Protokoll der Sitzung vom 11.12.2020

Ich hoffe, dass wir uns jetzt zügig im Ausschuss dieses Themas annehmen und nicht wieder ein Jahr warten.

(Beifall FDP, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen Sie bitte jetzt zum Schluss!

Ich möchte nicht, dass dieses Thema wieder ein Jahr im Ausschuss versauert. - Ich wünsche euch allen Frohe Weihnachten.

(Beifall FDP, SSW und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Vorsitzende Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Finanziell sind unsere Tierheime nicht gerade auf Rosen gebettet, und das ist auch bekannt. Aus diesem Grund haben wir als SSW bereits bei den Haushaltsberatungen für 2019 eine Erhöhung der Zuschüsse für Tierheime gefordert - für den Betrieb sowie für investive Maßnahmen. Mit Erfolg, denn seitdem bekommen unsere Tierheime für diese Maßnahmen mehr Landesmittel als früher zur Verfügung gestellt. Damit haben sie Planungssicherheit gewonnen, was schon einmal gut ist. Nichtsdestotrotz wissen wir, dass die Tierheime immer noch mit erheblichen Finanzierungsproblemen zu kämpfen haben und sie den Löwenanteil immer

noch aus Fördermitteln und insbesondere Spenden generieren müssen. Das ist eine Erkenntnis, die wir aus der Anhörung mitgenommen haben. Zudem stehen die Tierheime, gerade in diesem Jahr - wie viele andere auch - coronabedingt vor dem Problem, dass sie kaum Spenden sammeln können, weil sie vor Ort keine entsprechenden Aktionen durchführen können oder dürfen. Damit fallen für sie wichtige und erhebliche Einnahmen weg.

Das Land hat bereits im Frühjahr auf die Lage reagiert und eine Förderrichtlinie geändert - zur Überbrückung von Engpässen. Das soll heißen: Tierheime, die aufgrund der aktuellen Lage in Not geraten, können so Fördermittel für Futter, Streu oder tierärztliche Behandlungen beantragen. Damit können sie zumindest vorläufig die Situation retten. Ohne Frage ist das für die Tierheime eine gute Hilfe.

Es macht aber auch deutlich, wie verwundbar die finanzielle Situation der Tierheime ist. Auch das ist eine Erkenntnis, die wir zuletzt aus der Anhörung mitgenommen haben. Das Problem ist struktureller Natur. Die Kommunen als zuständige Fundbehörde sind für die Verwahrung von Fundsachen verpflichtet. Nach § 90 a BGB sind Tiere keine Sachen, aber sie sind rechtlich wie Sachen zu behandeln. Nach dem Tierschutzgesetz sind Fundtiere ordnungsgemäß zu versorgen, unterzubringen und zu betreuen.

Damit sind die Kommunen in der Pflicht. Diese Aufgaben haben die Kommunen im vertraglichen Rahmen dann an die Tierheime weitergegeben und entsprechende Vereinbarungen mit den privaten Trägern der Tierheime geschlossen. In der Richtlinie zur Verwahrung von Fundtieren von 1994 gibt es eine Vierwochenpflicht für die ordnungsgemäße Betreuung von Fundtieren. Danach wird das Tier dem Tierheim überlassen. Wie wir wissen, ist die Richtlinie seit Ende 2013 außer Kraft, aber es wurde immer noch alles so gehandhabt.

Mittlerweile ist deutlich geworden, dass das bisherige System für die Tierheime und deren Träger finanziell nicht mehr tragbar ist. Aus der Anhörung wurde vonseiten der Tierheime beziehungsweise deren Träger der klare Wunsch nach einer neuen Richtlinie geäußert, die insbesondere einen längeren Zeitraum als 28 Tage vorsieht. Um es deutlich zu sagen: Der SSW kann einer solchen Forderung durchaus folgen. Mit dem vorliegenden Antrag unterstützen wir das auch gemeinsam mit der SPD.

Die maximale Aufbewahrungsfrist für Fundsachen beträgt sechs Monate. In unserem Antrag verzichten wir auf die Nennung einer Frist zur Aufbewahrung, wir lassen hier den betroffenen Experten

Spielraum, um im Rahmen von Verhandlungen eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten. Aber klar sollte sein: Rechtlich gesehen sind die Kommunen verpflichtet, die Tiere bis zu sechs Monate unterzubringen.

(Annabell Krämer [FDP]: Dauerhaft!)

Wenn wir es jetzt also ein bisschen zulassen und sagen, wir seien gerne bereit zu verhandeln, dann müssen sich die Kommunen auch ein bisschen bewegen.

(Beifall SSW, Stefan Weber [SPD] und An- nabell Krämer [FDP])

Es kann nicht angehen, dass die dann sagen, sie machten es 35 Tage, sondern dann muss das schon sehr lange sein, damit die Tierheime wirklich ordentlich entlastet werden.

