Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Legislaturperiode wurde hier bei allen Differenzen über die Haushaltskonsolidierungspolitik fraktionsübergreifend eine Neuorientierung der Beschäftigungspolitik für Menschen mit Behinderung getragen. Dass man dies jetzt durch das Vorhaben, das Sie heute über die parlamentarische Hürde bringen wollen, aufs Spiel setzt, ist zumindest den Gedanken wert, ob man nicht einen Weg finden kann, um die Integrationsbetriebe, die Sie mit diesem Gesetz plattmachen, aufzufangen, Herr Dr. Stegner. Es nützt nämlich nichts, ein Gesetz evaluieren zu lassen, wenn es die Betriebe nicht mehr gibt und wenn die Menschen mit Behinderung keine Arbeit mehr haben.
Genauso möchte ich anregen, ernsthaft darüber nachzudenken, welche gesetzliche Grundlage geschaffen werden muss, um die finanziellen Verluste aufzufangen. Beispielsweise kann die Ausgleichsabgabe herangezogen werden. Es ist jedoch mit Sicherheit kein Weg, diese Arbeitsplätze zunächst einmal aufs Spiel zu setzen und zu sagen: Wir schaffen gleiches Recht für alle.
Sie wissen es, zumindest die Kolleginnen und Kollegen Sozialpolitiker in Ihrer Fraktion lesen die EMails, die seit Wochen kommen. Ich appelliere an Sie: Setzen Sie diese Arbeitsplätze nicht aufs Spiel. Geben Sie sich einen Ruck. Schaffen Sie die Möglichkeit einer landesrechtlichen Regelung, die Betriebe so lange davon auszunehmen, bis Sie eine Lösung gefunden haben.
Ich wiederhole es noch einmal, weil ich dies für den pragmatischsten Weg halte: Schaffen wir gemeinsam eine Regelung, sodass die Ausgleichsabgabe herangezogen werden kann, sodass die finanziellen Verluste aufgefangen werden. Das ist im Moment nicht möglich. Alles andere ist keine soziale Politik für Menschen mit Behinderung. Alles andere wäre ein Rückschritt in die Vergangenheit, in der Menschen mit Behinderung keine Möglichkeit hatten, auf dem ersten Arbeitsmarkt Tritt zu fassen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche hier kurz auch im Namen meines Kollegen Wolfgang Dudda. Wir streiten seit vielen Jahren für das Ziel eines bedingungslosen Grundeinkommens. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich irgendwann gezwungen werde, gegen den gesetzlichen Mindestlohn zu stimmen. Ich finde es vollkommen verantwortungslos, arrogant und ignorant, dass ganz wesentliche Argumente und Bedenken, die uns alle erreicht haben, nicht im Rahmen der Rücküberweisung und im Rahmen einer Anhörung zumindest berücksichtigt werden, sodass wir ein gemeinsames Ziel vertreten, nämlich für alle eine gerechte Lösung zu finden.
Wir führen Anhörungen zu allen möglichen Themen durch, zum Beispiel zur bleifreien Munition und zum Dauergrünland. Wir berufen Sondersitzungen ein, um alles Mögliche im gemeinsamen Interesse zu ermöglichen. Bei einer so existenziellen Frage aber frage ich: Warum weigern Sie sich, die aufgelisteten Bedenken im Rahmen einer Anhörung so zu behandeln, dass man guten Gewissens sagen kann, die Behinderten haben unseren Schutz, sie werden keine negativen Auswirkungen aus diesem Gesetz zu tragen haben? Schauen Sie sich doch die Schreiben, zum Beispiel von Mürwiker aus Flensburg, an. Ich finde das vollkommen unbegreiflich. Für den Fall, dass Sie den Antrag auf Rücküberweisung mit Ihrer einfachen Mehrheit hier ignorieren, werden wir das Mindestlohngesetz ablehnen und dem Änderungsantrag der CDU zustimmen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist es richtig, dass wir E-Mails erhalten haben, in denen auf Gefahren hingewiesen wurde. Es hätte geholfen, nicht nur diese Mails zu lesen, sondern auch die Stellungnahmen aus der Anhörung. Ich will nur die Stellungnahme der FLEK Gruppe der Werkstätten für Menschen mit Behinderung aus Flensburg, Lübeck, Eckernförde und Kiel, die diese Integrationsbetriebe betreibt, vorlesen. Dort wird erstens gesagt, man unterstütze den Gesetzentwurf vorbehaltlos, man finde ihn richtig.
Ein zweiter Punkt zielt auf genau das, was Sie ansprechen. In der Stellungnahme ist wörtlich nachzulesen: Integrationsprojekte werden daher gemäß § 132 SGB IX, das hier als Grundlage heute schon angesprochen wurde, von den Regelungen des Landesmindestlohngesetzes nicht berührt
- 132 SGB IX. - Das heißt, das, was Sie mit Ihrem Passus wollen, ist ein weißer Schimmel. Man braucht das nicht. Die Integrationsprojekte sind bisher davon ausgenommen und bleiben es auch.
