Ich will Ihnen darauf antworten, dass es bei dem bleibt, was ich eingangs gesagt habe: Es gibt keinen Anspruch auf ein Pairing. Wenn jemand in der Mehrheit fehlt, muss die Mehrheit das regeln.
Insofern kann man diese Attitüde, die hier in der Debatte auftaucht, es sei unfair, nicht zu pairen, so nicht stehenlassen. Ein Pairingabkommen ist eine faire und - wie ich finde - auch eine gute Geschichte, aber sie kann nur von beiden Seiten mit Leben erfüllt werden.
Ich möchte kurz zwei Punkte ansprechen, die in der Debatte noch nicht zum Tragen gekommen sind. Eines vorweg: Ich finde die Initiative, die wir jetzt starten, gut. Ich finde auch das Papier gut. Es gibt aber sicherlich eine ganze Reihe von weiteren Punkten, die in dieser Diskussion auch eine Rolle spielen. Wenn wir über Menschen reden, die nicht zur Wahl gehen, dann nehme ich immer wieder wahr, dass es Menschen gibt, die ihr Nichtwählen damit begründen, dass sie sagen: Es kommt ja nicht zur Entscheidung, es wird nicht entschieden, es wird nicht zeitnah entschieden.
Das ist am Ende auch eine Frage - der Kollege Stegner nutzte das Stichwort Wahlrecht -, die wir an dieser Stelle sehr ernsthaft diskutieren müssen. Der Trend zu sagen, wir wollen ein möglichst gerechtes Wahlsystem und Wahlrecht in der Hinsicht, dass die letzte Stimme Berücksichtigung findet, so wie es von den PIRATEN angesprochen wurde, ist ein Wert, er geht aber zulasten von Entscheidungsfähigkeit der Parlamente. Es gibt viele Bürgerinnen und Bürger, die sich nach der Wahl beschweren: Ich weiß ja gar nicht, was dabei herauskommt, wenn ich Partei X oder Y gewählt habe. Das wird natürlich nicht besser, wenn sie am Ende einen Koalitionsvertrag von zwei, drei oder vier Parteien vor sich liegen haben, aber zuvor in das Programm einer Partei geschaut und deswegen ihre Stimme abgegeben haben.
in den deutschen Bundesländern umsehe und sehe, mit welcher Ausstattung - damit meine ich jetzt nicht die Diäten, sondern die Ausstattung der Landtage und der Abgeordneten -, Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern unterwegs sind, dann wird klar, dass diese Kolleginnen und Kollegen auch andere Möglichkeiten in ihren Wahlkreisen und im Land haben, als Parlamentarier aufzutreten.
Die nächsten Wortmeldungen kommen von den Abgeordneten Erdmann, Meyer und Dr. Bohn. Wir setzen die Beratungen fort. - Frau Abgeordnete Anke Erdmann von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN leistet jetzt einen Dreiminutenbeitrag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf ein paar Punkte eingehen. Vorhin waren Nichtwählerinnen und Nichtwähler ein größeres Thema. Ja, man sollte es nicht hochstilisieren. Es gibt verschiedene Gründe, aus denen Menschen nicht wählen, Bequemlichkeit und Frust sind die einen. Aber von genereller Dummheit zu reden, finde ich schwierig. Es gibt durchaus Menschen, die ihre Nichtwahl besser begründen können als andere ihre parteipolitische Wahlentscheidung.
Da muss man sehr genau hinhören, warum sich bestimmte Leute manchmal sehr begründet abwenden. Viele machen es aber aus Bequemlichkeit, aus Frust und Desinteresse. Ich habe aber schon sehr interessante Diskussionen mit dezidierten Nichtwählerinnen und Nichtwählern geführt.
Die PIRATEN haben auf ihre Parteigründung Bezug genommen. Wolfgang Dudda hatte vorhin auf Herrn Kubicki reagiert und gesagt, wir sollten in zweieinhalb Jahren die Wahlbeteiligung erhöhen. Ich glaube, das ist nicht der Punkt. Niemand streitet ab, dass die PIRATEN gegründet worden sind, weil es ein grundsätzliches Unbehagen am Politikstil gegeben hat. Das ist auch nicht die erste Parteigründung, die aus diesem Grund erfolgt ist.
