noch kurz auf die Thematik der Trauerseeschwalbe eingehen, die Sie angesprochen haben. Zunächst eine Bemerkung zu der einen oder anderen Überschrift, die wir in der Presse lesen konnten. Das ist eine Art von Stimmungsmache, die dem Prozess in der Region wahrlich nicht dient.
Wenn an dieser Stelle sowohl von den Umweltverbänden als auch von der Opposition der Eindruck erweckt wird, vor Ort würde billigend das Aussterben einer Tierart in Kauf genommen oder sogar aktiv betrieben, dann wollen wir zunächst einmal festhalten: Die Trauerseeschwalbe ist alles, aber sie ist nicht vom Aussterben bedroht. Der Bestand der Trauerseeschwalbe umfasst in Europa mehrere Hunderttausend Tiere. Einige Zählungen gehen davon aus, dass wir in Europa über eine Million Individuen haben. Der Bestand wird als vergleichsweise konstant betrachtet.
Richtig ist, dass der Bestand in Schleswig-Holstein seit Jahren rückläufig ist. Mich würde interessieren, auf welches Jahr Sie sich bezogen haben. Eventuell waren es die frühen 50er-Jahre. Wenn Sie eine derartige Bestandsgröße anführen, dann muss man fairerweise dazu sagen, dass das eine Bestandsgröße aus einer Zeit ist, die vor den nennenswerten Agrarstrukturveränderungen liegt, die zum Beispiel mit dem Programm Nord mit Landesmitteln hier aus diesem Haus heraus mit großem Aufwand durchgeführt worden sind. Man kann unterschiedlicher Auffassung darüber sein, ob das - aus heutiger Sicht betrachtet - eine gute oder eine schlechte Idee war. Man kann aber den Menschen, die heute auf Eiderstedt oder in der ETS-Region leben und wirtschaften, sicherlich nicht vorwerfen, dass sie in diesem Umfang für den Bestandsrückgang verantwortlich sind. Das sind landespolitische Entscheidungen, die wir über viele Jahrzehnte hinweg hier im Haus vertreten haben.
Wenn wir uns heute die Bestände angucken, dann sollte man zur Kenntnis nehmen, dass wir seit Mitte der 90er-Jahre keine nennenswerte Trendentwicklung haben. Vielmehr gibt es Schwankungen, die durchaus etwas mit Niederschlägen und Verdunstung zu tun haben. Man braucht nur die Klimadaten zu betrachten. Ich glaube, die Maßnahmen, die
an dieser Stelle konkret ergriffen werden, um hier gegebenenfalls nachzusteuern, sind richtig. Um aber in einen solchen Dialog mit den Bewohnern dieser Region zu kommen, geht es darum, das entsprechende Vertrauen zu gewinnen. Wenn man dann zu gemeinsamen Maßnahmen kommt, dann sind diese durchaus sinnvoll. Beispiele dafür wären die Einstellung bestimmter Pumpen oder die Anpassung bestimmter Pegel, da die Verdunstung heute höher ist als früher. Diesen Maßnahmen werden wir uns sicher nicht verschließen. Sie können aber nur dann zum Erfolg führen, wenn man in der Region Vertrauen vorfindet. Dieses Vertrauen gewinnt man nicht dadurch, auch heute noch mit überzogenen Forderungen durch das Land zu ziehen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Axel Bernstein. Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Konrad Nabel das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als der Landwirtschaftsminister im Mai 2006 nach einfacher Kenntnisnahme durch das Kabinett den Eiderstedter Flickenteppich als Vogelschutz-Gebiet nach Brüssel meldete, haben wir klar und deutlich dargestellt, dass diese Meldung keinen Bestand haben würde. Genau dies ist nun eingetreten. Wir haben gesagt: Das Gebiet ist zu klein. Aus 2.800 ha werden jetzt 7.000 ha. Wir haben gesagt: Ein mehrfach geteiltes Gebiet kann nicht den Anforderungen der Vogelschutz-Richtlinie genügen. Die Gebiete werden jetzt zusammengefasst, und es wird ein in sich geschlossenes Gebiet gemeldet. Wir haben gesagt: Es reicht nicht aus, nur die Trauerseeschwalbe schützen zu wollen und die ebenfalls schützenswerten Wiesenbrüter auszulassen. Jetzt sollen auch Gebiete mit größeren Vorkommen von Uferschnepfe, Kiebitz und Brachvogel gemeldet werden.