Wenn ich mir die gesamten politischen Initiativen und Verläufe seit 2018 im Parlament bezüglich der Tierheime anschaue, bin ich durchaus zuversichtlich, dass wir hier mit dem Antrag eine gute Grundlage geschaffen haben. Wir erhoffen uns natürlich, dass es relativ schnell geht, denn wir brauchen eine schnelle Regelung. Wir dürfen nicht zu lange warten, es darf sich nicht zu lange hinziehen.

Im Zweifel: Der Bund hat uns Vorgaben gemacht, wir haben eine rechtliche Grundlage, und wir haben eine rechtliche Situation. Wenn die Kommunen nicht mitspielen, sollten wir auch einmal hart durchgreifen und den Tierheimen und vor allen Dingen den Tieren helfen. Um die geht es nämlich eigentlich. Deswegen brauchen wir diese Richtlinie schnell. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und Beifall An- nabell Krämer [FDP])

Das Wort für die Landesregierung hat die Ministerin für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung, Dr. Sabine Sütterlin-Waack.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir haben zu Hause einen Hund. Deshalb kann ich gut verstehen, dass dieses Thema so emotional diskutiert und debattiert wird. Ich frage mich - wahrscheinlich wie viele von Ihnen auch -: Wie kann man es überhaupt übers Herz bringen, einen Hund, ein Tier auszusetzen oder sei

ne Haustiere verwahrlosen zu lassen? - Ich bin froh, dass es Tierschutzvereine oder Tierheime gibt, die sich um diese Tiere kümmern. Ich bin allen dankbar, die sich auch ehrenamtlich darum kümmern, die Tiere aufzupäppeln, gesund zu pflegen oder in ein gutes Zuhause zu vermitteln.

(Vereinzelter Beifall SPD, Beifall Jörg Han- sen [FDP] und Doris Fürstin von Sayn-Witt- genstein [fraktionslos])

Ich finde, die lebhafte Diskussion hier heute im Plenum, aber auch im Umwelt- und Agrarausschuss haben gezeigt, dass das Thema Fundtiere nicht nur mich berührt, sondern uns alle.

Trotz der nachvollziehbaren Emotionalität springe ich noch einmal mit Ihnen gemeinsam ein Stückchen zurück, um das Thema ein bisschen zu beleuchten. Seit jeher kümmern sich Tierheime und Kommunen gemeinsam um die Aufnahme und Pflege von Fundtieren. Wenn eine Kommune nicht über die geeigneten Möglichkeiten verfügt, Fundtiere unterzubringen, kann sie die Tierschutzvereine oder die Tierheime mit dieser Aufgabe betrauen. Die Kommunen - das haben wir gehört - übernehmen grundsätzlich die Kosten für die Verwahrung und die Pflege der Fundtiere. Das ist gelebte Praxis hier bei uns in Schleswig-Holstein.

Wenn wir jetzt über eine neue Fundtierrichtlinie sprechen, erinnere ich daran, dass die entsprechende Richtlinie von 1994 stets empfehlenden Charakter hatte. Auch die viel zitierte 28-Tage-Regelung zur Kostenerstattung hatte nur empfehlenden Charakter. Im Endeffekt ermöglichte die Richtlinie den Kommunen und den Tierschutzvereinen, Art und Umfang der Kostenerstattung einvernehmlich und eigenverantwortlich zu regeln.

Das ist nach unseren Erkenntnissen auch oft so geschehen. Auf diesem Wege konnten die unterschiedlichen Bedarfe der Tierheime individuell berücksichtigt werden, denn vor Ort wissen die Akteurinnen und Akteure am besten, auf welche Besonderheiten Rücksicht zu nehmen ist und in welchem Umfang eine Erstattung von Kosten angemessen ist.

In vielen Fällen haben die Kommunen mit den Tierheimen aus Vereinfachungsgründen Pauschalvereinbarungen geschlossen. Wir stellen diese Vereinbarungen nicht infrage. Wir möchten auch nicht in die einvernehmlichen Absprachen zwischen den beteiligten Akteurinnen und Akteuren eingreifen. Die Lage bei den Tierheimen und auch die jeweilige Ausstattung sind sehr unterschiedlich. Deshalb können wir die jeweilige Situation nicht mit einer allge

(Lars Harms)

meinverbindlichen Richtlinie lösen, zumal die neue Richtlinie auch nur wieder empfehlenden Charakter hätte.

