Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

(Beifall PIRATEN und Wolfgang Kubicki [FDP])

Frau Kollegin von Kalben hat gesagt, dass Sie mit Ihrem Antrag nie den Anspruch erhoben hätten, die Wahlbeteiligung erhöhen zu wollen. Da möchte ich doch einmal aus Ihrem Antrag zitieren:

„Die Beschränkung im Wesentlichen auf Maßnahmen zur Steigerung der Wahlbeteiligung stellt dies nicht in Abrede.“

Das heißt, Sie erheben sehr wohl den Anspruch, dass Ihre Maßnahmen der Steigerung der Wahlbeteiligung dienen sollen, und dieses Ziel werden Sie eben mit diesem Antrag nicht erreichen. Deswegen gehen Sie am Kern des Problems vorbei.

(Beifall PIRATEN)

Ich finde es schade, dass die Kollegin von Kalben schon jetzt sagt, eine Enquetekommission würde ohnehin keine Einigung bringen. Wir haben doch über viele Themen noch gar nicht diskutiert und gesprochen, die in unserem Antrag angesprochen sind: Beteiligungschancen und -gerechtigkeit, Online-Beteiligung, Beteiligung an Planungsprozessen, Bürgerhaushalte.

(Zuruf Lars Harms [SSW])

- Herr Kollege, in Rheinland-Pfalz hat man eine Enquetekommission zur Bürgerbeteiligung eingesetzt, Rot-Grün übrigens. Die haben sich gemeinsam auf sehr viele Ergebnisse geeinigt.

Herr Abgeordneter Dr. Breyer!

Ich muss zum Schluss kommen. - Deswegen stimmt es auch nicht, Herr Kollege Lars Harms, dass wir in diesen Antrag nur unsere Vorstellungen hineingepackt hätten. Da findet sich sehr viel von dem wieder, was in Rheinland-Pfalz diskutiert worden ist.

Ich darf abschließend beantragen, Herr Präsident, über den ersten Absatz des Änderungsantrags der FDP getrennt abzustimmen, weil wir dem definitiv zustimmen können. Der Rest - so fürchte ich nimmt viel von dem vorweg, was erst das Ergebnis

(Lars Harms)

der Beratungen einer Enquetekommission sein könnte.

(Beifall PIRATEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

(Unruhe)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kollege Günther, Herr Kollege Stegner, ich weiß nicht, ob ich mich für das Lob bedanken soll. Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, dass Demokraten sich zusammensetzen und miteinander über eine Sache sprechen, die wir im Grunde genau gleich bewerten, nämlich das Erschrecken und die Besorgnis darüber, dass sich offensichtlich immer weniger Menschen für Politik, für Wahlbeteiligung - in welcher Form auch immer - interessieren. Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, dass das zu sagen möglich sein muss.

Genauso selbstverständlich ist es auch - die Erfahrung macht man, ich nehme an, die haben Sie auch schon einmal in Ihrem politischen Leben gemacht -, dass das, was an Ergebnissen herauskommt, in der eigenen Fraktion mehrheitlich anders bewertet wird. Auch das gehört zum demokratischen Prozess dazu. Das ist keine Niederlage, sondern das ist dann die inhaltliche Auseinandersetzung in der Abwägung, was wichtiger ist: ein gemeinsames Signal zu senden um des Signals Willen - das wäre meine persönliche Position gewesen - oder in der Tat zu sagen: Das reicht uns nicht, wir wollen an dieser Stelle deutlich mehr. Ich habe damit kein Problem.

Womit ich ein Problem habe, Herr Kollege Breyer, ist der Anspruch, ein gutes Jahr vor der nächsten Landtagswahl jetzt eine Enquetekommission einzurichten. Mir geht es an der Stelle vor allem darum, ganz klar zu sagen: Wir sind eigentlich weiter als vor der Einrichtung einer Enquetekommission. Sie wollen das in der Tat in einer Phase machen, die bereits wieder in den Wahlkampf hineinläuft; ich denke aber, wir können uns mit anderen, mit praktischeren Dingen beschäftigen als mit der Diskussion über Dinge, die wir seit mindestens eineinhalb Jahren sehr intensiv miteinander besprochen haben.

