Protokoll der Sitzung vom 26.09.2012

Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Callsen?

Ich nehme gern diese Zwischenfrage an und lehne sie nicht ab. Wenn Sie keine Zwischenfragen stellen wollen, dann stellen Sie sie nicht.

(Zuruf)

- Ich lasse gern Zwischenfragen zu.

Eine Zwischenfrage hat jetzt Herr Callsen.

Herr Kollege, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass es insbesondere zu den Aufgaben des Schleswig-Holsteinischen Landtags gehört, den Haushalt zu beschließen? Deswegen ist Ihre Unterstellung, der Haushalt würde nur durch die Mitwirkung der PIRATEN öffentlich gemacht, schlicht falsch. Das sage ich einmal vorsichtig.

(Beifall CDU und FDP)

Richtig ist, Herr Kollege Callsen, dass die Pläne über den Haushalt nur durch uns veröffentlicht werden.

(Lachen SPD und FDP)

Wir haben ein völlig anderes Verständnis von Transparenz und Mitbestimmung. Wir wollen nämlich, dass die Bürgerinnen und Bürger schon im Entscheidungsprozess einbezogen werden und nicht erst, wenn Sie sich schon auf einen Antrag geeinigt

haben, der dann im Parlament begründet werden muss. Das ist nicht unser Verständnis von Mitbestimmung und Demokratie. Wir wollen, dass man schon in die Entscheidungsprozesse eingebunden wird, dass wir mit den Bürgern sprechen, bevor wir Entscheidungen treffen.

Herr Breyer, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Callsen?

Sehr gern.

Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass schon der erste Entwurf des Haushalts in diesem Parlament und in den Ausschüssen öffentlich diskutiert wird?

(Zuruf FDP: Das ist Transparenz!)

- Mir ist das genauso bekannt wie die Gespräche, die wir im Ältestenrat über den Landtagshaushalt geführt haben, die vorher keinen Niederschlag in einem veröffentlichten Dokument gefunden haben und die nach der Sitzung nur durch uns veröffentlicht worden sind, wo es zum Beispiel um Dinge geht wie die Anschaffung von Tablet-PCs, und zwar von iPads, wie ich heute Morgen aus der Presse erfahren durfte, für alle Abgeordneten, und zwar als Ersatz für Laptops, die wir schon angeschafft haben und die uns hier verboten werden sollen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Was ist das für eine selbstgerechte Darstellung!)

Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten von Kalben?

Gern.

Herr Breyer, da Sie hier relativ viele Dinge erzählen, die Sie im Ältestenrat erlebt haben, und wir, glaube ich, fast alle Sitzungen gemeinsam erlebt haben - und wir auch beide neu sind -: Ich war wohl nicht dabei oder geistig abwesend, können Sie mir bitte sagen, in welcher Sitzung wir über eine Schwedenreise gesprochen haben, weil ich glaube, dass es auch die Kolleginnen und

(Präsident Klaus Schlie)

Kollegen interessiert, wann wir nach Schweden fahren.

(Zurufe)

Ich kann erklären, dass in den Sitzungen, an denen ich teilgenommen habe, nie über eine Schwedenreise gesprochen wurde. Deswegen würde mich interessieren, wann darüber gesprochen worden ist.

(Christopher Vogt [FDP]: Das sollte eine Überraschung für Sie sein! - Heiterkeit und Beifall)

- Frau Kollegin, ich kann das gern erklären. Nach Ihrem Geschäftsordnungsantrag sollen keineswegs nur die Gespräche, die im Ältestenrat geführt werden, für geheim erklärt werden, sondern eben auch alle Unterlagen des Ältestenrats sollen für geheim erklärt werden. Zu diesen Unterlagen gehört ein Schreiben, das eine mögliche Reise der Ältestenratsmitglieder nach Schweden betrifft.

(Angelika Beer [PIRATEN]: Darfst du das jetzt sagen?)

- Ich darf das jetzt noch sagen, ich darf das in zehn Minuten - fürchte ich - wahrscheinlich nicht mehr erzählen, was da so geplant wird.

Jeder darf hier das sagen, was er erinnert. Das, was Herr Dr. Breyer glaubt zu erinnern, ist in meiner Erinnerung nicht vorhanden. Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Wolfgang Kubicki?

Herr Kollege Dr. Breyer, da Sie Jurist sind: Ist Ihnen der Unterschied zwischen vertraulich und geheim bekannt? Das ist die erste Frage.

Die zweite Frage ist: Da Sie als Jurist das Gewaltenteilungsprinzip auch beherrschen: Ist Ihnen bekannt, dass der Parlamentshaushalt nicht von der Exekutive, vom Finanzministerium, aufgestellt werden kann und darf, im Gegensatz zu allen anderen, dass also das Parlament selbst über den Parlamentshaushalt vorab befinden muss, bevor er veröffentlicht wird, und dass das eine originäre Aufgabe der Fraktionen untereinander und des Ältestenrats ist?