Leider hat sich inzwischen gezeigt, dass nicht einmal der Schutz der Trauerseeschwalben funktioniert hat. Die zwölf Brutpaare beim Landwirt Ivens sind nicht mehr da. Es ist mehrfach gesagt worden, dies liege am Umbruch. Wer durch Eiderstedt fährt, der sieht Äcker und frühere Wiesen in oranger Farbe. Ich fühle mich an Vietnam erinnert. Agent Orange war ein ähnliches Mittel, um bestimmte Grünpflanzen wegzukriegen.
Wir haben immer darauf hingewiesen, dass die Liste der IBA-Gebiete - Important Bird Area - aus dem Jahr 2002 der Maßstab für die Ausweisung der Vogelschutz-Gebiete ist. Die Kommission hat nun angedroht, diese Kulisse als Grundlage zu nehmen, wenn Schleswig-Holstein nicht endlich meldet. Alle diese Punkte galten und gelten sowohl für Eiderstedt als auch in ähnlicher Weise für die ETS-Region.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir hatten in diesen Punkten Recht. Nur in einem Punkt hatten wir nicht Recht. Darüber bin ich bei aller Freude darüber, dass wir die Richtlinie bei Weitem besser interpretiert hatten als der Landwirtschaftsminister, ziemlich betrübt. Es geht darum, dass wir - und nicht nur wir, sondern alle Verantwortlichen in allen europäischen Ländern - über mehr als zehn Jahre fast schon gebetsmühlenartig darauf hingewiesen haben, dass allein die naturschutzfachliche Beurteilung die Grundlage für die Ausweisung von Vogelschutz- und FFH-Gebieten sein dürfe und dass wirtschaftliche und politische Erwägungen keinen Ausschlag geben dürften. Dieses Prinzip wurde in Bezug auf Eiderstedt und auf die ETS-Region nun durchbrochen. Damit werden Hunderte von Fachleuten und auch Hunderte von betroffenen Flächeneigner vor den Kopf gestoßen, denn ganz offensichtlich spielt dies bei der letzten aller Meldungen aus Deutschland plötzlich keine Rolle mehr.
Es berührt schon sehr negativ, dass sich der Minister darüber freut, auf dem Verhandlungsweg mit dem zuständigen Mitarbeiter der Kommission dazu gekommen zu sein, dass die Kommission ihre Vorstellungen - wie europaweit in keinem anderen Fall - derart präzisiert, dass nun eine problemlose Meldung möglich wird. Herr Minister, das ist sozusagen eine Meldung unter Handführung und auf Weisung. Eben sprachen Sie davon, dass die Meldung nicht von oben erfolgt. Hier haben Sie die Weisung von oben bekommen.
Was mich aber wirklich erbost, ist die Tatsache, dass das Bundeskanzleramt, das Bundesumweltministerium und der zuständige EU-Kommissar Stavros Dimas lange vor den Gesprächen unseres Landwirtschaftsministers mit Herrn Murphy ein politisches Einvernehmen über den Weg zum Abschluss der deutschen Nachmeldungen hergestellt hatten. Ich betone, ein politisches Einvernehmen. Das ist im Zusammenhang mit diesen Richtlinien unerhört.
- Ach, halten Sie den Mund, Herr Kubicki! Auslöser waren die Initiativen einiger deutscher Länder zur Aufweichung der NATURA-2000-Kriterien und die damit verbundenen Befürchtungen sowohl auf europäischer als auch auf deutscher Seite. Die EU-Kommission sah das gesamte Meldeverfahren europaweit in Gefahr, und die Bundeskanzlerin wollte sich bei der 9. Vertragsstaaten-Konferenz der Rio-Konvention zur biologischen Vielfalt nicht vor aller Welt blamieren, sondern sich hinstellen können und sagen: Seht her, wir sind vertragstreu. Wir haben alle nötigen NATURA-2000-Gebiete gemeldet.
Wir haben immer betont, dass es uns bei der Nachmeldung um ein rechtssicheres Verfahren geht, also um ein Verfahren, das auch vor den Gerichten standhält. Die Befürchtung, dass dies bei einer auf diese Weise zustande gekommenen Gebietskulisse nicht der Fall ist, bleibt.
Es bleibt der schale Beigeschmack einer unterschiedlichen Behandlung gleich betroffener Menschen und Verbände, die einem Rechtsetzungsorgan wie diesem Landtag nicht egal sein dürfte.
Zum Abschluss sage ich: Herr Minister, bei allen Konflikten um die Ausweisung von NATURA-2000-Gebieten freuen auch wir uns darüber, dass die von uns - von der SPD - gegen die Landkreise und nicht zur Freude unseres damaligen Koalitionspartners zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie initiierten Arbeitskreise heute unter dem Namen Lokale Bündnisse vom schon erwähnten Umweltkommissar Dimas als guter Beitrag zur Umsetzung auch von NATURA 2000 gelobt wurden. Darüber freuen wir uns.