Ich weiß gar nicht, wer es war, ich glaube, der Kollege Lars Harms oder die Kollegin von Kalben haben gesagt: An so etwas kann man in der nächsten Legislaturperiode einmal denken, möglicherweise

dann aber zu Beginn der Legislaturperiode und nicht zum Ende. Vor diesem Hintergrund werden wir Ihrem Antrag auf Einrichtung einer Enquetekommission nicht zustimmen.

Ich bitte um alternative Abstimmung der Anträge der Koalitionsfraktionen und der Union einerseits und des FDP-Antrags anderseits.

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich respektiere das, was der Kollege Dr. Garg eben gesagt hat. Aber da wir jetzt ein Abstimmungsverfahren anwenden werden, bei dem im Grunde genommen die Anträge zur alternativen Abstimmung gestellt werden, wirkt es so, als sei die Position des einen Teils des Hauses, man müsse einmal ein paar technische Maßnahmen umsetzen, und die andere, man müsse sich um die Substanz der Demokratie kümmern. - Das ist ein falscher Eindruck, und der sollte auch nicht erweckt werden. Deswegen fand ich den Beitrag des Kollegen Dr. Klug ein wenig hochmütig vor dem Hintergrund, dass wir hier intensiv darüber geredet haben, wo unsere gemeinsame Verantwortung liegt.

Gerade in dieser Zeit einer Herausforderung, die für unser Land sehr groß ist, in der wir leidenschaftlich miteinander streiten, in der ganz vieles auf den Straßen stattfindet, für das ich mich schäme - wenn Galgen aufgerichtet werden und andere Dinge -, wo wir also wirklich über legitimen Umgang und mit leidenschaftlichem Streit in der Sache debattieren, sind wir uns im Haus doch einig darin, dass es in der Substanz um die Demokratie geht.

Das dann dagegenzustellen, dass es so wirkt, als machten die einen das Klein-Klein und die anderen seien die großen Demokraten - das, so finde ich, ist ein irreführender Eindruck. Wir müssen den Antrag in alternativer Abstimmung dann ablehnen, wenn wir so verfahren. Aber ich finde das falsch. Ich finde das außerordentlich schade, Herr Kollege Dr. Klug. Natürlich gibt es manchmal Anträge, bei denen man nicht zusammenkommt. Aber es ist kein beliebiger Sachantrag, über den wir hier reden. Deswegen bitte ich die FDP, noch einmal in sich zu gehen, ob sie wirklich das Signal senden will, dass sie nicht auf der Seite von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und SSW ist, also bei denjenigen, die sagen: in diesem Verständnis tun wir das. Ich finde

(Dr. Patrick Breyer)

das außerordentlich schade. Sie sollten wirklich einmal in sich gehen, denn das ist kein gutes Bild, das am Ende hier entstünde, wenn das hier gegenübergestellt würde. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dass diese Form der moralischen Appelle, Herr Dr. Stegner, völlig unangemessen ist bei dem Thema, über das wir uns unterhalten.

(Beifall FDP und PIRATEN)

Das ist genau die Form von Politik, die die Menschen nicht mehr mögen. Ich bin auch begeistert, mit welcher Selbstzufriedenheit Sie hier auftreten und sagen: Wir haben nach eineinhalb Jahren Diskussion Großes geleistet, was, wenn man sich das genauer ansieht, nichts anderes ist als der kleinste gemeinsame Nenner, auf den man sich hier hat verständigen können. Das trifft das Problem überhaupt nicht.

(Beifall FDP und PIRATEN)

Diese Form der Selbstzufriedenheit und Selbstgefälligkeit haben wir übrigens auch bei Parteien: Meine Partei ist regelmäßig auf Parteitagen der Ansicht, wir müssten Anträge beraten, die völlig schwachsinnig sind, weil der Mensch, der sich damit beschäftigt habe, lange daran gearbeitet habe. Als sei das ein Argument. Das Problem, vor dem wir stehen - das ist meine große Sorge, darüber werden wir morgen debattieren -, ist, dass das Vertrauen in die demokratischen Institutionen Schaden nimmt, weil wir den Menschen dauernd vorgaukeln, wir hätten Problemlösungen. In Wahrheit liefern wir ihnen nur Placebos.