- Lieber Herr Kollege Kubicki, zum ersten Punkt: Wenn ich unter Zwangsmittelandrohung verpflichtet werde, nicht mehr über das berichten zu dürfen, was ich selbst im Ältestenrat getan oder gesagt habe, dann ist das eine Geheimhaltungsverpflichtung.

Zum zweiten Punkt kann alle Vernebelungstaktik, die Sie mit dem Begriff Transparenz verbinden, nichts daran ändern, dass wir über Änderungen am Haushalt des Landtags im Ältestenrat gesprochen haben, dass das nicht öffentlich war, dass darüber im Anschluss nicht berichtet worden ist und dass allein wir PIRATEN gesagt haben, was da geplant und besprochen worden ist.

Keine weiteren Fragen? - Nanu!

Ich war bei dieser berüchtigten Richtlinie über das Verbot von Internet-Technik oder moderner Technik stehen geblieben. Ein weiterer Punkt, den diese Richtlinie vorsieht, ist doch tatsächlich ein Verbot der privaten Nutzung des Internets während der Plenarsitzungen. Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wie soll das eigentlich aussehen? Wie soll das eigentlich durchgesetzt werden? Soll der Herr Präsident hier durch die Reihen laufen? Oder erwarten Sie, dass Sie sich gegenseitig über die Schultern gucken, anschwärzen und denunzieren, wenn jemand das Internet privat genutzt hat?

(Zuruf Abgeordnete Serpil Midyatli [SPD])

Oder wollen Sie etwa, dass der Abgeordnete selbst reuig nach vorn tritt und sagt: Ich habe eine SMS von meiner Frau gelesen, tut mir leid, das war ein Verstoß?

Dieses Verbot der privaten Nutzung kann überhaupt nicht funktionieren. Das ist eine Selbstverständlichkeit, das gehört zum Anstand, so etwas kann man nicht aufschreiben und nicht mit Zwangsmitteln durchdrücken.

(Beifall PIRATEN, Abgeordnete Barbara Ostmeier [CDU], Birgit Herdejürgen [SPD] und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Darüber muss man sprechen, einen Dialog aufnehmen und sich einigen.

(Beifall PIRATEN, vereinzelt SPD, Beifall Abgeordnete Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Christopher Vogt [FDP])

Genauso ist es mit einem anderen Punkt. Wir haben im Ältestenrat Gespräche geführt, wo wir uns nähergekommen sind, wo ich Angebote gemacht habe, wie man zum Beispiel dem Problem des fehlen

(Dr. Patrick Breyer)

den Sichtkontakts abhelfen könnte, wie man mit dem Problem Fotos aus dem Plenum umgehen könnte. Sie sind auf diese Vorschläge überhaupt nicht eingegangen, sondern wollten die von vornherein feststehende Richtlinie, die uns übrigens bis dahin nicht bekannt war, einfach wortgleich durchdrücken. Das heißt, ein Dialog darüber hat nicht stattgefunden.

Wenn Sie wirklich wissen wollen, was im Plenum ablenkt und stört, brauchen Sie sich nur selbst zuzuhören - das sind Sie selbst. Die Gespräche, die wir führen, wenn wir nicht da sind, wenn wir Zeitung lesen - das stört wirklich im Landtag und nicht, wenn jemand hier einen Laptop aufgeklappt hat und mitschreibt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wenn man nicht da ist, kann man nicht stören! - Zuruf Abge- ordneter Lars Harms [SSW])

Das ist überhaupt nicht das Problem. Es geht um parlamentarische Kultur. Darüber kann man nur im Dialog sprechen und nicht mit Zwangsandrohungen.

(Beifall PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe nicht nur aus meiner Fraktion kritische Stimmen gehört. Ich will, dass sich jede Einzelne und jeder Einzelne von Ihnen noch einmal Gedanken darüber macht, ob das, was hier beantragt worden ist, wirklich der richtige Umgang in einem Parlament ist - ein Technikverbot, die Schaffung eines Geheimrats. Ich beantrage deswegen im Namen der Fraktion der PIRATEN eine namentliche Abstimmung über diese Frage. Wir haben im Ausschuss lernen dürfen, es sei nicht erforderlich, die Antragsrechte auszuweiten, weil das ein Parlamentsrecht sei, dem ohnehin alle zustimmen. Ich bin gespannt, ob Sie das tun.

Ich hoffe, dass sich gerade die jüngeren Abgeordneten unter Ihnen und insbesondere auch die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen einmal nicht - anders als so oft in der Vergangenheit - vermeintlichen parlamentarischen Zwängen beugen, sondern wirklich inhaltlich darüber abstimmen, ob das das ist, was gelten soll: eine rückständige, technikfeindliche Verbotsorgie aus der Steinzeit des Parlamentarismus. Ich bitte Sie, dem eine klare Absage zu erteilen.