Sie brauchen keine Taschentücher für Krokodilstränen. Es hätte geholfen, wenn man genau nachgelesen hätte.
Über einen zweiten Punkt kann man trefflich streiten. Dazu will ich aber deutlich sagen: Warum in aller Welt sollten wir politisch nicht dafür einstehen, dass Menschen mit Behinderung, wenn sie Vollzeit arbeiten, mindestens den Mindestlohn bekommen?
Es ist doch völlig absurd, dass wir Menschen wieder ausgrenzen. Auch hier hätte es geholfen, wenn man die Stellungnahme von Uli Hase, dem Landes
- Heiner, es geht mir nicht darum, jetzt in dieser Form auf deine Argumentation einzugehen. Ich will sagen, dass dies bei Integrationsbetrieben nicht notwendig ist. Auf der anderen Seite möchte ich deutlich machen, dass wir eigentlich ein ganz anderes gemeinsames Ziel haben müssten. Wir sollten jetzt nicht ein Haar suchen, das in der klaren Suppe nicht einmal drin ist.
Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, dass ich Ihnen eine Zwischenfrage stellen darf, Herr Kollege Baasch. Wir kennen uns schon ein paar Tage. Es ist unbestritten zu Irritationen bei den Integrationsunternehmen und zu Ängsten bei den Mitarbeitern gekommen. Es ist zu großer Sorge bei den Geschäftsführungen gekommen. Meinen Sie nicht auch, dass es vor diesem Hintergrund sinnvoll wäre, das Gesetz in einer dritten Lesung noch einmal ausreichend und umfassender zu beraten, um all diese Kritikpunkte auszuräumen? Wäre das nicht auch in Ihrem Sinne, Herr Baasch?
Nein, ich glaube nicht, dass das notwendig ist. Die Stellungnahmen sind eindeutig. Ich habe persönlich mit Werkstattleitern gesprochen. Ich habe auch mit Herrn Lenz aus Kappeln gesprochen.
Mein Problem ist, dass Sie so einen Vorschlag machen, weil das, was Sie eigentlich bemängeln, gar nicht in dem Antrag steht.
Ich komme zu einem zweiten Punkt, den ich Ihnen zu erklären versuchen wollte: Die soziale Politik für Menschen mit Behinderung, die Sie eingefordert haben, steht in der Stellungnahme des Landesbeauftragten drin. Dort heißt es: Aussonderung von Menschen mit Behinderung in einen gesonderten Arbeitsmarkt und in besondere Rechtsstellung, wie im Gesetzentwurf vorgenommen, verstößt gegen Artikel 27 der UN-Menschenrechtskonvention. Das hätten wir uns vielleicht noch einmal überlegen müssen.
Wir alle wissen, dass das, was auch für die Werkstätten für Behinderte gilt, nicht auf einen Schlag geändert werden kann. Hierzu braucht es gesetzliche Änderungen aus Bundesebene. Deshalb wäre es viel sinnvoller, wenn wir uns politisch darauf verständigen würden, das zu machen. Ansonsten betrifft das Landesmindestlohngesetz in der Intensität, die Sie hier an den Tag legen, die Integrationsprojekte in keiner Weise.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde mich freuen, wenn wieder etwas Ruhe einkehren würde.
- Herr Breyer, ich habe noch gar nicht geredet, und Sie haben schon eine Zwischenfrage. Ich werde sie nachher zulassen, wenn ich kurz etwas sagen dürfte. Vielleicht können wir uns erst über den Inhalt unterhalten.
Der Kollege Baasch hat schon die bundesgesetzliche Grundlage dargestellt. Mit der hätte man aufgrund der Tatsache, dass sich auch die Behindertenverbände entsprechend geäußert haben, schon zu der Erkenntnis gelangen können, dass unser Gesetz nicht für Betriebe gilt, die zum Beispiel Leistungen nach dem SGB in irgendeiner Form erhalten. Man
„Das Land Schleswig-Holstein gewährt Zuwendungen nach der Landeshaushaltsordnung nur, wenn die Empfängerinnen und Empfänger ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Mindestlohn nach § 5 zahlen.“
Es geht hier also um Zuwendungen nach der Landeshaushaltsordnung. Das heißt, wenn ein Betrieb beispielsweise eine einzelbetriebliche Förderung bekommt, dann muss er natürlich Mindestlohn bezahlen, und dann wird dieser Betrieb automatisch auch mit einem normalen Betrieb gleichgestellt. Das ergibt auch Sinn. Gerade unter Marktwirtschaftlern ergibt es Sinn, genau dieses zu tun.