Die Frage ist - so habe ich auch Herrn Kubicki verstanden -: Woher haben Sie Ihre Wählerinnen und Wähler gewonnen? Ich habe mir das nach den
Wahlen immer sehr genau angeschaut, weil ich wissen wollte: Geht man jetzt in neue Schichten? Man kann sagen: Sie haben relativ wenig aus dem Bereich der Nichtwählerinnen und Nichtwähler rekrutiert, sondern von anderen Parteien. Das ist völlig legitim. Die Frage, ob es gelungen ist, über den Stil der PIRATEN neue Wähler an die Politik zu binden, bleibt offen.
Kollegin Erdmann, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Gründung einer Partei aus Frust oder dem Nichteinverstandensein mit den Verhältnissen etwas komplett anderes ist, als gewählt zu werden. Wir meinen Folgendes: Wir sind daraus entstanden, dass junge Leute damit unzufrieden waren, wie Demokratie Ihrer Meinung nach funktionierte. Sie wollten sie erneuern. Gewählt sind wir - das ist tatsächlich so - aus allen Schichten, aus allen Kreisen, von der CDU bis zur SPD, von überall. Das ist der Unterschied.
- Herr Dudda, wir haben da gar keinen Dissens. Ich finde es absolut legitim. Es ist die beste Tugend, wenn man mit etwas unzufrieden ist zu sagen: Ich engagiere mich und gründe eine neue Partei. Das steht gar nicht in Abrede. Ich wollte auf das eingehen, was Herr König gesagt hat. Es ist aber offensichtlich nicht gelungen, die Nichtwählerinnen und Nichtwähler anzusprechen. So habe ich Herrn Kubicki vorhin verstanden.
Herr Garg hat über Klischees gesprochen. Auch ich möchte darauf hinweisen. Die Trennung zwischen „die Politik“ und „die Bürgerinnen und Bürger“ ist etwas, was wir auch hier hatten. Wir alle, die wir hier sitzen, sind Bürgerinnen und Bürger.
Wir machen dieses Spiel mitunter mit. Meines Erachtens ist der klare Verweis vieler Leute, die sagen, „die Bürger“ seien politikverdrossen und hätten kein Vertrauen in „die Politik“ auch ein Entlastungselement, weil Demokratie verdammt anstrengend ist. - Ich sehe jetzt Herrn Breyer am Mikrofon.
Gerade Sie versuchen, an vielen Stellen die Mühe des Arguments aufzunehmen. Das ist natürlich eine anstrengende Veranstaltung. Aber Sie wollten eigentlich etwas fragen.
Ich würde gern die Mühe des Arguments aufnehmen, Frau Kollegin, weil Sie auf den Punkt der Nichtwähler insistiert haben. Ist Ihnen bekannt, dass bei der letzten Landtagswahl hier in Schleswig-Holstein alle hier im Landtag vertretenen Parteien sozusagen an Nichtwähler abgegeben haben, an Menschen, die früher für diese Parteien gestimmt haben, aber nicht mehr zur Wahl gegangen sind, und dass der Piratenpartei als einziger Partei immerhin 10.000 oder 11.000 Menschen, die vorher nicht gewählt haben, ihre Stimme gegeben haben? Darunter waren sicherlich auch Menschen, die vorher für eine andere Partei gestimmt haben; das ist richtig. Wir aber haben es geschafft, als demokratische Partei viele Nichtwähler zu gewinnen, eben auch - wie Umfragen zeigen - deswegen, weil sie sich eine neue, eine andere Art, Politik zu machen, erhofft haben. Mein Punkt in der Rede ist gewesen, dass es sich deswegen lohnt, uns zuzuhören, welche Vorschläge wir machen, um den Nichtwählern entgegenzukommen.
Der Punkt ist deutlich geworden, Herr Dr. Breyer. Darum ging es mir nicht. Mir ging es um den Habitus des Kollegen König, der gesagt hat: Wir sind sozusagen aus dem Frust entstanden. Die Motivation, aus der eine Partei gegründet wurde, will ich hier gar nicht in Abrede stellen. Das kann man gut oder schlecht finden. Ich finde es eine gute demokratische Veranstaltung. So ist es gedacht.
Die Frage ist, ob es wirklich gelungen ist, Leute zu binden. Ich habe mir deshalb genau angeschaut, woher die Wählerströme kommen. Ich fand Sie beispielsweise im ersten Berlin-Wahlkampf cool und fetzig. Ich habe Sie nicht gewählt, aber die B-Note war gut. Für mich war interessant zu gucken, ob damit mehr Leute, die momentan politikfern sind, an die Politik kommen. Meine Erwartungen wären vielleicht etwas höher geschraubt gewesen als Ihre. Ich hätte nämlich gedacht, vielleicht passiert etwas. Aber es ist nicht signifikant etwas geschehen. Ich weise Ihnen aber nicht die ganze Last zu, dass die Wahlbeteiligung steigen muss. Das ist nicht der Punkt. Ich wollte mit der These brechen und an das anknüpfen, was Wolfgang Kubicki hier gesagt hat.
Noch einmal: „Die Politik“ und „die Bürgerinnen und Bürger“ sind nicht getrennt. Ich möchte auch nicht, dass wir das in dieser Diskussion voneinander erwarten. Wir sind Bürgerinnen und Bürger, die auf Zeit Politik machen,
einige kürzer, andere gehören fast zum Inventar. Aber das kann doch uns allen nicht absprechen, dass wir Bürgerinnen und Bürger sind. Wir sollten diese Trennung nicht selber noch unterstreichen. Da bin ich sehr bei Herrn Garg. Wir sollten nicht anfangen, Klischees zu bedienen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt noch einen Aspekt, den ich gern ansprechen möchte. Wenn ich gerade in der Kommune mit den Menschen rede, merke ich gar nicht so sehr das Gefühl, dass gesagt wird: „Ihr Politiker tut sowieso das, was Ihr wollt“, sondern ich erlebe vielmehr, dass gesagt wird: „Es ist egal, was Ihr wollt, Ihr könnt es ja doch nicht durchsetzen“. Man muss dann wirklich einmal über die Strukturen reden, darüber, ob die kommunalen Strukturen noch zeitgemäß sind. Wenn wir wirklich Demokratie wollen, müssen Kommunen eine Größe und eine Befugnis haben, dass Politik auch machbar ist.
Da haben wir ein ganz großes Problem. Wenn wir es mit mehr Demokratieverständnis ernst meinen, müssen wir auch einmal den Mut haben und die Frage stellen: Sind Kommunen mit 1.100 Einwohnern in Schleswig-Holstein zeitgemäß? Fördern wir damit wirklich den demokratischen Gedanken, den wir gern haben wollen? - Jo tak.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist doch so, dass mich der Redebeitrag des Kollegen Bernstein veranlasst hat, mich für meine Fraktion zu Wort zu melden. Es ging um das Pairing in der letzten Legislaturperiode, aber auch in dieser Legislaturperiode. Ich kann für uns Grüne nur sagen, dass wir uns ausdrücklich dafür bedanken, dass die CDU beim Pairing sehr zuverlässig ist und sich immer daran gehalten hat. Es ist so gewesen, dass ich am Anfang der Legislaturperiode darauf hingewiesen worden bin, dass es in der Vergangenheit Missverständnisse gegeben hat. Die haben wir unter den Parlamentarischen Geschäftsführern geklärt.
Insofern kann ich nur sagen: Ich würde es sehr bedauern, wenn irgendwann einmal Bilder aus dem Landtag irgendwo hingehen, Herr Kollege Kubicki, die zeigen, dass eine Kollegin oder ein Kollege von der SPD krank ist und trotzdem zu einer Abstimmung erscheint. Ich denke, das wollen wir alle nicht.
Wir haben immer nicht nur gesundheitliche, sondern auch wichtige persönliche Angelegenheiten gepairt; das würden wir auch, falls wir irgendwann wieder einmal in der Opposition sein sollten, was hoffentlich lange nicht der Fall sein wird, selbstverständlich weiter so machen.
Ich wünsche FDP und SPD - nicht nur, weil es kurz vor Weihnachten ist -, dass sie beim Pairing doch noch wieder zueinanderkommen. - Vielen Dank.