Protokoll der Sitzung vom 21.11.2013

Lassen Sie uns deshalb diese unsinnige Geldverschwendung verhindern.

(Beifall PIRATEN)

Stellen Sie sich einmal vor, wir würden in Deutschland pauschal alle 17 Milliarden Briefe und Postkarten, die pro Jahr versendet werden, überwachen, egal, ob aus dem Urlaub, vom Arzt, Anwalt oder von der Inkassofirma. Genau das soll im Wege der Vorratsdatenspeicherung geschehen, allerdings mit elektronischer Post. Lassen Sie uns deshalb diesen Angriff auf unsere Freiheit verhindern.

(Beifall PIRATEN und SSW)

Setzen Sie sich nachdrücklich gegen die Vorratsdatenspeicherung ein, und zwar nicht nur hier, sondern auf allen Ebenen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN und SSW)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Herr Abgeordnete Dr. Patrick Breyer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich mit meiner Rede an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion wenden. Ich bitte jeden von Ihnen, sich wirklich zu überlegen, ob Sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren können, dass zukünftig unterschiedslos sämtliche telefonischen und elektronischen Kontakte, sämtliche unserer Bewegungen und sämtliche unserer Internetidentitäten ins Blaue hinein gespeichert werden sollen. Ich erinnere daran, dass Ihre eigenen Kolleginnen und Kollegen im Bundestag sehr wohl ihr Gewissen geprüft haben und dass Bundestagsabgeordnete aus Schleswig-Holstein gegen dieses Gesetz gestimmt haben. Darauf können Sie ein Stück weit stolz sein.

(Beifall PIRATEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Öffentlichkeit ist zu Recht empört über Enthüllungen, dass ausländische Geheimdienste unsere Kommunikation flächendeckend und ohne jeden Anlass abfangen und erfassen. Im Kampf gegen diese permanente Menschenrechtsverletzung können wir doch jetzt nicht selbst anfangen, eine ungezielte Vorratsdatenspeicherung vorzunehmen. Eine so weitreichende Registrierung des Verhaltens der Menschen in ganz Schleswig-Holstein und Deutschland ist völlig inakzeptabel. Ohne Verdacht einer Straftat sollen In

formationen über unsere sozialen Beziehungen, auch die Geschäftsbeziehungen, über unsere Bewegungen und über die individuelle Lebenssituation von 80 Millionen Bürgern in Deutschland gesammelt werden.

Dazu gehören Kontakte zu Ärzten, zu Rechtsanwälten, zu Psychologen und zu Beratungsstellen. Auf diese Art und Weise höhlt eine Vorratsdatenspeicherung das Anwaltsgeheimnis, das Arztgeheimnis, das Seelsorge-, Beratungs- und andere Berufsgeheimnisse aus. Sie begünstigt Datenpannen und Missbrauch und beschädigt den Schutz journalistischer Quellen im Kern. Sie beeinträchtigt dadurch insgesamt die Funktionsbedingungen unserer Demokratie in Deutschland.

Um noch ein Argument zu nennen: Repräsentativen Umfragen zufolge lehnen zwei von drei Menschen in Deutschland eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung ab. Selbst unter den Anhängern von CDU und CSU wollen 56 % eine Speicherung nur bei Verdacht einer Straftat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie vertreten die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Bei dieser Entscheidung, bei der wir eine so breite Mehrheit im Hause bekommen könnten, ist es wichtig, dass Sie Ihr Gewissen prüfen. Von allen Überwachungsgesetzen stellt diese Vorratsdatenspeicherung die bisher größte Gefahr für unsere Privatsphäre dar, weil erstmals flächendeckend jeder Bürger, ob verdächtig oder nicht, erfasst werden soll.

Mit dieser grenzenlosen Logik, es könnte irgendwann einmal nützlich sein, wenn wir diesen Weg weiter gehen, wird es dahin kommen, dass wir in Schlafzimmern Videokameras aufbauen, weil da auch eine Straftat begangen werden könnte.

Kommen Sie bitte zum Ende!

Diese Vorratslogik darf keinen Einzug bei uns halten. Deswegen appelliere ich an Sie: Lassen Sie uns gemeinsam diesen Wahnsinn verhindern! Es geht ums Ganze!

(Beifall PIRATEN)

Nun hat noch einmal der Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion, Wolfgang Kubicki, das Wort.

(Uli König)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil ein Argument des Kollegen König in der Debatte keine Rolle spielen sollte, nämlich die Frage der Kosten. Wenn ich es umdrehen würde, würde ich sagen: Wenn es preiswerter wird, darf man es machen - das kann nicht der richtige Weg sein. Unabhängig davon, was es kostet, selbst wenn wir es zum Nulltarif bekommen könnten, wäre es unangemessen und für mich nicht akzeptabel. Deshalb ist die Frage, ob das 8 Millionen €, 80 Millionen € oder 800 Millionen € kostet, nicht die richtige Fragestellung. Das war nur ein Teil meines Wortbeitrags.

Der zweite Teil: Sie alle produzieren Daten wie wild. Wir sollten darauf hinweisen, dass es auch unsere politische Aufgabe ist, gelegentlich den Menschen zu erklären, dass sie sorgfältig mit sich selbst und ihren Daten umgehen sollten. Smartphones werden jetzt angeboten. Sie können mit Fingerabdrücken entsperrt werden.

Wenn Sie einmal Seminare beispielsweise des Chaos Computer Clubs besuchen, dann wird man Ihnen sagen, dass Sie diesen Fingerabdruck nicht nur elektronisch speichern können, sondern überall aufbringen können, wo Sie ihn aufbringen wollen. Wenn ich mir vorstelle, dass sich kriminelle Organisationen dieser Fingerabdrücke bemächtigen, dann: „Gute Nacht, Marie!“ Das hat übrigens mit der Frage zu tun, wie man anschließend kriminelle Straftaten aufgrund von Spurenlagen ermittelt, die elektronisch hergestellt werden konnten.

Herr Abgeordneter Kubicki, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer?

Bitte schön, Herr Dr. Breyer.

Herr Kollege Kubicki, zur Frage der Kosten: Sie und ich, uns ist egal, wie viel Vorratsdatenspeicherung kostet, wir sind auf jeden Fall dagegen. Aber die Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion argumentieren mit der Sicherheit. Würden Sie mir nicht zustimmen, dass, wenn wir sagen könnten, wie viel eine Vorratsdatenspeicherung kostet, und was wir

sonst mit dem Geld Sinnvolles machen könnten, wie viel Polizeibeamte wir damit beispielsweise auf die Straße bringen könnten, das ein wichtiges Argument gegen die Vorratsdatenspeicherung ist, weil sie völlig ineffizient ist?

Nein, es ist für mich überhaupt kein Argument, was es kostet. Wenn es für die CDU ein Argument wäre zu sagen, es kostet 800 Millionen €, dann stimmen sie zu, dass es nicht kommen soll, dann sagen wir: Es kostet 800 Millionen €!

(Heiterkeit - Beifall FDP, SPD, SSW und PI- RATEN)

Verstehen Sie, es gibt ja Sicherheitsexperten in diesem Land. Die haben effektivere Maßnahmen, die nichts kosten, die wir, obwohl sie nichts kosten, aber nicht wollen, weil sie unserem Grundrechtsverständnis zuwiderlaufen. Folter will ich nicht. Es gibt Leute, die sagen: Folter ist sehr effizient - man kennt andere Beispiele -, das kostet kaum etwas. Aber es ist inakzeptabel. Deshalb ist das Kostenargument in der Frage des Schutzes von Rechten überhaupt kein Argument.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter Kubicki, jetzt habe ich eine weitere Wortmeldung von Herrn Dr. Bernstein. - Bitte schön.

Mit besonderer Freude, Herr Kollege Bernstein.

Sie dürfen sprechen, Herr Dr. Bernstein.

Herr Kollege Kubicki, ist Ihnen von der Union oder der SPD, ganz egal, eine Forderung bekannt, dass Vorratsdatenspeicherung von staatlichen Stellen technisch bewerkstelligt werden sollte? Das wäre eine ganz interessante Frage im Zusammenhang mit den Kosten.

Mir ist momentan keine solche Forderung bekannt. Ich bin sicher, dass der nächste Schritt, Herr Bernstein, der sein wird, dass man den privaten Anbie

tern der entsprechenden Telekommunikationsdienste auf Dauer nicht vertrauen darf, dass sie mit den Daten sorgfältig umgehen und dass das deshalb eine staatliche Behörde übernehmen muss. Wir hatten das übrigens und haben es nach wie vor im Finanzsektor bei der Kontenabfrage. Alle Konten werden noch einmal gespiegelt, bei der BaFin gehalten, weil man den Banken unter Umständen zutraut, im Rahmen ihrer eigenen Möglichkeiten Veränderungen herbeizuführen, die man nicht will. War das jetzt ordentlich beantwortet? - Gut.

Herr Abgeordneter, haben Sie Zeit und Lust für eine weitere Zwischenbemerkung oder -frage?

Ich habe Zeit und Lust auch.

Bitte schön, Herr Abgeordneter Dr. Dolgner.

Herr Kollege Kubicki, würden Sie als Strafverteidiger zugestehen, dass es relativ egal für die Würdigung der eigentlichen Sache ist, ob man etwas in Auftrag gibt oder etwas selber macht?

Nein, da würde ich Ihnen nicht zustimmen. Vom Strafmaß her ist es identisch, weil der Anstifter wie ein Täter bestraft wird. Es gibt aber einen Unterschied zwischen einem Anstifter und einem Täter, Herr Dr. Dolgner. Der Täter ist derjenige, der handelt, der Anstifter ist derjenige, der den Täter zur Tat anstiftet. Insofern macht es einen Unterschied. Aber in der Rechtsfolge wäre es identisch. Und vom Unrechtsgehalt her wäre es auch identisch.

Noch eine Anmerkung?

Das war jetzt kostenlos, das Nächste ist gebührenpflichtig.

(Heiterkeit)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenbemerkung?

Bitte schön.

Ist es in dem Zusammenhang, wenn wir so weit sind, bezogen auf die Anmerkung von Herrn Dr. Bernstein, nicht vollkommen egal, ob der Staat etwas selber macht oder etwas in Auftrag gibt?

Es ist im Prinzip die gleichen Frage, nur etwas anders formuliert. Sie bekommen von mir die gleiche Antwort. Es ist im Tatbestand ein Unterschied, in der Rechtsfolge identisch.