(Beifall FDP und PIRATEN)

Gott bewahre uns davor, dass Menschen einmal etwas hinterfragen. Der Antrag lautet: Demokratie lebt auch von Wahlbeteiligung. - Stimmt. Und er ist darauf ausgerichtet, die Wahlbeteiligung anzuheben. Das steht ja hier. Aber ich sage Ihnen: Keine der Maßnahmen wird dazu führen, dass die Wahlbeteiligung angehoben wird.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt FDP)

Die Wahlbeteiligung wird angehoben, wenn wir das hat der Kollege Dr. Klug richtig gesagt - uns mit den Problemen der Menschen auseinandersetzen und ihnen nicht den Eindruck vermitteln, wir hätten erstens schon immer Patentlösungen für alles und zweitens, so schnell hingeworfene Geschichten - dazu kommen wir morgen noch - würden dazu beitragen, den Menschen ihre Sorgen zu nehmen und die Probleme wirklich zu lösen.

Das ist das Problem. Wenn Sie sich heute einmal die Forsa-Umfrage ansehen, dann stellen Sie fest, dass eine weitere Abwendung von den demokratischen Institutionen zu verzeichnen ist, weil Menschen in Wahlenthaltung gehen, weil sie das Vertrauen verloren haben. Wir gewinnen Vertrauen nicht zurück, wenn wir uns unterhaken und sagen, wie toll wir sind, sondern wir gewinnen Vertrauen zurück, wenn wir die Leute mit ihren Problemen ernst nehmen und das auch debattieren.

(Beifall FDP und PIRATEN)

Es gilt der Grundsatz - das wissen Sie auch, Sie sind wie ich lange genug im Parlament - für uns auch: Auch wenn wir etwas für falsch halten, arbeiten wir trotzdem daran, um das noch etwas zu verbessern. Das heißt, auch bei den Beratungen zur Finanzmarktstabilisierung und bei den Beratungen zur HSH Nordbank haben wir gesagt: Der eingeschlagene Weg ist falsch, aber wenn ihr diesen Weg beschreitet, dann wenigstens so, dass er noch einigermaßen akzeptabel sein kann, ohne dass wir dann zustimmen müssen. - Das ist mein parlamentarisches Verständnis - übrigens auch als Jurist -, dann dazu beizutragen, dass falsche Formulierungen im Sinne der Antragsteller richtiggestellt werden. Deshalb haben wir uns beteiligt. Wir waren bei uns in der Fraktion - der Kollege Garg mag mir das nachsehen - immer mehrheitlich der Auffassung, dass der eingeschlagene Weg - diese technischen Lösungen - unseren Vorstellungen nicht entspricht, wir haben trotzdem gesagt: Wir wollen uns dem nicht entziehen. - Es sind einige Vorschläge, die wir unterbreitet haben, die auch aus unserer Sicht sozusagen den technischen Teil verbessert haben, aufgenommen worden, was aber nichts an der grundsätzlich falschen Haltung ändert. Dieser Antrag leistet keinen Beitrag zur Anhebung der Wahlbeteiligung. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und PIRATEN)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Daniel Günther.

(Dr. Ralf Stegner)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich kurz zur Wort gemeldet, weil ich die Sorge hatte, wenn die FDP jetzt hintereinander alle Abgeordneten nach vorn schickt und die sich gegenseitig in Rage über diesen Antrag reden, dass hinterher wirklich nicht mehr viel von dem übrig bleibt, was wir hier eigentlich mit der Debatte heute zum Ausdruck bringen wollen.

Herr Kollege Kubicki, ich hatte eben auch das Gefühl, dass Sie eher über den FDP-Antrag reden als über den Antrag, den CDU, SPD, Grüne und SSW eingebracht haben. Denn in Wahrheit ist ja der FDP-Antrag einer, der uns in der Sache überhaupt nicht weiterhilft. Es sind wirklich Punkte enthalten, die man guten Gewissens überhaupt nicht ablehnen kann, aber das sind einfach - so sage ich es einmal allgemeine Befunde, die sicherlich richtig sind. Aber es wird die Wahlbeteiligung um keinen einzigen Deut nach oben gefahren, wenn wir hier miteinander solche Debatten über solche Anträge führen.

Ich finde, Sie haben in Teilen auch eine Phantomdebatte geführt, weil ich ehrlich gesagt von keinem Einzigen, der für diesen gemeinsamen Antrag ist, irgendwann einmal eine Formulierung gehört habe, dass wir gesagt hätten: Wenn das jetzt alles umgesetzt wird, ist das der entscheidende Schlüssel, damit die Wahlbeteiligung besser wird.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das hat doch kein Einziger für sich in Anspruch genommen, wirklich!

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)