Klar ist aber auch: Wo die finanziellen Mittel für die Fundtierunterbringung nicht ausreichen, muss nachverhandelt werden, müssen neue Lösungen gefunden werden. Ich habe gehört, dass es eine große Unsicherheit zu vielen Fragen gibt: zur Dauer einer Kostenerstattung durch die Kommunen, zur Kostenaufteilung zwischen Tierheimen und Kommunen und zum Umfang der Abrechnung, also zur Spitzabrechnung oder Pauschalsätzen.

Deshalb ist es gut, wenn alle Akteurinnen und Akteure bereit sind, den Dialog zu diesen Fragen fortzuführen. Ich stehe gern bereit, wir haben das schon gehört, zusammen mit dem MELUND ein ergebnisoffenen Runden Tisch zu initiieren und zu moderieren.

(Vereinzelter Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier können wir dann gemeinsam die Belange des Tierschutzes und die Fragen der Kostenerstattung miteinander in Einklang bringen. Es ist auch möglich, dass wir am Ende eine neue Richtlinie auf den Weg bringen. Allerdings sollten wir das ergebnisoffen mit den Beteiligten erörtern. Ich glaube, das hilft allen Beteiligten und letztlich auch den Tieren. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Beifall Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Zu einem Kurzbeitrag hat sich die Abgeordnete Annabell Krämer gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin, ich glaube, wir sind da gar nicht so weit auseinander. Das Problem, was ich habe - ich weiß nicht, wie ich damit durchdringen soll -, ist, dass bei den Verhandlungen zwischen den Kommunen und den Tierheimen gern auf die alte Richtlinie Bezug genommen wird. In den Tierheimen besteht teilweise der Glaube, dass es rechtens sei, wenn auf die 28 Tage abgestellt wird.

Das Problem ist aber: Man kann ein Eigentum an einem Tier aus Tierschutzgründen nicht aufgeben. Das heißt, dass kann man auch nach 28 Tagen nicht. Lieber Kollege Harms, es ist nicht einmal so, dass eine Eigentumsaufgabe nach sechs Monaten

möglich wäre. Nein. Das ist das Toxische. Deshalb begrüße ich diesen Runden Tisch ausdrücklich. Die Tierheime sind da gar nicht in einer Bittstellersituation.

Wenn man es sich ganz genau anschaut, dann sind die teuren Verwahrtiere diejenigen, die keiner haben möchte. Das ist nicht das niedliche Kätzchen und der kleine Hamster, das sind die gefährlichen Hunde - ich nenne sie einmal so - oder die kranken Tiere. Sie dürfen aus Tierschutzgründen kein Tier töten. Das ist auch gut so. Das steht im Tierschutzgesetz. Aber es gibt Tiere, die verursachen eklatant hohe Kosten. Wenn man sich nicht auf eine Pauschale einigt, die empfehlenden Charakter haben könnte, dann können die Kommunen gern herangezogen werden und für gefährliche Hunde fünf bis sechs Jahre aufkommen. Das ist richtig Geld. Es muss deshalb auch im Interesse der kommunalen Landesverbände sein, mit den Tierheimen in einen Dialog zu treten.

Wie komme ich auf die 90 Tage, die ich empfohlen habe? Ich habe gesagt: Eine Spitzabrechnung will keiner, das verursacht unglaublich hohe Kosten. Aber eine Pauschale, die sich an der durchschnittlichen Verweildauer für Säugetiere in den Tierheimen orientiert, ist ein gangbarer Weg. Das würde den Druck und die Last von den Tierheimen nehmen und Verlässlichkeit für die Kommunen bedeuten. Ich glaube, ein Säugetier bleibt im Durchschnitt 100 Tage, das hat man mir einmal im Tierheim gesagt. Wenn wir uns auf drei Monate einigen würden, dann ist das eine Zeit, zu der mir von den Tierheimen schon signalisiert worden ist, dass das ein gangbarer Weg wäre. Das würde die Angst nehmen, dass irgendwann ein Tierheim zumacht und die Kommunen vor dem Risiko stehen, die hohen Kosten selber tragen zu müssen.

Lassen Sie uns deshalb einfach das, was Recht ist, auch niederschreiben. Wir müssen tunlichst dafür sorgen, dass sich nie wieder auf eine Richtlinie bezogen wird, die das geltende Recht leider nicht abbildet. Wir als Rechtstaatsparteien sollten alle wollen, dass so etwas tunlichst vom Markt kommt.

(Beifall FDP)

Ich hoffe, ich konnte das hiermit noch einmal klarstellen. Die pauschale Lösung ist für alle die günstige und rechtssichere, sie schafft Verlässlichkeit. Ich glaube, das wäre ein schönes Signal für das neue Jahr. Packen wir es an, wenn es geht, ich bitte darum, zeitnah noch in diesem Jahr. - Danke schön.

(Beifall FDP und vereinzelt SPD)

(Ministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/2610 (neu) dem Umwelt- und Agrarausschuss sowie mitberatend dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf: